Praktikumsversuch 3.19: Leitfähigkeitsmessungen an ionenleitenden Kristallen Revision: 2014-04-07 Zur Vorbereitung Folgende Themen sollen von den Studierenden vorbereitet werden: • Gitterstruktur und generelle Eigenschaften von Ionenkristallen. • Fehlordnung im thermischen Gleichgewicht: Schottky- und Frenkel-Defekte. • Äquivalenzschaltkreise. • Eigenschaften von CsHSO4 . • Bitte frischen Sie Ihre Grundlagen der Elektrotechnik, insbesondere zum Thema „Wechselstrom“, auf! Diese Versuchsbeschreibung kann nur einen knappen Überblick über den Versuch geben. In der Physikalischen Lehrbuchsammlung befindet sich deswegen eine Literaturmappe mit der für diesen Versuch relevanten tiefergehenden Literatur. Mit Hilfe dieser Mappe lassen sich obige Punkte effizient und gründlich vorbereiten. 1 1 Einleitung Die Forschung auf dem Gebiet der Ionenleiter hat seit der Entdeckung durch Michael Faraday große Fortschritte gemacht. Während sich die Forschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Transportmechanismen, Struktur und auch Speicherung von Energie widmete, liegt der Schwerpunkt der Forschung der letzten Dekaden besonders auf der Suche nach Festkörperelektrolyten zum Einsatz in Solid State Batterien, Brennstoffzellen sowie Sensoren. Dabei spielt besonders die Mobilität der Ionen in den Festköpern eine Rolle. Eine wichtige Charakteristik der Transporteigenschaften von Materialien ist die durchgängige Leitfähigkeit σ, manchmal auch räumliche Leitfähigkeit genannt. Sie beschreibt die Migration von Ladungsträgern bei Anlage eines konstanten elektrischen Feldes (DC-Leitfähigkeit). Zur Bestimmung der Größe in Metallen und Halbleitern misst man gewöhnlich den Spannungsabfall über der Probe bei einem konstanten Strom. Diese Technik lässt sich jedoch nur schwer auf Leiter anwenden, bei denen die Leitfähigkeit nicht auf Elektronen (bzw. Löchern), sondern auf Bewegung von Ionen beruht. In diesem Fall muss man auf die Probenoberfläche zur Verbindung mit dem Messgerät metallische Elektroden auftragen, wobei es an der Grenzfläche Metall/Probe zu verschiedenen Prozessen kommt. Hier kann man zwei Idealfälle unterscheiden: Zum einen vollständig reversible Elektroden und zum anderen vollständig sperrende Elektroden. Bei vollständig reversiblen Elektroden wird sowohl dem entsprechenden Ion als auch Elektronen Durchtritt ermöglicht. Dabei ist der Durchtritt der Ionen idealerweise nicht der geschwindigkeitsbestimmende Schritt, was die Messung der Probenleitfähigkeit erlaubt. Bei vollständig sperrenden Elektroden hingegen kommt es zu keinem Ladungsaustausch an der Grenzfläche. Es bildet sich vielmehr bei Anlegen eines konstanten elektrischen Feldes eine Polarisation der Probe, die das angelegte Feld im Inneren der Probe abschwächt (siehe Abb. 1.1). Es kommt folglich zu einem abklingenden Strom, dessen Zeitkonstante im Prinzip die Bestimmung von σ ermöglicht. In der Praxis sind diese Idealfälle jedoch selten realisiert, vielmehr haben die Grenzflächen Elektrode/Probe meist entscheidenden Einfluss auf die elektrische Charakteristik des Systems bei Anlegen eines konstanten elektrischen Feldes. Deshalb wurden zur Bestimmung der Probenleitfähigkeit andere Verfahren entwickelt, von denen