"topfit" 9/2003: Wenn die Schulter schmerzt

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01.09.2003
14:04 Uhr
Seite 10
Medizin
Neue Behandlungsmethoden
bei Schulterproblemen
Wenn die
Schulter schmerzt …
Wenn das Aufhängen der Wäsche oder das Ergreifen einer
Kaffeetasse heftige Schmerzen in der Schulter auslösen, wird
es höchste Zeit, einen Orthopäden aufzusuchen, der sich auf
Schulterkrankungen spezialisiert hat. Denn je länger man die
Behandlung aufschiebt, desto größer ist die Gefahr, dass es
zu irreparablen Schäden kommt.
TOPFIT sprach mit den Orthopäden Dr. med. Christian Jessel
und Rüdiger Neitzel über die häufigsten Ursachen für Schulterbeschwerden und darüber, wie man sie am besten behandelt.
Von Dr. Nicole Schaenzler
Herr Neitzel, immer wieder hört man
von passionierten Tennisspielern, die
von Schulterproblemen geplagt werden. Woran liegt das?
Herr Neitzel: Tennis gehört wie Badminton, Volleyball oder Basketball zu den
Überkopfsportarten, d. h., das Schultergelenk und die es umgebenen Muskeln
und Sehnen sind bei diesen Sportarten
einer besonderen Belastung ausgesetzt.
Dies gilt übrigens auch für ÜberkopfTätigkeiten in Alltagssituationen oder im
Beruf: Immer ist die Schulter entscheidend beteiligt. Langfristig kann eine solche Dauerbelastung zu charakteristischen Schmerzsituationen an der Schulter führen. So kann es zu einem Einriss
oder Abriss der Rotatorenmanschette
kommen; derartige Verletzungen sind
gerade im Tennissport häufig. Oder es
entwickelt sich eine chronische Sehnenund/oder Schleimbeutelreizung. Durch
die Sehnenschwellung wird der Raum
zwischen Oberarmkopf und Schulterdach eingeengt, und es entsteht ein Engpasssyndrom (ein Subacrominales Impingement-Syndrom). Dazu muss man
wissen, dass der Sehnengleitraum unter
dem Schulterdach sehr eng ist; deshalb
reagiert die dort verlaufende Supraspinatussehne — die oberste Sehne der Rotatorenmanschette — besonders sensibel auf chronische Überbeanspruchung.
Im Übrigen können auch knöcherne Veränderungen im Schultergelenk oder
Kalkdepots zur Einklemmung der Sehne
führen. Typisch für eine krankhafte Veränderung im Bereich des Schulterdachs
sind starke Schmerzen, die vor allem
auftreten, wenn der Arm abgespreizt
wird. Bei fortschreitender Sehnendegeneration haben die Betroffenen auch im
Ruhezustand Schmerzen: Sie können
nicht mehr schlafen, weil sie in keiner Position schmerzfrei liegen können.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt
es bei Rotatorenmanschettenverletzungen bzw. bei einem chronischen
Impingement-Syndrom?
Herr Dr. Jessel: Zunächst versuchen wir
in der Regel, die Beschwerden mit Krankengymnastik und einer lokalen Infiltrationstherapie zu lindern. Infiltrationstherapie bedeutet, dass wir über
einen bestimmten Zeitraum schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente in den Raum zwischen Rotatorenmanschette und Schulterdach
spritzen. Dadurch werden Entzündung
und Schmerzen zielgenau bekämpft, und
die Schwellung der betroffenen Sehne
nimmt ab, so dass es zur notwendigen
räumlichen Entlastung kommt. Vor allem
wenn das Impingement noch nicht so
stark ausgeprägt ist, kann eine Infiltrationsbehandlung hilfreich sein. Im fortgeschrittenen Stadium ist meist eine
Arthroskopie des Schultergelenks notwendig, um den Raum zu erweitern und
damit zu erreichen, dass die Sehne wieder normal verlaufen kann.
Ist die Arthroskopie mit einer offenen
Operation vergleichbar?
Herr Neitzel: Nein, die Arthroskopie ist
vielmer eine schonende Alternative zur
offenen Operation. Sie gehört zu den minimal-invasiven Verfahren und ist deshalb entsprechend weniger belastend;
sie kann ambulant oder bei einem kurzen
stationären Aufenthalt durchgeführt
werden. Da nur kleine Hautschnitte notwendig sind, ist die Zerstörung des Gewebes und damit auch der postoperative
Schmerz ungleich geringer. Außerdem
ist die Rehabilitationszeit wesentlich
kürzer, und das Gelenk kann oft schon
wenige Tage nach dem Eingriff wieder
belastet werden.
