medizinisch-psychologischen

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Die Rolle der Verkehrsmedizin in Deutschland und
ihre Schnittstelle zur Verkehrspsychologie
Hannelore Hoffmann-Born, Frankfurt am Main
Olomouc, 07.12.2012
Verkehrsmedizin
 „Anwendung ärztlichen Wissens auf Probleme d. Verkehrssicherheit“
Unfallforschung
 beschäftigt sich mit Erkrankungen, die zu einer Beeinträchtigung der
Fahrtauglichkeit führen…. Ebenso mit … psychotropen Substanzen.
Begutachtung ist auch Inhalt der Verkehrsmedizin..
 Wer? z.B. Ärzte in Begutachtungsstellen, Rechtsmediziner,
(Verkehrspsychologen, Verkehrsjuristen), Fachärzte und praktische
Ärzte
 Unterschied: Beratung - Begutachtung
Verkehrsmedizin: Begutachtung/Beratung
 Wer begutachtet ?
Ärzte in Begutachtungsstellen für Fahreignung
Ärzte im Gesundheitsämtern oder öffentlicher Verwaltung
Fachärzte für Rechtsmedizin
Fachärzte mit verkehrsmedizinischer Qualifikation
Ärzte für Arbeitsmedizin oder Ärzte mit
Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin
 Wer berät ?
Alle behandelnden Ärzte bei verkehrsmedizinischen
Krankheitsbildern (Verrechtlichung durch juristische
Formalismen: Dokumentation/Aufklärung im
PatientenrechteG)
Arzt versus Gutachter
 Arzt
Patientenverhältnis – Behandlungsvertrag (Dienstvertrag) – Diagnostik –
Therapie - Schweigepflicht – Aufklärung (Risikoaufklärung)
Verkehrsmedizinische Beratung
 ex
ante = (präventiv)
 Gutachter
Probandenverhältnis – Werkvertrag – Auftraggeber – Schweigepflicht ggü.
Dritten
Verkehrsmedizinische Begutachtung
 ex
post
Unfallrisiko Krankheit
Diabetes
psychische Erkrankung
neurologische Erkrankung
Herzinfarkt
Schlaganfall
Epilepsie
Schlafentzug 17-19h
0,5 Promille
1,1 ‰  10-fach
1,6 ‰  40-fach
Alter>75
Alter>70
weiblich<25
männlich<25
Quellen:
0
1
2
3
Epilepsy and driving in Europe. Final Report of the Working Group on Epilepsy
EU-Projekt IMMORTAL Deliverables R1.1 und R1.2
Vortrag Prof. Dr. R. Mattern, Berlin, 25.05.2011
4
5
6
7
8
Odd`s Ratio
Co-Faktor Alkohol: Trinkmenge bei 1,6%o
Um 1,6 Promille zu erreichen, kann ein ca. 80 kg schwerer Mann in
ungefähr 5 Stunden
8 Halbe Bier (0,5l)
oder knapp 8 Viertel Wein (0,25l)
oder 24 Schnäpse (2 cl) trinken
Ärztliche Beratung zur Fahrsicherheit
 Autofahren ist Ausdruck des Selbstständigkeits- und
Mobilitätserhalts
 Einschränkungen erleben erkrankte und ältere Autofahrer i.d.R. als
tiefe Einschnitte in ihre Autonomie
 Hohe Verantwortung der Ärzte bei Aufklärung, Beratung und
Begutachtung bei Kenntnis und Beachtung der Regelwerke !
Tödlicher Unfall in Alzenau:
Fahrer erlitt einen Schlaganfall
Der Unfall schockierte den unterfränkischen Ort Alzenau:
Ein 51-Jähriger raste am Sonntag mit hoher Geschwindigkeit in einer
Tempo-30-Zone in eine junge Familie.
Die Mutter und der siebenjährige Sohn starben. Jetzt scheint die
Ursache geklärt. (Stern.de am 09.01.12)
... und die Rolle der Verkehrsmedizin für
die Sicherheit auf den Straßen ?
Getötete pro 1 Mio. Einwohner in Europa
ADAC - Statistik
Ursachen für Unfälle mit Personenschaden Deutschland
2010
Mensch
87,7
nach Erwerb der Fahrerlaubnis
lediglich
äußere
Bedingungen
Selbstüberprüfungspflicht
(§ 2 Abs. 1 Satz 1 FeV*)
12
Fahrzeug
0,9
0
20
40
60
80
100
strenge Vorschriften
zur periodischen Überwachung
(HU etc.)