die Impedanzspektroskopie am verbreitetsten ist. Diese beruht darauf, die Impedanz Z ∗ der mit metallischen Elektroden versehenen Probe in einem weiten Frequenzbereich zu messen. Dies bedeutet also, dass der komplexe Widerstand Z ∗ mit Realteil Z 0 und Imaginärteil Z 00 der Probe in Abhängigkeit der Frequenz eines angelegten elektrischen Wechselfeldes bestimmt wird. Die Analyse der Frequenzabhängigkeit gestattet es nun den Einfluss von Polarisations-/Elektrodeneffekten und den der Leitfähigkeit der Probe zu trennen. Das Ziel des vorliegenden Versuches ist die experimentelle Bestimmung der Gleichstromleitfähigkeit σ eines Ionenleiters bei verschiedenen Temperaturen mit Hilfe der Impedanzspektroskopie. Die Auftragung der Temperaturabhängigkeit in den Koordinaten log(σT ) gegen 1/T ermöglicht dabei die Bestimmung weiterer Parameter, die den ionischen Transportprozess charakterisieren. 2 Eint - + Eext Abb. 1.1.: Elektrodenpolarisation im Fall von vollständig blockierenden Elektroden bei anlegen einer konstanten Spannung. Die blauen Punkte stellen bewegliche Kationen dar, die roten Punkte unbewegliche Anionen des Gitters. Das äussere Feld Eext induziert ein Gegenfeld Eint im Inneren der Probe. 3 2 Beschreibung der Apparatur und Messprinzip Für Impedanzmessungen an Kristallen müssen diese in geeigneter Art und Weise kontaktiert werden. In unserem Aufbau, siehe Abb. 2.1, wird dafür eine Kieler Zelle der Firma Ionic Systems verwendet. Die mit Metallelektroden beschichtete Probe (1) befindet sich zwischen zwei Platin-Folien (2). Um den Kontakt zu verbessern werden die Folien zusammen mit den Leitungsdrähten (5) zwischen Keramikplatten (3) mit Hilfe eines gefederten Stabs (4) gepresst. Dieser Aufbau befindet sich in einem doppelwandigem Glasbehälter (6) der für sehr hohe Temperaturen noch mit Schutzgas gespült werden kann um reaktionsfreudige Materialien zu schützen. Die Temperatur des Ofens (7) kann durch einen Eurotherm 2216e Temperaturregler eingestellt werden. Dieser Regler steuert über ein Relais die Heizleistung des Ofens. Die Probentemperatur selbst wird mit einem Fühler in der Nähe der Probe mit einem weiteren Eurotherm 2216e ausgelesen und am Computer protokolliert. Beide Temperaturen können mit dem Computer über eine serielle Schnittstelle ausgelesen werden. Zudem kann die Ofentemperatur gesteuert werden. Auf diese Weise kann der gesamte Messprozess automatisiert werden. Der verwendete Impedanzanalysator (Hewlett-Packard 4192A) erlaubt es eine Spannung von 50 mV-1.2 V im Frequenzbereich von 5 Hz-13 MHz an die Probe anzulegen. Dank des eingebauten Mikroprozessors können u.a. folgende Parameter direkt gemessen werden: • Betrag von Z und den Phasenwinkel φ ; • Realteil Z 0 und den Imaginärteil Z 00 der Impedanz; • Realteil Y 0 und den Imaginärteil Y 00 der Admittanz; Die Wahl des Frequenzbereichs, der Signalamplituden und der Messart kann mit Hilfe des Programms QImp durchgeführt werden. Zudem kann damit auch die Temperatur des Ofens eingestellt werden. 