5: Terror für den Glauben

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Der Heilige Krieg
Folge 5: Terror für den Glauben
Ab 16. August 2011 dienstags um 20.15 Uhr und sonntags um 19.30 Uhr
Materialien für den Unterricht
1. Inhalt des Films
Der Film befasst sich mit der Hauptfigur der islamistischen Terrororganisation AlQaida, Osama bin Laden (1957-2011), und seinem ideologischen Hintergrund.
Einleitung
Zu Anfang werden zwei Szenen präsentiert, die Osama bin Laden zuerst am Tag des
Attentats vom 11. September 2001 in seiner „Löwenhöhle“ in Afghanistan und darauf
in einem Rückblick auf das Jahr 1991 im saudi-arabischen Dschidda jeweils im
Gespräch mit Gefolgsleuten zeigen. Bin Ladens „Löwenhöhle“ 150 km östlich der
afghanischen Hauptstadt Kabul diente ihm als Rückzugsort. Dort verfolgte er inmitten
seiner engen Vertrauten 2001 die Nachrichten zum Terroranschlag auf die
Doppeltürme des World Trade Center in New York. Im Film benennt er die Ziele des
Mordanschlags mit über 3000 Toten: Rache an den USA für angebliche Verbrechen
und Sünden an der muslimischen Welt.
Im Januar 1991 begannen die USA und ihre Verbündeten nach dem Überfall des
Diktators Saddam Hussein auf das Nachbarland Kuwait mit der Operation „Desert
Storm“ von Saudi-Arabien aus einen Krieg gegen den Irak. Die Anwesenheit von USTruppen auf dem Boden des streng muslimischen Staates, in dem die beiden
höchsten Heiligtümer Mekka und Medina liegen, bedeutete für islamische
Fundamentalisten eine Bedrohung ihrer Religion. In ihren Augen stellten USAmerikaner, für sie Christen und Juden, als Beschützer der heiligen Stätten eine
unerträgliche Provokation dar. Sie machten dafür das saudische Herrscherhaus
verantwortlich, das durch Erdöl unermesslich reich, aber durch die teilweise
übernommene westliche Lebensweise verdorben worden sei. Für Osama bin Laden,
der selbst aus einer reichen Familie in Saudi-Arabien stammte, hatte sich das
korrupte Königshaus mit den „Kreuzzüglern“ des Westens verbündet, was die
heiligen Stätten gefährdete.
Der damalige US-Präsident George Bush (senior) sprach nach dem Sieg über
Saddam von einer „neuen Weltordnung“, die mit dauernder Stationierung von USTruppen nahe den saudi-arabischen Ölfeldern verbunden sei. Im Film sieht man
Osama bin Laden in seinem Haus in Dschidda 1991 in traditioneller Kleidung mit
seinen Anhängern sprechen. So klagt er das Unrecht an den Muslimen an, das er in
der Fremdherrschaft über die heiligen Stätten des Islam erkennt. Dabei kündigt er
eine weltweite Wiederherstellung muslimischer Herrschaft an.
Glänzende Vergangenheit und machtlose Gegenwart des Islam
Nach der Einleitung stellt der Film die Lebensgeschichte und einige ideologische
Wurzeln des Terroristenführers dar. Die Religionsstiftung des Islam, dessen
Zeitrechnung 622 n. Chr. einsetzt, durch den Propheten Muhammed (ca. 570 - 632 n.
Chr.) wälzte den ganzen Orient und die Mittelmeerregion um: Die muslimischen
Herrscher der Umayyaden und Abbasiden eroberten im 7. und 8. Jh. ein gewaltiges
Reich von Vorderasien bis Spanien und bewirkten eine Blütezeit arabischer Kultur.
Sie war dabei durch Offenheit für fremde Einflüsse gekennzeichnet, keineswegs
durch Abschottung. Demgegenüber fällt die gegenwärtige Stellung des Islam für
Fundamentalisten wie Osama bin Laden steil ab. Die weltweite Gesamtheit aller
Muslime (Umma) lebt nicht mehr wie unter den Kalifen oder im Osmanischen Reich
nahezu in einem einzigen Staat, sondern in einer Vielzahl mit willkürlichen Grenzen
und diktatorischen Gewaltherrschern, die sich zudem häufig untereinander
bekämpfen. Diesen Niedergang möchte die Bewegung der Islamisten durch
Rückbesinnung auf den Glauben umkehren. Extreme Fundamentalisten wollen in
den islamischen Ländern auch die inzwischen vielfach westlich geprägten modernen
Lebensformen radikal abschaffen und ein Leben wie einst der Prophet Muhammed
führen.
Wahabismus in Saudi-Arabien
Diesem fundamentalistischen Ziel am nächsten kommt der Wahabismus, eine
Deutung des Islam, die in Saudi-Arabien im 18. Jahrhundert viele Anhänger fand und
von der herrschenden Dynastie der Sauds im 20. Jh. zur Staatsdoktrin erhoben
wurde. Danach liegt das Ideal in der einfachen Lebensweise der traditionellen
Beduinen nach den harten Gesetzen der Scharia, der Rechtsordnung nach dem
Koran. Schlagzeilen aus diesem Land melden immer wieder die häufige Verhängung
der Todesstrafe durch Enthauptung mit dem Säbel oder das Handabschlagen bei
Dieben sowie die strikte Geschlechtertrennung. Inzwischen bilden allerdings die
Beduinen im heutigen Saudi-Arabien nur noch eine kleine Minderheit, während über
vielfältige Kontakte mit dem Ausland und die modernen Bildungsanstalten westliche
Ideen in das Land eindringen.
Nahost-Konflikt zwischen Israel und Palästina
Ein Schlüsselerlebnis für den Niedergang islamischer Macht war für viele Muslime
der Verlust des sog. „Sechs-Tage-Krieges“ 1967 gegen Israel. Die im Eiltempo
geschlagenen verbündeten arabischen Staaten waren nicht in der Lage, Israel zu
besiegen, die Besetzung von Ost-Jerusalem zu verhindern oder gar ganz Palästina
zurückzuerobern. Millionen Palästinenser gerieten unter israelische Besatzung. Viele
wurden in die arabischen Nachbarstaaten vertrieben oder flohen. Die Palästinenser,
deren Sprachrohr der Führer der Befreiungsbewegung PLO, Yassir Arafat, wurde,
antworteten mit Terroranschlägen wie 1972 in München während der Olympischen
Spiele in ihrem Kampf für einen palästinensischen Staat. Sie stellten damit die
Existenz Israels infrage. Zu diesem Zeitpunkt basierte ihre Ideologie allerdings
weniger auf dem Islam, sondern war eher antikolonial, sozialistisch und vom
Gedanken der „Befreiung“ geprägt. Manche Araber sehen die Palästinenser als
Opfer einer angeblichen „christlich-jüdischen Allianz“ zwischen den USA und Israel,
die oft polemisch als Bund von „Kreuzzüglern und Zionisten“ bezeichnet wird.
Azzams Aufforderung zum Dschihad
Ein theologischer Denker wie der Palästinenser Abdallah Azzam (1941-1989) setzte
hier an, um den Dschihad auf neue Weise zu deuten. Er forderte eine „Basis“Organisation ideologisch gefestigter Kämpfer, um im Dschihad die islamischen
Länder von den „Ungläubigen zu befreien und gegen die schlechten modernen
Einflüsse auf die Muslime vorzugehen. Zuvor sei eine Rückbesinnung auf die alten
Prinzipien des Islam notwendig. Azzam setzte dieses an sich noch defensive
Konzept in die Tat um, indem er in Afghanistan gegen die Besatzung durch die
atheistische Sowjetunion kämpfte. 1989 kam er dort durch ein mysteriöses Attentat
um.
