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Übung: Sach- und Fachliteratur SS 2005
01 13.04.05
Einführung ins Thema; Fiktionale vs. nichtfiktionale Literatur
02 20.04.05
Begriffsbestimmungen
03 27.04.05
Beispiele der Sach- und Fachliteratur
04 04.05.05
Geschichte und Gattungen der Sachliteratur
05 11.05.05
Geschichte und Gattungen der Fachliteratur
06 18.05.05
Bewertungskriterien für Sach- und Fachbücher
07 25.05.05
Marktaspekte, Themen und Leser der Sachliteratur
08 01.06.05
Merkmale und Beispiele der AUTOBIOGRAFIE
09 08.06.05
Merkmale und Beispiele der BIOGRAFIE
10 15.06.05
Merkmale und Beispiele des RATGEBERS
11 22.06.05
Merkmale und Beispiele der REISELITERATUR
12 29.06.05
Merkmale und Beispiele des THEMENSACHBUCH
Literatur:
Knut Hickethier: Das Sachbuch. In: Hansers Sozialgeschichte der deutschen
Literatur Bd. 10, 1986, S. 564-573
Konrad Umlauf: Buchgattungen der Sachliteratur. In: ders.: Moderne Buchkunde,
Wiesbaden 1996, S. 43-106
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
1
Titelauswahl Sachbuch
•
AUTOBIOGRAFIE
–
–
–
–
•
BIOGRAFIE
–
–
–
–
•
Marlo Morgan: Traumfänger (Goldmann)
Roger Willemsen: Deutschlandreise (Fischer)
Bill Bryson: Frühstück mit Kängurus (Goldmann)
Reinhold Messner: Der nackte Berg (Piper)
Reihen: Merian live!, Baedeker, Polygott, DuMont, Marco Polo
THEMENSACHBUCH
–
–
–
–
–
•
Allen Carr: Endlich Nichtraucher (Goldmann)
Pease & Pease: Warum Männer nicht zuhören ... (Ullstein TB)
Dale Carnegie: Sorge dich nicht, lebe! (Fischer TB)
Susanne Fröhlich: Moppel-Ich (Krüger)
Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod (KiWi)
REISELITERATUR
–
–
–
–
–
•
Wibke Bruhns: Meines Vaters Land (Econ)
Inge und Walter Jens: Frau Thomas Mann (Rowohlt)
Anna M. Sigmund: Die Frauen der Nazis (Heyne TB)
Reihen: rororo Monografien, dtv Portrait
RATGEBER
–
–
–
–
–
•
Dieter Bohlen: Nichts als die Wahrheit (Heyne TB)
Corinne Hofmann: Die weiße Massai (Knaur)
Jana Hensel: Zonenkinder (Rowohlt)
Sebastian Haffner: Geschichte eines Deutschen (dtv)
Florian Illies: Generation Golf (Fischer TB)
Robert L. Wolke: Was Einstein seinem Friseur erzählte (Piper)
Michael Moore: Stupid White Men (Piper TB)
Dietrich Schwanitz: Bildung (Goldmann)
Ben Schott: Schotts Sammelsurium (Bloomsbury)
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Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
2
Fiktionale und nichtfiktionale Literatur
BEISPIELTEXT (1)
Ich schwebe. Von hier oben habe ich einen guten Überblick, kann die ganze Kreuzung sehen, die Straße,
die Bürgersteige. Unten liege ich. Der Verkehr steht. Die meisten Autofahrer sind ausgestiegen.
Neugierige haben sich versammelt, einige stehen um mich herum, jemand hält meinen Kopf, sehr
behutsam, eine Frau, sie kniet neben mir. Ein Auto ist in die Fensterscheibe eines Uhrengeschäfts
gefahren, die Marke kann ich von hier oben nicht erkennen, bin aber in Automarken auch nicht
sonderlich bewandert. Eine große Schaufensterscheibe, die wie eine glitzernde Wolke aufflog und jetzt
am Boden liegt, bruchstückhaft spiegeln sich Häuser, Bäume, Wolken, Menschen, Himmel, von hier oben
ein großes Puzzle, aber alles in Schwarzweiß. Seltsamerweise gibt es keine Farbe, seltsam auch das, der
da unten spürt keinen Schmerz. Er hält die Augen offen.
Ich höre Stimmen, die nach einem Krankenwagen rufen, Neugierige, die nach dem Hergang fragen,
jemand sagt: Er ist bei Rot über die Straße gelaufen. Ein anderer sagt: Der Fahrer wollte noch
ausweichen.
Der Fahrer sitzt auf dem Kantstein, er hält den Kopf in beiden Händen; er zittert, zittert am ganzen Leib,
während ich daliege, ruhig, kein Schmerz, sonderbar, aber die Gedanken flitzen hin und her, und alles,
was ich denke, spricht eine innere Stimme deutlich aus. Das ist gut, denn das Reden gehört zu meinem
Beruf. Meine Tasche liegt drei, vier Meter entfernt von mir auf der Straße, und natürlich ist sie
aufgesprungen, eine alte Ledertasche. Das kleine Päckchen mit dem Sprengstoff ist herausgeflogen,
auch die Zettel, Karteikarten, die Blätter mit den Notizen, niemand kümmert sich darum, sie wehen über
die Fahrbahn. Und ich denke, hoffentlich sind sie vorsichtig. Will auch sagen: Vorsicht, das ist
Sprengstoff. Aber es gelingt mir nicht. Das Sprechen macht mir Mühe, große Mühe, gerade dieses Wort,
sonderbar, da ich es leicht denken und hören kann. Also nichts sagen. Schweigen.