2.1 Messprinzip Zur Bestimmung der elektrischen Eigenschaften der Probe wird die Wechselspannung U ∗ = U0 exp(iωt) mit der Amplitude U0 und Frequenz ω angelegt. Der Strom kann dann beschreiben werden durch I ∗ = I0 exp[i(ωt − φ)] wobei der Winkel φ die Phasenverschiebung des Stromes in Bezug auf die angelegte Spannung bedeutet. Die im Allgemeinen komplexe Impedanz Z ∗ erklärt sich gemäß des Ohmschen Gesetzes zu: ∗ Z = U∗ I∗ = U0 exp(iωt) I0 exp[i(ωt − φ)] = U0 I0 exp(iφ) = |Z| cos φ + i|Z| sin φ = Z 0 + iZ 00 (2.1) 4 Temperaturregler 5 HP 4192A 2 1 6 4 3 3 2 5 7 Ofen Abb. 2.1.: Messaufbau des Impedanzspktrometers. 5 Hier bedeuten Z 0 und Z 00 den Real- bzw. Imaginärteil der Impedanz und |Z| = p Z 0 2 + Z 00 2 (2.2) den Betrag der Impedanz. Die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung lautet: φ = arctan Z 00 (2.3) Z0 Neben der Impedanz betrachtet man auch die Admittanz, die sich wie folgt aus der Impedanz ergibt: 1 Y ∗ = ∗ = Y 0 + iY 00 (2.4) Z mit Y 0 = Z 0 /|Z|2 und Y 00 = −Z 00 /|Z|2 . Die Beziehung zwischen dem Real- und Imaginärteil der Admittanz mit dem Betrag und der Phase der Impedanz ergibt sich demnach zu: |Z| = 1 Y 0 2 + Y 00 2 tan φ = −Y 00 Y0 (2.5) Der in diesem Versuch verwendete Impedanzanalysator HP 4192A kann je nach Wahl des Benutzers die Impedanz oder die Admittanz anzeigen. Dabei wird die Messmethode gewechselt: Während das Gerät im Impedanzbetrieb (komplexe) Impedanzwerte Z 0 und Z 00 für eine Reihenschaltung von R und C liefert, bekommt man im Admittanzbetrieb die Admittanzwerte Y 0 und Y 00 für eine Parallelschaltung von R und C . Dies hat Auswirkungen im Grenzbereich hoher bzw. niedriger Leitfähigkeit. Während im Impedanzbetrieb kleiner e Widerstände gemessen werden können, so können im Admittanzbetrieb Widerstände R ≥ 1.3 MΩ gemessen werden. Weitergehende Details zur Messmethode finden sich in [1] in den Kapiteln 1 und 3 in der Literaturmappe. 6 3 Bestimmung der Gleichstromleitfähigkeit aus den Impedanzspektren Wir werden zunächst nochmals die zwei idealen Bedingungen untersuchen, d.h. wenn die Elektroden vollständig umwandelbar oder vollständig sperrend sind. 3.1 Vollständig umwandelbare Elektroden Eine solche Zelle kann man sich als Parallelschaltung eines Widerstandes R und einer Kapazität C (Abb. 3.1 a) vorstellen und wird beschrieben durch: Z= 1 (1/R + iωC) = R (1 + iωRC) = R (1 + (ωRC)2 ) −i ωR2 C (1 + (ωRC)2 ) (3.1) Es ist leicht zu zeigen, dass in den Koordinaten Z 0 - Z 00 diese parametrische Funktion einen Kreis mit dem Zentrum im Punkt ( R2 , 0) (vgl. Abb. 3.1a) bestimmt. Die DC-Leitfähigkeit σ (d.h. die Leitfähigkeit bei konstantem Strom) zeigt sich im Schnittpunkt des Kreises mit der Z 0 -Achsep(der Punkt mit den Koordinaten (R, 0)). Das Maximum des Kreis befindet sich bei ω = 2π f = RC . 3.2 Sperrende Elektroden In diesem Fall findet bei Anlegen einer konstanten Spannung kein Stromfluss statt (mit Ausnahme einer charakteristischen Zeitspanne am Anfang), da es zu keinem Ladungstransport durch die Grenze Elektrode/Probe kommt. Das Äquivalenzschema und die Impedanzspektren für diesen Fall sind in der Abb. 3.1b dargestellt. Der analytische Ausdruck für die Impedanz hat hierbei die Form: R iωR2 c i Z= − − (3.2) 1 + ω2 (RC)2 1 + ω2 (RC)2 ωC0 Bei kleinen Frequenzen f der angelegten Spannung, ist die Impedanz hauptsächlich durch die Kapazität C0 bestimmt, welche die Grenzfläche Elektrode/Probe charakterisiert. Mit der 