Kein Folientitel - Bundesamt für Gesundheit

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Suizidalität:
Foliensammlung für Fortbildungen
verschiedener Zielgruppen
Konzept:
David Althaus / Rita Schäfer / Ulrich Hegerl
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Ludwig-Maximilians-Universität München
Die Ausweitungspartner bundesweit
Flensburg
Wilhelmshaven
Ostfriesland
Bielefeld
Düsseldorf
Lübeck Rostock
Hamburg-Harburg
Schwerin
Gifhorn
Berlin
Magdeburg
Eisenhüttenstadt
Göttingen
Leipzig
Bad Wildungen
Bonn
Dresden / Kreischa
Aachen
Schwalm-Eder-Kreis
Gießen Wetteraukreis
Wiesbaden
Würzburg Bamberg
Mainz
Ansbach
Alzey Groß-Gerau
Erlangen Nürnberg
Cham
Fürth
Stuttgart
Regensburg
Neckar-Alb Ingolstadt
Augsburg
Göppingen Dillingen Wasserburg
Bad Grönenbach
Kempten
rot: Ausweitungspartner
blau: in Planung
Begriffsbestimmung
Definition von Suizidalität
Unter Suizidalität verstehen wir das Potential aller seelischen Kräfte und
Funktionen, das auf Selbstvernichtung tendiert
(Haenel u. Pöldinger 1986)
„Suizidalität ist die Summe aller Denk- und Verhaltensweisen von
Menschen oder Gruppen von Menschen, die in Gedanken durch aktives
Handeln, Handeln lassen oder passives Unterlassen den eigenen Tod
anstreben bzw. als mögliches Ergebnis einer Handlung in Kauf nehmen.“
(Wolfersdorf, 2000)
Nach Wolfersdorf ist dabei „Bewusstheit“ ein wesentlicher Faktor
Ist Suizidalität immer krank?

Suizidalität per se ist keine Krankheit

Auch viele ( psychisch „gesunde“) Menschen erleben im Laufe des
Lebens Situationen, in denen sie sich mit der Möglichkeit des
eigenen Todes beschäftigen und den eigenen Tod als Möglichkeit
bedenken

Ein großer Teil berichtet in diesem Zusammenhang über passive
Todeswünsche und Suizidgedanken

Diese Auseinandersetzung kann Teil eines Trauerprozesses sein und
ist oft ein vorübergehender Zustand

Meist geht davon keine akute Gefahr eines Suizids aus. Risiko steigt
erheblich, wenn Vorstellungen sehr drängend werden und konkrete
Pläne gemacht werden

Aber: bei Verdacht sollte Suizidalität immer genau exploriert werden
Epidemiologie
Todesursachen im Vergleich: 2001
Suizid
11000
Drogen
1835
Verkehr
7100
Mord
914
Aids
900
0
2000
4000
(Daten des Bundesamtes für Statistik und BMI)
6000
8000
10000
12000
Suizide in Deutschland 2002
900
800
Männlich
700
Weiblich
600
500
400
300
200
100
0
(Daten des Bundesamtes für Statistik)
Anzahl Suizide Männer in Deutschland 2002
762 Tsd.
38 jährige
900
800
601 Tsd.
62 jährige
Männlich
700
600
500
375 Tsd.
0 jährige
400
32 Tsd.
90 jährige
300
200
100
0
(Daten des Bundesamtes für Statistik)
Anzahl Suizide Frauen in Deutschland 2002
716 Tsd.
38 jährige
900
623 Tsd.
62 jährige
800
Weiblich
700
600
500
355 Tsd.
0 jährige
400
300
112 Tsd.
90 jährige
200
100
0
(Daten des Bundesamtes für Statistik)
Suizidraten in Deutschland 2002
120
100
Männlich
Weiblich
80
60
40
20
0
(Daten des Bundesamtes für Statistik)
Suizidraten je 100.000 Personen in den Alten
und Neuen Ländern
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
männlich West
weiblich West
männlich Ost
weiblich Ost
0
0-10 Jahre
10-15 Jahre
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
Anzahl der Suizide
Kindersuizide in Deutschland (unter 15 Jahre)
160
140
120
100
80
60
40
20
Suizide je 100.000 in der Altersgruppe
der 10-15 Jährigen
6
5
4
3
2
1
0
Jungen West
Mädchen West
Jungen Ost
Mädchen Ost
Jungen
Mädchen
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
Anzahl der Suizide
Suizide in der Altersgruppe der 15-20 Jährigen
600
500
400
300
200
100
0
Suizidraten der 15-20 Jährigen in den Alten
und Neuen Ländern
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Jungen West
Mädchen West
Jungen Ost
Mädchen Ost
Suizidraten der 20-25 Jährigen in den
Alten und Neuen Ländern
35
30
25
20
15
10
5
0
Jungen West
Mädchen West
Jungen Ost
Mädchen Ost
0
männlich
weiblich
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
Anzahl der Suizide
Suizide in der Altersgruppe der 80-85 Jährigen
700
600
500
400
300
200
100
Suizidraten der 80-85 Jährigen in den
Alten und Neuen Ländern
250
200
150
100
Männer West
Frauen West
Männer Ost
Frauen Ost
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
0
1982
50
Suizidmethoden in Deutschland (1980-1997)
10 000
9 000
8 000
Anzahl der Suizide
7 000
6 000
5 000
4 000
3 000
2 000
1 000
0
Hausgas
Erhängen
Sprung
Vergiftungen
Erschießen
Suizide durch Vergiftungen mit Hausgas
(1980-1997) in Deutschland
1 400
1 200
Anzahl der Suizide
1 000
800
600
400
200
0
Arbeitslosigkeit und Suizidalität in
den neuen Bundesländern
25
5000
20
4000
15
3000
10
2000
1000
0
Suizide
Arbeitslosigkeit
5
0
Arbeitslosenquote in %
Anzahl der jährlichen Suizide
6000
Anzahl der Suizidversuche je 100.000
Ärztlich erfasste Suizidversuchsraten (ab 18 Jahre)
in Nürnberg 2000-2001 (Dunkelziffer 30-50%)
250
200
Männer
Frauen
150
100
50
0
Mädchen von 14-18 Jahren beginnen am häufigsten suizidale
Handlungen. Die Letalität ist dabei jedoch sehr niedrig
Relation von Suiziden zu Suizidversuchen in
verschiedene Altersgruppen (Nürnberg 2000-2001)
700
600
47
Fallzahl
500
400
300
54
527
200
74
298
100
117
0
<39 Jahre
40-59 Jahre
Suizidversuche
>60 Jahre
Suizide
• bei Mädchen unter 20 J. führt nur jede 50. suizidale Handl. zum Tod
• bei Männern über 80 J. enden 7 von 10 „Suizidversuche“ tödlich
Häufigkeit & Letalität verschiedener Methoden
Erschießen
1,7%
84,2%
8,6%
Erhängen /Erdrosseln
Ertrinken
Überrollen lassen
63,5%
0,9%
60,0%
2,1%
54,2%
7,6%
Sturz aus Höhe
43,5%
16,4%
sonstige Medikamente
7,1%
Stiche / Schnitte
6,8%
14,5%
39,5%
Überdosis Psychoph. 0,7%
0,0%
5 Methoden
stehen für 76%
aller Suizide!
10,0%
Letalität
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
70,0%
80,0%
Anteil an suizidalen Handlungen in Nürnberg 2001
(Suizide + Suizidversuche)
90,0%
Ursachen und Risikofaktoren
Ursachen von Suizidalität