BEISPIELTEXT (2)
Hooge ist ein weiches Land ohne Steine und ohne Quellen. Gemessen an der langsamen Vergänglichkeit
eines Gebirgszuges, eines Tales oder eines einzigen Steines, ist Hooge nur ein flüchtiges Schwemmland,
das heute in der Brandung liegt und morgen wieder verschwunden ist. Hooge ist eine Weide, eine Wiese
im nordfriesischen Wattenmeer, von Salzwasserrinnsalen durchzogen und einem geteerten, niedrigen
Sommerdeich gefaßt. Wie trockengefallene Archen und weit auseinanderliegend, erheben sich aus der
baumlosen Ebene Hooges neun, von wenigen Häusern bestandene Erdhügel - die Warften. Nur dort, im
Windschatten der Häuser, gedeihen auch Bäume und Sträucher. Auf den Fennen, den Weiden zwischen
den Warften, grasen Rinderherden und vereinzelt auch Pferde; darüber ziehen Seevögel, Silbermöwen
und Austernfischer, ihre Schleifen. Hooge ist ein Land aus Torf, Schlick und Sand, von der See über den
Untiefen und den Resten versunkener Marsch- und Moorlandschaften aufgeschichtet und dem
Meeresspiegel doch zu nahe geblieben, um den Namen einer Insel zu erfüllen: Land von solchem Land
heißt Hallig.
Klein ist Hooge; der Deich aus Granit und Basalt, der die fünfhundertfünfzig Hektar der Hallig umschließt,
ist bei guten Kräften in zwei Stunden abzuschreiten, und die Bewohner dieses Landes sind rasch gezählt.
Es sind einhundertvierunddreißig. Eigentlich ist Hooge nur eine Zuflucht auf 54 °34' nördlicher Breite und
8°33' östlicher Länge und kaum elf nautische Meilen von der Küste Nordfrieslands entfernt; eine Zuflucht
unter einem Himmel, der manchmal hoch und ungeheuer wird und sich dann wieder jäh herabsenkt und
kalt und still und undurchdringlich über den Weiden liegt. Unter diesem Himmel wurde Johannes Hansen
im Jahre 1896 geboren. Einige schmerzhafte Jahre auf dem Festland ausgenommen, hat er sein Leben
auf Hooge verbracht. Jetzt ist er der älteste unter den Bürgern der Hallig. Es ist Frühjahr 1985, Ende
April.
•Welcher der beiden Texte ist der fiktionale Text und welcher der nichtfiktionale?
•Welche Textmerkmale sprechen für Ihre Zuordnung?
•Welchen Gattungen lassen sich die Beispiele zuordnen?
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
3
Fiktionalität vs. Nichtfiktionalität
•
•
•
•
Begriff: Fiktion, abgeleitet von lat. »fingere« = »bilden«,
»erdichten«, »vortäuschen«
Unterschied zwischen (nichtfiktionalem) Geschichtsschreiber und
Dichter: »der eine erzählt, was geschehen ist, der andere, was
geschehen könnte« (Aristoteles, „Poetik“, 9. Kpt.)
Als literaturwissenschaftlicher Begriff: grundlegender Status der
mimetischen Dichtung: stellt »gedichtete und zugleich dabei für
möglich angenommene Gegenstände« vor (Kant)
Fiktionale Literatur
–
–
–
Es liegt kein unmittelbarer Wirklichkeitsbezug vor
Kein Anspruch auf empirische Verifizierbarkeit
Fiktionalitätssignale:
•
•
•
•
•
Bezeichnungen (»Roman«, »Novelle« etc.)
Sprachformeln (z.B. »Es war einmal«)
Erzählerreflexion
Perspektive und Wiedergabe innerer Vorgänge
Nichtfiktionale Literatur
–
–
–
Es liegt ein unmittelbarer Wirklichkeitsbezug vor
Anspruch auf empirische Verifizierbarkeit
Faktizitätssignale:
•
•
•
•
•
Bezeichnungen (»Ratgeber«, »Sachbuch« etc.)
Faktenhinweise (z.B. Daten, konkrete Orts- und Zeitangaben)
Beglaubigungsformeln (z.B. »Genauso ist es gewesen«)
Appellative Formeln, Handlungsanweisungen (z.B. »Man nehme«)
Verweise auf Gewährsleute, Autoritäten, Betroffene, eigenes Erleben
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
4
Definitionen von Sach- und Fachbuch
SACHBUCH
(1)
im engeren Sinne ein populärwissenschaftliches Werk, das Themen aus den Wissensbereichen
der Geschichte, Gesellschaft, Kunst, Natur, Technik u.a. für den interessierten Laien verständlich
und unterhaltsam behandelt. Zum Sachbuch im weiteren Sinne wird vielfach jedes Buch
gerechnet, das nicht zur Belletristik gehört, also auch das wissenschaftliche Werk, die
Brockhaus Enzyklopädie (1973)
Enzyklopädie, das Lehr- und Fachbuch.
(2)
Publikation, die (neue) Fakten und Erkenntnisse auf wissenschaftlichem, politischem, sozialem,
wirtschaftlichem, kulturellem oder kulturhistorischem Gebiet in meist populärer und
allgemeinverständlicher Form darbietet. Sachbuch steht also im Unterschied zur Belletristik und
zum wissenschaftlichen Fachbuch, dessen methodischem Vorgehen und dessen Aufbauprinzipien
es nicht immer folgt. Es wendet sich nicht an den Spezialisten, sondern an den interessierten
Laien. Zum Sachbuch im weiteren Sinne werden oft auch das Lexikon, das Wörterbuch und der
»praktische Ratgeber« gerechnet (im Englischen zusammengefaßt als Non-fiction im Gegensatz
Der Literatur-Brockhaus (1988)
zu Fiction).
(3)
vielgebrauchter, wenn auch unscharfer Begriff für Publikationen, die Themen aus den
verschiedensten Wissensbereichen für ein breites Publikum allgemeinverständlich und interessant
darstellen. Das Sachbuch wird dabei als eigenen sprachlichen und darstellerischen Mitteln und
Erfordernissen unterworfenes Medium der Information, Bildung und Orientierung verstanden und
vom wissenschaftlichen Fachbuch unterschieden. Dem Sachbuch verwandt sind Ratgeber und
Brockhaus Enzyklopädie (1992)
Nachschlagewerke.
FACHBUCH
(4)
der Ausbildung oder Fortbildung in einem bestimmten Beruf oder Berufszweig bzw. Wissensgebiet
gewidmetes, informatives Buch; der Begriff umfaßt zahlreiche Abstufungen von Werken einfachen
Lehrinhalts bis hin zum wissenschaftlichen Lehrbuch; die Abgrenzung zum wissenschaftlichen
Buch einerseits, das den Akzent stärker auf die Darstellung und Diskussion von
Forschungsproblemen legt, und dem für ein breiteres Laienpublikum aufbereiteten Sachbuch
Meyers Enzyklopädisches Lexikon (1977)
andererseits ist nicht immer scharf zu ziehen.