Und wie wird eine Arthroskopie
durchgeführt?
Herr Dr. Jessel: Durch einen kleinen
Einschnitt wird eine Sonde in den Innenraum des Schultergelenks eingeführt;
eine mit der Sonde verbundene Mikrokamera überträgt die Bilder aus dem Gelenk auf einen Farbmonitor. Die Bilder erlauben eine detaillierte Begutachtung,
und es können sofort die adäquaten therapeutischen Maßnahmen eingeleitet
werden. Hierfür stehen spezielle Mikroinstrumente zur Verfügung, mit denen
krankhafte Strukturen am Schultergelenk chirurgisch behandelt werden. Diagnose und Therapie können also in
einem Schritt durchgeführt werden.
Wann führen Sie eine Arthroskopie
durch?
Herr Neitzel: Das Behandlungsspektrum einer Arthroskopie des Schultergelenks ist breit gefächert. Ob es darum
geht, ein Impingement zu beseitigen,
entzündliche Veränderungen der Gelenkkapsel zu behandeln, Kalkablagerungen zu entfernen oder darum, eine
fortgeschrittene Schultergelenksarthrose oder Schultersteife zu behandeln —
letztlich ist eine Arthroskopie des Schultergelenks immer dann angezeigt, wenn
konservative Behandlungsmaßnahmen
nicht den gewünschten Erfolg gebracht
haben. Ebenso bietet sich bei wiederholten Schulterverrenkungen (Luxationen)
eine arthroskopische Stabilisierung
durch eine Raffung oder Fixierung der
ausgeleiertenPfannenlippe(Labrum)an.
Stichwort »Kalkablagerung«. Was ist
unter einer Kalkschulter zu verstehen, und wie kann man sie behandeln?
Herr Dr. Jessel: Bei einer Kalkschulter
lagern sich — meist im Weichteilgewebe —
im Ansatzbereich der Rotationsmanschette Kalkansammlungen ab. Auch
dies kann eine schmerzhafte Einklemmung der betroffenen Sehne zur Folge
haben. Je nachdem, welche Konsistenz
der Kalk hat, können solche Kalkdepots
auch aufplatzen. Dann ergießt sich der
Inhalt in das benachbarte Gewebe und
löst eine Entzündungsreaktion aus, die
heftige Schmerzen verursacht und sofort behandelt werden muss. Kalkeinlagerungen können sehr gut mittels Laser
oder Stoßwellen behandelt werden. Beiden Therapien ist gemeinsam, dass sie
auf sanfte, risikoarme, aber sehr effektive Weise eine nachhaltige Schmerzlinderung erreichen können. Dies geschieht,
in dem sie im Kalkzentrum eine Aktivierung von Zellen und Gewebe bewirken
und die Selbstheilungsmechanismen anregen. Die Kalkdepots können abgebaut
werden, Entzündungsprozesse klingen
ab, und das Gewebe kann sich regenerieren. Zudem haben wir auch bei anderen
chronisch-entzündlichen Prozessen im
Bereich des Schultergelenks mit der
Laser- bzw. der Stoßwellentherapie sehr
gute Erfahrungen gemacht.
ZUR PERSON
Dr. med. Christian Jessel (rechts) ist Facharzt
für Orthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie; außerdem ist er Unfallarzt der Berufsgenossenschaft. Rüdiger Neitzel (links) ist ehemaliger Handballnationalspieler und Silbermedaillengewinner bei der Olympiade in Los Angeles; auch er absolvierte seine Facharztausbildung in Orthopädie und Sportmedizin. Bevor er zusammen mit Dr. Jessel Ende
1999 die orthopädische Praxisgemeinschaft der Ärzteklinik am München Airport Center (MAC) gründete, war Rüdiger Neitzel leitender Oberarzt am Klinikum Landshut.
Gelenkarthroskopien und ambulante Eingriffe (auch für gesetzlich Versicherte) sowie
Operationen mit einem kurzen stationären Aufenthalt führen die beiden Orthopäden
in der AirportClinic M am Münchner Flughafen durch.
Weitere Infos unter: www. airport-klinik.de oder www.airportclinic-m.de
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