Die Neuentdeckung der Speiseblumen

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Die Neuentdeckung
der Speiseblumen
Das Auge isst mit. Aber nicht nur deshalb sind Blumen in der Küche eine
Bereicherung. Der Unternehmer David Frey will mit seinen Speiseblumen
die Schweizer Küche erobern.
Z
wischen Fehraltorf und
Russikon im Kanton Zürich wachsen in Gewächshäusern grosse Mengen
Veilchen, Kapuziner, Schlüsselblumen und Margeriten. Mitten im
Blütenmeer steht der 46-jährige
Unternehmer David Frey. «Diese
Blumen sind nicht nur dekorativ,
sie bereichern jedes Gericht auch
geschmacklich», sagt der ehemalige
Maurer und Computerfachmann.
Er zählt auf, was in den nächsten
Monaten hier blühen wird: Salbei,
Borretsch, Gänseblümchen, Flammenblume, Taglilie, Goldmelisse,
Rosen. Frey erweitert sein Angebot
kontinuierlich: Jedes Jahr kommen
ein bis zwei Blüten dazu. Bei Weitem
nicht alle essbaren Blumen sind für
den professionellen Anbau geeignet.
«Drei Tage müssen die Blüten nach
der Ernte schon halten», sagt Frey.
Im Mittelalter war die Grenze zwischen Gewürzen und Blumen noch
fliessend, es gab Rezepte für Rosenmus und Veilchenkonfitüre. Und
die Römer waren ohnehin ganz
wild auf Rosen, auch in der Küche.
Teemischungen aus Schlüsselblumen, Kornblumen, Mohn und Rotklee kannte man in der ländlichen
Schweiz bis weit ins 19. Jahrhundert.
Heute sind Speiseblumen weitgehend aus der Küche verschwunden;
sie sind nur noch als Teemischungen
Fotos: © 2006 – 2011 Speiseblumen Frey
Vergessene Schätze
Vom Gewächshaus auf den Teller: In Fehraltorf züchtet David Frey Speiseblumen.
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oder zur Dekoration verbreitet. Das
will Frey ändern. Seine Vision: Speiseblumen sollen die Schweizer Küche zurückerobern.
Weil selbst in der Haute Cuisine
nur wenige Köche mit Blumen kochen, tüftelt Frey selber an neuen
Gerichten mit Speiseblumen. Lammrack mit Lavendel zum Beispiel oder
Ringelblumen im Bierteig, Zanderfilets mit Anistagetes, mit Lachscrème
gefüllte Kapuziner oder ein Rosenblütensorbet.
Frey spricht von fantastischen
Aromen: «Gänseblümchen schmecken nussig, Zwergtagetes zart nach
David Frey tüftelt gern
an neuen Gerichten
mit Speiseblumen.
Orangen und Kapuzinerkresseblüten nach Pfeffer.» Essbare Blüten
kann man einzeln hervorragend in
Szene setzen. Als Unterlage eignen
Blumen in der Küche – eine Auswahl
Rosen – die Romantischen
Die Blütenblätter der Duftrosen passen
ausgezeichnet zu Pasteten, Glaces, Likören, Bowlen und Sirupe. Sie eignen
sich auch hervorragend als Brotaufstrich, zum Würzen und Kandieren.
Ringelblume – das Allroundtalent
Ringelblumenblüten
verleihen Butter,
Salaten, Käse und
Omeletten einen
speziellen Geschmack. Auch die
jungen Blätter sind
essbar. Die Zungenblüten
eignen sich als Safranersatz
zum Färben von Reis und anderen Speisen.
Gänseblümchen – das Nussige
Sie sind besonders beliebt zum Garnieren von Gerichten und zum Würzen
von Salaten, Kräuterquarks und Suppen. Geöffnete Blätter sowie geschlossene Knospen werden gleichermassen
verwendet.
Kapuzinerkresse – pikante Hülle
Die jungen Blätter schmecken ähnlich
wie Kresse und passen zu Salaten,
Frischkäse oder Eierspeisen. Die grossen Blätter eignen sich als Unterlage
für dekorative Häppchen oder als Salat
zu Kartoffeln. Die Blüten schmecken
herrlich im Salat und als Dekoration
auf Suppen und anderen Speisen. Die
Knospen der Kapuzinerkresse und ihre
weichen Samen können eingelegt
und dann als «falsche Kapern»
gegessen werden.
Veilchen – süsse Versuchung
Kandiert wird das Veilchen
gerne von Chocolatiers verwendet – es verleiht der
Schokolade einen besonderen Geschmack.
Als Dekoration in Salaten und Desserts. Roh
auch zu Kochgemüse,
Gemüseaufläufen oder
Kräutersaucen.
Chrysantheme – die Heilkräftige
Im chinesischen Raum ist die Chrysantheme als Heilpflanze weit verbreitet, sie dient zur Stärkung. In der Küche
wird sie als Gewürz und als Beigabe zu
Salaten und Kräuter-/Gemüsesuppen
verwendet.
sich bebutterte Vollkornbrote oder
Salate. Löwenzahn, Holunderblüten
oder Rosen eignen sich als Brotaufstrich, man kann sie auch zu Glace
und Kuchen verwenden. Milde Blüten wie Veilchen kann man unter den
Omelettenteig rühren, pikante Blüten
wie Salbei passen zu Gemüse oder
salzigen Kuchen. Kandierte Blüten
schmücken Desserts und in Eiswürfel
eingeschlossene Blüten sind einfach
zu machen und zieren jede Bowle.
Allerdings gibt es – neben zahlreichen ungeniessbaren Exoten – gut
zwei Dutzend heimische Blumen,
die giftig sind: etwa der Eisen- und
Fingerhut, die Herbstzeitlose, die Alpenrose, das Maiglöckchen oder das
Pfaffenhütchen. Viele Blumen aus
dem Blumengeschäft, der Gärtnerei
oder vom Markt eignen sich zudem
nicht zum Verzehr, da sie häufig mit
Pestiziden behandelt wurden.
25 Veilchenblüten für 8 Franken
Frey erntet zusammen mit zwei Stundenlöhnern und nur auf Bestellung.
«Es ist eine grosse Herausforderung,
die Nachfrage jeden Tag zu befriedigen», sagt er. Morgens ab 8 Uhr, kurz
nachdem sich die filigranen Blüten
geöffnet haben, werden sie mit der
Schere geschnitten. Blüte für Blüte –
in Handarbeit. Etwa 1200 Blüten pro
Stunde.
Was nicht perfekt ist, wird ausgemustert. Die Blüten werden sortiert, zugeschnitten, in stapelbare
Styroporschalen drapiert, luftdicht
in Cellophan verschweisst und gekühlt verschickt. Ein Kistchen mit
25 Veilchenblüten kostet 8 Franken.
Der Aufwand ist gross, selbst bei
Kleinstmengen, und der Ausschuss
enorm: Frey schätzt ihn auf bis zu
80 Prozent. Dies rechtfertige den
relativ hohen Preis für die einwandfreien, biozertifizierten Blüten, so
Frey. Die seit sechs Jahren stetig
steigenden Verkaufszahlen geben
dem Speiseblumenpionier recht.
Andreas Krebs
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