soziale und biologische Ursachen:
•
Transgenerationale familiäre Häufung
•
Genetische Disposition
•
Veränderungen der Impulskontrolle / neuronale
Veränderungen?
•
psychische Erkrankungen
•
kulturelle und religiöse Einflüsse
Auslösesituationen
•
Krisensituationen (Zuspitzung durch Situationen, für
deren Bewältigung nicht ausreichend Ressourcen zu
Verfügung stehen)
Die Motive suizidaler Handlungen
•
Nur ein Teil der Menschen, die suizidale Handlungen durchführen,
suchen primär den Tod.
•
Es können bei suizidalen Handlungen unterschiedliche
psychologische Motive vorliegen. Einteilung nach Feuerlein (1971):
suizidale Pause: Unterbrechung einer unerträglichen Situation
suizidale Geste: Wirkung auf andere Menschen im Vordergrund,
appellativer Aspekt
suizidale Handlungen im engeren Sinn: Todeswunsch
vorherrschend
•
Eine eindeutige Unterscheidung nicht immer möglich
•
im Einzelfall können verschiedene Intentionen gleichzeitig bestehen,
wobei meist eines dominant ist
Depression und Suizidalität
bis zu 15 %
mit schwerer Depression versterben durch Suizid
ca. 25 %
weisen einen Suizidversuch auf
ca. 70 %
haben Suizidgedanken
90 %
der Suizidenten litten unter psychiatrischen
Erkrankungen, am häufigsten Depression (40-70 %)
Wenn eine Depression vorliegt, dann sollte die Suizidalität
immer aktiv exploriert werden!
Akute Suizidalität: Risikogruppen
•
für Suizid: ältere Männer
•
für Suizidversuch: junge Frauen (14-24 Jahre)
•
Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen (Depression
Suchterkrankungen, Psychosen)
•
akute krisenhafte Ereignisse (z.B. Arbeitslosigkeit, Schulden,
Scheidung, Inhaftierung, Verlusterlebnisse, Traumatisierung)
•
Mangelnde Unterstützung durch Angehörige oder Freunde. Keine
Einbindung in feste Strukturen, soziale Isolierung
•
Zeit nach der Entlassung aus stationär psychiatrischer Behandlung
•
Chronische körperliche Erkrankungen
•
Suizidversuche in der Vorgeschichte oder in der Familiegeschichte
•
Hohe narzisstische Kränkbarkeit
•
starke Verleugnungstendenz und mangelndes Hilfesuchverhalten („mir
geht es gut; ich brauche keine Hilfe..“)
Indikatoren für akute Suizidgefahr

Drängende Suizidgedanken

Große Hoffnungslosigkeit und starke Schuldgefühle

Starker Handlungsdruck („ich halte das nicht länger aus!“)

Massive narzistische Kränkung

starke Impulsivität (erhöhte Gefahr bei Drogen- oder Alkoholkonsum)

Zunehmender sozialer Rückzug

Verabschiedung von Menschen, Verschenken von Wertgegenständen
Regelung letzter Dinge (Testament, Versicherungen, Papiere)

Offene und verdeckte Ankündigung von Suizid („es wird aufhören, so
oder so...“)

Patient reagiert gereizt, aggressiv oder ist agitiert

Konkrete Suizidpläne oder Vorbereitung suizidaler Handlungen
Das Präsuizidale Syndrom
Nach Ringel (1953) beinhaltet das Präsuizidale Syndrom
als zentrales Merkmal die „Einengung“ der Person.
Vereinfachend:

Der Betroffene sieht seine Situation hoffnungslos; er
erkennt keinerlei Wahlmöglichkeiten oder Alternativen.

Seine Gefühle reduzieren sich auf Depression und Angst

Sein Blick ist zunehmend „tunnelartig“ auf den Suizid als
einzigen Ausweg fokussiert.
Protektive Faktoren bei Suizidalität
 Familiäres / Soziales Umfeld:
Familie, Kinder, Partner, Freunde
 Medizinische / psychologische Versorgung:
Arzt, Medikamente,Therapeut
 Arbeit & finanzielle Absicherung
 Tagesstruktur
 Angebot vor Ort / Krisendienst etc.
Die eigenen Erfahrungen zum
Thema Suizid
Die eigenen Erfahrungen mit Suizidalität
10 Min Austausch zu zweit:

Wo und wie ist Ihnen Suizidalität begegnet (beruflich oder privat)?

