Einführung in die Astronomie und Astrophysik II

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SS 2005
Einführung in die Astronomie und Astrophysik II
3.5 Das Interstellare Medium
Neben Sternen ist ein Teil der galaktischen Materie im interstellaren Medium zu finden - der Raum zwischen des Sternen ist
keinesfalls leer. Ein Großteil des Mediums ist Gas, ein weiterer sehr feiner Staub. Des weiteren gibt es kosmische Strahlung
und ein interstellares Magnetfeld. Gas und Staub machen ca. 10% der beobachteten galaktischen Materie aus. Die wesentlichen Eigenschaften dieser Komponenten sind in der folgenden Tabelle dargestellt.
Wegen der häufig geringen Temperaturen werden Staub und Gas insbesondere im Infrarot- und Radiobereich beobachtet. Es
gibt keine Möglichkeit, Partikel von einer Größe von mehr als 1mm zu beobachten.
Die lokale Massedichte läßt sich nach Oort aus der Verteilung der Geschwindigkeiten senkrecht zur galaktischen Ebene ableiten. Daraus ergibt sich eine Dichte in der Sonnenumgebung von (7.3 ... 10) 10-21 kg m-3 , davon entfallen auf beobachtete Sterne (5.9 ... 6.7) 10-21 kg m-3 und auf das beobachtete interstellare Medium 1.7 10-21 kg m-3, somit verbleibt wenig Raum für
sonstige unbeobachtete Komponenten.
Eigenschaft
Massenanteil
Zusammensetzung
Teilchendichte
Massendichte
Temperatur
Experimenteller Zugang
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Gas
Staub
10 %
H I, H II, H2 (70%), He (28%), C, N, O, Ne,
Na, Mg, Al, Si, S, ... (2%)
10-4 m-3
10-21 kg m-3
100 K (H I), 104 K (H II), 50 K (H2)
• Absorptionslinien in Sternspektren
• Radiolinien: H 21 cm in Emission und Absorption
• Rekombinationslinien von H II, He II, C II
• Moleküllinien
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0.1 %
Feste Partikel
10-17 m-3 (= 100 km-3)
10-23 kg m-3
10 - 20 K
• Absorption und Streuung von Sternenlicht
• Interstellare Rötung
• Interstellare Polarisation
• Thermale Emission im IR
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3.5.1 Staub
Staubteilchen mit einer Größe von der Ordnung der Wellenlänge absorbieren und streuen Licht viel effektiver als Gas und
sind somit für die interstellare Extinktion verantwortlich (s. Abschnitt 2.3.2.2). Die Extinktion geht in das Entfernungsmodul
ein (s. (2.38)):
r
m − M = 5 lg
+A
10[pc]
(3.28)
r
= 5 lg
+ar
10 [pc]
Die zweite Form ergibt sich für eine konstante Dichte des Staubs mit konstantem a. Der mittlere Wert für a in Sonnenumgebung ist 1 mag kpc-1 für den sichtbaren Spektralbereich. In einigen Richtungen kann sie sehr viel höher sein; so beträgt die
Extinktion zum galaktische Zentrum etwa 30 mag!
Betrachten wir ein kugelförmiges Staubteilchen mit Radius ρ, so können wir den Extinktionsquerschnitt cext aus der
Querschnittsfläche darstellen mit
(3.29)
cext = qext π ρ 2
wobei qext ein Extinktionskoeffizient ist. Mit der Staubteilchendichte NS ergibt sich die optische Tiefe als Funktion des Abstandes r:
r
τ ext (r ) = ∫ N S ( r′) cext dr′ = cext N S r
(3.30)
0
wobei N S die längs des Sehstrahls gemittelte Staubteilchendichte ist. Aus (3.13) ergibt sich die Extinktion A durch Logarithmieren:
A(r ) = 2.5 lg e cext N S r
(3.31)
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In den Extinktionsquerschnitt geht die Größenverteilung der Staubteilchen ein. Der Extinktionskoeffizient ist eine Funktion
2πρ
. Für kleine Werte von x ist
des Brechungsindex des Materials und des Verhältnisses von Dimension zur Wellenlänge x =
λ
der Extinktionskoeffizient proportional zu λ-4 (Rayleigh-Streuung), bei x ≈ 1 proportional zu λ-1 und für größere Werte nahezu
konstant (Mie-Streuung).