Anteil, %
Quelle: Dekra; dortige Quelle Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 2011, Unfallursachen, (Mehrfachnennungen
möglich)
*) „Wer sich infolge körperlicher oder geistiger Mängel nicht sicher im Verkehr bewegen kann,
darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet.“
MPU: Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit
Mensch im Mittelpunkt
Einzelfallgerechtigkeit
Warnen, schützen,
helfen
Problem
erkennen
Problem
lösen
Punktesystem
Begutachtung
Rehabilitation
Sichere individuelle
Mobilität
Anforderung an Begutachtungsstellen (MPU):
 Identische Regeln
 Unabhängigkeit, Neutralität, Objektivität
 Abbildung des aktuellen Stands von Wissenschaft und Technik
 Regelmäßige Überprüfung durch die BASt
 Amtliche Anerkennung
 Nachweis von Qualitätssicherungssystemen
Stand von Wissenschaft und Technik
in der Begutachtung der Fahreignung
Definition*:
Anerkannte Regeln der Begutachtung zur Kraftfahrereignung sind
verkehrsmedizinische, verkehrspsychologische und technische Grundsätze, die
nach wissenschaftlichen Erkenntnissen als theoretisch richtig gelten, die sich in
der Praxis über längere Zeit bewährt haben und von einschlägigen Fachkreisen
allgemein anerkannt sind z. B.
 Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung
 Urteilsbildung in der Medizinisch-Psychologischen Fahreignungsdiagnostik –
Beurteilungskriterien, Erweiterte und überarbeitete 2. Auflage, Kirschbaum
Verlag 2009
* Quelle: Schubert, W. & Mattern, R. (2006) Criteria for the evaluation of future assessment models of physical and mental fitness of drivers.
In: W.-R. Nickel & P. Sardi (Eds.) Fit to Drive 1st International Traffic Expert Congress Berlin from May 3rd – 5th 2006 – Tagungsband (p.
106 – 110). Bonn: Kirschbaum Verlag.
Qualitätsstandards der Ärzte in den
Begutachtungsstellen für Fahreignung
 Voraussetzung: mindestens 2 Jahre klinische Tätigkeit
 Einarbeitung: 1 Jahr mit mindestens 100 GA unter Supervision und
internem Nachweis der Ausbildung in spezifischen Tätigkeitsfeldern (u.a.
Toxikologie, Recht, Gutachtenerstellung sowie Beurteilungskriterien und
Begutachtungs-Leitlinien9
 Regelmäßige Qualitätszirkel, Fallbesprechungen...
 Möglichkeit zur Teamarbeit mit den Psychologen
 Nachweis einer 3-tägigen Weiterbildung pro Jahr
 Interne und externe Überprüfung der Gutachtenqualität
MPU in Zahlen (2011)
 In 240 Begutachtungsstellen für Fahreignung wurden 2011 ca. 99.265
Personen medizinisch-psychologisch begutachtet.
 Verteilung der Anlässe: 28% erstmals alkoholauffällige Kraftfahrer, 16%
mehrfach alkoholauffällige Kraftfahrer, 20 % drogenauffällige Kraftfahrer,
16% verkehrsauffällige Kraftfahrer, 1 % „körperliche Mängel“ Sonstige...
 Ergebnisse: 55 % positiv
7 % Nachschulung
37,5 % ungeeignet
Arten verkehrsmedizinischer Gutachtentätigkeit :
 Ärztliche Begutachtung im Rahmen einer medizinisch-psychologischen
Begutachtung
 Ärztliche Fahreignungsbegutachtung bei Erkrankungen (Mangel nach
Anlage 5 FeV)
 Ärztliches Fahreignungsgutachten zur Klärung der Frage, ob
Alkoholabhängigkeit besteht (ohne Delikt)
 Ärztliches Fahreignungsgutachten bei Einnahme von BTM und zur Klärung,
ob Drogenabhängigkeit besteht.