1 Erhöhung der Frequenz nimmt der Einfluss der Größe ωC ab, die Impedanz verringert sich und 0 wird vornehmlich durch R und C bestimmt, welche die Eigenschaften der Probe charakterisieren. Die Impedanz der Grenzfläche stellt eine gerade Linie dar, während die Probenimpedanz die Form eines Halbkreises hat (Abb. 3.1b). Falls sich diese Prozesse in der Impedanzkurve nicht vollständig getrennt zeigen, kann der Gleichstromwiderstand durch Extrapolation des Halbkreises zu tieferen Frequenzen bzw. der geraden Linie zu höheren Frequenzen gefunden werden. Zur Bestimmung der Gleichstromleitfähigkeit ist es oft bequemer die Admittanz Y = Y 0 + iY 00 des Systems zu betrachten. In der Abb. 3.1 sind die Admittanzspektren für beide betrachteten Fälle 7 a) b) R C iZ 00 C iZ 00 ! C0 ! ! R iY 00 R Z0 R iY 00 ! Z0 ! ! 1/R Y 0 1/R Y 0 Abb. 3.1.: Äquivalentschema und Impedanzspektren bzw. Admittanzspektren von a) vollständig umwandelbaren und b) vollständig sperrenden Elektroden. 8 dargestellt. Man erkennt, dass die Admittanz durch eine gerade Linie beschrieben wird, was somit eine leichte graphische Auswertung der Probenleitfähigkeit ermöglicht. Falls die Probe eine Platte von der Fläche A und die Dicke d ist, so wird die spezifische Leitfähigkeit σ nach der Formel: d σ= (3.3) RA berechnet. Wie in der Einleitung erwähnt, können in der Praxis, infolge verschiedener physikalisch-chemischer Eigenschaften der Probenoberfläche und R des Einflusses der Auftragemethode der Metallelektroden, keine idealen, vollständig umwandelbaren oder sperrenden Elektroden geschaffen weriZ 00 den. Dies führt dazu, dass die real beobachtete Impedanzkurve einen CP E komplizierteren Charakter hat, als bisher betrachtet. Insbesondere wird ! ! experimentell oft beobachtet, dass bei kleinen Frequenzen die Impedanz nicht eine senkrechte Linie, sondern eine Linie im konstanten Winkel φ 6= π2 zur Achse Z 0 (siehe Abb. 3.2) bildet. Zur Beschreibung einer R Z0 solchen Impedanz wurde der Begriff des Elementes mit konstanter Phase (CPE: Constant Phase Element) eingeführt, siehe Abb. 3.2. Analytisch Abb. 3.2.: Ersatzschaltbild lässt sich das CPE beschreiben mit folgender Formel: mit Constant Phase Element. πn πn −n CPE = Q 0 (iω) = Q 0 · cos − i sin (3.4) 2 2 wobei die Parameter Q 0 und n ≤ 1 frequenzunabhängige Konstanten sind. Der Neigungswinkel φ = n · π/2 entspricht im Falle n = 1 der Impedanz einer Kapazität. Ungeachtet der Abwesenheit einer ausführlichen physikalischen Interpretation, zeigt sich die Benutzung des CPE bei der Bestimmung der Impedanz vieler ionischer Leiter als sehr nützlich. Der einfachste Äquivalenzschaltkreis zur Beschreibung von Ionenleitern im Falle von vollständig sperrenden Elektroden ist in Abb. 3.3 gezeigt. Physikalisch können die Elemente wie folgt beschrieben werden: Der Kondensator C beschreibt die Kapazität des Plattenkondensators der durch die Probe zwischen den Elektroden gebildet wird. Der Widerstand R parallel dazu modelliert die Ionenbewegung. An der Grenzfläche Elektrode/Probe kommt es zur Bildung einer Doppelschicht die wiederum eine Kapazität, hier C0 , aufweist. Ionentransport R e--Wolke + Polarisation C C0 + + + + + + Ausbildung einer Doppelschicht Abb. 3.3.: Physikalische Interpretation eines Äquivalenzschaltkreises am Beispiel von vollständig blockierenden Elektroden. 