Osama bin Ladens Gründung der Al-Qaida in Afghanistan
Zu den Hörern von Azzams Vorlesungen gehörte bereits 1980 im saudi-arabischen
Dschidda der junge Osama und nahm den Gedanken des gewaltsamen Kampfes
auf. Er folgte ihm nach Afghanistan und gründete eine kleine Gruppe, die etwa seit
1988 Al-Qaida („Basis“, auch „Militärcamp“) hieß. In ihr sammelte er vorwiegend
arabische Freiwillige, um sie gegen die sowjetischen Besatzungstruppen in den
Kampf zu führen. Ihr Beitrag zum Krieg blieb bescheiden, Osama erhielt auch keine
direkte US-Hilfe, wie später behauptet worden ist.
Osama bin Ladens Wendung gegen Saudi-Arabien und die USA
Mit der sowjetischen Niederlage 1989 fehlten zunächst weitere große
Herausforderungen. Bin Laden sammelte Geld im wohlhabenden Saudi-Arabien, um
einen islamistischen Aufstand im Jemen zu unterstützen. Doch erst im
Zusammenhang mit dem Irakkrieg 1991 wandte er sich offen gegen das Regime in
seinem Heimatland Saudi-Arabien und gegen dessen Verbündeten, die USA. Die
heiligen Stätten in Mekka und Medina sollten wieder von „wahren“ Muslimen
kontrolliert werden, nicht von den aus seiner Sicht korrupten Saudis und den
angeblich nur am Öl interessierten Amerikanern.
Aufruf zum Töten von US-Amerikanern vom Sudan aus
Unter saudischen Druck geraten, ging Osama Bin Laden 1992 in den Sudan, wo
Islamisten an der Macht waren und er zu beider Seiten Nutzen sein Vermögen
investierte. Die USA griffen im gleichen Jahr in Somalia im Rahmen der UNOOperation „Restore Hope“ ein, um eine Hungerkatastrophe zu verhindern, und
schienen – in der Weltsicht der Islamisten - die muslimische Welt weiter
einzukreisen. Der Imam Abu Hadscher rief vom sudanesischen Khartum zum
Dschihad gegen die USA auf. Obwohl nur ein gelernter Ingenieur, sprach dieser
Anhänger Osamas zwei Fatwas aus, d.h. religiöse Rechtsgutachten. Sie riefen zum
Töten amerikanischer Soldaten und Zivilisten auf, auch wenn zugleich unschuldige
Muslime sterben müssten. Als wahre Gläubige kämen letztere ohnehin in das
Paradies.
Der Hintergrund dafür ist die sog. Takfir-Doktrin, nach der jeder zu töten ist, der nicht
die wahre Auslegung des Islam teilt. Im Islam ist diese Lehre sehr umstritten, denn
mit dem Anspruch, im Besitz der richtigen Auslegung zu sein, lässt sich willkürlich
jede Tötung von Menschen anderer Auffassung rechtfertigen.
Erster Anschlag in New York 1993 und Rauswurf aus dem Sudan 1996
Eine erste Vorstellung davon, was ein Anschlag in den USA selbst anrichten konnte,
gab der Welt das Sprengstoffattentat auf die Tiefgarage des World Trade Center in
New York am 23. Februar 1993, als 6 Menschen starben und über 1000 Opfer
verletzt wurden. Angestrebt waren weit höhere Zahlen. Der Haupttäter Ramsi Jussef
gab später an, aus Hass auf die Juden und für die Sache Palästinas gehandelt zu
haben. In welchem genauen Verhältnis Al-Qaida zu seinem Plan stand, ist allerdings
unklar. Jedenfalls war er in Afghanistan im Bombenbau ausgebildet worden, und sein
Onkel gehörte zu den hochrangigen Führern der Gruppe.
Im Jahr 1994 entzog Saudi-Arabien Osama Bin Laden die Staatsbürgerschaft und
sein Vermögen. Er antwortete mit dem Vorwurf, der saudische König handle als
Werkzeug Amerikas. Die USA unter Präsident Clinton übten Druck auf den Sudan
aus, gegen den Terroristenchef vorzugehen. Er musste 1996 von dort seine Kämpfer
wegschicken und nach seiner Enteignung fast mittellos mit 50 000 Dollar das Land
verlassen.
Rückkehr nach Afghanistan unter den Taliban
Osama Bin Laden ging wieder nach Afghanistan, wo inzwischen die radikalislamischen Taliban herrschten. Er teilte ihre Lebensideale: strikte
Geschlechtertrennung, völlige Verschleierung der Frauen, Bartpflicht für Männer, das
harte Recht der Scharia. Ohne sein Geld war aber Osama Bin Laden für die Taliban
nicht besonders interessant. Er zog sich in ein Höhlenversteck in den Bergen zurück,
nach Tora Bora, wo er sich schon zu Zeiten des antisowjetischen Kampfes verborgen
hatte. Mit geschickter Propaganda für seine Anhänger sah er darin eine Parallele
zum Rückzug Muhammeds 622 n. Chr. ins Exil nach Medina.
Die „Kriegserklärung“ an die USA 1996 und das CNN-Interview 1997
Ein wichtiges Dokument dieser Zeit war Osama bin Ladens sog. „Kriegserklärung“ an
die USA 1996, in der er den terroristischen Kampf gegen diesen Hauptfeind
ankündigte, der „das Land der heiligen Stätten besetzt“. Osama fordert, „den
amerikanischen Feind zu vertreiben, der unser Land besetzt hält, das ist neben dem
Glauben die erste Pflicht, nichts ist wichtiger“. Auf moderne Weise nahm er die
Medien mit globaler Reichweite in seinen Dienst, indem er 1997 dem amerikanischen
Nachrichtensender CNN ein Fernsehinterview gab und darin seine aggressiven
Standpunkte weltweit verbreitete. So nutzte er die westliche Pressefreiheit für seine
Zwecke.
Der Ägypter Al-Zawahiri und der Anschlag auf Luxor 1997
Sein neuer Partner im Dschihad und Vizekommandeur der Al-Qaida wurde der
Ägypter Ayman Al-Zawahiri (* 1951), ein belesener Arzt, dessen Ideologie und
Schriften der Al-Qaida neue Anhänger zuführten. Sein Schwerpunkt lag erst im
Kampf gegen das diktatorische Regime Präsident Mubaraks in Ägypten, der fest an
der Seite der USA stand. Ein Terroranschlag islamischer Fundamentalisten richtete
sich am 17. November 1997 auf das beliebte Touristenziel Luxor. 58 Ausländer und
4 Einheimische starben auf grausame Weise, die Attentäter schossen ihnen erst in
die Beine und töteten sie dann. Wegen der Gefährdung der Einnahmen durch den
Tourismus und des grausamen Vorgehens wurde der Anschlag aber ein Misserfolg
für die militanten Fundamentalisten in Ägypten, weil er ihren Ruf schädigte und so
Mubaraks Stellung festigte. Ob Zawahiri hinter dem Anschlag steckte, ist bis heute
umstritten.
Das Attentat in den USA vom 11.9.2001
Die nächste Stufe des Terrors galt nun nicht mehr einem einzelnen nationalen
Regime im Dienst der USA, sondern die beiden Al-Qaida-Führer bereiteten große
Anschläge auf der ganzen Welt gegen die USA selbst vor. 1998 gründeten sie die
„Islamische Weltfront für einen Dschihad gegen die Juden und Kreuzzügler“, d.h.
gegen den amerikanischen Feind. Neue blutige Anschläge trafen die US-Botschaften
in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) sowie 2000 ein US-Kriegsschiff in
Aden (Jemen). Ein erwarteter militärischer Gegenschlag der USA unterblieb
allerdings im Wahlkampfjahr 2000, da Präsident Clinton keine Eskalation wollte.