(5)
im engeren Sinn ein Lehrbuch über ein bestimmtes Spezialgebiet zur Ausbildung oder Fortbildung
für Angehörige eines bestimmten Berufs. Im weiteren Sinn dann jedes der Vermittlung von
Wissen an Fachgenossen dienende, auch wissenschaftliche Buch, das im Gegensatz zum
Sachbuch von einem Fachkenner verfaßt ist.
G. v. Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur (1989)
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
5
Bestimmungskriterien des Sachbuchs
•
ABGRENZUNGEN
–
–
•
VERWANDTE GATTUNGEN (SACHBUCH IM WEITEREN SINNE)
–
–
–
•
unterhaltsam (1)
Information, Bildung, Orientierung (3)
SPRACHE, STIL
–
–
–
•
Geschichte, Gesellschaft, Kunst, Natur, Technik u.a. (1)
Wissenschaft, Politik, Soziales, Wirtschaft, Kultur, Kulturgeschichte (2)
verschiedenste Wissensbereiche (3)
INTENTIONEN
–
–
•
Wissenschaftliches Werk, Enzyklopädie, Lehr- und Fachbuch (1)
Lexikon, Wörterbuch, praktischer Ratgeber (2)
Ratgeber, Nachschlagewerke (3)
THEMEN, WISSENSGEBIETE
–
–
–
•
zur Belletristik (2, 3)
zum wissenschaftlichen Fachbuch (2, 3)
verständlich (1)
populär, allgemeinverständlich (2)
allgemeinverständlich, interessant (3)
ZIELGRUPPE
–
–
interessierte Laien (1, 2)
breites Publikum (3)
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
6
Bestimmungskriterien des Fachbuchs
•
ABGRENZUNG
–
–
•
VERWANDTE BEGRIFFE (FACHBUCH IM WEITEREN SINNE)
–
•
–
Information (4)
Belehrung (5)
Vermittlung von Wissen (5)
ZIELGRUPPE
–
•
bestimmte Wissensgebiete (4)
bestimmte Spezialgebiete (5)
INTENTIONEN
–
–
–
•
für Ausbildung oder Fortbildung in Beruf, Berufszweig, Wissensgebiet
(4)
für Ausbildung oder Fortbildung (5)
THEMEN
–
–
•
wissenschaftliches (Lehr)buch (4)
ZWECKE
–
•
zum wissenschaftlichen Buch (4)
zum Sachbuch (4, 5)
Angehörige bestimmter Berufe, Fachgenossen (5)
AUTORENSTATUS
–
Fachkenner (5)
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
7
Beispiele der Sach- und Fachliteratur
(1)
Am 9. November 1918, einem trüben Herbsttag im fünften Kriegsjahr, endete in Deutschland die mehr als tausendjährige
Herrschaft der Fürsten über das Volk.
An diesem Tage und in den folgenden Wochen – so stand es jedenfalls jahrzehntelang in den Geschichtsbüchern und so stellt es
sich vielen Deutschen heute noch dar – verwandelte sich das im mörderischen Kampf gegen die halbe Welt militärisch unbesiegte
Kaiserreich durch eine Revolution, einen Aufstand der Massen in Berlin und anderswo, in einen demokratischen Staat mit einer
freiheitlichen Verfassung, deren Artikel 1 besagte: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.«
Der bis dahin regierende deutsche Kaiser, Wilhelm II., mußte damals – so jedenfalls heißt es – dem Druck der Volksmassen
nachgeben und an diesem 9. November 1918 für sich und sein Haus endgültig auf den Thron verzichten.
Mit dem Kaiser dankten an jenem denkwürdigen Tage auch alle anderen deutschen Fürsten ab. Binnen vierundzwanzig Stunden
wurden so im Deutschen Reiche zweiundzwanzig Monarchien beseitigt. [...]
Die Gefängnisse waren gestürmt, alle politischen Gefangenen im Triumph befreit worden. Es gab keine Zensur mehr; der
»Belagerungszustand« samt Streik- und Demonstrationsverboten hatte seine Geltung verloren. Die gefürchteten Gendarmen,
Schutzleute und Geheimpolizisten hatten widerstandslos ihre Waffen abgeliefert und waren eingeschüchtert nach Hause
geschlichen. Soweit die deutsche Zunge reichte, gehörte nun alle Macht dem Volk, den revolutionären Arbeitern, Bauern und
Soldaten. Damit schien sich am 9. November 1918 ein alter Traum und die Sehnsucht der großen Mehrheit aller Deutschen über
Nacht und nahezu gewaltlos, ohne nennenswertes Blutvergießen, erfüllt zu haben, der ungehinderten Entwicklung eines freien,
ungeteilten Volksstaats nichts mehr im Wege zu stehen. Doch in Wirklichkeit war alles, zwar nur ein wenig, aber ganz
entscheidend, anders.
(2)
Konnte Standortgebundenheit bereits im Mittelalter reflektiert werden? Gewiß ist es unbestritten, daß, wie es für das Altertum
formuliert worden ist, »reale Voraussetzungen für Standortgebundenheit« auch im Mittelalter gegeben sind; der
Diskussionshinweis auf die Parteien und die Parteienpolemik des Investiturstreites belegt das nur durch ein besonders markantes
Beispiel. Das Feld der für diese Frage bedeutsamen Phänomene ist weit: Die Urkundenfälschungen im Interesse des eigenen
Klosters, eine parteiliche Chronistik, der eschatologische Geschichtsentwurf dissidierender Gruppen, die publizistischen
Kontroversen um politische Konflikte wären etwa zu untersuchen.
