Theorien der Libido - Weißensee Verlag Berlin

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UTE DYHR
Theorien der Libido
Studien zum Verständnis der Libido
bei Freud, Jung und Reich
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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Dyhr, Ute:
Theorien der Libido : Studien zum Verständnis der Libido bei Freud, Jung und
Reich / Ute Dy hr. - Berlin : Weißensee-Verl., 1999
ISBN 3-934479-01-4
© Weißensee Verlag, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag: Chili Grafik-Design, Berlin, unter Verwendung des Bildes
„Wolkengesp enster“ von R. Riemerschmid (1897) (AKG Berlin)
Printed in Germany
ISBN 3-934479-01-4
www.weissensee-verlag.de
e-M ail: [email protected]
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Inhaltsverzeichnis
VORWORT .................................................................................. 9
1. EINLEITUNG........................................................................... 11
2. EINE MYTHOLOGISCHE SAGE ZUR EINSTIMMUNG............. 15
3. FREUDS THEORIE.................................................................. 17
3.1. Die Vorstellung von psychischer Energie .............................. 17
3.2. Die Rolle der Sexualität........................................................ 21
3.3. Die k indliche Sexualität ....................................................... 23
3.3.1. Die Frage des Inzestwunsches .........................................25
3.4. Zum Begriff der Libido ......................................................... 29
3.4.1. Die narzistische Libido .....................................................31
3.4.2. Ichlibido und Objektlibido ................................................32
3.5. Über die Dualität der Triebe ................................................. 34
3.6. Zusammenfassung................................................................ 39
4. C. G. JUNGS THEORIE........................................................... 43
4.1. Die psychische Energie ......................................................... 44
4.1.1. Die Gegensatzstruktur......................................................47
4.2. Die Libidoauffassung............................................................ 49
4.2.1. Progression und Regression der Libido............................53
4.2.2. Wandlung der Libido........................................................55
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4.3. Die Rolle der Sexualität........................................................ 57
4.3.1. Jungs Auffassung zur kindlichen Sexualität....................59
4.4. Jungs Bemerk ungen zum Ödipusk omplex............................ 61
4.5. Zusammenfassung................................................................ 63
5. REICHS THEORIE.................................................................. 66
5.1. Die Energieauffassung W. Reichs ......................................... 68
5.2. Die Libido............................................................................. 70
5.3. Der Urgegensatz des vegetativen Lebens .............................. 73
5.4. Todestrieb und Masochismus ................................................ 75
5.5. Die Rolle der Sexualität........................................................ 78
5.5.1. Sexualität und Ätiologie der Neurosen.............................78
5.6. Zusammenfassung................................................................ 83
6. VERGLEICHENDE BETRACHTUNGEN.................................... 86
6.1. Libido als Energie................................................................. 87
6.2. Ursprung und Wesen der Libido ........................................... 88
6.3. Zum Verhältnis von Libido und Sexualität............................ 90
7. LITERATURVERZEICHNIS .................................................... 94
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1. EINLEITUNG
Während meiner Ausbildung zur Körperpsychotherapeutin und ebenso im Rahmen meines Psychologiestudiums fiel mir die häufige
Verwendung und doch so unterschiedliche Bedeutung des Begriffes
„Libido“ auf; er weckte in seiner Vielfalt meine Neugier. Die vorliegende Arbeit ist diesem zentralen Begriff gewidmet. Ich habe mich
für die Untersuchung der Theorien von S. Freud, C. G. Jung und W.
Reich entschieden, weil mir hier die inhaltlichen Unterschiede bei der
Verwendung des Begriffs am deutlichsten wurden:
Freud wollte unter Libido ausschließlich die sexuelle Energie verstanden wissen, Jung subsummierte darunter die allgemeine psychische Energie, und für Wilhelm Reich stand der Begriff für die biologische Lebensenergie.
Mein Erkenntnisinteresse gilt den unterschiedlichen Auffassungen von
Libido und der ihr zugrundeliegenden Energie, welche doch mit dem
gleichen Begriff benannt werden. Es handelt sich hierbei um einen
Terminus, der bereits in der Antike Verwendung fand (siehe dazu
Punkt 4.2.).
Es war gerade die Auseinandersetzung um das Verständnis dieses
Konzepts, die seit Beginn unseres Jahrhunderts zu der Entwicklung
von auch heute noch nebeneinander existierenden Schulen führte.
„Libido“ scheint mir allein schon deshalb ein zentraler Begriff zu sein,
weil sich an ihm die verschiedenen Theorien von S. Freud und C. G.
Jung schieden. Auffällig war beim Studium der Primär-Literatur, daß
die Auseinandersetzung dieser beiden Theoretiker kaum direkt über
bzw. um den Begriff geführt wurde, daß aber dennoch das je spezifische Konzept der Libido grundlegend für die Konturierung beider
Theorien wurde. In beiden Modellen verknüpft sich die Libido eng
mit einem schwer faßbaren Energiebegriff. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Freud und Jung stand die Debatte über das
Vorhandensein einer sexuellen Energie, welche bereits in der Kindheit, in unterschiedlichen Formen, ihre Abfuhr verlangt und später
u.U. neurotische Störungen verursachen kann.