Osama bin Laden griff zu einer noch schärferen Provokation.
Eine Gruppe um die Hamburger Studenten Mohammed Atta und Ziad Jarrah traf sich
Ende 1999 und wieder 2000 im afghanischen Dschalalabad mit der Al-QaidaFührung: Die jungen Männer wollten als Märtyrer sterben, um direkt in den Himmel
zu gelangen. Der Plan bestand darin, Flugzeuge zu entführen und auf symbolisch
wichtige Gebäude in den USA abstürzen zu lassen. Sie bereiteten sich intensiv im
Land vor, und insgesamt 19 Terroristen brachten am 11. September 2001 vier
Linienflugzeuge in ihre Gewalt. Zwei davon stürzten in die Doppeltürme des Word
Trade Centers in New York, eines auf das Pentagon in der Hauptstadt Washington,
eines zerschellte auf freiem Feld, statt auf das Kapitol zu stürzen. Osama Bin Laden
verfolgte das Attentat über den Radiosender der BBC. Die globale Wirkung der
dramatischen Fernsehbilder gehörte zum Plan.
Reaktion der US-Regierung
Die Reaktion der US-Regierung unter Präsident George Bush (junior) erfolgte
umgehend. Erst sprach der Präsident spontan (nur ein einziges Mal bei einer
improvisierten Pressekonferenz) von einem bevorstehenden „Kreuzzug“ und Krieg
gegen den Terror, in der Erklärung vor dem Kongress am 20. September 2001
betonte er aber, dass die große Mehrheit der Muslime den angeblichen Dschihad der
Terroristen ablehne. Ab Oktober 2001 wurden die Lager der Al-Qaida durch die USLuftwaffe bombardiert, während verbündete afghanische Bodentruppen Osama Bin
Laden in Tora Bora fassen sollten. Dies misslang, weil sie offensichtlich nur
halbherzig ihre Aufgabe wahrnahmen.
Viele weitere Anschläge der Al-Qaida kosteten immer wieder Menschenleben: auf
der indonesischen Insel Bali 2002, im tunesischen Dscherba 2003, in Madrid 2004, in
London 2005 und ständig im Irak.
Erst fast ein Jahrzehnt später gelang es einem US-Kommandotrupp am 2. Mai 2011,
Osama in Pakistan in einem befestigten Haus in Abbottabad zu stellen und zu töten.
Der Leichnam wurde mitgenommen und im Meer versenkt. Der Partner Al-Zawahiri
soll sein Nachfolger als Führer der Al-Qaida geworden sein.
2. Historisch-politische Einordnung
2.1 Moderner nationaler und internationaler Terrorismus
Die Definition von Terrorismus ist umstritten. Nach dem hier zugrundegelegten
Verständnis liegt Terrorismus vor, wenn eine Organisation, die in einer festen
Ideologie begründete politische Ziele verfolgt, gewaltsame Anschläge verübt, die den
Tod und die Verletzung von Menschen in Kauf nehmen, um auf sich aufmerksam zu
machen und eine bestehende Herrschaft zu erschüttern.
Die Motive für Terrorismus liegen oft in einem regionalen oder nationalen
Befreiungskampf gegen eine als illegitim angesehene Macht. Beispiele dafür sind die
baskische (ETA) oder die irische (IRA) Untergrundbewegung. Eine internationale
Ausrichtung hatte dagegen der marxistisch inspirierte Terrorismus der 1970er Jahre,
wie ihn die deutsche „Rote-Armee-Fraktion“ (RAF) oder die italienischen „Brigade
Rosse“ ausübten. Auch rassistischer Terrorismus überschreitet in der Gegenwart
nationale Grenzen, wie im euro-amerikanischen Neonazismus.
Religion und Terrorismus
Religiös begründeten Terrorismus hat es im Christentum und Judentum (z. B.
Attentat auf den israelischen Ministerpräsidenten Rabin durch Jigal Amir 1995), aber
auch im hinduistischen Indien (Sikhs) gegeben. Entscheidendes Motiv ist der
persönliche Glaube, das Attentat entspringe einer von Gott gebotenen Plicht (Bruce
Hoffman). Der islamistische Terrorismus bildet insofern keine historische Ausnahme,
doch ist er zurzeit besonders aktiv und medienwirksam. Im Islam rechtfertigen ihn
militante Ideologen über den Dschihad. Dieser Begriff hat mehrere Bedeutungen, die
wörtliche ist etwa „Anstrengung“. Der Einsatz für die Sache Gottes kann sich in
verschiedenen Formen zeigen, von der geistigen Überwindung der eigenen
Schwächen bis zur bewaffneten Verteidigung des Glaubens. Militante Islamisten
fordern den Dschihad zur weltweiten Ausdehnung der wahren Religion und
rechtfertigen so auch Terror (s.u). Häufig verbindet sich islamistischer Terrorismus
mit fundamentalistischen Tendenzen, in denen der Koran wortwörtlich genommen
und die Lebensform Muhammeds als Ideal gesetzt wird.
Eine derartige Richtung prägte der ägyptische Koran-Kommentator Saiyed Qutb
(1906-1966). Seine Schrift „Wegzeichen“ teilte die Menschheit in zwei Lager, das des
Islam und das der „Unwissenheit“ (wie in der Zeit vor Muhammed). Diese
Unwissenheit ergreife inzwischen auch von muslimischen Ländern wieder Besitz, die
den Islam zunehmend nicht mehr ernst genug nähmen. Dagegen sei gewaltsames
Vorgehen geboten, um Gott seine gebührende Macht zurückzugeben.
Selbstmordattentate
Im Islam ist der Selbstmord an sich verboten, in der sunnitischen Richtung noch
stärker als in der schiitischen. Dennoch werden heute im islamischen Raum
Selbstmordattentäter nicht selten als Märtyrer akzeptiert. Palästinenser verübten
erste Selbstmordattentate in den 1970er Jahren gegen Israel. Die Veröffentlichung
ihrer Testamente mit Anklagen gegen den Feind diente der Propaganda. Vom
schiitisch dominierten Iran wurden Selbstmordeinsätze (selbst von Jugendlichen)
eingesetzt im Krieg gegen den Irak 1980. Gleiches geschah durch die schiitische
Hisbollah im Libanon gegen Truppen aus Israel (1982), den USA und Frankreich
(1984). Seit 1994 setzte auch die sunnitische Hamas zahlreiche Selbstmordattentäter
in der Intifada gegen Israel ein. Dem half die Absegnung als höchste Stufe des
Dschihads durch Rechtsgutachten (Fatwas) in der Geistlichkeit (Ulema). Israel
reagierte mit rigiden Sicherungsmaßnahmen wie einer kilometerlangen Mauer zum
Schutz vor Grenzverletzungen. Der Einsatz von Frauen und Kindern als Attentätern
folgte als weitere Eskalation. Im Irak bekämpfen sich Sunniten und Schiiten auf diese
blutige Art bis heute. Mehr als 350 Selbstmordattentate in 24 Ländern sind bekannt.
