kosmischer Schall - Didaktik der Physik

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Moderne Vorstellungen vom Urknall
Matthias Bartelmann
Zentrum für Astronomie, Institut für Theoretische Astrophysik
Universität Heidelberg
Physikdidaktisches Kolloquium, Erlangen, 12.06.2007
Einige Aussagen des Urknallmodells
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Es gab einen Urknall.
Er fand vor 14 Milliarden
Jahren statt
Erste Elemente bildeten sich
drei Minuten danach.
400000 Jahre lang war das
Universum undurchsichtig.
Nur 4% der kosmischen
Materie sind „gewöhnliches“
Material.
Das Universum dehnt sich
beschleunigt aus.
Wie können wir solche Aussagen überhaupt wagen?
Überblick
Stonehenge: ein Weltmodell
Tycho Brahes Weltbild
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Weltmodelle
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experimentelle Stützen
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kosmischer Schall
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kosmischer Einklang
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Inflation
Weltmodelle
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
physikalische Weltmodelle
vier Kräfte: starke und
schwache Wechselwirkung,
Elektromagnetismus,
Gravitation
nur Gravitation ist wichtig für
die Kosmologie
moderne Gravitationstheorie:
Einsteins Allgemeine
Relativitätstheorie (ART)
Weltmodelle müssen aus der
ART konstruiert werden
Weltmodelle
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
Masse und Energie krümmen
den Raum
Gleichungen der ART sind i.A.
sehr kompliziert
Vereinfachung durch
Symmetrieannahmen


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Richtungsunabhängigkeit
um uns
es gibt keine ausgezeichneten Beobachter
Folge: Isotropie um jeden Ort,
damit auch Homogenität
Weltmodelle
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Einfache Weltmodelle:
Friedmann-Modelle
instabil: dehnen sich aus oder
ziehen sich zusammen
wenige „Stellschrauben“:

Dichte

kosmologische Konstante


Ausdehnungsgeschwindigkeit
Wie sind diese „Stellschrauben“ eingestellt?
Weltmodelle
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
Galaxienhaufen: bis zu etwa
1000 Galaxien
Galaxien bewegen sich mit
etwa 1000 km/s
Schwerkraft der Galaxien
reicht nicht, um sie zu halten
5-10 Mal mehr Materie in
Galaxienhaufen, als sichtbar
ist!
Dunkle Materie
Coma-Galaxienhaufen
Weltmodelle
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optische Emission nur aus
dem innersten Bereich von
Galaxien
Wasserstoff-Emission ist
wesentlich ausgedehnter
Umlaufgeschwindigkeit bleibt
bis zu großen Radien etwa
konstant
Galaxien müssen sehr viel
mehr als die sichtbare Masse
enthalten!
Weltmodelle
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Kosmologische Konstante:
eingeführt von Einstein für
stabiles Universum
unklar, worum es sich handeln könnte
entspricht einer Materieform
mit negativem Druck
könnte z.B. von bestimmten
Elementarteilchen-Sorten
beigetragen werden
Prof. de Sitter,
Allgemeines Handelsblatt 1930:
„Wie bläst er den Ball auf? Was sorgt
dafür, dass das Weltall sich ausdehnt?
Das macht das Lambda!
Eine andere Antwort ist nicht möglich.“
experimentelle Stützen
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
Galaxien bewegen sich in der
Regel von uns weg (Slipher)
sie tun das umso schneller, je
weiter entfernt sie sind
(Hubble)
dies entspricht genau dem
Verhalten der FriedmannModelle (Lemaître)
experimentelle Stützen
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unsere „Nachbarschaft“ sieht
keineswegs isotrop aus!
zu je größeren Entfernungen
wir beobachten, desto
isotroper wird das Universum
im Mittel ist das Universum
offenbar wirklich isotrop
experimentelle Stützen
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Universum dehnt sich aus: es
war früher kleiner und heißer
es muss aus einem „Urknall“
entstanden sein
bis etwa 3 Minuten danach
konnte Kernfusion stattfinden
leichte Elemente entstanden
(v.a. D, He, Li)
deren gemessene Häufigkeiten stimmen sehr gut mit
den erwarteten überein
kosmischer Schall
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frühes, heißes Universum war
undurchsichtig
400000 Jahre nach dem
Urknall: Atome entstanden, es
wurde durchsichtig
Licht konnte sich danach frei
ausbreiten
es verlor Energie wegen der
Abkühlung: Temperatur heute
etwa 3K
Mikrowellenhintergrund,
entdeckt 1965
kosmischer Schall
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heutige kosmische Strukturen
müssen sehr früh angelegt
worden sein
der Mikrowellenhintergrund
sollte ebenfalls Strukturen
zeigen
Temperaturschwankungen im
Bereich von etwa 10
Millionstel Grad erwartet
sie wurden 1992 von dem
amerikanischen CobeSatelliten entdeckt
kosmischer Schall
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drei Mechanismen haben
diese Strukturen erzeugt:
Licht lief in „hügeligem
Gelände“ los (Sachs-WolfeEffekt)
Wechselspiel von Druck und
Schwerkraft erzeugte
Schwingungen: Schallwellen
Licht trieb kleine Strukturen
auseinander (Silk-Dämpfung)
kosmischer Schall
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Wie ausgeprägt sind
Strukturen welcher Größe?
Schallwellen breiten sich mit
Schallgeschwindigkeit aus
nach etwa 400000 Jahren
trennten sich Strahlung und
Materie
Schallgeschwindigkeit x
400000 Jahre =
Schallhorizont
was größer war, konnte nicht
zu schwingen anfangen
kosmischer Schall
kosmischer Schall
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Wilkinson-MAP: Bestätigung
der Theorie; viele Eigenschaften des Universums
lassen sich erstmals genau
bestimmen
weiter erheblich verbesserte
Ergebnisse vom europäischen
Satelliten Planck erwartet
kosmischer Schall
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wir wissen, wie groß der
Schallhorizont wirklich war
wir wissen, wie groß er uns
erscheint
das Verhältnis von beiden
hängt von der Raumkrümmung ab
Das Universum ist flach!
30% des kosmischen Materials ist Dunkle Materie
den Rest trägt die Dunkle
Energie bei
kosmischer Zusammenklang
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manche Sterne explodieren
am Ende ihres Daseins:
Supernovae
zwei Arten von Explosionen:
ausgelöst entweder durch
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Kollaps wegen Übergewichts (Typ Ib, II), oder
durch
Überfütterung eines
Weißen Zwergs (Typ Ia)
kosmischer Zusammenklang
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Typ Ia: Weißer Zwerg und
Riesenstern bilden Doppelsternsystem
Masse fließt vom normalen
Stern auf den Weißen Zwerg
Weißer Zwerg darf höchstens
1.4 Sonnenmassen haben
Explosion immer derselben
Menge „Sprengstoffs“: Typ-IaSupernovae sind Standardkerzen
kosmischer Zusammenklang
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wirkliche und scheinbare
Helligkeit von SN-Ia ergeben
deren Entfernung
aus dem Spektrum lässt sich
bestimmen, vor wie langer
Zeit die Supernova
explodierte
Entfernungen nehmen mit der
Zeit immer schneller zu!
Supernovae vom Typ Ia
bestätigen die Kosmologische
Konstante
kosmischer Zusammenklang
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Massen lenken Licht ab
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Lichtablenkung ist differentiell