Hier soll an einem Einzelfall die Frage geprüft werden, wie weit die parteiliche Option im Umgang mit historischen Vorgängen im
Mittelalter sich – über eine unbewußte »Tendenz« des Autors hinaus – ausgewirkt hat. Als Untersuchungsfeld wähle ich einen
relativ sicher ausgrenzbaren Diskussionszusammenhang aus der publizistischen Kontroverse in der großen Auseinandersetzung
zwischen Papst und Kaiser im Mittelalter, die Debatte am Beginn des 14. Jahrhunderts: »De potestate papae«1. Beides, der
Konflikt zwischen Kaiserrecht und monarchischem Papat, wie die Versuche der Publizisten, die jeweilige Position durch Theorien
oder Theoreme verständlich zu machen, sind zwar nicht ohne die Tradition denkbar, wie sie sich seit dem Investiturstreit auf
beiden Seiten herausgebildet hatte, trotzdem gibt es angebbare Gründe, die eine Untersuchung der Diskussion des 14.
Jahrhunderts aussichtsreicher erscheinen lassen als die Analyse der Libelli de lite des 11. Jahrhunderts.
(3)
Die Industrialisierung verändert Europa. Vor rund zweihundert Jahren sind in England die ersten Fabriken entstanden. Das
Zeitalter der Industrie und Technik, die moderne Zeit hatte begonnen (vgl. Bd. 2, S. 162ff.). Aber erst vor rund einhundert Jahren
setzte die Industrialisierung sich in ganz Europa durch: Nach England in Frankreich und Belgien, in Deutschland, dann in Italien,
Rußland, in den skandinavischen Ländern, zuletzt auf dem Balkan und der Pyrenäischen Halbinsel. Maschinen, Fabriken,
Eisenbahnen veränderten das Leben – zunächst in den Städten, dann auf dem flachen Land. Sie veränderten die Siedlungen, die
Landschaft, den Charakter der Arbeit, die Rolle der Wirtschaft und die Aufgaben der Politik.
Bevölkerungswachstum und Bevölkerungswandel. Niemals zuvor war die Bevölkerung Europas so sprunghaft gestiegen wie
in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. In Deutschland und England stieg sie von 1871 bis zum Ersten Weltkrieg auf das
Eineinhalbfache, in Rußland und in den USA auf das Doppelte an. Die deutsche Bevölkerung wuchs jährlich um rund 800000
Menschen. Pro Quadratkilometer lebten im Deutschen Reich 1871 noch 76, 1910 schon 120 Menschen (1970 in der
Bundesrepublik ca. 240/qkm). Aber die Durchschnittswerte täuschen: Die Landbevölkerung wuchs kaum, denn der
Bevölkerungsüberschuß strömte in die Städte (vgl. Bd. 2, S. 206).
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
8
Beispiele der Sach- und Fachliteratur
(4)
Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen
und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte. Seine Geschichte soll hier erzählt werden. Er hieß Jean-Baptiste
Grenouille, und wenn sein Name im Gegensatz zu den Namen anderer genialer Scheusale, wie etwa de Sades, Saint-Justs,
Fouchés, Bonapartes usw., heute in Vergessenheit geraten ist, so sicher nicht deshalb, weil Grenouille diesen berühmteren
Finstermännern an Selbstüberhebung, Menschenverachtung, Immoralität, kurz an Gottlosigkeit nachgestanden hätte, sondern weil
sich sein Genie und sein einziger Ehrgeiz auf ein Gebiet beschränkte, welches in der Geschichte keine Spuren hinterläßt: auf das
flüchtige Reich der Gerüche.
Zu der Zeit, von der wir reden, herrschte in den Städten ein für uns moderne Menschen kaum vorstellbarer Gestank. Es stanken
die Straßen nach Mist, es stanken die Hinterhöfe nach Urin, es stanken die Treppenhäuser nach fauligem Holz und nach
Rattendreck, die Küchen nach verdorbenem Kohl und Hammelfett; die ungelüfteten Stuben stanken nach muffigem Staub, die
Schlafzimmer nach fettigen Laken, nach feuchten Federbetten und nach dem stechend süßen Duft der Nachttöpfe. Aus den
Kaminen stank der Schwefel, aus den Gerbereien stanken die ätzenden Laugen, aus den Schlachthöfen stank das geronnene Blut.
Die Menschen stanken nach Schweiß und nach ungewaschenen Kleidern; aus dem Mund stanken sie nach verrotteten Zähnen, aus
ihren Mägen nach Zwiebelsaft und an den Körpern, wenn sie nicht mehr ganz jung waren, nach altem Käse und nach saurer Milch
und nach Geschwulstkrankheiten. Es stanken die Flüsse, es stanken die Plätze, es stanken die Kirchen, es stank unter den Brücken
und in den Palästen. Der Bauer stank wie der Priester, der Handwerksgeselle wie die Meistersfrau, es stank der gesamte Adel, ja
sogar der König stank, wie ein Raubtier stank er, und die Königin wie eine alte Ziege, sommers wie winters. Denn der
zersetzenden Aktivität der Bakterien war im achtzehnten Jahrhundert noch keine Grenze gesetzt, und so gab es keine menschliche
Tätigkeit, keine aufbauende und keine zerstörende, keine Äußerung des aufkeimenden oder verfallenden Lebens, die nicht von
Gestank begleitet gewesen wäre.
(5)
Dieser Haltern ist meschugge. Der Wagen hat noch nicht einmal die Stadtgrenze erreicht, da fängt er schon zu plappern an und
brabbelt, quasselt, schwadroniert in einem fort. Hat Haltern Neuigkeiten zu berichten? Weiß er etwas, was die Damen interessiert?
Nein. Er käut nur alten Klatsch wieder, redet von nichtssagenden Personen und glossiert die langweiligen Geschichten mit trivialen
Redensarten. «Die Bestrafung folgt dem Laster», das ist so einer seiner dummen Sprüche. Oh, dies Geseires, «dieses aber und
abermal gespreche»!
Unbegreiflich, wie die Mutter das erträgt. Läßt sie sich beeindrucken von diesem Mann? Amüsiert sie gar, was er da schwätzt?
Diese Salbaderei, Maulfertigkeit und Zungendrescherei! Angestrengt blickt Rahel aus dem Fenster, tut so, als sei sie ganz von dem
gefesselt, was da draußen vor sich geht, bemüht sich, nicht mehr hinzuhören. Doch das duldet Haltern nicht: «Hören Sie zu, sie
mögen zu hören, Rahel hören Sie zu.»