Terrorismus und Medien
Zum Konzept des Terrorismus gehört es, Schrecken zu erzeugen und von den
Medien global verbreiten zu lassen. Deshalb nutzen Terroristen die modernen
Medien und globalen Nachrichtensender, um ein Millionenpublikum für ihre Zwecke
erreichen. Zu den Mitteln gehören Bekennerschreiben und spektakuläre
Inszenierungen vor den laufenden Kameras. Emotionale Berichte über
Entführungsopfer und ihre Familien sollen öffentlichen Druck erzeugen, damit
Regierungen zum Nachgeben bereit werden. Eine problematische Chance für
Terroristen liegt in der Gewährung von Redezeit in Nachrichten und
Dokumentationen. Allerdings kann dies auch zur Distanzierung der öffentlichen
Meinung von ihnen führen. Daneben gibt es zahlreiche Homepages im Internet,
deren Betreiber Kontakte zu Terroristen haben und gezielt Informationen und
Materialien erhalten.
Terrorismusbekämpfung
Die in ihrer Sicherheit bedrohten Staaten greifen zu Gegenmaßnahmen. In den
1970er Jahren hat die Bundesrepublik im Kampf gegen die RAF die staatlichen
Machtmittel trotz rechtsstaatlicher Bedenken erweitert (Aufbau der Anti-Terror-Einheit
GSG 9, Verschärfung des Straf- und Strafprozessrechts, Kronzeugenregelung). USPräsident George Bush (junior) erklärte als Antwort auf den 11. September 2001 den
„war on terrorism“. Mit Hinweis auf drohende terroristische Anschläge wurden die
Einschränkung einiger bürgerlicher Freiheiten und der Aufbau spezieller
Sicherheitsorganisationen (Heimatschutzbehörde DHS) ermöglicht. Militärische
Operationen in Quellländern des Terrorismus wie der NATO-Einsatz in Afghanistan
folgten. Die USA richten ihre Außenpolitik zunehmend gegen „Schurkenstaaten“, die
selbst terroristische Aktionen verüben oder sie unterstützen, wie z.B. lange Zeit
Libyen. Zu den Maßnahmen gehören Finanzkontrollen und Beschlagnahme von
Geldern. Gegen die Terroristen selbst zeigten sie demonstrative Härte (GuantanamoGefängnis, folterähnliche Verhörmethoden).
2.2. Islamismus
Der seit den 1970er Jahren verstärkt aufgekommene Islamismus stellte sich gegen
den arabischen Nationalismus der vorangegangenen Epoche. Der traditionelle Islam
strebt die Einheit aller Gläubigen (Umma) unter einer Herrschaft an, während die
Einheit einer Nation dabei keinen besonderen Wert darstellt. Der arabische
Nationalismus entwickelte sich, zunächst in kleinen Zirkeln, mit dem Untergang des
Osmanischen Reiches und richtete sich zunächst gegen das Sultanat, später gegen
die britische und französische Kolonialherrschaft. Im Ergebnis des Ersten Weltkriegs
wurde 1920 die Türkei als Nationalstaat gegründet und wirkte als Vorbild auf den
antikolonialen Kampf der Araber. Doch stießen dessen Führer wie der ägyptische
Präsident Nasser unter tiefgläubigen Muslimen auf zunehmende Kritik.
2.2.1. Vorgeschichte – die Muslimbrüder
Seit 1928 gab es in Ägypten die Bewegung der Muslimbrüder unter Hasan al-Banna,
der 1949 in Kairo erschossen wurde. Sie vertraten im Gegenzug zur westlichen
„Dekadenz“ strikt islamische Moralvorstellungen und eine Ausrichtung auf soziale
Wohltätigkeit durch Sozialeinrichtungen und Schulen. Dazu kam die Forderung an
die muslimischen Herrscher, die Scharia als Rechtsordnung wieder zum Maßstab zu
machen. Ein wachsender Antisemitismus gegen die jüdische Zuwanderung nach
Palästina wurde spürbar. Bis 1948 umfasste die Muslimbrüderschaft über 500.000
Mitglieder und bekämpfte die britische Herrschaft in Ägypten, die mit General
Nassers Putsch an die Macht in Kairo 1952 endete.
Vordenker des Islamismus
Der neue Vordenker der Muslimbrüder wurde der Ägypter Saiyed Qutb (1906-1966),
der 1954 unter Präsident Nasser zu 9 Jahren Haft verurteilt und 1966 sogar
hingerichtet wurde. Seine Rückbesinnung auf den Ur-Islam zog viele an. Die heutige
Verbreitung der Muslimbrüder umfasst u.a. Ägypten, Palästina (Hamas), Syrien,
Saudi-Arabien, Sudan und Algerien.
Ein wichtiger Vorreiter des Islamismus wurde auch der Pakistani Saiyid Maududi
(1903-1979), einer der Väter Pakistans. Er sieht in der Politik einen notwendigen
Bestandteil des Glaubens, die fünf Pfeiler des Islam (Glaubensbekenntnis, Gebet,
Almosen, Fasten, Pilgerfahrt nach Mekka) als Vorbereitung für den geistigen
Dschihad. Souveränität und Anbetung kommen nur Allah zu, nicht einem einzelnen
Volk, einer Nation oder Partei; daher dürfe es einen Personenkult wie unter Nasser
u.a. nicht geben.
Im Westen am bekanntesten wurde der Iraner „Ayatollah“ (Ruhollah) Khomeini
(1902-1989), dessen Rückkehr in den schiitischen Iran 1979 die Islamische
Revolution zum Erfolg führte. Die islamistisch geprägte Verfassung stärkte den
Einfluss der Geistlichen und stellte die Gesetzgebung unter rein korantreue
Vorzeichen. Im Strafrecht hält der Iran z. B. an der Steinigung fest. Die USA galten
seitdem wegen der Unterstützung für den gestürzten Schah als Erzfeind. Khomeini
begeisterte die Massen und versprach ihnen eine gerechtere Gesellschaft.
Einen Gegenpol dazu bildete allerdings im muslimischen Lager das gleichfalls
glaubensstrenge und erzkonservative Saudi-Arabien, das in aller Welt die
Ausbreitung des Islam finanziell erheblich unterstützt. Westliche Ausländer leben dort
nur mit starken Einschränkungen ihrer Freiheit. Das Land legt aber Wert auf gute
Beziehungen zu den USA und stillt den Ölbedarf der westlichen Staaten.
2.2.2. Die Bewegung des Islamismus
Der Bewegung des Islamismus liegt daher kein einheitliches Selbstverständnis
zugrunde. Eine breite Unterstützung fand die Bewegung in sozialer Hinsicht
besonders bei der mittellosen städtischen Jugend und beim frommen Mittelstand.
Die Islamische Revolution 1979 verstärkte die Debatten über die künftige
Gesellschaftsform in der gesamten islamischen Welt. Attraktiv schien vielen eine
„heile und gerechte Welt“ auf der Grundlage des Ur-Islams. Dagegen versuchten die
Machthaber, die neue Bewegung möglichst schwach zu halten. Mit Zugeständnissen
auf kulturellem und moralischen Gebiet wollten sie sich Ruhe verschaffen, so
Pakistan 1979 mit der Einführung der Scharia und der Duldung von Koranschulen,
aus denen etliche Taliban hervorgingen.
Eine extreme Form des Islamismus entwickelte sich in der Bewegung des
Dschihadismus. Der Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan 1979 bot besonders
militanten Islamisten die Gelegenheit des aktiven Dschihads in ihrem Sinne. Sie
wurden unterstützt nicht nur von den arabischen Monarchen, die so auch Kritik von
sich ablenkten, sondern ebenso von den USA.
Den Dschihad erhob der palästinensische Muslimbruder Abdallah Azzam (19411989) zur Pflicht eines jeden Muslims, selbst zur Waffe zu greifen, ohne jemandem
Rechenschaft darüber ablegen zu müssen. Dazu sei er erst im Jenseits verpflichtet.