Verzerrung

Verstärkung
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Dunkle Materie wird sichtbar
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Galaxienhaufen:
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
direkter Nachweis

Kartierung
großräumige Strukturen:
statistischer Nachweis
kosmischer Zusammenklang
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Universum ist von Strukturen
durchzogen; Gravitationslinseneffekt ist unvermeidlich
Stärke der Verzerrung hängt
von der Materiemenge im
Universum und seiner Geometrie ab
Messungen der kosmischen
Lichtablenkung bestätigen
Mikrowellenhintergrund und
Supernovae
kosmischer Zusammenklang
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völlig verschiedene kosmologische Messungen ergeben erstmals
ein einheitliches Bild:
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einfache Weltmodelle bestätigt
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Urknall vor 14 Milliarden Jahren
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leichte Elemente entstanden innerhalb von etwa drei Minuten
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nach 400000 Jahren wurde das Universum durchsichtig
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das Universum ist flach
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es besteht aus 4% „normaler“, 27% dunkler Materie und 69%
Kosmologischer Konstante („dunkler Energie“)
die Ausdehnung des Universums beschleunigt sich
Inflation
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Ist die Kosmologie damit
beendet?
große Fragen werden damit
erst gestellt:
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Was sind Dunkle Materie
und Dunkle Energie?
Warum sieht der Mikrowellenhimmel überall fast
gleich aus?
Wo kamen die kosmischen
Strukturen her?
Inflation
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
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Die letzten zwei Fragen
können gelöst werden, wenn
das Universum sehr früh sehr
stark „aufgeblasen“ wurde:
kosmische Inflation
kleine, zusammenhängende
Gebiete können die Größe
des gesamten beobachtbaren
Universums erreicht haben
Strukturen können aus sehr
frühen Quantenfluktuationen
entstanden sein!
Ausklang
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Zum ersten Mal in der Geschichte der Kosmologie gibt es ein
präzise vermessenes, einfaches Weltmodell.
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Damit steht der theoretische Rahmen der Kosmologie fest.
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Dunkle Materie und Dunkle Energie sind rätselhaft.
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Kosmologische Inflation bietet eine mögliche Antwort auf ein
Bündel kosmologischer Fragen
Dafür muss sie sehr frühe, sehr heftige, beschleunigte
Ausdehnung des Universums fordern.
Wir leben jetzt in einer Phase beschleunigter kosmologischer
Ausdehnung!
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