Vier unerträglich lange Tage muß Rahel diesen Herrn ertragen. Morgen wird sie den ganzen Tag die Augen schließen und so tun,
als schlafe sie.
Die Reisegesellschaft besteht aus vier Personen: der Witwe Chaie Leviri, ihren beiden Töchtern Rahel und Rose und dem
obligatorischen, von der Mutter bestimmten männlichen Begleiter Joseph Haltern, einem jüdischen Gelehrten, der in einem Kontor
beschäftigt ist und nebenbei aus dem Deutschen ins Hebräische übersetzt. [...]
Sicherlich reisen die Herrschaften in der viersitzigen Familienkutsche der Levins, steigen unterwegs in den besten Poststationen ab
und können sich Annehmlichkeiten leisten, die andere sich versagen müssen. Auch ist für sie das Reisen nicht so außergewöhnlich
und selten wie für die meisten ihrer Zeitgenossen. Doch bleibt es anstrengend, ja strapaziös.
Ein Straßennetz, vergleichbar dem französischen, gepflasterte «chaussées» gibt es im Preußen des ausgehenden 18. Jahrhunderts
nicht. Die Kutsche rumpelt auf unbefestigten unebenen Wegen über Wurzel und Geäst hinweg, durchquert Sandkuhlen, plumpst in
mit Schlamm gefüllte Löcher und schüttelt die Insassen kräftig durch. Für zwei preußische Meilen, etwa vierzehn Kilometer,
braucht der Wagen gut drei Stunden.
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
9
Titelnachweis der Beispiele
(1)
Bernt Engelmann: Einig gegen Recht und Freiheit. Deutsches Anti-Geschichtsbuch, 2.
Teil. München, Güterloh 1975
(2)
Jürgen Miethke: Parteistandpunkt und historisches Argument in der
spätmittelalterlichen Publizistik. In: Objektivität und Parteilichkeit. Hrsg. von Reinhart
Koselleck u.a., München 1977, S. 47-62.
(3)
Geschichtliche Weltkunde Bd. 3: Von der Zeit des Imperialismus bis zur Gegenwart.
Frankfurt a.M. 1976.
(4)
Patrick Süskind: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders. Zürich 1985.
(5)
Carola Stern: Der Text meines Herzens. Das Leben der Rahel Varnhagen. Reinbek
1994.
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
10
Probleme der Systematisierung von
Sach- und Fachliteratur
•
Gattungstypen
-
•
Info-Broschüre
Fachbuch
Populäres Sachbuch
Sprachwörterbuch
Schulbuch
Anleitung
Atlas
Bildband
-
Dokumentation
Bibliografie
Telefonbuch
Reiseführer
Handbuch
Lehrbuch
Interpretationshilfe
Medizinbuch
Systematisierungsmöglichkeiten
–
Themen- bzw. Sachbereiche
•
–
Formale Kennzeichen
•
–
z. B. unterhaltend, informativ
Verwendungsbereiche
•
–
z. B. Atlas, Lexikon
Funktionen
•
–
z.B. Biologie, Geschichte
z.B. Schule, Studium
Zielgruppe
•
z. B. Berufsgruppen, Laien
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
11
Funktionsbereiche nichtfiktionaler Literatur
Sachliteratur
Fachliteratur
Funktionen:
Information
Unterhaltung
Funktionen:
Information
Bildung/Wissen
Freizeit
Schule
Reise
Beruf
Hobby
Studium
Alltag
Wissenschaft
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12
Gattungen nichtfiktionaler Literatur
Sachliteratur
Fachliteratur
Populäres
Sachbuch
Schulbuch
Ratgeber
Anleitungen
Fachbuch
Lehrbuch
Reiseliteratur
Studienliteratur
Kunst- und
Fotobände
Wissenschaftliche
Literatur
Allgemeine Lexika
Nachschlagewerke
Fachlexika
Nachschlagewerke
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
13
Geschichte der Sachliteratur
•
Begriff des 20. Jhs., ähnliche Ausdrücke: Tatsachenroman,
Bildungs- oder Informationsbuch, Wissenschaftsroman,
Realienbuch.
•
Anfang 20 Jh.: Nähe von Belletristik und Sachbuch (z.B. 1902
Nobelpreis für Literatur an Theodor Mommsen). Robert Musils
»Mann ohne Eigenschaften« oder Thomas Manns »Zauberberg« als
Versuche, zeitgenössisches Denken und Belletristik
zusammenzubringen (essayistische, enzyklopädische Romane).
•
»Klassische« deutsche Sachbücher:
•
–
Heinrich Eduard Jacob: »Sage und Siegeszug des Kaffees« (1934)
–
C.W. Ceram (d.i. Kurt W. Marek): »Götter, Gräber und Gelehrte. Roman
der Archäologie« (1949). Das erste auch international erfolgreiche
Sachbuch (bis 1980: 1,8 Mill.; in 23 Sprachen übersetzt). Verbindung
wissenschaftlicher Exaktheit mit dramatischer Erzählkunst.
Durchsetzung des Begriffs »Sachbuch« in den 1960er Jahren.
1962: Reihe »dms - Das moderne Sachbuch«, hrsg. von einer
Gruppe von Sachbuchverlagen, führend dabei der ECON-Verlag.
–
–
–
Interesse: Durchsetzung des »Sachbuchs« auf dem Markt, vor allem
auch Etablierung des Begriffs. Seit 1962 auch Bestseller-Listen Sachbuch
im »Spiegel«
14 bzw. später 15 Verlage
monatlich eine Neuerscheinung mit großem Werbeaufwand
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
14
Gattungen Sachliteratur - Überblick
•
Sachbuch
–
•
Ratgeber/Anleitung
–
•
Buch mit einem appellativen Grundton, immer in einem praktischen
Verwendungszusammenhang, das zum konkreten Handeln oder einer
Veränderung der persönlichen Lebenssituation anleiten oder
Orientierung bieten will.
