Freitag 14.11.2008

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Mathematik für Ingenieure I, WS 2008/2009
Freitag 14.11
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I. Grundlagen
§3
Mengen und Abbildungen
3.4
Vollständige Induktion und endliche Mengen
Wir wollen noch ein zweites, eher informelles, Argument für die Formel A(n) = n!
angeben. Wir denken uns unsere zu ordnenden n Objekte gegeben, und wollen diese
in n bereitstehende Schubladen einräumen. Die Reihenfolge in der die Objekte in den
verschiedenen Schubladen landen entspricht dann einer Anordnung der Objekte.
.....
.....
Für die erste Kugel stehen n freie Schubladen zur Verfügung, und wir haben damit
n Möglichkeiten diese Kugel einzuordnen. Bei der Einordnung der zweiten Kugel ist
bereits eine Schublade belegt, wir haben also nur noch n − 1 freie Schubladen und
somit n − 1 Möglichkeiten diese Kugel einzuordnen. So fortfahrend gibt es für die
dritte Kugel n − 2 Möglichkeiten, und so weiter bis zur letzten Kugel, die nur noch
eine freie Schublade vorfindet, also auch nur eine einzige Möglichkeit hat eingeordnet
zu werden. Insgesamt haben wir damit
n · (n − 1) · . . . · 1 = n!
Möglichkeiten der Anordnung unserer n Objekte. Beachte das dies in Wahrheit nur
eine andere Formulierung unserer vorherigen Argumentation ist. Nach Einordnung der
ersten Kugel haben wir dieselbe Situation nur für n − 1 statt n Kugeln vor uns, d.h. in
unserer obigen Notation haben wir wieder die rekursive Beziehung A(n) = n · A(n − 1)
eingesehen. Die anderen beiden Anzahlformeln, die wir nun noch herleiten wollen, werden wir nur im Stil der eben vorgestellten zweiten Argumentation vorführen. Bei Bedarf
könnten wir diese Begründungen jederzeit in ein entsprechendes Induktionsargument
überführen, aber für unsere Zwecke reicht es, ein solches Argument gesehen zu haben.
Wir wollen nun die Anzahl der Teilmengen einer n-elementigen Menge M berechnen.
Jede dieser Teilmengen besteht dann aus gewissen der Elemente von M , kann also
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dadurch beschrieben werden, dass wir für jedes Element x von M sagen ob es zur
Teilmenge gehört oder nicht. Um eine der Teilmengen von M beschreiben, haben wir
also für jedes der n Elemente von M zu entscheiden, ob wir es zur Teilmenge gehören
lassen oder nicht. Für jedes der n Elemente von M gibt es also zwei Möglichkeiten,
und insgesamt haben wir damit
2| · 2 ·{z. . . · 2} = 2n
n mal
Möglichkeiten eine Teilmenge von M auszuwählen. Die Zahl der Teilmengen einer nelementigen Menge ist also 2n . Wie bereits bemerkt ist es auch leicht möglich, dieses
Argument in einen Induktionsbeweis umzuschreiben. Dies können wir zum Beispiel
machen indem wir die Teilmengen von M in zwei Gruppen einteilen, die einen enthalten
ein fixiertes Element x von M und die anderen nicht. Es ist durchaus lohnend, einen
solchen Induktionsbeweis als eine kleine Übung einmal selbst zu formulieren.
Wir wollen uns noch eine weitere solche Anzahlformel überlegen. Diesmal wollen
wir die Anzahl aller k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Mengen bestimmen.
Da eine Teilmenge einer n-elementigen Menge selbst höchstens n Elemente haben kann,
können wir uns auf den Fall 0 ≤ k ≤ n beschränken. Seien also n ∈ N und 0 ≤ k ≤ n
gegeben. Wir orientieren uns in unserer Argumentation nun an der Diskussion zur
Bestimmung der Anordnungen von n Elementen. Um eine k-elementige Teilmenge einer
n-elementigen Menge M zu wählen, können wir der Reihe nach k verschiedene Elemente
aus M herauspicken. Für das erste Element können wir dabei jedes beliebige Element
von M verwenden, haben also n Möglichkeiten. Wählen wir dann ein zweites Element,
so dürfen wir das bereits gewählte erste Element nicht noch einmal nehmen, haben
also nur noch n − 1 Möglichkeiten zur Wahl des zweiten Elements unserer Teilmenge.