9 Man muss anmerken, dass im Gegensatz zu den hier untersuchten einfachen Fällen, die Impedanz des Systems Metall-Ionenleiter-Metall einen komplizierteren Charakter haben kann, der eine Reihe anderer Elemente in das Ersatzschaltbild einschließt. Dabei kann die Impedanz der Grenzschicht die der Probe überlagern. Deshalb benötigt man zur Bestimmung der Probenleitfähigkeit in jedem Fall Untersuchungen zu Art und Umfang des Einflusses der Elektrodengrenzflächen auf das Impedanzspektrum. Eine Übersicht über die Probleme und den Umgang mit Ersatzschaltbildern in der Leitfähigkeitsspektroskopie finden sich in [2, 3, 4, 5], sowie Kapitel 4.2 in [1]. 10 4 Ziel des Versuchs Das Ziel des Versuchs ist die Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit σ des Kristalls CsHSO4 [6, 7]. Diese Verbindung gehört zur Familie der Protonenleiter und besitzt einen Phasenübergang erster Ordnung in eine superionische Phase, bei dem sich die Leitfähigkeit sprunghaft um mehrere Größenordnungen ändert. Deshalb unterscheidet man zwei Zustände: niedrigleitend bis zu dem Phasenübergang und superionisch darüber. In der niedrigleitenden Phase können die verwendeten Elektroden in guter Genauigkeit als vollständig umwandelbar betrachtet werden. Deshalb kann die Leitfähigkeit in dieser Phase bei konstanter Frequenz gemessen werden. In der superionischen Phase wird der Einfluss der Grenzfläche wesentlicher und hier muss zur Bestimmung von σ in einem weiten Frequenzbereich gemessen werden. 4.1 Durchführung der Messungen. Zunächst sollte der Steuerungscomputer eingeschaltet werden, anschließend der Impedanzanalysator (Hewlett-Packard 4192A) und die Temperaturmessgeräte (Eurotherm 2216e). Danach muss die Spektrometersteuerung QImp gestartet werden (siehe Abb. 4.1). Auf der linken Seite befinden sich die Steuerungselemente. Das oberste Textfeld dient zur Eingabe des Dateinamens, über den kleinen Button rechts davon kann aber auch ein Dateibrowser zur Auswahl gestartet werden. Am Ende der Messung werden die Messdaten in der angegebenen Datei gespeichert. Dabei wird der Dateiname noch automatisch um die gesetzte Temperatur erweitert. Die Probentemperatur findet sich in der Datei wieder. Mit der Eingabemaske darunter (1) wird der Impedanzanalysator konfiguriert. Damit können der Frequenzbereich, die Verteilung (logarithmisch oder linear) sowie die Messart (automatic, admittance, impedance) eingestellt werden. Über das Element darunter (2) kann die Temperatur des Ofens sowie einige Stabilitätsbedingungen eingestellt werden1 . Auf der rechten Seite befinden sich oben die Anzeige der Messung (4) sowie unten der zeitliche Temperaturverlauf (5). Die momentane Temperature findet sich links davon (3). Der Start der Messung erfolgt durch Betätigen des Run-Buttons in der Symbolleiste. Der konkrete Messablauf gestaltet sich dabei wie folgt: 1. Die Temperatur des Ofens wird vor der Besprechung auf 385 K gesetzt. Nach der Besprechung sollte die Probentemperatur relativ stabil sein und es können gleich Messungen gestartet werden. 