Reiseliteratur
–
•
Zusammenhängende Darstellung für ein breites Publikum in
allgemeinverständlicher Sprache zum Zwecke der Information,
Belehrung und Unterhaltung, bei dem ein Thema aus Wissenschaft,
Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft oder Technik, ein besonderes (meist
historisches oder gesellschaftliches) Ereignis oder eine Person im
Mittelpunkt steht (siehe: Autobiografie, Biografie, Themensachbuch).
Literatur mit geografischen Themenschwerpunkten, die Information
über Reiseziele mit praktischer Orientierung, konkrete Hilfe für Reisende
oder auch subjektive Erlebnis- oder Erfahrungsberichte bietet.
Kunst- und Fotoband
–
Repräsentative Bücher mit einem großen, ästhetisch anspruchsvollen
Bildteil zu Themen wie Kunst, Künstlern, Lifestyle, Kultur, Geografie,
Architektur (Coffeetable-Books).
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
15
Geschichte der Fachliteratur
•
Ausgangspunkt in Antike und Mittelalter; Literatur zu den Artes und
Wissenschaften:
–
Die sieben Freien Künste (artes liberales) Grammatik, Rhetorik,
Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik (später Aufteilung
in Geistes- und Naturwissenschaften)
–
Die sieben Mechanischen Künste (artes mechanicae) auch unfreie, dem
Broterwerb dienende Künste): Handwerk und Alchemie; Kriegswesen;
Seefahrt, Erdkunde und Handel, Landbau und Haushalt; Tiere, Jagd und
Wald; Heilkunde; Hofkünste(später Technikwissenschaften)
–
Die magischen, ungewissen und verbotenen Künste (Magie, Mantik,
Gaunerei)
–
Die Wissenschaften: Jura, Theologie, Medizin
•
Popularisierung des Wissens seit dem 18. Jh. im Zuge der
Aufklärung
•
Aufstieg der Natur- und Technikwissenschaften im 19. Jh.
•
In der Gegenwart: zunehmende Professionalisierung von
angewandten Tätigkeiten (z.B. Design, Werbung, Medien); auch
Professionalisierung von »Hobbys« und anderen Freizeitaktivitäten
(Verwendung von Fachliteratur auch in diesen Bereichen)
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
16
Einsatzbereiche und Gattungen
der Fachliteratur
Schule
Beruf/Weiterbildung
Studium
Wissenschaft
Schulbuch
Fachbuch
Fachbuch
Wiss. Monografie
Lernmaterial
Übungsmaterial
Lehrbuch
Lehrbuch
Wiss. Aufsatz
Reportliteratur
Handbuch
Handbuch
Hochschul- und
Kongreßschrift
Lernmaterial
Übungsmaterial
Repertorium
Quellenwerk
Anleitung
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17
Gattungen der Fachliteratur (1)
•
Schulbuch
–
•
Lehr-, Lern- und Übungsmaterial, Schülerhilfe
–
•
zusammenhängende Darstellung zu einem Fach oder Themengebiet in
knapper, leicht verständlicher Darstellung auf der Basis gesicherter
Erkenntnisse. Dazu gehören auch einführende Darstellungen (Grundriss,
Leitfaden, Einführung). Didaktische Aufbereitung oder Strukturierung
(Lektionen, Zusammenfassungen, Fragen etc.), auch Repertorium.
Zielgruppe: Personen in Berufsausbildung oder Studium.
Anleitung
–
•
zusammenfassende Darstellung gesicherten Wissens zu einem Fach
oder Beruf, in übersichtlicher, klar strukturierter, faktenorientierter Form
mit Verwendung entsprechender Fachterminologie. Aspekte der
beruflichen Bildung, Aus- und Weiterbildung stehen im Vordergrund;
v.a. Wirtschaft, Verwaltung, Technik, Recht, Handwerk, Medizin.
Lehrbuch
–
•
dienen der Einprägung, Übung und Wiederholung von vermitteltem
Stoff, entsprechend didaktisch strukturiert.
Fachbuch
–
•
Für den Gebrauch an Schulen von den jeweiligen Kultusministerien
zugelassenes Buch zur Verwendung im Unterricht an allgemein
bildenden und Berufsschulen. Didaktisch strukturiert, auf konkrete Lehrund Erziehungsziele hin konzipiert.
praktischen Zwecken dienendes Lehrbuch mit Handlungsanleitungen,
insbesondere für Bildung und Ausbildung in den Bereichen EDV oder
Handwerk.
Handbuch
–
systematische und umfassende Darstellung eines Stoffgebiets auf der
Basis des aktuellen Forschungsstandes, von einem, meist aber von
mehreren Autoren verfasst; ein- oder mehrbändig. Zielgruppe: Personen
in Berufsausbildung oder Studium.
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
18
Gattungen der Fachliteratur (2)
•
Repertorium
–
•
Monografie
–
•
schriftliche Fassung von Vorträgen und Reden, die auf
wissenschaftlichen Tagungen und Kongressen gehalten und außerhalb
des Buchhandels vertrieben wird.
Wissenschaftlicher Aufsatz
–
•
Diplomarbeit, Dissertation oder Habilitation, die z.B. über
Universitätsinstitute oder –bibliotheken zugänglich ist.
Kongressschrift
–
•
handelt ein (häufig sehr spezielles) Thema in wissenschaftlicher Weise,
zusammenhängend und abgeschlossen ab. Präsentation neuer
Forschungs-ergebnisse zumeist in den Geistes- und
Sozialwissenschaften; Medium des Forschungsdiskurses. Zielgruppe:
Wissenschaftler, Studierende
Hochschulschrift
–
•
wissenschaftliches Nachschlagewerk, oft Bibliografie
Ergebnisse neuerer Forschung die in Fachzeitschrift oder Sammelband
erscheinen
Quellenwerk
–
z.B. Quellensammlung, Dokumentation, als Grundlage von Forschungen
(Gesetzestexte, Verordnungen, Akten, Verträge etc.); kritische Ausgabe
von Werken der Dichtung
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
19
Bewertungskriterien der Sach- und
Fachliteratur
•
Verfasser (bzw. Autorenteam) auch Übersetzer, Illustrator
–
–
–
•
Inhalt
–
–
–
–
–
•
–
Stil (auch Übersetzung): lebendig, anschaulich, spannend, sachlichnüchtern, wissenschaftliche Diktion
Schwierigkeitsgrad: inhaltlich und stilistisch; Lesbarkeit; Möglichkeit des
Nachvollzugs; Vorkenntnisse erforderlich?