 Statusfeststellung bei bewährten Kraftfahrern (Verlängerung der
Fahrerlaubnis Gruppe 2)
Begutachtungssystem – ärztliche GA und MPU
 Die Anforderungen an MPU- und ärztliche Gutachten in der
Fahreignungsbegutachtung sind gleich (vgl. Anlage 15 (zu § 11 Abs. 5, §
66) FeV).
 Beide Gutachten entwickeln verwaltungsrechtlich die gleiche Wirkung.
 Aber: Die Einhaltung der in der FeV geforderten Qualitätsstandards für
ärztliche Gutachten unterliegt z. Zt. keiner statistischen Erfassung und
keiner geregelten fachlichen Überprüfung.
 10 Mitgliedsstaaten der EU (Österreich, Polen, Tschechien, Slowakei, Italien,
Deutschland, Spanien, Ungarn sowie Estland und Portugal in Vorbereitung )
und die Schweiz praktizieren bereits die Überprüfung der Fahreignung
und/oder das Driver Improvement mit unterschiedlicher Aufgabenverteilung
zwischen Medizin und Psychologie.
Interdisziplinarität in der
Fahreignungsbegutachtung (MPU) MPU
MPU
Medizinischer
Teilbereich
körperlicher
Allgemeinzustand
Psychologischer
Teilbereich
Analyse der
Verkehrsvorgeschichte
Leistungsbefund
neurologischer Befund
psychiatrischer Befund
Untersuchungsgespräch
Sinnesorgane
Laborbefunde (auch
extern – z.B.
Abstinenzbelege)
Psychologische
Exploration
Fahrpraktische
r
Teilbereich
Fahrverhaltensbeobachtung
unter Berücksichtigung der
Leistungsbefunde
• Sozialanamnese
• Verkehrsanamnese
• Alkohol- oder
Drogenvorgeschichte
Testpsychologischer
Befund
Gesamtbewertung der medizinisch-psychologischen
Befundkombination
Was ist verkehrsrelevant in den
Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung?
Sehvermögen
Schwerhörigkeit/ Gleichgewichtsstörungen
Bewegungsbehinderungen
Herz- und Gefäßkrankheiten
Zuckerkrankheit
Erkrankungen des Nervensystems
Psychische Störungen
Alkoholismus
Klärung der Frage, ob BTM- Einnahme erfolgt, BTMAbhängigkeit
Nierenerkrankungen
Sonstige Anlässe: z.B.  Tagesschläfrigkeit
Medikamente
Aber: z.T. veraltet und
es fehlen LL z.B. für
Persönlichkeitsstörung,
MS, ADHS, HIV etc...
Häufige Erkrankungen im Alter ab 65 Jahren








Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Diabetes mellitus
Tumorerkrankungen
Erkrankungen des
Bewegungsapparates
Demenz
Depressive Störungen
Angststörungen
Morbiditätsentwicklung
32
14
7
0%
Keine
29
24
35
50
14
12
65
20%
1 Erkrankung
4
40%
2 bis 4 Erkrankungen
24
60%
80%
100%
5 und mehr Erkrankungen
Quelle: Alterssurvey 2002
Multimorbidität und Unfallrisiko
 Risiko durch Mehrfacherkrankung deutlich erhöht BASt- Studie
 Multimedikation (z.B. zentral anticholinerge Nebenwirkung)
 Datenlage unklar (Studien/Realität) Dunkelzifferproblematik
 Besondere Bedeutung der Demenz
Systematik der verkehrsmedizinischen
Bewertung
Prognose:
med +
psych.??
Verlauf
Krankheitskonzept ?
Veränderungsmotivation?
Symptome
Komorbidität
Medikation...
Person
v. med.
Befundlage
Methoden in der Fahreignungsbegutachtung
1. Ärztliche Begutachtung/Untersuchung
 Erhebung anamnestischer Daten, somatische und psychiatrische
Befunderhebung Erhebung und Auswertung laborchemischer und
toxikologischer Befunde und sachgerechte Bewertung beigestellter ärztlicher
Befunde. Anamnese und Untersuchungsarten sind anlassbezogen und
beachten die aktuellen medizinischen Erkenntnisse (Beurteilungskriterien
3. Auflage ?) unter Berücksichtigung der rechtlichen Anforderungen.
 Die verkehrsmedizinische Untersuchung und Bewertung erfolgt unter
Beachtung der fachlichen Grundlagen in der der aktuell gültigen Fassung (FeV,
BGL und BK)
 Für die Durchführung der ärztlichen Begutachtung gelten die in der Anlage 15
der FeV genannten Grundsätze ebenso wie für die Durchführung der
medizinisch-psychologischen Untersuchung.