2. Zur Messung der Leitfähigkeit wird eine sog. Sollwertrampe mit einer Rate von ca. 0.3 K min−1 gefahren. Damit steigt die Ofen- bzw. Probentemperatur kontinuierlich an bis die eingestellte Zieltemperatur, z.B. 460 K, erreicht wird. Währenddessen wird kontinuierlich ein frequenzabhängiges Impedanz- bzw. Admittanzspektrum nach dem anderen 1 Diese Bedingungen werden bei einem einzelnen Experiment nicht benötigt. 11 4 1 2 3 5 Abb. 4.1.: Die Spektrometersteuerung QImp zur Steuerung der Temperaturregler und des Impedanzanalysators. (1) Konfiguration des HP4192A, (2) Temperatursteuerung, (3) Temperaturanzeige, (4) Messwerte und (5) Temperaturverlauf. 12 gemessen. Bei einer geschätzten Messdauer von 3 min ist die Temperaturdifferenz von Beginn bis zum Ende einer Einzelmessung ca. 1 K. 3. Während der Messung kann die Leitfähigkeit mit dem Programm equiv.py ausgewertet und mit Hilfe von Gl. 3.3 die spezifische Leitfähigkeit σ errechnet werden, wobei der geometrische Faktor den Studenten vor dem Anfang der Arbeit mitgeteilt wird. Der Übergang in die superionische Phase wird dabei durch eine heftige, sprunghafte Veränderung der Leitfähigkeit deutlich. Hilfestellung mit dem Programm equiv.py gibt Ihnen der Betreuer während der Versuchsdurchführung. 4. Die ermittelten Werte der Leitfähigkeit sollen als log(σT ) gegen 1/T in der sog. ArrheniusAuftragung aufgetragen werden. In dieser Darstellung lassen sich die Aktivierungsenergien EA und die Vorfaktoren (Herleitung siehe Anhang B) sowohl für die niedrigleitende als auch die superionische Phase ermitteln. (Üblicherweise wird dabei auf der Abszisse 1000 K/T aufgetragen.) 4.2 Anfertigung der Ausarbeitung Das Protokoll sollte u.a. folgende Angaben enthalten: • Kurze (!) Beschreibung der Versuchsidee und des Aufbaus. • Darstellung des Impedanz- und Admittanzspektrums bei einer ausgewählten Temperatur in der superionischen sowie in der niedrigleitenden Phase. • Die Arrhenius-Auftragung von σT , d.h. log(σT ) vs. 1000 K/T . Die Werte erhalten Sie als Fitparameter für die Spektren mit Hilfe des Programms equiv.py. Das verwendete Modell sollte kurz angegeben werden, ebenfalls der Temperaturbereich in dem dieses Modell gültig ist. Wie ist die Vorgehensweise wenn kein passendes Modell gefunden wird? Vergleichen Sie die Ergebnisse! • Bestimmung der Phasenübergangstemperatur TC . • Die mittels einer Ausgleichsrechnung bestimmten Werte für die Vorfaktoren A und EA für die niedrigleitende und superionische Phase. Die Fits sollen im Arrhenius-Plot dargestellt werden, vergessen Sie nicht den Temperaturbereich anzugeben den Sie für die Fits verwendet haben. (Die Aktivierungsenergie EA sollte in kJ mol−1 oder eV angeben werden.) • Bewerten Sie das Ergebnis. Was erwartet man? Wie kann man die für die Erzeugung einer Fehlstelle notwendige Energie E f bestimmen? • Das Protokoll der Versuchsdurchführung. 