Der Dschihad bleibe eine individuelle Verpflichtung, bis in jedem anderen Land, das
muslimisch war, wieder der Islam regiere. Er sieht zwei Nahziele: „Unsere jetzige
Präsenz in Afghanistan [...] bedeutet nicht, dass wir Palästina vergessen haben.
Palästina ist unser schlagendes Herz, es kommt in unserem Geist, unseren
Gefühlen, unserem Glauben vor Afghanistan." (vgl. M 2)
1989 erreichte die islamistische Bewegung einige Erfolge: Die Hamas begann die
PLO im palästinensischen Gaza zu verdrängen, in Algerien gewann die „Islamische
Heilsfront“ (FIS) die Wahlen, im Sudan errang der Islamist Turabi die Macht. Der
iranische Führer Khomeini rief nach der Niederlage im Krieg mit dem Irak mit einer
Fatwa gegen den in London lebenden Schriftsteller Salman Rushdie wegen dessen
„Lästerungen“ weltweit zum Mord auf.
Der Experte Gilles Kepel sieht an dieser Stelle den Höhepunkt des Islamismus
bereits erreicht, während andere wie Olivier Roys den Wendepunkt noch nicht für
überschritten halten. Der 11. September 2001 war ohne Zweifel ein neuer Gipfel,
doch zeigt sich in den Aufständen der jüngsten Zeit im arabischen Raum, dass die
Faszination des US-feindlichen Islamismus dort abnimmt. Dafür wächst die
Sympathie für westliche Demokratie und Grundrechte.
2.2.3. Radikale islamistische Gruppen
Die Invasion Kuwaits durch Saddam Hussein 1990 zerbrach die Einigkeit im
muslimischen Lager, die bisher die Führungsmacht Saudi-Arabien trotz des Iran
gewahrt hatte. Die radikalen „Dschihadisten“ gerieten nun zunehmend außer
Kontrolle der Regierungen.
Großer und kleiner Dschihad
Nach dem Sieg in Afghanistan 1989 entzogen sich die Anhänger eines Dschihads
gegen alle Ungläubigen weiterer Fremdsteuerung und suchten sich neue Ziele, auch
unter den herrschenden Regimen in muslimischen Ländern. Dschihad bedeutet
eigentlich „Anstrengung“. Jeder Muslim ist zum „großen Dschihad“ aufgerufen, was
zunächst nichts anderes bedeutet als die eigene umfassende Anstrengung, ein guter
Gläubiger zu werden. Der „kleine Dschihad“ meint den davon abgeleiteten Kampf für
den Islam, der auch bewaffnet sein kann, wie er z. B. in der Zeit der islamischen
Landnahme oder der Kreuzzüge notwendig schien. Die „Dschihadisten“ wie Maududi
oder Azzam (vgl. M 2) erheben den kleinen Dschihad aber zum Kern des islamischen
Glaubens, zum sechsten Pfeiler. Der ägyptische Theologe Scheich Omar AbdelRahman steigerte dies sogar zu einer Pflicht zur Waffengewalt bis zum Terror.
„Islamische Gruppe“ (Ägypten)
Seit den 1970ern war die führende radikalislamische Bewegung in Ägypten die
„Islamische Gruppe“ (auch „Islamische Gesellschaft“ = gamaa islamiyya) unter
Karam Zuhdi. Sie genoss den Schutz des blinden Kairoer Gelehrten und Geistlichen
Omar Abdel-Rahman und steuerte das Attentat auf Präsident Sadat 1981. AbdelRahman ist in amerikanischer Haft seit dem ersten Attentat 1993 auf das New Yorker
World Trade Center. Nach dem Attentat in Luxor 1997 wurden Tausende Anhänger
inhaftiert. Ab 2002 spaltete sich die Gruppe in einen Al-Qaida-nahen Teil und einen
Teil, der sich von der Gewalt distanziert hat.
„Islamischer Dschihad“
Unter diesem Namen gibt es mehrere Gruppen. Vielen als „Hizbollah-Miliz“ bekannt
ist die vom Iran unterstützte schiitische Terrorgruppe im Libanon, die vorwiegend
gegen Israel gerichtet ist, aber auch die Schiiten im Libanon stärkt. Eine andere
Organisation bestand zuerst in Ägypten unter dem Arzt Ayman al-Zawahiri. Nach
dem tödlichen Attentat der „Islamischen Gruppe“ auf den ägyptischen Präsidenten
Sadat 1981 kam auch der unbeteiligte Al-Zawahiri im Gefängnis und wurde gefoltert.
1984 freigelassen, ging er nach Pakistan/Afghanistan und rang dort um die Gunst
und das Geld Osama bin Ladens. In Afghanistan stieß er mit seiner Gruppe zu AlQaida, doch blieb sie immer noch auf Ägypten als Gegner konzentriert. 1995 verübte
sie ein Attentat auf Präsident Mubarak in Addis Abeba (Äthiopien). Al-Zawahiri
unterzeichnete 1997 das Manifest „Internationale Front“ (vgl. M 3). Seine wichtige
Schrift „Ritter unter dem Banner des Propheten“ (vgl. M 4) rechtfertigte 2001 den
Anschlag vom 11. September 2001. Er folgte nach dem Tod Osama bin Ladens als
Führer der Al-Qaida.
3.Didaktisch-methodische Überlegungen
Das Thema des modernen Terrorismus gelangt zunehmend in die Lehrpläne des
historisch-politischen Unterrichts. War für die 1970er und 1980er Jahre eher noch der
RAF-Terrorismus für die Bundesrepublik von Bedeutung, der international mit dem
Terror palästinensischer Gruppen eng verknüpft war, so ist in der Gegenwart
vorwiegend der Terrorismus islamistischer Extremisten didaktisch relevant. Das
Attentat des 11. September 2001 steht daher im Mittelpunkt des Films. Es soll dabei
darum gehen, zentrale Phänomene des Terrorismus zu kennen und einige Ursachen
und Motive zu verstehen. Als historisch-politische Handlungskompetenz ergibt sich
daraus, eine begründete Haltung zu den Risiken des modernen Terrorismus
einzunehmen sowie mögliche staatliche Gegenmaßnahmen differenziert zu
beurteilen.
Zwar beginnt der Terrorismus nicht erst im 20. Jahrhundert – im 19. Jh. könnten z.B.
in einem tieferen Längsschnitt die russischen Anarchisten zum historischen Vergleich
herangezogen werden - , doch dürfte sich die Behandlung im Unterricht auf die Zeit
seit 1970 konzentrieren. Sowohl der Geschichts- als auch der Politikunterricht
kommen dafür infrage, sinnvoll ist fachübergreifendes Arbeiten. Zur Motivation der
Heranwachsenden ist anhand aktueller Beispiele deutlich zu machen, dass auch ihr
Leben durch globalen Terror bedroht ist. Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan
und an weiteren Orten im Nahen Osten sollte problematisiert werden, etwa über eine
Diskussion zum Satz des Verteidigungsministers Struck, die Freiheit Deutschlands
sei am Hindukusch zu verteidigen. Für das gesellschaftliche Zusammenleben ist
wichtig, dass pauschale Schuldzuweisungen und Vorurteile verfehlt sind, sondern
genaue Kenntnisse zum Islam und Islamismus notwendig sind. Völlig verkehrt ist es,
ganze Völker oder den Islam an sich pauschal für den Terrorismus verantwortlich zu
machen. Daher ist eine ausreichende Komplexität in der Wahrnehmung
muslimischen politischen und theologischen Denkens in der Gegenwart
unumgänglich. Dem Bedürfnis nach didaktischer Reduktion sollte entsprochen
werden, indem die Fülle der Aktionen auf wenige zentrale Ereignisse und
Schauplätze konzentriert wird. Auch ist die Konzentration auf Osama bin Laden als
Hauptfigur zu empfehlen, da viele Motive und Ursachsen sich in seiner Biografie
widerspiegeln. Der Film entspricht diesem Anliegen.