Was waren die beteiligten Gedanken und Gefühle?

Wie haben Sie damals reagiert?

Wie beurteilen Sie rückblickend die Situation?
Verschiedene Ansätze in der
Suizidprävention und deren
Wirksamkeit
SUIZIDPRÄVENTION
Verbesserung
sozialer
Lebensbedingungen
z.B. Arbeitslosigkeit
Strafgefangene
Auf die
Allgemeinbevölkerung
bezogene Strategien
Auf Hochrisikogruppen
fokussierende Strategien
Ältere sozial
isolierte Menschen
Drogenabhängige
Berichterstattung in Presse
und Medien
Erstellung
eines
Medienguide
Programme an
Schulen u.
Jugendzentren
Erschwerter
Zugang zu
Mitteln
Aufklärung
der
AllgemeinBevölkerung
Fortbildung
niedergel.
Allgemeinmediziner
Borderline PS
KriseninterventionsZentren, TelephonSeelsorge, etc.
Schizophrenie
Aus Psychiatrie
entlassene
Patienten
Erschwerter
Zugang zu
Drogen
Stationäre psych.
Patienten
Einzäunung gefährlicher Orte
Regulierte
Ausgabe von
Medikamenten
Hausgasentgiftung
Entgiftung von
Autoabgasen
Verschärfung der
Waffengesetzte
Pat. nach Suizidversuch
Entstigmatisierung
Enttabuisierung von
Affekt. Störungen
Versorgungsoptimierung
depressiver Patienten
mit Antidepressiva und
Lithiumprohylaxe
Methodische Probleme bei der
Evaluation von Suizidprävention
Wenig Wissen, was wirksam ist und was nicht
• kleine Stichprobengrößen
• kaum experimentelles Vorgehen aus ethischen Gründen
 Mangelnde Kontrolle und Randomisierung
• zweifelhafte Erfolgskriterien und geringe Übertragbarkeit der
Ergebnisse
• Keine einzelne Methode
„Suizidprävention“ lösen.
allein
kann
das
Problem
Die Diagnose des aktuellen
Suizidrisikos
Skalen zur Erfassung des Suizidrisikos
-
Fragen im BDI oder HAM-D
-
Beck-Hopelessness-Scale (20 items)
-
SAD (Sad person scale for assessing suicide; 10 items)
• Problem: Erkennen von Suizidalität stützt sich auf
Kooperationsbereitschaft des Betroffenen
• Skalen sind in der konkreten Akutsituation kaum anwendbar
• Viele falsch-positive Ergebnisse
• Kann das diagnostische Gespräch nicht ersetzen
Thematisierung von Suizidalität:
Die Thematisierung von Suizidalität ist für Betroffene meist eine
Entlastung, wenn:
- das Gegenüber ganz auf den Einzelnen eingehen kann
- ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen stattfindet
- das Gegenüber keine Angst vor dem Thema hat
- der Klient seine Gefühle zeigen darf
- bei Bedarf konkrete Hilfe vermittelt wird
Die verschiedenen Stadien von Suizidalität
Anzahl betroffener Menschen
Mäßige
Suizidgefahr
Passive
Todeswünsche
Erwägung
Hohe
Suizidgefahr
Suizidgedanken
Suizidideen
Suizidpläne
Vorbereitungen
Ambivalenz
Suizidale
Handlungen
Entschluss
Abklärung von Suizidalität: Kernfragen
vom Allgemeinen zum Konkreten:
 passiver Todeswunsch?
 abstrakte Suizidgedanken?
 konkrete Suizidideen?
 aktive Planung?
 Vorbereitungen?
 Suizidankündigungen?
 frühere Suizidversuche
Für eine Bewertung entscheidend: Wie hoch ist der
akute Handlungsdruck einzuschätzen?
Abklärung von Suizidalität: Formulierungshilfen