13 A Fitten der Daten mit equiv.py Die von QImp gespeicherten Messdaten können vor Ort mit dem Python Programm equiv.py gefittet werden. Dabei wird das Impedanzspektrum an den ausgewählten Äquivalentschaltkreis mit Hilfe eines CNLS-Fit (Complex Nonlinear Least-Squares) angepasst. Das Programm bietet einige Äquivalenzschaltkreise zur Auswahl an. Zur Angabe der Schaltkreise wird eine besondere Notation verwendet die sich als sehr praktisch erwiesen hat. Dabei werden für eine parallele Ver- Abb. A.1.: Der von P.G. Bruce vorgeschlagene Äquivalenzbindung von Elementen runde Klammern (. . . ), und für eine schaltkreis (R[CQ]C) [8]. Serienschaltung eckige Klammern [. . . ] verwendet. Zum Beispiel bezeichnet die Darstellung (R[CQ]C) die in Abb. A.1 gezeigte Schaltung. Diese Schaltung wurde 1984 von P. G. Bruce vorgeschlagen da sie einige Defizite insbesondere im Limes kleiner bzw. großer Frequenzen der einfachsten Schaltungen wie (RC) bzw. (RQ) beseitigt [2, 8]. Das Ergebnis kann gespeichert werden, im Header der Datei befinden sich dann die Fitwerte. Diese Werte können dann für jede Temperatur in einem weiteren Schritt in eine einzige Tabelle extrahiert werden. Genaueres zum CNLS Verfahren und zur Bedienung des Programms erfahren Sie vom Betreuer. 644 kHz 2.5 1e6 Fit Data 2.0 -iZ/Ω 1.5 192 kHz 57.3 kHz 1.0 17.1 kHz 0.5 5.09 kHz 0.0 0.5 1 0 1 2 Z/Ω 3 4 5 1e6 1.52 kHz 453 Hz Abb. A.2.: Beispielausgabe des Programms equiv.py 14 Tabelle A.1.: Dispersionen verschiedener elektrischer Bauteile. Element Symbol Admittanz Impedanz Fit Parameter Widerstand R 1/R R R Kapazität C iωC −i ωC C Induktivität L −i ωL iωL L CPE Q (iω)n Y0 (iω)−n Y0 Y0 , n 15 B Ionische Leitfähigkeit Die ionische Leitfähigkeit σ kann durch die Konzentration n der Ladungsträger und ihrer Beweglichkeit µ beschrieben werden: σ =q·µ·n (B.1) Dabei bezeichnet q die Ladung der beweglichen Ionen. Ferner gilt nach der Nernst-EinsteinBeziehung: qD (B.2) µ= kB T wobei D den Diffusionskoeffizient, T die Temperatur und kB die Boltzmann-Konstante bedeuten. In einer mikroskopischen Betrachtung wird die Diffusion durch Sprünge der Ionen zwischen verschiedenen Positionen erklärt. Dieser Sprungprozess ist thermisch aktiviert und wird durch die zu überwindende Energiebarriere Em zwischen zwei lokalen Minima bestimmt (siehe Abb. B.1). Die Sprungfrequenz dieses Prozesses ist dabei gegeben durch: Em (B.3) ν = ν0 exp − kB T wobei der Vorfaktor ν0 eine „Versuchsfrequenz“ (i.d.R. in der Größenordnung der Phononenfrequenzen) für einen Sprung bedeutet. Falls jeder Sprung dieselbe Sprunglänge l aufweist, so ist der Diffusionskoeffizent D gegeben durch: ⌫ Em Abb. B.1.: Schematische Darstellung des Sprungprozesses eines D = ην l (B.4) Ions über die Potentialbarriere Em . Die Sprungfrequenz ν ist dabei Dabei ist η ein geometrischer Faktor, der vom Kristallgitthermisch aktiviert. ter abhängt. Besonders einfach ist dieser Faktor für das kubische Gitter: η = 1/6 (es gibt für jeden Gitterplatz 6 äquivalente Sprungmöglichkeiten). 2 Bei gewöhnlichen Ionenleitern ist die Leitfähigkeit abhängig vom Vorhandensein von Punktdefekten wie z.B. Leerstellen oder Zwischengitterplätzen im Kristall[9, 10, 11, 12]. Die Bildung solcher Defekte ist ebenfalls thermisch aktiviert und ihre Gleichgewichtskonzentration n bei einer bestimmten Temperatur T wird beschrieben durch den Ausdruck n = n0 exp − Ef 2kB T (B.5) 16 wobei n0 der atomaren Konzentration der Fehlstellen entspricht. Setzt man die Ausdrücke B.2, B.3 und B.5 in B.1 ein, so erhält man für die spezifische Leitfähigkeit σ: σ = η = q2 ν0 l 2 n0 exp − kB T A EA exp − T kB T Em + E f /2 kB T (B.6) (B.7) Dabei