So fortfahrend gibt es dann n − 2 mögliche Wahlen für das dritte Element, bis wir
letztlich zum k-ten Element kommen, für das es noch n − k + 1 Möglichkeiten gibt.
Letztere Formel läßt sich am einfachsten einsehen, wenn wir uns klarmachen, dass es
n = n − 1 + 1 Möglichkeiten für das erste Element, n − 1 = n − 2 + 1 Möglichkeiten
für das zweite Element, n − 2 = n − 3 + 1 Möglichkeiten für das dritte Element, also
allgemein n − i + 1 Möglichkeiten für das i-te Element gibt.
Damit haben wir insgesamt n·(n−1)·. . .·(n−k+1) Möglichkeiten, aber dies ist noch
nicht unser Endergebnis. Die eben berechnete Zahl ist ja nur die Anzahl aller Listen
aus k verschiedenen Elementen von M . Jede solche Liste liefert uns eine der gesuchten
k-elementigen Teilmengen, nämlich diejenige dere Elemente gerade die Einträge unserer
Liste sind, aber auf diese Art wird jede k-elementige Teilmenge mehrfach gezählt. Eine
gegebene k-elementige Menge kann man ja auf verschiedene Arten durch Auflisten
ihrer k Elemente hinschreiben, nämlich auf soviele Arten wie es Anordnungen ihrer
k Elemente gibt. Diese Zahl haben wir aber bereits als k! berechnet. Als Anzahl der
k-elementigen Teilmengen der n-elementigen Menge M ergibt sich damit
n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1)
n · (n − 1) · . . . · 1
n!
=
=
.
k!
k! · (n − k) · . . . · 1
k!(n − k)!
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Diesen Quotienten
n
n!
:=
k
k!(n − k)!
bezeichnet man als den Binomialkoeffizienten n über k“. Zusammenfassend haben wir
”
damit die folgenden Anzahlformeln eingesehen:
Beschreibung
Anordnungen von n Objekten
Teilmengen einer n-elementigen Menge
k-elementige Teilmengen einer n-elementigen Menge
Anzahl
n!
2n
n
k
Zum Abschluß dieses Abschnitts wollen wir die Binomialkoeffizienten noch etwas näher
untersuchen, und insbesondere erklären woher sie ihren Namen haben. In unserer obigen
Überlegung hatten wir immer n ∈ N also insbesondere
n ≥ 1 angenommen, aber
unsere obige Definition ergibt wegen 0! = 1 auch 00 = 1. Für jedes n ∈ N hat eine nelementige Menge M genau eine nullelementige und genau eine n-elementige Teilmenge,
nämlich ∅ beziehungsweise M , also haben wir
n
n
=
=1
0
n
was natürlich auch mit der definierenden Formel klar ist. Weiter hat M auch genau n
einelementige Teilmengen, nämlich die Mengen {x} mit x ∈ M , d.h. wir haben
n
= n.
1
Die Binomialkoeffizienten sind auch symmetrisch in k, d.h. es gilt die Gleichung
n
n
=
k
n−k
für alle 0 ≤ k ≤ n. Auch dies ist wegen n − (n − k) = k direkt aus unserer Formel
klar. Alternativ können wir dies auch dadurch begründen, dass die k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Mengen über Komplementbildung den (n−k)-elementigen
Teilmengen entsprechen. Insbesondere ist damit übrigens:
n
n
=
= n.
n−1
1
Es gibt noch eine weitere einfache Beziehung zwischen den Binomialkoeffizienten, das
Pascalsche Dreieck. Um diese Formel herzuleiten betrachten wir eine natürliche Zahl
n ∈ N sowie ein 0 ≤ k < n. Weiter sei M die Menge der (k +1)-elementigen Teilmengen
der (n + 1)-elementigen Menge {1, . . . , n + 1}. Dann wissen wir bereits
n+1
|M | =
.