„Gibt es in ihrer derzeitigen schwierigen Situation auch Gedanken
an den Tod?“

„Was genau meinen Sie damit, dass Todsein besser wäre?“

„Denken Sie dabei auch an Suizid?“

„An was denken Sie genau, wenn Sie sagen, sie könnten sich
umbringen?“

„Haben Sie sich die ... (z.B. Medikamente) schon besorgt?“

„Wie oft und wie lange kommen die Gedanken an Suizid?“

„Haben Sie darüber schon mit jemandem gesprochen?“

„Haben Sie schon einmal versucht sich das Leben zu nehmen?“

„Gibt es denn auch Dinge, die Sie noch am Leben halten?“
Demonstration vor dem Plenum (Rollenspiel)
Thematisierung von Suizidalität:
Aber: Vorsicht vor Thematisierung von Suizid im Klassenverband
oder z.B. im Konfirmationsunterricht:
- auch bei gut gemeinter Vermittlung sind Folgen schwer einschätzbar
weil kein Nachfragen beim Einzelnen möglich ist
- bei manchen „gefährdeten“ Jugendlichen kann dadurch ein
„Imitationseffekt“ ausgelöst werden (Werther-Effekt)
- günstiger: Frage thematisieren, welche Hilfsangebote es gibt,
wenn Jugendliche in einer Krise sind
(siehe Infopaket für Lehrer: „Keinen Plan mehr?
Wer hilft Dir, wenn Du nicht mehr weiter weißt?“)
Beispiel: Gespräch mit Betroffenem
Auswertung der exemplarischen Demonstration eines
Gesprächs zwischen Betroffenem und Helfer.
Beobachtungen aus dem Plenum:
 Wahrnehmung und Einordnung eigener Gefühle.
 Was hat der Helfer gut gemacht, was sehen Sie kritisch?
 Wie schätzen Sie akute Suizidalität ein?
Fallbeispiel für Rollenspiel / Demonstration
(beliebig für männl. oder weibl. Person)
Herr X hat von sich aus um einen Gesprächstermin gebeten.
Was spontan berichtet wird: Er ist Anfang 40, wirkt extrem niedergeschlagen
und berichtet, dass es ihm in letzter Zeit immer schlechter gehe. Er wisse gar
nicht, was er tun solle, seine Frau habe sich von ihm getrennt und sei mit den
beiden gemeinsamen Kindern (2J.; 4J.) ausgezogen. Er halte diese Trennung
nicht aus. Alles erscheine ihm so hoffnungslos. Er fühle sich manchmal so
verzweifelt und einsam, dass er abends öfters zur „Flasche greife“, um das
„irgendwie runterzuspülen“. Er sei bisher nie in psychiatrischer Behandlung
gewesen. Die Freundschaften seien mit den Beziehungsproblemen in die
Brüche gegangen. Er schleppe sich nur noch in die Arbeit (Beamter). Er wisse
in seiner Verzweifelung einfach nicht mehr, was tun, aber er merke, dass er
die Situation immer weniger ertrage.
Was nicht spontan berichtet wird: Er erzählt von selbst nichts über seine
Suizidideen; tatsächlich denkt er immer häufiger daran, sich das Leben zu
nehmen. Er hat aber noch keinen konkreten Plan. Er hat bereits mehrere
Abschiedsbriefe an die Frau verfasst, ohne sie je abzuschicken. Er steht unter
starkem Handlungsdruck.
Umgang mit Suizidalität
Umgang mit Suizidalität
•
Viel Zeit nehmen (eventuell Folgetermine absagen)
•
Geduldiges Zuhören und Erfassung der Auslöser
•
Keine vorschnellen Beschwichtigungen!
•
Akzeptieren der Suizidalität als Ausdruck einer Krise
•
Ermutigung zum Ausdruck eigener Gefühle
•
Ausdruck stellvertretender Hoffnung
•
Erfassung vorhandener Ressourcen
•
Angehörige einbeziehen
•
Antisuizidpakt schließen
•
Krisenplan besprechen
•
Bei Agitation und Angst: Sedierung (Benzodiazepine)
•
Kurzfristige Wiedereinbestellung
•
Bei Bedarf: Stationäre Einweisung in Klinik
Beispiel für Non-Suizidvertrag
Non-Suizidvertrag
zwischen
........................................................
und
...............................................................
Ich, ............. ........... werde bis zur nächsten Sitzung (am.............) am Leben
bleiben und mein Leben auch nicht unabsichtlich in Gefahr bringen, egal, was
passiert und egal, wie ich mich fühle. Ich werde bis dahin alle Möglichkeiten
nutzen, die mir dabei helfen, dieses Versprechen zu halten. Im Falle einer
akuten Verschlechterung werde ich mich sofort an ...............................wenden.
Sollte ................................... kurzfristig nicht verfügbar sein, so werde ich mich
an das diensthabende Pflegepersonal wenden, mit der Bitte um
Unterstützung.“
Datum
Unterschrift Patient
Unterschrift Therapeut
Vorgehen bei akuter Suizidalität
1. Zeitgewinn. Suizidalität in der Regel kein Dauerzustand. Akute
suizidale Krise kann in relativ kurzer Zeit wieder abklingen.
•
Kann eine suizidale Handlung verzögert werden, so erhöhen
sich deutlich die Chancen, dass der Mensch überlebt.
2. Einfühlsam Zuhören. (keine Lösungsvorschläge unterbreiten,
geduldiges und verständnisvolles Zuhören reicht)
3. zusätzlich Hilfe hinzuzuziehen. Gibt es (oder gab es) einen
behandelnden Psychiater. Besteht ein Vertrauensverhältnis zum
Hausarzt? Welche Beratungsstellen gibt es vor Ort? Wo ist die
nächste psychiatrische Klinik oder Notfallambulanz?
•
Gegebenenfalls zu Arzt oder in Notfallambulanz begleiten
Thematisierung von Suizidalität im
Schulunterricht
Thematisierung von Suizidalität im
Schulunterricht
Vorsicht vor Thematisierung von Suizid im Klassenverband!
-
Thematisierung sollte nur durch geschulte Person stattfinden (z.B.
durch Mitarbeiter von AK-Leben; www.ak-leben.de)
-
auch bei gut gemeinter Vermittlung sind Folgen schwer
einschätzbar weil kein Nachfragen beim Einzelnen möglich ist
-
bei manchen „gefährdeten“ Jugendlichen kann dadurch ein
„Imitationseffekt“ ausgelöst werden (Werther-Effekt)
-
günstiger: Frage thematisieren, welche Hilfsangebote es gibt,
wenn Jugendliche in einer Krise sind
-
(siehe Infopaket für Lehrer: „Keinen Plan mehr? Wer hilft Dir wenn
Du nicht mehr weiter weißt“ unter www.buendnis-depression.de)
Wenn eine Klasse eine suizidale Handlung
mitbekommt: Möglichkeiten der
Thematisierung des Suizids
Es sollte vermieden werden:

den Suizidale Handlungen als unverständlich, geheimnisumwoben darzustellen und somit erst interessant zu machen.
(„Wo er doch alles hatte, was das Leben so zu bieten hat.“)

romantisierende Motive bzw. Ziele zu unterstellen. („Ewig
vereint sein“; „Er war zu gut, zu sensibel für diese Welt.“)

zu schlichte und einfache Gründe anzubieten. („Die Mutter hat
Schuld“; „Selbstmord wegen Übergewicht“)

die Haltung und Handlung des Suizidenten als heroisch,
bewundernswert, billigend darzustellen. („In dieser Situation
war es nur allzu verständlich, dass...“)
Wenn eine Klasse eine suizidale Handlung
mitbekommt: Möglichkeiten der
Thematisierung des Suizids
... wird ein Folgeeffekt geringer, wenn:

klar wird, dass hier jemand den Eindruck hatte, seine
Probleme nicht lösen zu können.