Einordnung in Literatur zum Thema
–
–
–
•
Aufbau und Gliederung
wissenschaftlicher Apparat
Arbeitsmethode
methodische Absicht und Richtigkeit
Darstellungsart und Schwierigkeitsgrad
–
•
Sachbuch (Reiseliteratur, Ratgeber, Biografie, Themensachbuch usw.)
Fachbuch (Handbuch, Lehrbuch, Schulbuch, Monografie usw.)
Auskunftsliteratur (Lexikon, Nachschlagewerk, Bibliografie usw.)
Methode
–
–
–
–
•
Inhaltsreferat
Absicht und/oder Tendenz (politisch u. a.)
Frage der sachlichen Richtigkeit
Forschungsstand
Aktualität: Bestseller; besondere Aktualität des Autors und der Sache
Form (Buchgattung)
–
–
–
•
Lebensdaten, Nationalität
Herkunft: Beruf, Arbeitsgebiet; wissenschaftliche Schule;
weltanschauliche, konfessionelle, politische Herkunft oder Richtung
Hinweis auf bisherige Veröffentlichungen
Hinweis auf Parallelveröffentlichungen
Stellenwert in der Literaturgruppe
Bearbeitungshäufigkeit des Themas
Lesergruppe
–
–
–
Für alle
Für begrenzte Interessentengruppen (Jugendliche, Senioren usw.)
Nur für Spezialisten (z. B. Studenten, Ingenieure)
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
20
Titelproduktion deutscher Verlage
•
•
•
1999
–
Erstauflagen Gesamt
60.819
100,0%
–
davon KJL
3.275
5,4%
–
davon Belletristik
7.566
12,4%
–
davon Sachliteratur
49.978
82,2%
–
Erstauflagen Gesamt
68.399
100,0%
–
davon KJL
4.806
7,0%
–
davon Belletristik
9.693
14,2%
–
davon Sachliteratur
53.900
78,8%
–
Erstauflagen Gesamt
59.916
100,0%
–
davon KJL
4.593
7,7%
–
davon Belletristik
8.307
13,9%
–
davon Sachliteratur
47.016
78,4%
2001
2002
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
21
Titelproduktion deutscher Verlage
70000
60000
50000
GESAMT
KJL
BELL
SACH
40000
30000
20000
10000
0
1999
2001
2002
Anteile der Kinder- und
Jugendliteratur, Belletristik und
Sachliteratur an der gesamten
Titelproduktion 2002
Dr. Isa Schikorsky - Sach- und Fachliteratur - BIB2
22
Leser der Sach- und Fachliteratur
Quelle: Leseverhalten in Deutschland im neuen Jahrtausend. 2001.
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23
Gattungen Sachliteratur: Autobiografie (1)
•
Begriff Autobiografie: »Zusammenhängende Erzählung der
Geschichte des eigenen Lebens oder größerer Lebensabschnitte im
Rückblick.« (V. Meid: Sachwörterbuch, 1999, 50f.)
–
•
Begriff Autobiografik (auch: Ego-Dokumente oder
Autobiografisches Schrifttum): »alle Gattungsvarianten des
Schreibens über sich selbst« (Holdenried 2000, 20)
–
–
•
narrative Gattungen: Memoiren, autobiografischer Roman, Biografie,
evtl. Chronik, Lebenslauf u.a.
reflexiv-essayistische Gattungen: Tagebuch, Brief, Bewusstseinsprotokoll
u.a.
Memoiren (= Denkwürdigkeiten)
–
–
–
–
–
•
auch: Konfessionen, Bekenntnisse, Lebensbeschreibung usw.
eine »äußere« Autobiografie (Erlebnisse, Begegnungen)
Betonung der Zeitumstände, des gesellschaftlichen, politischen und
kulturellen Umfelds der Epoche
kein schriftstellerischer Ehrgeiz
Bedeutung als historische und kulturhistorische Quellen
Autoren: Politiker, Schauspieler, Schriftsteller und weitere Prominente
(bzw. deren »Ghostwriter«)
Merkmale der Autobiografie
–
–
–
–
–
–
Individuelles Erinnern (die eigene Geschichte)
Retrospektives Erzählen
Ideale Forderungen (nach Aichinger):
Gestaltung des Lebenszusammenhangs
Werden einer Persönlichkeit (Identität als Zielpunkt, teleologisches
Muster)
Totalität des Individuums
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24
Gattungen Sachliteratur: Autobiografie (2)
•
Spektrum autobiografischen Schreibens
–
–
–
–
–
•
Probleme autobiografischen Schreibens
–
–
–
–
–
•
Probleme bei der Differenzierung von fiktionalen und nicht-fiktionalen
bei Autobiografien (Autobiografie = Roman?).
Autobiografie als Zweck- oder Gebrauchsform?
Die Wahrheit der Autobiografie?
Autobiografischer Pakt zwischen Autor und Leser
Namensidentität (Autor- Erzähler -Figur) (nach Lejeune)
Funktionen der Autobiografie
–
–
–
–
•
Perspektive (innen vs. außen)
narrativ vs. reflexiv-essayistisch
Lebensverlauf (aufsteigend, absteigend, gelingend, abweichend)
Interpretation des Lebenslaufs (Vorsehung, Anlagen, Tüchtigkeit)
Intention (Vorbild, Belehrung, Rechtfertigung usw.)