k+1
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Wir können die Menge als die disjunkte Vereinigung M = A∪B der beiden Teilmengen
A := {N ∈ M |n + 1 ∈ M }, B := {N ∈ M |n + 1 ∈
/ M}
schreiben, und somit wird |M | = |A| + |B|. Wir wollen nun die Elementanzahlen |A|
und |B| bestimmen. Wir beginnen dabei mit dem einfacheren |B|. Die Menge B ist ja
die Menge aller (k + 1)-elementigen Teilmengen N ⊆ {1, . . . , n + 1} mit n + 1 ∈
/ N , und
dies sind genau die (k+1)-elementigen Teilmengen der n-elementigen Menge {1, . . . , n},
also insbesondere
n
|B| =
.
k+1
Die Elemente von A sind dagegen diejenigen (k + 1)-elementigen Teilmengen N ⊆
{1, . . . , n+1} mit n+1 ∈ N , und diese können wir in der Form N = N 0 ∪{n+1} schreiben, wobei N 0 die k-elementigen Teilmengen von {1, . . . , n} durchläuft. Insbesondere
hat A genauso viele Elemente wie es Mengen N 0 gibt, d.h. soviele wie es k-elementige
Teilmengen von {1, . . . , n} gibt, und von letzterer Zahl wissen wir, dass sie gleich
n
|A| =
k
ist. Insgesamt haben wir somit
n+1
n
n
= |M | = |A| + |B| =
+
.
k+1
k
k+1
Auch diese Formel könnte man natürlich leicht durch eine direkte Rechnung herleiten,
aber hierdurch würde sie als eine rechnerische Zufälligkeit erscheinen, während die hier
gegebene Ableitung uns eine inhaltliche Begründung der Formel gibt. Um mit dieser
Formel das Pascalsche Dreieck zu konstruieren, denken wir uns die Binomalkoeffizienten
zu festen n zeilenweise angeordnet:
0
0
.
& 1
1
0
1
& .
& .
2
2
2
0
1
2
& .
& .
& .
3
3
3
3
0
1
2
3
Unsere Formel können wir dann folgendermaßen interpretieren: Der k-te Binomialkoeffizient in Zeile n ergibt sich als die Summe des (k − 1)-ten und des k-ten Binomialkoeffizienten in der darüberliegenden (n − 1)-ten Zeile, d.h. als die Summe der beiden
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links und rechts über im stehenden Binomialkoeffizienten. Auf diese Weise können die
Binomialkoeffizienten rekursiv berechnet werden ohne das es nötig ist, die verschiedenen Fakultäten auszurechnen. Für die kleinen Werte n = 1, 2, 3, 4, 5, 6 erhalten wir die
folgenden Binomialkoeffizienten:
1
1
1
1
1
1
1
2
3
4
5
6
1
3
1
6
10
15
1
4
10
20
1
5
15
1
6
1
Einer der wesentlichen Zusammenhänge in denen die Binomialkoeffizienten eine Rolle
spielen ist die sogenannte binomische Formel, dies ist eine Verallgemeinerung der Ihnen
aus der Schule bekannten binomischen Formel (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 für Quadrate.
Die allgemeine binomische Formel handelt von n-ten Potenzen einer Summe a + b. Um
die Formel auszusprechen ist es sinnvoll zuvor eine kleine Notation einzuführen. Sind
a1 , . . . , an reelle Zahlen,
so schreiben wir die Summe a1 + · · · + an mit dem sogenannten
P
Summenzeichen
als
n
X
ak := a1 + · · · an .