deutliche Alternativen aufgezeigt werden, z.B. wo Hilfe
erhältlich ist (z.B. Behandlung einer Depression)

eher Berichte folgen, in denen Bewältigungen aufgezeigt
werden.

mehr Hintergrundinformation über Suizidgefährdung und ein
mögliches Vorgehen gegeben werden.
Unterbringung gegen den Willen
des Betroffenen
Vorgehen bei Fremdeinweisung
Falls akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt und sich der
Patient nicht als kooperativ zeigt:
 Polizei verständigen, die dann vor Ort entscheidet, ob die
betreffende Person in eine Klinik gebracht wird.
 Fast immer folgen die Beamten dabei der Empfehlung des Arztes
 Patienten wird von Polizei und Sanitätern in eine psychiatrische
Klinik gebracht.
 Fachärztliche Urteil entscheidet über Unterbringung in einer
geschlossenen Abteilung.
 In den meisten Bundesländern kann Patient gegen seinen
Willen nur 24 Stunden in einer Klinik untergebracht werden.
 Eine längere Unterbringung gegen den Willen des Patienten ist
nur durch richterlichen Beschluss möglich, der innerhalb der 24
Stunden durch die Klinik eingeholt werden muss.
Vorgehen im Falle akuter
Suizidalität:
Fallbeispiel
„Die Polizei wird verständigt,
dass ein Mann auf dem Dach
eines Hochhauses steht und zu
springen droht.“
Organisatorisches
•
Nachalarmieren: (Rettungskräfte, Notfallseelsorger,
polizeipsychologischer Dienst u.s.w.)
•
Sicherheitsvorkehrungen treffen:

Absperren: Zurückdrängen Schaulustiger, da Zurufe dieser oft
betrunkener Personen provozieren: "Nun spring doch endlich,
wenn du dich traust!" - Verkehr umleiten

Vorgehen absprechen mit Feuerwehr und RD/NA: Die Schritte der
Kontaktaufnahme und die ggf. parallel eingeleiteten technischen
Maßnahmen müssen mit allen Beteiligten abgesprochen werden.