Orientierungshilfen für Leser
Modellfunktion für das Leben des Lesers
bis zum 18. Jhdt. vor allem Erfolgsgeschichten
In der Moderne: Selbstreferenzialität (Rechtfertigung des Einzelnen für
sich selbst)
Tendenzen der Autobiografik
–
–
–
–
Dominanz der Memoirenliteratur
Annäherung an fiktionale Muster (Literarisierung und poetologische
Aufwertung)
Populäre Autobiografik (Arbeiter, Dienstboten, Bauern)
Autobiografische Sonderformen
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25
Gattungen Sachliteratur: Biografie
•
Begriff BIOGRAFIE: »Literarische oder wissenschaftliche Darstellung eines Lebenslaufs.« (V. Meid: Sachwörterbuch 1999, 74)
•
Formen der Biografie
–
–
–
–
–
–
–
•
Einzel- oder Individualbiografie
Doppelbiografie
Sammelbiografie
Sozial- oder Gesellschaftsbiografie (z.B. »Generation Golf«)
Biografischer Roman (Exil, 70er Jahre)
Werkbiografie (Schriftsteller)
Populäre Biografie (Prominente)
Merkmale und Tendenzen der Biografie
–
–
–
–
–
–
–
Muster für vorbildliche oder abschreckende Lebensverwirklichungen
These: Biografie als Produkt gesellschaftlicher Krisenzeiten
Formale Stereotypik (z.B. Berufsgruppen, Heiligenlegenden)
Bürgerliche Biografien seit der Renaissance
zwei Entwicklungslinien seit dem 19. Jhdt.
Historisch-politische Biografik (Muster: »Große Männer machen
Geschichte«)
Biografien von Künstlern und Wissenschaftlern
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26
Gattungen Sachliteratur: Ratgeber
•
Merkmale und Tendenzen des Ratgebers
–
–
–
–
–
–
–
•
Funktionen des Ratgebers
–
–
–
–
–
–
•
Beruflicher und sozialer Aufstieg (z.B. Karriereplanung,
Bewerbungstraining)
Organisation zwischenmenschlicher Beziehungen
Persönlicher Erfolg (z.B. Finanzen, Recht)
Steigerung des physischen und psychischen Wohlbefindens (z.B.
Gesundheit, Sport, Medizin)
Sinnsuche, Orientierung (z.B. Religion, Esoterik)
Aneignung von Fertigkeiten und Techniken (»Do-it-yourself«)
Formale Kennzeichen des Ratgebers
–
–
–
–
•
Gesellschaftliche Basis
Spiegel der komplexen modernen Gesellschaft
Spezialisierung von Alltagswissen
Partizipation an Profi-Wissen
Fortschrittsoptimismus
Mechanistisches Problemlösungsdenken
Profanisierte Heilserwartung
Kleinteilige Gliederung (Absätze, Hervorhebungen, Merksätze,
Zusammenfassungen)
Grafische Gestaltungselemente (Kästen, Symbole, Icons etc.)
Appellative, suggestive Sprache (»Auch Sie können es schaffen«)
Anleitungen: Register, Abbildungen, Schaubilder
Ratgeber-Verlage
–
Hohe Titelsubstituierbarkeit, z.B. in »www.buchhandel.de« zu den
Themen:
•
•
•
–
Mobbing (72 Titel)
Rückenschule (33 Titel)
Yoga (525 Titel)
Reihen einschlägiger Verlage, z.B. Gräfe + Unzer, W. Heyne, Falken,
Humboldt
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27
Gattungen Sachliteratur: Reiseliteratur
•
Gattungen der Reiseliteratur
–
–
–
–
–
–
•
Reiseführer (informationsbezogen, Service)
Reiseberichte (individuell, anschaulich, weniger Information) I
Kunstführer
Straßen- und Wanderkarten
Atlanten
Bildbände
Typen von Reiseführern
–
Allgemeine Reiseführer
•
–
Spezielle Reiseführer
•
•
•
•
–
–
–
–
Aktualität
Schwerpunkte, Umfang und Auswahl der Informationen
(Sehenswürdigkeiten, Kunst, Kultur, Alltag, Geografie, Geschichte)
Umfang und Zuverlässigkeit von Service- und Adressenteil
Struktur und Erschließung: Gliederung, Register
Sprache und Illustrationen
Kartografie
Tendenzen von Reiseführern
–
–
–
–
–
•
für einzelne Zielgruppen (Jugendliche, Singles, Homosexuelle)
zu einzelnen Aktivitäten/Interessen (Sport, Kultur)
zu einzelnen Fortbewegungsarten (Rad, Auto)
Qualitätskriterien von Reiseführern
–
–
•
Informationen zu Ort/Region, Sehenswürdigkeiten, Infrastruktur, Klima, Natur,
Land und Leute, Routen, Vorbereitungen, Organisation
zunehmendes Interesse an Reiseführern
Auflagen, Reihen und Titel steigen stetig
zunehmende Spezialisierung
Vereinheitlichung der Struktur (z.B. merian live, Marco Polo, Polyglott)
zunehmende Übersichtlichkeit
Reiseführer - Verlage
–
–
–
Hohe Titelsubstituierbarkeit
Spezielle Verlage oder Verlagssegmente für Reiseliteratur, z.B. DuMont,
Baedeker, ADAC, Polyglott, Vista Point usw.
Tendenz zur Reihenbildung, z.B. »DuMont richtig reisen« (100 Bd),
»Merian live!« (172), »Kompass Wanderführer per pedes« (57)
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Gattungen Sachliteratur:
Themensachbuch oder populäres Sachbuch
•
Merkmale des Themensachbuchs
–
–
–
Allgemeinverständliche Sprache
Allgemeines Publikum
Intentionen
•
•
•
–
•
Autoren: Wissenschaftler, Journalisten; oft prominente Namen
Formale Merkmale des Themensachbuchs
–
–
–
–
–
•
Wissensvermittlung
Wert-und Sinnorientierung
Meinungsbildung und -beeinflussung
Eingängige Titelformulierungen
Vergleichsweise lange Kapitel, wenige Gliederungsmarkierungen
stärker erzählende Schreibweisen, flüssige Lesbarkeit
Trend: verschiedene Textebenen (Haupttext, Begriffserklärungen,
Nebenaspekte, Anekdoten usw.)
Grafische Gestaltung (Kästen, Blöcke, Farbschattierungen, Illustrationen)
Themensachbuch – Verlage
–
–
oft Allgemeinverlage (Belletristik und Sachbuch), z.B. Hanser, Patmos,
Hoffmann & Campe, Piper, Eichborn)
vereinzelt Sachbuchverlage: z.B. Econ, Prestel
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