Die Wellenlängenabhängigkeit der Extinktion führt neben der Abschwächung auch zur Verfärbung (s. Abschnitt 2.3.2.7) - der
Spektralbereich verschiebt sich zu langen Wellenlängen hin (Rötung). Aus Farb-Helligkeits- und Farb-Farb-Diagrammen bzw.
durch Klassifikation der Spektren lassen sich die Farbexzesse bestimmen. Z. B. ergibt sich
B − V = M B − MV + AB − AV
(3.32)
mit dem Farbexzeß EB −V = AB − AV . Es zeigt sich, daß die Extinktion im Visuellen proportional dem Farbexzeß B – V ist
AV ≈ 3.0 ⋅ EB −V ,
(3.33)
somit kann man aus einem ermittelten Spektraltyp und einem gemessenen Farbexzeß eine photometrische Entfernungsbestimmung unter Berücksichtigung der Extinktion durchführen.
Mit zunehmender Wellenlänge nimmt die Extinktion stark ab, somit kann man im Infraroten oberhalb von 1 µm erheblich
"weiter" in die galaktische Scheibe sehen als im Sichtbaren. Bei 2.4 µm ist das galaktische Zentrum sichtbar (s. Abschnitt
3.2.5.2). Die Polarisation der absorbierten Strahlung zeigt, daß Staubpartikel nicht sphärisch sind und u. U. durch das galaktische Magnetfeld ausgerichtet
werden.
Das Sonnensystem befindet
sich ziemlich genau in der ga∆m sin-1 b
∆m
laktischen Ebene inmitten der
Staubscheibe von ca. 100 pc
Dicke. Extragalaktische Obb
Vermeidungswinkel
Galaktische Ebene
jekte sieht man daher am bes(zone of avoidance)
ten in Richtung der galaktischen Pole - in der galaktiEinführung_3.5_2005.sxw
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schen Ebene gibt es gar keine Galaxien zu sehen. Aufgrund von Galaxienzählungen kennt man die mittlere Extinktion in
Richtung der Pole von ∆m = 0.51 mag. Aus photometrischen Sternbeobachtungen ergeben sich nur ∆m = 0.1 mag. Dies
erklärt man mit der Inhomogenität der Staubverteilung. Letztere is auch aus Wolf-Diagrammen ersichtlich.
Das Streulicht von Staubwolken läßt sich in der Nähe von hellen Sternen beobachten, man kennt ca. 500 dieser Reflexionsnebel. Man kann daraus schließen, daß ihr Reflexionsgrad recht hoch sein muß, er ist allerdings wegen der unbekannten
Distanzen zwischen Sternen und Wolken nicht genau bekannt.
Neben Streuung absorbieren Staubwolken Licht bei sichtbaren Wellenlängen und strahlen die Energie im Infraroten wieder
ab. Die temperatur des Staubes beträgt im interstellaren Raum ca 10 ... 20 K, mit einem Emissionsmaximum bei 300 ... 150
µm. In der Nähe heißer Sterne kann die Temperatur auf 100 ... 600 K steigen. Die Infrarotstrahlung von Galaxienkernen ist im
wesentlichen auf Staub zurückzuführen.
Aus der Extinktion kann man auf die Bestandteile von Staub schließen - Wassereis, Silikate, und vermutlich Graphit. Die
Partikel sind kleiner als 1 µm. Sie werden in den Hüllen von Sternen späten Typs (K, M) gebildet und durch den Strahlungsdruck in den Weltraum getrieben.
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Links: Dunkelwolken (Staubwolken) in einem Sternentstehungsgebiet mit H II - Region. Rechts: Pferdekopfnebel im Orion.
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3.5.2 Interstellares Gas
Die Masse des interstellaren Gases ist 100 mal größer als die des Staubs, trotzdem ist seine Beobachtung schwieriger. Sie gelang Anfang des Jahrhunderts in Spektren von Doppelsternen, wo scharfe Absorptionslinien nicht den Änderungen der Sichtliniengeschwindigkeit unterworfen sind. Mitunter deuten mehrfache Linien darauf hin, daß das Sternenlicht mehrere sich mit
unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegende Wolken durchlaufen hat. Im Sichtbaren sind die stärksten Linien von Na I und
von Ca II, im UV ist es die Ly α - Linie. Viele Atome sind in erster Linie durch die UV-Strahlung junger, heißer Sterne
ionisiert. Die geringe Dichte des Gases erschwert die Rekombination. Die chemische Zusamensetzung umfaßt fast alle leichteren Elemente, in der Hauptsache H (ca. 70%) und He (ca. 30%). Schwere Elemente fehlen fast ganz; diese sind vermutlich
in Staubpartikel kondensiert, wo sie nicht zur Linienabsorption beitragen.