Unter den Schülerinnen und Schülern ist nicht nur mit Ablehnung Osama bin Ladens
zu rechnen, da manche Heranwachsende, insbesondere mit einem
Migrationshintergrund aus dem Nahen Osten, unter Umständen zu einer
Rechtfertigung seiner Bewegung tendieren bzw. auch Verständnis für Terrorismus
zeigen könnten. Ein diskussions- und ergebnisoffener Unterricht darf aber keine
Billigung von Gewalt stehen lassen. Die Lehrkraft muss das Unrecht terroristischer
Politik und dessen fehlende Legitimation klar herausstellen. Auch sollten die
Menschenrechte als normatives Ziel politischen Handelns auf dem Boden des
deutschen Grundgesetzes klar werden. Damit sind Gegensätze zu vielen politischen
Zielen des Terrorismus zwangsläufig verbunden.
Über den Film als Zugang hinaus lassen sich verschiedene Materialien nutzen. In der
Sekundarstufe I wird es auf einer vordergründigen Ebene zunächst um eine
Rekonstruktion von Ereignisketten sowie vertiefend eine vereinfachte Analyse von
Ursachen und Motiven des Terrorismus gehen. In der Regel wird auch ein
unbestimmbares Vorwissen aus den Medien vorhanden sein, das in den Unterricht
einzubinden ist. Methodisch werden hier einige Arbeitsaufträge und Material
geringen Umfangs (M 1) vorgeschlagen.
In der Sekundarstufe II könnte die Komplexität der Materialien gesteigert werden,
auch sollten genauere Differenzierungen möglich sein, z.B. in den islamistischen
Gruppierungen und regionalen Tendenzen. Der Film selbst enthält bereits einige
zentrale Dokumente zum Terrorismus, die genauer zu analysieren sind. Einige Texte
werden dazu ergänzt (M 2 – M 4). Ein wichtiger Aspekt ist auch die Visualisierung
des Terrors und die Nutzung der modernen Medien. Speziell dazu lassen sich
ausgesuchte Filmszenen auswerten. Nicht zu unterschätzen ist die Nutzung des
Internets durch die Schülerinnen und Schülern mit Informationen in sehr diffuser
Qualität, insbesondere wenn es um Geheimdienste etc. geht. Gerade in diesem Feld
bietet sich eine kritische Medienerziehung an, um die Herkunft von vorgeblichem
Wissen zu hinterfragen.
Für die Beurteilung möglicher Gegenmaßnahmen bedrohter Staaten sollten diese
zunächst vorgestellt und ansatzweise in ihren ambivalenten Wirkungen auf die
Grundrechte deutlich werden, so dass den Schülerinnen und Schülern eine politische
Abwägung ermöglicht wird.
4. Quellen, Literatur und Internetadressen
Quellen
Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, Piper München-Zürich
2006 (französisch 2005)
Fachliteratur
Johannes Dillinger: Terrorismus. Wissen was stimmt, Herder, Freiburg/Br. 2008
Gisbert Gemein/ Hartmut Redmer: Islamischer Fundamentalismus, Aschendorff,
Münster 2005
Gisbert Gemein (Hg.): Kulturkonflikte – Kulturbegegnungen. Juden, Christen und
Muslime in Geschichte und Gegenwart, Bundeszentrale für politische Bildung in
Verbindung mit dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands, Bonn 2011
darin: Gisbert Gemein: Der Dschihad-Begriff im Wandel der Zeit, S. 221 ff
darin: Gisbert Gemein: Muslimische Märtyrer oder Selbstmordattentäter, S. 254 ff
Bruce Hoffmann: Terrorismus. Der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer
Gewalt, erw. Neuauflage, Fischer, Frankfurt/M. 2006
Gilles Kepel: Das Schwarzbuch des Dschihad, Piper, München-Zürich 2002
Guido Steinberg: Das Netzwerk des islamistischen Terrorismus. Der nahe und der
ferne Feind, Beck, München 2005
Guido Steinberg: Im Visier von al-Qaida: Deutschland braucht eine Anti-TerrorStrategie, Körber-Stiftung, Hamburg 2009
Charles Townshend: Terrorismus. Eine kurze Einführung, Reclam, Stuttgart 2005
Didaktische Literatur
Geschichte lernen Nr. 120 (2007) „Kreuzzüge“ mit Beiträgen zu „Kreuzzüge und
moderner Dschihad“, dem amerikanischen „Krieg gegen den Terrorismus“ u.a.m.
Praxis Geschichte 04/2006 „Islamische Welt“ mit Beiträgen zur Scharia, zum
Dschihad u.a.m.
ZDF-Begleitbuch
Guido Knopp, Stefan Brauburger, Peter Arens: Der Heilige Krieg - Mohammed, die
Kreuzritter und der 11. September, 2011 (Bertelsmann)
Internetadressen
www.heiligerkrieg.zdf.de
http://www.1001-idee.eu/
4.Arbeitsaufträge und Materialien
a. Arbeitsaufträge für die Sekundarstufe I
Fragen und Aufgaben zum Film (in Einzel- oder Gruppenarbeit)
• Stellt in chronologischer Reihenfolge die Lebensphasen und Aufenthaltsorte
von Osama bin Laden zusammen. Welche Entwicklung lässt sich erkennen?
• Ermittelt, was im Film über die religiösen Hintergründe Osama bin Ladens und
seiner Anhänger gesagt wird.
• Sammelt – auch mit Hilfe des Internets – Informationen zu den heiligen
Stätten des Islam und zum Wahabismus in Saudi-Arabien.
• Sammelt – auch mit Hilfe des Internets – Informationen zu den Muslimbrüdern.
• Schreibe eine kurze Geschichte des Afghanistan-Konflikts von 1979 bis heute.
• Begründet, warum radikale Muslime wie Osama bin Laden sich für den
Terrorismus und tödliche Anschläge entschieden haben.
• Haltet fest, was der Film über die Motive eines Selbstmordattentäters (z. B. am
11.9.2011) aussagt.
• Erklärt, was im Film zum sog. Dschihad oder „heiligen Krieg“ ausgesagt wird.
• Untersucht im Film, welches Bild radikale Muslime von den Vereinigten
Staaten haben. Was verbindet ihr mit dem Begriff „Kreuzzügler“?
• Die Zwillingstürme des World Trade Center in New York waren zweimal das
Ziel von Anschlägen der Al-Qaida (1993, 2001). Begründet die Wahl dieses
Objekts.
• Analysiert, welche Rolle der Staat Israel im islamischen Terrorismus spielt.
Was genau meint das Wort „Zionisten“?
• Erörtert, welche Gegenmaßnahmen gegen den Terrorismus möglich und
sinnvoll sind. Unterscheidet nach globalen und lokalen Maßnahmen.
• Beurteilt, in welchem Maße der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus
bisher erfolgreich gewesen ist.
• Diskutiert, ob ihr die Gefahr seht, dass durch den Terrorismus alle Muslime
oder alle Araber in Deutschland ein schlechteres Ansehen haben.
M 1 Osama bin Laden im Fernsehinterview
Interview mit Osama bin Laden von Peter Arnett vom US-Nachrichtenkanal CNN,
ausgestrahlt am 12. Mai 1997
Herr Bin Laden, können Sie uns sagen, was die Hauptpunkte Ihrer Kritik an der
saudischen Königsfamilie sind?