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Wilhelm Reich scheint erst einmal aus dieser theoretischen Auseinandersetzung heraus zu fallen. Seine Verwendung des Libido- und
damit auch des Energiebegriffs war insbesondere in seinem späten
Werk eine umfassende. Für ihn ging es um den naturwissenschaftlichen Nachweis einer allem Leben zugrundeliegenden Lebensenergie,
die ihn, von der Medizin ausgehend, über die Psychologie, Soziologie, Biologie und schließlich zur Meteorologie und Astrologie führte.
Reichs Verwendung des Energiebegriffs nahm später gleichsam
kosmische Dimensionen an, und er verließ damit den Rahmen der
Psychologie. Ich beziehe mich daher auf seine Arbeiten bis 1934, in
denen seine konkretistische Auffassung des Libidobegriffs deutlich
wird.
Ich werde mich in dieser Arbeit um eine Darstellung des Libidokonzepts im Rahmen der jeweiligen Theorien bemühen und daraus ableitend die Bedeutung der Sexualität für die jeweilige Theorie herausarbeiten. Da alle drei Autoren von einem Energiebegriff ausgehen,
werde ich auch auf diesen jeweils näher eingehen.
An diesen grundlegenden Theoremen - Energie, Libido, Sexualität scheint mir ein Vergleich der Schriften in ihren jeweiligen Akzentuierungen möglich, auch wenn die Auseinandersetzung mit dem Thema
bei den Autoren historisch zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschah.
Die folgenden Ausführungen sind chronologisch gegliedert: Ich beginne damit, die Auffassungen Freuds - im Hinblick auf die eben genannten Aspekte - darzustellen, weil er als Begründer der Psychoanalyse den Grundstein für die nachfolgenden Diskussionen gelegt
hat. Darauf skizziere ich C. G. Jungs Überzeugungen und schließlich
jene von Wilhelm Reich, wobei in keinem Fall eine umfassende Wiedergabe der Theorie erfolgen kann. Abschließend werde ich die
Begriffsauffassungen zusammenfassen und versuchen, sie untereinander in Beziehung zu setzen.
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Die Auseinandersetzung um die sexuelle Bedeutung der Libido als
grundlegende Dynamik des Psychischen findet auch in dem derzeitigen psychoanalytischen Diskurs eine Fortsetzung. L. Gast (1992) hat
diesen Diskurs eingehend besprochen. Auch A. Green (1998) verweist auf die Brisanz dieses Themas in der aktuellen Diskussion.
Demgegenüber sind Veröffentlichungen zur Frage der Beschaffenheit
der Libido nicht zu finden.
Bevor ich mit der Darstellung der verschiedenen Theorien beginne,
möchte ich den Mythos von Ödipus in Erinnerung rufen, der durch
die zentrale Bedeutung, die Freud ihm zukommen ließ, von besonderer Wichtigkeit auch für die auf Freud aufbauenden oder sich
von ihm abgrenzenden Theorien war. Für Freud beinhaltete der Mythos nicht nur das Spannungsfeld zwischen Schicksal und Willen des
Menschen, sondern er berühre uns auch auf einer persönlichen, unbewußten Ebene. Das Schicksal des König Ödipus ergreift uns nach
Freuds Überzeugung
„[...] nur darum, weil es das unsrige hätte sein k önnen,
weil das Orak el vor unserer Geburt denselben Fluch über
uns verhängt hat wie über ihn. Uns allen vielleicht war es
beschieden, die erste sexuelle Regung auf die Mutter, den
ersten Haß und gewalttätigen Wunsch gegen den Vater zu
richten,[...] König Ödipus, der seinen Vater Laïos erschlagen und seine Mutter Jok aste geheiratet hat, ist nur
die Wunscherfüllung unserer Kindheit.[...]“
(Freud, 1900 a, S. 267)
Wir schrecken laut Freud vor dieser mythologischen Figur, an der
sich dieser „urzeitliche Kindheitswunsch erfüllt hat“ mit der ganzen Energie zurück, die in der eigenen Kindheit zur Verdrängung des
Inzestwunsches notwendig war. Diese Deutung des Mythos, die im
Ödipuskomplex eine anthropologische Konstante sieht, und insbe-
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sondere die Postulierung einer kindlichen Inzestneigung, sollte erbitterten Widerstand provozieren (Freud, 1900a, S. 267 Anm., s. u.
Punkt 3.3.). Auch seine Zusammenarbeit und Freundschaft mit C. G.
Jung sollte später, 1912/13, daran scheitern. Deshalb kommt dem
Mythos von Ödipus und seiner Rezeption eine entscheidende wissenschaftshistorische Bedeutung für die Theorieentwicklung der Psychoanalyse zu.
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