 Über die Untersuchung sind Aufzeichnungen anzufertigen.
Die Problematik: Demenz und Fahreignung
Leitsatz: Bei Demenz mit leichter Beeinträchtigung
von Gedächtnis, kognitiven Funktionen,
Urteils- und Denkvermögen:
ggf. bedingte Eignung für Gruppe 1
Gruppe 2: nein
Überprüfung der psychophysischen Leistungsfähigkeit !
Kognitive Störungen/ Demenzerkrankungen
Verkehrsgefährdung:
Gedächtnis, Aufmerksamkeit, visuell- räumliche Fähigkeit,
reduziertes Urteilsfähigkeit, Störung von Erkennen, Wahrnehmung und
Orientierung...
Gefährdungspotenzierung:
 diagnostische Probleme (Anfangsphase, gute „Fassade“)
 Persönlichkeitsveränderungen
 Komorbidität
Risikominimierung (z.B. bei „subklinischer“ Demenz)
 regelmäßige ärztliche Kontrollen
 psychofunktionale Leistungsüberprüfung
 kritisch - stützendes Umfeld
Fahrzeugumrüstung nach verkehrsmed. Bewertung
Spezielle Fahrschulen und Fahrzeugumrüster helfen und
prüfen, welche Anpassungen notwendig werden
Antrag bei FS-Stelle (über Fahrschule oder selbst)
Ärztliches Gutachten
Technisches Gutachten nach Probefahrt mit a. a. S. im umgerüsteten
Fahrzeug.
Eintrag von Kennzahlen im Führerschein
Gruppe 1
Gruppe 2
Weitere Grundsatzliteratur (u. a.)
Verkehrsmedizin
Fahreignung,
Fahrsicherheit,
Unfallrekonstruktion
Grundriss Fahreignungsbegutachtung – Einführung
in die Beurteilungskriterien der
medizinisch-psychologischen
und ärztlichen Begutachtung
Arzthaftung bei problematischer Fahreignung
Interdisziplinarität in der
Fahreignungsbegutachtung (MPU) MPU
MPU
Medizinischer
Teilbereich
körperlicher
Allgemeinzustand
Psychologischer
Teilbereich
Analyse der
Verkehrsvorgeschichte
Leistungsbefund
neurologischer Befund
psychiatrischer Befund
Untersuchungsgespräch
Sinnesorgane
Laborbefunde (auch
extern – z.B.
Abstinenzbelege)
Psychologische
Exploration
Fahrpraktische
r
Teilbereich
Fahrverhaltensbeobachtung
unter Berücksichtigung der
Leistungsbefunde
• Sozialanamnese
• Verkehrsanamnese
• Alkohol- oder
Drogenvorgeschichte
Testpsychologischer
Befund
Gesamtbewertung der medizinisch-psychologischen
Befundkombination
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Ärzte - Psychologen bei der MPU
Die ärztliche Untersuchung im Rahmen der MPU dient:
dem Ausschluss von (verkehrsrelevanten) Krankheiten
der Objektivierung von anamnestischen oder aktenmäßigen Daten (z.B.
Hinweise auf Trinkverhalten)
der Überprüfung von Veränderungen.
Das Gutachtenergebnis ergibt sich aus der Gesamtbefundlage nach
interdisziplinärer Absprache !
z. B. Gutachten mit Alkoholfragestellung
 Die psychologische Befundlage erlaubt eine positive Bewertung
 Die Angaben im ärztlichen Gespräch decken sich nicht mit denen im
psychologischen Gespräch.
 Bei der ärztlichen Untersuchung finden sich zudem Hinweise auf aktuell
vermehrten Alkoholkonsum (Haut, Leberlaborparameter, Tremor der Hände)
 Die Abstinenzbelege entsprechen nicht den Vorgaben der
Beurteilungskriterien
 Gesamtergebnis: negativ!
Děkuji Vám za Vaši
pozornosti!
Kontakt:
[email protected]
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