Unsere Kritik an dem Regime, das in Saudi-Arabien an der Macht ist, und an den
Regimen auf der Arabischen Halbinsel allgemein hängt mit ihrer Unterwerfung unter
die Vereinigten Staaten und ihrem Bündnis mit den Vereinigten Staaten zusammen,
und unser Hauptproblem mit den Vereinigten Staaten ist, dass sie das saudische
Regime als einen Lakaien betrachten. Mit der Unterwerfung des saudischen
Regimes unter die Vereinigten Staaten und seiner Allianz mit ihnen wurde eine große
Sünde gegen den Islam begangen, denn die Regierung der Menschen hat die
Regierung Gottes ersetzt, wohingegen man doch einzig und allein nach dem
geoffenbarten Gesetz regieren darf. Ganz zu schweigen von den anderen Sünden,
die das Regime begangen hat, wenn es das Gesetz Gottes verletzt und auf diese
Weise alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche des Staates verdirbt. [...]
Haben Agenten des saudischen Geheimdienstes versucht, Sie zu beseitigen?
[...] Auf dem Weg zu Gott zu sterben ist eine Ehre, die alle Kämpfer aus meiner
Gemeinschaft wollen; wir lieben den Tod auf dem Weg zu Gott genauso, wie ihr das
Leben liebt, wir fürchten nichts, wir hoffen auf einen solchen Tod …
Wenn Sie Gelegenheit hätten, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten eine
Botschaft zukommen zu lassen, was würden Sie ihm sagen ?
Wenn der amerikanische Präsident erwähnt wird oder die Regierung, weckt das bei
mir Ärger, Abscheu und Empörung, denn für uns verbinden sich damit die Bilder von
zehnjährigen Kindern, denen der Kopf abgeschlagen wurde, und von Kindern im Irak,
denen Gliedmaßen fehlen, und von Waffen in israelischen Händen, die unsere
Kinder töten. Deshalb verabscheuen die Muslime die Vereinigten Staaten und den
amerikanischen Präsidenten, dessen Herz gegen solche Bilder verhärtet ist. [...] Und
unser Volk auf der Arabischen Halbinsel wird ihm eine Botschaft schicken ohne
Worte, denn Worte versteht er nichts. Aber wenn ich durch Ihre Vermittlung eine
Botschaft schicken sollte, wäre das eine Botschaft an die Mütter der amerikanischen
Soldaten, die aus freien Stücken gekommen sind und in Uniform auf unserem Boden
schreiten, während die Ulema [die Religionsführer] dieser Nation im Gefängnis
sitzen. Ich betrachte das als eine Provokation für die 1,25 Milliarden Muslime auf der
ganzen Welt, und ich sage diesen Müttern, wenn ihre Söhne ihnen etwas bedeuten,
sollen sie aufstehen und sich der amerikanischen Politik und dem amerikanischen
Präsidenten widersetzen. Sie dürfen sich nicht täuschen lassen, wenn er vor den
sterblichen Überresten der gefallenen Soldaten salutiert und dabei die Verteidiger
der Freiheit in Saudi-Arabien beschuldigt, Terroristen zu sein. Sie müssen zu ihm
sagen, dass er der Terrorist ist und ihren Söhnen dieses Schicksal bereitet hat, um
die israelischen Interessen zu verteidigen. Denn wir wissen ganz genau, dass die
amerikanische Armee nach Saudi-Arabien gekommen ist, um die Muslime und das
Volk zu spalten, damit nicht nach dem Gesetz Gottes regiert werde, und auch um die
israelischen Streitkräfte im besetzten Palästina zu unterstützen ...
Quelle: Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, S. 80-82, ©
der deutschen Übersetzung: Piper Verlag München 2006
Aufgaben
1. Ermittle, warum US-Truppen 1991 in Saudi-Arabien stationiert worden sind.
2. Stellt die Vorwürfe Osama bin Ladens an die USA zusammen. Wie steht ihr
dazu?
3. Analysiere, wie Osama bin Laden den Tod der Opfer bei Terroranschlägen
rechtfertigt.
4. Diskutiert, wieso Osama bin Laden einem US-Sender ein Interview gibt.
b. Arbeitsaufträge für die Sekundarstufe II
Fragen und Aufgaben zum Film (in Einzel- oder Gruppenarbeit)
• Schreiben Sie eine kleine Biografie Osama bin Ladens.
• Erörtern Sie mögliche Folgen seiner Erschießung 2011 für die islamistische
Terrorbewegung.
• Halten Sie ideologische Einflüsse aus verschiedenen Richtungen auf Osama
bin Laden fest, die sein Weltbild geprägt haben.
• Erklären Sie, worin sich Sunniten und Schiiten im Islam unterscheiden. In
welchen Ländern gibt es mehr Schiiten? Welche politischen Folgen hat das?
• Unterscheiden Sie die Epoche des muslimischen Nationalismus vom
Islamismus.
• Erörtern Sie: Stellen Terroristen für Weltmächte wie die USA eine ernsthafte
Bedrohung dar?
• Stellen Sie die Maßnahmen verschiedener Staaten (USA, Deutschland, Israel
...) gegen die terroristische Gefahr zusammen (Recherche auch mithilfe des
Internets) und setzen Sie sich mit den Folgen für die Gesellschaft
auseinander.
M 2 Abdullah Azzam – „Die Verteidigung der muslimischen Gebiete ist die
oberste Pflicht des Einzelnen“
Der palästinensische Geistliche und Professor an der Universität von Dschidda
Abdullah Azzam (1941-1989) legt in seiner Schrift die Gründe für die Pflicht zum
Dschihad dar. Mit Dschihad meint er den bewaffneten Krieg. Osama bin Laden
gehörte zu seinen Hörern.
Es gibt zwei verschiedene Arten des Dschihads gegen die Ungläubigen:
- den offensiven Dschihad, also der Angriff auf die Ungläubigen in ihren Ländern.
Wenn die Ungläubigen nicht gegen die Muslime in den Kampf ziehen, ist der
Dschihad eine kollektive Pflicht, und das mindeste, was man tun kann, besteht darin,
die Grenzen der islamischen Welt zu bewachen, und, um die Feinde Gottes
abzuschrecken, mindestens einmal jährlich eine Streitmacht zu entsenden. Der
Imam soll ein- oder zweimal jährlich eine Streitmacht in das Kriegsgebiet entsenden,
und das Volk soll ihn dabei unterstützen, und wenn es dies nicht tut, ist es in Sünde
...
- den defensiven Dschihad, also die Vertreibung der Ungläubigen aus unseren
Ländern. Er ist eine höchstpersönliche Verpflichtung und in folgenden Fällen sogar
die wichtigste persönliche Pflicht:
a) wenn Ungläubige in ein muslimisches Gebiet einfallen,
b) wenn die beiden Armeen aufeinandertreffen und es zu Kampfhandlungen
zwischen ihnen kommt,
c) wenn de Imam einzelne oder eine Gruppe zu den Waffen ruft, müssen sie sich
zusammenschließen, um gemeinsam zu kämpfen,
d) wenn die Ungläubigen Muslime gefangen nehmen…
[…]
Wir müssen unsere Anstrengungen auf Afghanistan und Palästina konzentrieren,
denn dies sind die zentralen Fragen, weil die feindliche Besatzungsmacht dort
äußerst gefährlich ist und sich in der gesamten Region ausbreiten möchte […]
Jeder Araber, der die Pflicht zum Dschihad in Palästina erfüllen möchte, kann dort
beginnen, wer dies aber nicht kann, soll nach Afghanistan gehen. Was die anderen
Muslime anlangt, so bin ich der Ansicht, dass sie ihren Dschihad in Afghanistan
beginnen müssen. Nicht weil Afghanistan wichtiger wäre als Palästina, denn
Palästina ist die heilige Sache des Islam, das Herz der islamischen Welt und eine
gesegnete Erde, aber mehrere Gründe sprechen dafür, in Afghanistan anzufangen.