Einigung, wer spricht mit Person wie und von welchem Ort
aus
Organisatorisches
•
Kontaktaufnahme von Drehleiter oder vom Dach aus. Notfalls mit
Handfunkgerät oder Telefon.
•
Wenn möglich kein Megaphon nehmen, da der Betroffene nicht mit
dem gleichen Mittel antworten kann und Schaulustige und
Presse/Medien mithören würden
•
Immer Kontakt über einen zweiten Mann im Hintergrund, der über
Handfunksprechgerät die Verbindung nach "unten" hält.
•
Eigensicherung beachten!
•
Wichtig: Vor der ersten Kontaktaufnahme immer erst versuchen,
Informationen bei Umstehenden, Nachbarn, Familienmitgliedern usw.
einzuholen:
Wie heißt der Mann? Was ist passiert?
Kontaktaufnahme
•
Nie überstürzt handeln und den Betroffenen durch plötzliches
Auftauchen in Panik versetzen!
•
Ankündigen, dass Sie kommen und mit ihm reden wollen
•
Polizeiuniformen lösen oft starke Aggressionen aus, vor allem bei
alkoholisierten Personen. (evtl. Uniformjacke ausziehen!)
•
Bevor Sie sich nähern, sein Einverständnis einholen!
•
Er kann bestimmen, wie nahe Sie kommen, er hat hier die Autonomie,
er kann die Situation gestalten!
"Kann ich ein bisschen näherkommen?!"
Kontaktaufnahme
•
"Einen Schritt weiter, und ich springe!" - Keinesfalls auf jemanden
zugehen, der zu springen droht! So nah wie möglich und so fern wie
nötig!
•
Erste Kontaktaufnahme: sich vorstellen, und versuchen ins Gespräch
zu kommen, Name erfragen (mein Name ist..... ich möchte gerne mit
Ihnen sprechen. Ich will Ihnen meine Hilfe anbieten.....
•
Gesprächsbasis schaffen, Vertrauen zu gewinnen suchen. Deshalb:
Keine unüberlegten Handlungen, keine unangekündigten Aktionen der
Hilfskräfte.
•
vermitteln, dass Gegenüber die Kontrolle über Situation hat und dass
keinerlei Zeitdruck besteht
Zentrale Strategie: Zeit gewinnen!
Versuchen Sie herauszufinden....
•
In welcher körperlichen Verfassung ist er? Wie lange kann er sich
da halten?
•
Zugriffsversuch aber nur bei hochgradiger Erschöpfung oder geistiger
Verwirrung. Eigensicherung beachten!
•
Ein Überrumpeln des Suizidanten kann beim Scheitern der Aktion ein
Springen in Panik hervorrufen und Sie selbst gefährden (Absturz
durch Mitreißen!).
•
Bekommen Sie so möglichst schnell heraus, ob er
Wahnvorstellungen hat (Psychose, z.B. CIA verfolgt ihn, er hört
Stimmen, erzählt abstruse Geschichten, innere Logik stimmt nicht)
•
Argumentieren Sie nicht gegen den Wahn. Lassen Sie sich die
Wahninhalte ein. So gewinnen Sie Vertrauen
Beziehung zum Gegenüber herstellen!
Mögliche Gesprächsimpulse
•
"Was kann ich für Sie tun? Wie kann ich Ihnen helfen?" Nicht
bedrängen oder werten: "Machen Sie doch keinen Unsinn, kommen
Sie herunter!"
•
beharrliche Kontaktaufnahme auch wenn der andere schweigt;
notfalls so tun, als würde man im Gespräch sein ("Talkdown!"): sie
müssen sehr verzweifelt sein, dass sie hier raufgeklettert sind.....
•
Auch banale Äußerungen, ohne jemanden lächerlich zu machen: "Ich
bin ganz außer Atem vom Heraufklettern..." oder "Wie sind Sie denn
hier herauf gekommen?" können den Betroffenen zum Reden
bringen.
•
Das Sprechen über Probleme hat einen therapeutischen Effekt und
man erhält wichtige Informationen, z.B. ob der Betroffene
bewusstseinsklar oder ob er alkoholisiert ist, ob er Wahnvorstellungen
hat.
Beziehung zum Gegenüber herstellen!
Weitere Gesprächsangebote
•
Will er mit Arzt, dem Pfarrer, einem Psychologen reden? Pfarrer/in
ist oft Person des Vertrauens, Notfallseelsorger zu Beginn des
Einsatzes nachalarmieren lassen
•
Wenn Suizident mit (Ehe)partner,Verwandte oder Freunde
sprechen will, Namen, Adressen, Telefonnummern erfragen.
•
gewünschte Person (Partner, Verwandter usw.) durch zweiten
Einsatzleiter (besser Pfarrer, Arzt, Psychologe) auf dieses Gespräch
vorbereiten und prüfen, ob die Person willens oder auch in der Lage
ist, zu solch einem Gespräch.
•
Vorsicht, wenn viel aggressive Gefühle im Spiel ist: Bedenken Sie
die Möglichkeit der Rache des Lebensmüden, der nur darauf wartet,
vor den Augen der herbeigerufenen Person hinunterzuspringen
(Bestrafung der Angehörigen).
Grundsätzliches
•
Keine Tricks, keine Gewalt! Machen Sie keine falschen
Versprechungen
•
Keine paradoxe Intervention: "Springen Sie doch...!"
•
Selbstschutz: das autoaggressive Verhalten kann sich auf den
anderen richten. Bei vorhandener Schusswaffe nie in Sichtweite, bei
Messer nie in Reichweite gehen!
•
Falls Sie den Erstkontakt aufgenommen haben: nur ablösen lassen,
wenn der "Springer" damit explizit einverstanden ist, dass z.B. "der
Pfarrer" jetzt mit ihm/ihr reden würde. Zur Sicherung des anderen im
Hintergrund bleiben.
•
Überlassen Sie es dem anderen, die Richtung des Gesprächs zu
bestimmen. Hören Sie aufmerksam zu, zeigen Sie Interesse und
Anteilnahme an der Person und seinen Problemen
Das Gespräch an sich ist bereits suizidpräventiv!
Kränkung vermeiden
•
"Wie wäre es eigentlich, wenn Sie jetzt mit mir heruntersteigen
würden? Ich und meine Kollegen helfen Ihnen dabei."
•
Frage: Wie kommt er aus dieser Situation raus, ohne sein Ansehen
zu verlieren?
•
Z.B. Feuerwehreinsatzjacke zum Überziehen anbieten (so ist er
nicht so schnell erkennbar für die Schaulustigen und die Presse)
•
Bedenken zerstreuen wegen Übernahme von Einsatzkosten oder
des Gesichtsverlusts bei bekannt werden der Tat.
•
Angst vor einer Einweisung in eine "Klapsmühle" offen diskutieren
und hierzu ein Gespräch mit dem (unten wartenden) Notarzt oder
einem Psychologen anbieten.
Juristisches
•
Ein Suizidant muss vor sich selbst geschützt werden, das beurteilt ein
Psychiater/Nervenarzt in der Klinik.
•
Darauf hinwirken, dass der Betroffne sich freiwillig vorübergehend in
psychiatrische Klinik begibt.
•
Darauf hinweisen, dass er in der Regel schneller wieder entlassen
werden kann (oft schon am nächsten Tag), wenn er sich freiwillig ins
Krankenhaus bringen lässt.
•
Bei einer Zwangseinweisung wegen Selbstgefährdung kann das unter
Umständen länger dauern.
Zusammenfassung:
Mensch in akuter Suizidgefahr
Können professionelle Helfer
Hinzugezogen werden?
ja
Ermutigung zu offenem Gespräch.
Suizidalität ernstnehmen,
geduldig zuhören
Verständnis zeigen
weitere Hilfe hinzuzuziehen
Begleitung des Betroffenen
in psychiatrische Klinik,
in psychiatrische Ambulanz,
zu Krisendienst,
zu behandelnden Arzt,
zu behandelndem Psychotherapeuten
im Notfall:
Hilfe auch gegen den Willen des
Betroffenen vermitteln
nein
Intervention nicht möglich ohne die Gefahr
der Eskalation (z.b. auf Brücke, auf Hausdach,
Kontakt per Telefon)
Zentrale Strategie: Zeitgewinn bis zum Abklingen
der gegenwärtigen akuten Suizidgefahr
Kontakt herstellen, ohne dabei Risiko einzugehen
Vorsicht vor Eskalation durch übereiltes Handeln
Jede Form von Druck vermeiden