3.5.2.1 Neutraler Wasserstoff
Atomarer Wasserstoff ist am besten im UV beobachtbar. Die Ly α - Linie wird in den Spektren der Sterne bis 1 kpc Entfernung gemessen. Daraus ergibt sich eine mittlere Dichte von NH = 7 105 m-2 . In unmittelbarer Nähe der Sonne ist die Dichte
um eine Größenordnung geringer. Die meisten H-Atome befinden sich im Grundzustand und absorbiert daher Strahlung mit λ
< 91.2 nm durch Ionisation. Das interstellare Medium ist bei diesen Wellenlängen daher opak; die mittlere freie Weglänge der
Photonen bei 90 nm beträgt 1 pc, bei 10 nm einige 102 pc. Im Lyman-Kontinuum kann man daher Sterne nur in unmittelbarer
Nähe der Sonne untersuchen.
Im Radiobereich wird der Hyperfeinstruktur-Übergang des neutralen Wasser-stoffs (Energieunterschied zwischen paralleler
und anti-paralleler Orientierung der Spins von Proton und Elektron ∆E = 5.9 10-6 eV, λ = 21 cm) in allen Himmelsrichtungen
beobachtet. Die Linie existiert im wesentlichen in Emission. Wegen der langen radiativen Lebensdauer ist die Linie stoßangeregt und ihre Verbreiterung ist auf turbulente und kohärente Bewegungen der Gaswolken zurückzuführen. In einigen Richtungen in der galaktischen Ebene ist die 21-cm-Linie optisch dick und es läßt sich von der gemessenen Intensität über die Helligkeitstemperatur auf die Anregungstemperatur von 125 K schließen. In der galaktischen Ebene ist die Konzentration neutralen Wasserstoffs stark variabel; in den H I - Regionen ist sie 10 - 100 mal höher als der Mittelwert.
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3.5.2.2 Ionisierter Wasserstoff, H II - Gebiete
In der Nähe heißer Sterne bilden sich Gebiete ionisierten Wasserstoffs - H II - Regionen. Dies betrifft besonders O-Sterne mit
Effektivtemperaturen von 30.000 bis 50.000 K, welche hohe UV-Flüsse aufweisen. Das Gas in H II - Regionen leuchtet als
Emissionsnebel vorwiegend in den Balmer-Linien, insbesondere Hα. Ein einmal ionisiertes H-Atom bleibt es einige hundert
Jahre, bevor es rekombiniert. Als neutrales Atom lebt es nur einige Monate bevor es erneut ionisiert wird. Die spezifische Rekombinationsrate ist in diesem Fall proportional zum Quadrat der Elektronendichte ne. Die Flächenhelligkeit des Emissions2
nebels in Hα ist dem Emissionsmaß ∫ ne dl , dem Integral längs der Sehlinie, proportional.
Neben den H-Linien gibt es z. T. verbotene Linien anderer Elemente wie O+, O2+ und N+. Sie können im Labor praktisch nicht
beobachtet werden und wurden ursprünglich unbekannten Elementen ("Nebulium") zugeordnet.
H II - Regionen entstehen wenn O und B - Sterne anfangen, das umgebende Medium zu ionisieren. Da das ionisierte Material
transparent für die UV-Strahlung ist, dehnt sich die Ionisationszone um den Stern aus. Sie bildet eine scharfe Grenze zu dem
neutralen Gas ("Strömgren-Sphäre"). Deren Radius ist für einen B0 V-Stern 50 pc und für einen A0 V-Stern nur 1 pc.
3.5.3 Interstellare Moleküle
Interstellare Moleküle wurden zuerst in den 30ern, jedoch vorwiegend in den 60ern und 70ern entdeckt. Ein erheblicher Anteil des gasförmigen Mediums liegt in Form von Molekülen vor, deren Anteil stark mit der Dichte wächst. Sie entstehen auf
den Oberflächen von Staubteilchen; Gas und Staub ist in aller Regel gut vermischt. H2 und CO sind die häufigsten Moleküle.
Es gibt eine erstaunliche Anzahl komplexer Moleküle, u.a. H2O und Äthanol, insbesondere im Inneren dichter Wolken. Sie
werden im Radiobereich anhand von Rotationsübergängen im mm-Bereich gemessen.
Anhand der Radiostrahlung der Moleküle lassen sich große, dichte Hüllen um H II - Regionen nachweisen. Da ihre Dichte
sehr hoch sein kann (109 ... 1010 Moleküle m-2), sind die Massen bis zu 106 Sonnenmassen. Sie gehören zu den massivsten Gebilden der Milchstraße. Die Temperatur in Molekülwolken beträgt 30 ... 100 K.
Einige interstellare Wolken enthalten sehr kompakte (einige AU) Quellen von MASER-Strahlung der OH, H2O und SiO - Moleküle. Erstere treten im Zusammenhang mit dichten H II-Gebieten und IR-Quellen auf und können mit der Entstehung von
Sternen zusammenhängen.
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