Quelle: Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, S. 179-180, ©
der deutschen Übersetzung: Piper Verlag München 2006
Aufgaben
1. Klären Sie die Rolle, die Palästina und Afghanistan im Denken Azzams
spielen.
2. Geben Sie die Begründung Azzams für die Pflicht zum Dschihad wieder und
nehmen Sie dazu Stellung.
3. Schätzen Sie ein, wie die Aussagen des Textes zur politischen Rolle des
Islam in der gegenwärtigen Welt passen.
M 3 „Erklärung der Internationalen Islamischen Front für den Dschihad gegen
die Juden und Kreuzfahrer“
Manifest vom 23. Februar 1998, unterzeichnet durch ein Bündnis von kleinen
islamistischen Terrorgruppen unter der Führung von Osama bin Laden
Seit mehr als sieben Jahren besetzt Amerika das heiligste der muslimischen Gebiete
(die Arabische Halbinsel), plündert seine Reichtümer, erteilt seinen Regierungen
Befehle, demütigt seine Bewohner, versetzt seine Nachbarn in Angst und macht
seine Stützpunkte zu Speerspitzen im Kampf gegen benachbarte muslimische
Völker.
Trotz der gewaltigen Zerstörungen, die das irakische Volk durch die Koalition der
Juden und Kreuzfahrer erlitten hat, und trotz der riesigen Zahl von Opfern, die an
eine Million heranreicht, trotz all dem versuchen die Amerikaner immer noch, diese
schrecklichen Massaker zu wiederholen.
Soweit die Kriegsziele der Amerikaner religiös und wirtschaftlich sind, nützen sie
auch dem kleinen Staat der Juden und der Besetzung Jerusalems, ganz zu
schweigen von den Morden an Muslimen.
All diese Ereignisse und Verbrechen sind Teil einer Kriegserklärung der Amerikaner
an Gott und Seinen Propheten …
Die Amerikaner und ihre Verbündeten zu töten, ob Zivilisten oder Soldaten, ist eine
Pflicht für jeden Muslim, der es tun kann, in jedem Land, wo er sich befindet, bis die
al-Aqsa-Moschee in Jerusalem und die große Moschee in Mekka von ihnen befreit
sind…
Osama bin Laden, Anführer der Organisation Al-Qaida
Ayman al-Zawahiri, Anführer der ägyptischen Organisation Al-Dschihad
und 4 weitere Namen
Quelle: Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, S. 86-89, © der
deutschen Übersetzung: Piper Verlag München 2006
Aufgaben
1. Erklären Sie den Titel der Erklärung.
2. Erarbeiten Sie das Bild Amerikas, das der Text zeichnet.
3. Begründen Sie den Tötungsaufruf der Erklärung. Führen Sie dazu Hintergründe
aus.
4. Durch die terroristischen Attentate sterben auch viele Muslime. Welche
Rechtfertigung könnte es dafür in der Denkweise von Terroristen geben?
M 4 Ayman Al-Zawahiri – „Ritter unter dem Banner des Propheten“
Auszug aus einer Artikelserie des Vizechefs der Al-Qaida ab 2. Dezember 2001 in der
panarabischen Tageszeitung Al-Sharq al-Awsat
Die dem Islam feindlich gesinnten westlichen Kräfte haben klar ihren Gegner
ausgemacht, den sie den islamischen Fundamentalismus nennen. Sogar ihr einstiger
Gegner Russland ist ihrer Koalition beigetreten. Um den Islam zu bekämpfen, haben sie
sich diverser Instrumente bedient: der UNO, der dienstbaren Regierungen der
muslimischen Völker, der multinationalen Konzerne, der internationalen
Kommunikationssysteme, der internationalen Nachrichtenagenturen und
Satellitensender sowie der Nichtregierungsorganisationen, die dazu benutzt werden, um
Spionage zu betreiben, Komplotte zu schmieden, missionarisch tätig zu werden und
Waffen zu schmuggeln.
Gegenüber dieser Koalition hat sich eine fundamentalistische Allianz gebildet,
bestehend aus den Dschihad-Bewegungen verschiedener muslimischer Länder und
Staaten, die durch den Dschihad befreit wurden, so Afghanistan und Tschetschenien.
Auch wenn diese Allianz erst am Anfang steht, so zeigt sie ein rapides und
bedeutendes Wachstum. Ihre Größe muss nicht mehr bewiesen werden. Ihre Aktionen
sprechen für sich selbst. Sie flößt dem Westen eine Angst ein, die sein Denken
beherrscht, ihn beunruhigt und ihn in Atem hält.
Denn eine wachsende Streitmacht versammelt sich unter dem Banner des Dschihads
gegen das Gesetz der neuen Weltordnung. Frei von jeder Knechtschaft gegenüber dem
herrschenden westlichen Imperialismus, birgt sie die Verheißung, den neuen Kreuzzug
gegen die Gebiete des Islam vernichtend zu schlagen. Sie dürstet danach, an den
Anführern der Bande der internationalen Gottlosigkeit (den USA, Russland, und Israel)
Rache zu nehmen, und sie brennt darauf, das Blut der Märtyrer, die Verzweiflung der
Mütter, das Elend der Waisen, die Leiden der Gefangenen ... auf dem gesamten Gebiet
der Muslime von Ostturkestan bis nach Andalusien zu rächen.
Heute wohnen wir einem Phänomen bei, das neu, aber beständig und im Auftrieb
begriffen ist, dem Phänomen der jungen muslimischen Kämpfer, die ihrer Familie und
ihrer Heimat den Rücken kehren, auf das Geld pfeifen und auf ihre Studien und ihre
Arbeit verzichten, um auf die Schlachtfelder des Heiligen Krieges zu ziehen. Mit dem
lang ersehnten Auftauchen dieser neuen Art Muslime entwickelt sich unter allen Söhnen
des Islam, die bestrebt sind, ihm den Sieg zu sichern, ein neues Bewusstsein, das sich
folgendermaßen zusammenfassen lässt: Es gibt keine andere Lösung als den
Dschihad.
Was zur Entwicklung dieses Bewusstseins beigetragen hat, ist das Scheitern sämtlicher
anderer Mittel, die einen Ausweg aus der schweren Bürde des Dschihads hätten sein
sollen. Dazu stellen die algerischen Erfahrungen eine bittere Lektion dar: Sie haben den
Muslimen vor Augen geführt, dass der Westen nicht nur gottlos, sondern auch verlogen
und heuchlerisch ist, denn die Prinzipien [der Demokratie mit Wahlen], mit denen er sich
aufplustert, sind nur für ihn gut. Die muslimischen Völker profitieren von ihnen nur
gerade so wie der Sklave, der von der Mahlzeit seines Herrn die Brosamen aufpickt.
Quelle: Gilles Kepel / Jean-Pierre Milelli: Al-Qaida. Texte des Terrors, S. 353-354, © der
deutschen Übersetzung: Piper Verlag München 2006
Aufgaben
1. Analysieren Sie den Artikel auf seine Absichten.
2. Stellen Sie die beiden Lager gegenüber, von denen der Autor spricht.
3. Vermuten Sie, warum Al-Zawahiri sich im Text über die jungen Muslime äußert.
4. Nehmen Sie Stellung zu den geäußerten Gründen für Terrorismus.
Autor der didaktischen Materialien: Ulrich Bongertmann
www.zdf.de (2011)
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