• bis auf Hörweite nähern, ruhig und freundlich ansprechen
• sich vorstellen, und versuchen ins Gespräch zu kommen
• beharrliche Kontaktaufnahme auch wenn der andere schweigt
• notfalls so tun, als würde man im Gespräch sein
• vermitteln, dass Gegenüber die Kontrolle über Situation hat
• deutlich machen, dass keinerlei Zeitdruck besteht
• Vorsicht vor Kränkungen oder Provokationen
• Wenn der andere erzählt, aufmerksam zuhören und spiegeln
• keine vorschnellen Beschwichtigungen
• Verständnis für schwierige Situation signalisieren,
• Ausdruck stellvertretender Hoffnung
• Hinweis auf weitere Hilfsmöglichkeiten
• Ruhe bewahren, bis der andere bereit ist, die
Gefahrenzone zu verlassen
Die Situation nach einem Suizid:
Überbringung von Todesnachricht
und Umgang mit den Angehörigen
Die Hinterbliebenen nach erfolgtem Suizid
•
Bei jedem Suizid sind rund sechs Menschen unmittelbar
betroffen
•
Auswirkungen von allen Suiziden betreffen damit allein in
Deutschland jährlich etwa 70.000 Menschen
•
Die Trauer nach einem Suizid erstreckt sich bei nahen
Angehörigen oft über mehrere Jahre
•
Hinterbliebene haben erhöhtes
Depression zu erkranken
•
ABER: Trauernde Hinterbliebene sind nicht automatisch
als psychisch krank einzuschätzen!
Risiko
an
einer
Die Hinterbliebenen nach erfolgtem Suizid
•
Heute geht man davon aus, dass die Trauer nach Suizid
nicht notwendigerweise schwerer ist als bei anderen
schweren Verlusterlebnissen
•
Aber: Besonderheiten im Verarbeitungsprozess können
eine große Rolle spielen
-
Stigmatisierung („der hat es wohl nicht ausgehalten
bei ihr...“)
-
Scham
-
Schuldgefühle
-
Gefühl der Zurückweisung (durch den Verstorbenen)
Nach erfolgtem Suizid
•
Wenn kein natürlicher Tod vorliegt, muss Arzt unverzüglich Polizei
informieren, damit die Todesursache geklärt werden kann.
•
Zuständig ist der Zentrale Kriminaldienst (ZKD). Oft kommt aber
zunächst der Streifendienst zum Einsatz,
•
Für Polizei doppelte Aufgabenstellung:
1. Ermittlungen, um Fremdverschulden (Mord oder Totschlag)
auszuschließen. (z.B.Fundort sichern, die Leiche
beschlagnahmen)
2. Mit Angehörigen in einer Extremsituation konfrontiert, die u.U.
den Suizid noch gar nicht realisiert haben und fassungslos sind.
wichtig: Sensibilität und Rücksichtnahme auf Hinterbliebene bei
der Durchführung der erforderlichen Ermittlungen
Die Überbringung einer Suizidnachricht
Grundsätzliches:
•
Todesnachrichten nie telefonisch durchgeben
•
Todesnachrichten am besten immer im Team (z.B. mit einem
Polizeibeamten) überbringen und sich mit diesem vorher
absprechen, wer welchen Part übernimmt
•
Der Überbringer der Todesnachricht sollte über folgende Bereiche
sachkundig sein: wie und wo kam es zum Suizid? Wo befindet sich
der Tote jetzt? Wer kann weitere Auskunft geben?
•
Planen Sie ausreichend Zeit (mindestens 30 Minuten) ein (es kann
auch deutlich länger dauern).
Die Überbringung einer Suizidnachricht
Verhalten vor Ort:
1. Unbedingt eindeutige Identifizierung des Gegenübers („Sind Sie der
Vater von....“).
2. Die Nachricht erst nach dem Betreten der Wohnung überbringen.„Ich
muss Ihnen eine schlimme Nachricht überbringen, dürfen wir bitte
hineinkommen, können wir uns bitte zunächst setzen?“.
3. Anwesende Unbeteiligte sollten nicht zugegen sein. („Möchten Sie
dass Ihre Kinder dabeibleiben?“).
4. Überbringen Sie jetzt Ihre Nachricht ohne Umschweife, und ohne
falsche Hoffnungen aufkommen zu lassen („Ich muss Ihnen mitteilen,
dass Ihr Sohn verstorben ist. Er wurde vor einer Stunde erhängt im
Wald aufgefunden. Er war bereits tot........“)
5. Keine Mitleids- und Beileidsfloskeln, stattdessen Verständnis und
Anteilnahme (Bei starker emotionaler Reaktion: viel Zeit lassen, das
Gegenüber weinen lassen etc.).
Die Überbringung einer Suizidnachricht
6. Lassen Sie den Angehörigen jetzt nicht alleine (Suizidgefahr). Bei
körperlichem Zusammenbruch oder extremen psychischen
Reaktionen Arzt rufen.
7. Auf Fragen geduldig und bereitwillig Auskunft geben („Wo ist der Tote
verstorben? Wo ist er nun? Wer hat ihn gefunden?“ Etc.).
8. Fragen Sie den Angehörigen, wen er informieren möchte und welche
Personen zur Unterstützung benachrichtigt werden könnten.
9. Bleiben Sie bei den Hinterbliebenen, bis weitere Unterstützung und
Hilfe eingetroffen ist.
10. Hinterlassen Sie Ihre Visitenkarte oder eine Kontaktadresse, falls die
Hinterbliebenen nochmals mit Fragen an Sie herantreten möchten.
„Den Verstorbenen noch mal sehen“
•
Besteht bei den Hinterbliebenen der Wunsch, den Toten noch einmal
zu sehen, so unterstützen Sie ihn darin (sprechen Sie die Möglichkeit
im Vorfeld bereits mit der Polizei ab).
•
Meist erleichtert dies die Realität des Todes zu begreifen und ist Teil
des Abschieds.
•
Bereiten Sie sie auf den Anblick vor (wenn Sie möchten, können Sie
den Toten noch einmal sehen. Sein Körper ist aber sehr entstellt. Das
sollten Sie vorher wissen....)
•
Wird der Angehörige abgehalten, den Toten zu sehen, so kann es
geschehen, das die Imagination viel schrecklichere und dauerhaftere
Phantasien erschafft, als dies bei der Konfrontation mit der konkreten
Wirklichkeit der Fall wäre.
Nach einem Suizid: was brauchen die Angehörigen vom behandelnden Arzt /Therapeuten
Gesprächsangebote
(auch mehrmals und auch bei Vorwürfen und Ankündigungen von
rechtlichen Schritten gegen den Arzt/Therapeuten. Manchmal rühren
sich Angehörige erst nach Wochen)
Verständnis für ihre Gefühle,
insbesondere Schuld- und Schamgefühle, die auch als Ärger auf den
Suizidenten oder die Klinik verschoben und projeziert werden.
Erklärungs- und damit Distanzierungshilfe über die Fakten des
Geschehens
Unterstützung bei rechtlichen Abläufen
z. B. mit Polizei, Versicherungen
nach Wolfersdorf 2004
Selbsthilfe für Angehörige nach Suizid
•
AGUS (Angehörige um Suizid) wurde 1989 gegründet
•
z.Zt. über 400 Vereinsmitglieder und über 30 feste Gruppen
•
Die Vermittlung von Kontakten zu ähnlich Betroffenen
und/oder regionalen Selbsthilfegruppen erfolgt durch das Büro
in Bayreuth.
AGUS-Büro
Wilhelmsplatz 2
95444 Bayreuth
Tel. 0921 - 15 00 380
Fax 0921 - 833 43
www.agus-selbsthilfe.de
Nach einem Suizid:
Die Situation der „Helfer“
Nach einem Suizid: Ängste und Gefühle auf
therapeutisch- pflegerischer Seite
•
Schuldgefühl und Selbstanklage (Angst versagt zu haben und Fehler
gemacht zu haben)
•
Angst vor Schuldvorwürfen von außerhalb (Angehörige, Klinikleitung,
Justiz)
•
In Klinik: Sorge um Mitpatienten wegen deren Suizidalität
(Nachahmungsgefahr)
•
Eigene Stabilität und eigenes Lebensgefühl u.U. in Frage gestellt
•
Gefühle von Ärger, Aggression, Kränkung, Verletzung
nach Vogel & Wolfersdorf1987
Nach einem Suizid ...
Für Therapeuten und professionelle Helfer ist es wichtig, sich klar
zu machen, dass:

die Arbeit mit depressiven und suizidalen Menschen
immer das Risiko mit einschließt, dass es zum Suizid
kommt

es unmöglich ist, akute Suizidalität immer rechtzeitig zu
erkennen; vor allem wenn der Betroffene sie vertuscht;

es unter unseren Klienten/Patienten immer wieder
Menschen geben kann, die sich gegen das Leben
entscheiden, ohne dass wir es verhindern können.
Nach einem Suizid: was braucht das
therapeutisch-pflegerische Team?
Gesprächsmöglichkeiten:
•
kurzfristig zur aktuellen Entlastung und kurzfristigen
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit
•
insbesondere mit den betroffenen Mitpatienten bzw. den
Angehörigen des Suizidenten
Regelung der konkreten Abläufe
•
z. B. Leiche muss liegen bleiben wie gefunden, Kripo anrufen,
aktuell Aussage nur zur Sachlage
•
weitere Aussagen erst später (Aussagegenehmigung einholen,
Bericht an Klinikleitung, Sicherstellung (und Kopie) der
Krankenblattunterlagen des Patienten,)
nach Wolfersdorf 2004
Nach einem Suizid: was braucht das
therapeutisch-pflegerische Team?
Unterstützung durch Klinikleitung (Chefarzt, Ärztlicher Direktor,
Verwaltungsleiter, Pflegeleitung): Es geht nicht um Schuldvorwürfe
sondern um Verstehen des Ablaufes zum Suizid als Basis von
Bewältigung und Erhalt der eigenen Arbeitsfähigkeit, Identität und
Trauerfähigkeit.
Gesprächs-/Bearbeitungsmöglichkeit im Team, in einer externen
Supervision
Gesprächsrunden bzw. Einbringen in Stationsversammlung, in
Gruppen- und Einzeltherapie mit Mitpatienten
Gesprächsangebote an die Angehörigen
(eventuell auch des Chefarztes)
nach Wolfersdorf 2004
Nach einem Suizid: Thematisierung des
Suizids in der Schule oder innerhalb einer
Patientengruppe
Es sollte vermieden werden:

den Suizid als unverständlich, geheimnisumwoben
darzustellen und ihn somit erst interessant zu machen. („Wo er
doch alles hatte, was das Leben so zu bieten hat.“)

romantisierende Motive bzw. Ziele zu unterstellen. („Ewig
vereint sein“; „Er war zu gut, zu sensibel für diese Welt.“)

zu schlichte und einfache Gründe anzubieten. („Die Mutter hat
Schuld“; „Selbstmord wegen Übergewicht“)

die Haltung und Handlung des Suizidenten als heroisch,
bewundernswert, billigend darzustellen. („In dieser Situation
war es nur allzu verständlich, dass...“)
Nach einem Suizid: Thematisierung in der
Schule oder innerhalb einer Patientengruppe
... wird ein Folgeeffekt geringer, wenn:

klar wird, dass hier jemand den Eindruck hatte, seine
Probleme nicht lösen zu können.

deutliche Alternativen aufgezeigt werden, z.B. wo Hilfe
erhältlich ist (z.B. Behandlung einer Depression)

eher Berichte folgen, in denen Bewältigungen aufgezeigt
werden.

mehr Hintergrundinformation über Suizidgefährdung und ein
mögliches Vorgehen gegeben werden.
Literatur:

Wolfersdorf, -.M. (2000) Der suizidale Patient in Klinik und
Praxis. Suizidalität und Suizidprävention. Wissenschaftliche
Verlagsgesellschaft, Stuttgart

Dorrmann W: Suizid. Therapeutische Interventionen bei
Selbsttötungsabsichten (3. korr. Auflage). München: Pfeiffer
Verlag 1998

Bronisch, Götze, Schmidtke, Wolfersdorf (2002) Suizidalität:
Ursachen, Warnsignale, therapeutische Ansätze. Schattauer
Verlag Stuttgart

Améry, J. (1976) Hand an sich legen. Ein Diskurs über den
Freitod. Klett Cotta

Gerd Mischler (2000) Von der Freiheit, das Leben zu lassen
Kulturgeschichte des Suizids. Europa Verlag, Hamburg
Herunterladen