bezeichnet A einen Vorfaktor, der nicht von der Temperatur abhängt und EA = Em + E f /2 die Aktivierungsenergie der Leitfähigkeit, die sich aus der Migrationsenergie zur Überwindung der Potentialbarrieren und der Bildungsenergie der Defekte zusammensetzt. Die Abhängigkeit in Gl. B.7 zeigt in den Koordinaten y=ln(σT) gegen x=1/T („Arrhenius-Auftragung“ ) eine Gerade mit konstanter Steigung, welche der Aktivierungsenergie EA/kB entspricht. Falls sich mit der Temperatur die Art der Defekte und die Kristallstruktur nicht ändern, so gilt die Abhängigkeit für solche Kristalle bis zum Schmelzpunkt. Jedoch gibt es neben den gewöhnlichen Ionenleitern, wie z.B. CaF2 oder NaCl, eine grosse Zahl von Verbindungen, wo es als Ergebnis eines Phasenüberganges zu einer vollständigen Unordnung in einem Untergitter kommt, oft auch quasi als „Schmelzen“ dieses Untergitters betrachtet. Alle Ionen dieses Untergitters nehmen am Ladungstransport teil. Deshalb ist die Konzentration der beweglichen Ladungsträger n gleich der Anzahl der vorhandenen n0 . In der Regel haben solche Verbindungen eine schlecht leitende Tieftemperaturphase, die nach überschreiten einer Übergangstemperatur von einer Phase mit sehr hoher Leitfähigkeit abgelöst wird. Diese Phase wird gewöhnlich superionische Phase genannt. Ihre Leitfähigkeit wird beschrieben durch: σS I = η = q2 ν0 l 2 n0 Em exp − kB T kB T A Em exp − T kB T (B.8) (B.9) Hier stimmt die Aktivierungsenergie mit der Migrationsenergie Em überein, da sich die Zahl der Ladungsträger mit der Temperatur nicht ändert n = n0 . Man muss hier jedoch anmerken, dass sich als Ergebnis des Phasenüberganges die Werte für den Vorfaktor A und die Migrationsenergie Em stark ändern können. In der Regel sind in der superionischen Phase diese Parameter niedriger als in der Tieftemperaturphase. Als Beispiel ist in der Abb. B.2 die Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit für den superionischen Kristall AgI gezeigt. Diese wurde schon 1914 von Tubandt und Lorenz gemessen und veröffentlicht (siehe [13] und Referenzen darin). Wie es aus der Zeichnung ersichtlich ist, ändert sich im Übergangspunkt T = 150 ◦C die Leitfähigkeit sprunghaft und erreicht in der superionischen Phase (α-AgI) Werte von 1 × 10−1 Ω−1 cm−1 bis 1 Ω−1 cm−1 . Bei einer Temperatur von T = 550 ◦C schmilzt der Kristall und die Leitfähigkeit nimmt sprungartig wieder ab. 17 Abb. B.2.: Temperaturabhängige elektrische Leitfähigkeit von AgI, AgBr und AgCl. Diese Originalgraphik wurde aus [13] entnommen und stammt ursprünglich von Tubandt und Lorenz aus dem Jahr 1914. Man erkennt den Phasenübergang von β -AgI zu α-AgI anhand des sprunghaften Anstiegs der Leitfähigkeit bei T = 150 ◦C. Bei T = 550 ◦C schmilzt der Kristall und die Leitfähigkeit nimmt ab. 18 Literaturverzeichnis [1] Barsoukov, E. und MacDonald, J. R.: Impedance Spectroscopy Theory, Experiment, and Applications Wiley-VCH, 2nd. Edition, 2005. (auf Seiten 6 und 10). [2] MacDonald, J. R. und Hurt, R. L.: Some Simple Equivalent Circuits for Ionic Conductors Journal of Electroanalytical Chemistry and Interfacial Electrochemistry, 200(1–2):69–82, 1986. (auf Seiten 10 und 14). [3] Boukamp, B. 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