k=1
Der Index kPhat hier eine
P rein formale
P Bedeutung, man kann auch jedes andere Symbol
verwenden nk=1 ak = ni=1 ai = nj=1 aj und so weiter. Ebenso
man die SummaPkann
n
tion
P2n auch über andere Indexbereiche erstrecken, zum Beispiel k=0 ak = a0 + · · · + an ,
k=2 ak = a2 + a3 + · · · + a2n und so weiter. Die binomische Formel besagt nun, dass
für alle natürlichen Zahlen n ∈ N und alle reellen Zahlen a, b ∈ R stets
n X
n k n−k
n
(a + b) =
a b
k
k=0
gilt. Man kann diese Formel durch Induktion begründen, im Induktionsschritt wird
dann die obige Formel des Pascalschen Dreiecks verwendet. Wir wollen hier aber einen
direkten Beweis angeben, bei dem auch klarer wird warum hier ausgerechnet die Binomialkoeffizienten auftauchen. Wir fragen uns was passiert, wenn das Produkt
(a + b)n = (a + b) · . . . · (a + b)
|
{z
}
n mal
ausmultipliziert wird. Das ausmultiplizierte Produkt wird zu einer Summe von Produkten aus jeweils n Faktoren. Jeder dieser Summanden entsteht dadurch, das für
jeden der n Faktoren in (a + b) · . . . · (a + b) entschieden wird, ob a oder b als Faktor
verwendet wird. Haben wir beispielsweise n = 5 und wählen im ersten, dritten und
vierten Faktor ein a, so entsteht der Summand abaab = a3 b2 . Wählen wir allgemein
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für k der n Faktoren ein a aus, so wird für die restlichen n − k Faktoren das b gewählt
und wir erhalten den Summanden ak bn−k . Dieser Summand taucht so oft auf, wie es
Möglichkeiten gibt die k Faktoren unter unseren n Faktoren auszuwählen an denen ein
a stehen soll, anders gesagt so oft wie es k-elementige Teilmengen einer
n-elementigen
n
Mengen gibt. Diese Zahl war aber gerade
der
Binomialkoeffizient
.
Insgesamt
haben
k
n
k n−k
wir also für jedes 0 ≤ k ≤ n stets k Summanden a b , und dies ist gerade unsere
binomische Formel.
Damit ist zumeinen die binomische Formel bewiesen, und zum anderen wissen wir
nun warum die nk Binomialkoeffizienten heißen, es sind eben gerade die Koeffizienten
in der binomischen Formel. Die ersten dieser binomischen Formeln für n = 2, 3, 4, 5, 6
sind
(a + b)2
(a + b)3
(a + b)4
(a + b)5
(a + b)6
=
=
=
=
=
a2 + 2ab + b2 ,
a3 + 3a2 b + 3ab2 + b3 ,
a4 + 4a3 b + 6a2 b2 + 4ab3 + b4 ,
a5 + 5a4 b + 10a3 b2 + 10a2 b3 + 5ab4 + b5 ,
a6 + 6a5 b + 15a4 b2 + 20a3 b3 + 15a2 b4 + 6ab5 + b6 .
§4
Reelle und komplexe Zahlen
4.1
Reelle Zahlen
Dieser kurze Abschnitt dient im wesentlichen zur Einleitung des Abschnitts über die
komplexen Zahlen. Ich gehe davon aus, dass Sie die reellen Zahlen und ihre Grundeigenschaften aus der Schule kennen. Die dort vermittelten Kenntnisse sind zwar keine für
die Mathematik ausreichende Grundlegung der reellen Zahlen, reichen für unsere eher
bescheidenen Zwecke aber aus. Sie können sich die reellen Zahlen beispielsweise als die
unendlichen Dezimalbrüche vorstellen. Dass dieser Standpunkt für eine systematische
Behandlung der reellen Zahlen eher unpraktisch ist, spielt für uns keine Rolle.
Die beiden grundlegensten Operationen auf den reellen Zahlen sind Addition und
Multiplikation, und wir wollen nun einige der Grundregeln für diese Operationen auflisten.
1. Assoziativgesetze der Addition und Multiplikation Für alle a, b, c ∈ R
gelten a + (b + c) = (a + b) + c und a(bc) = (ab)c. Hieraus folgt dann, dass man
Summen und Produkte beliebig umklammern kann, und damit können Klammern
einfach weggelassen werden.
2. Kommutativgesetze der Addition und Multiplikation Für alle a, b ∈ R
gelten a + b = b + a und ab = ba.
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3. Null und Eins Es gibt Elemente 0, 1 ∈ R mit 0 6= 1 so, dass 0 + a = a und
1 · a = a für alle a ∈ R gelten.
4. Subtraktion Für jedes a ∈ R existiert genau ein additives Inverses −a ∈ R mit
(−a) + a = 0.
5. Division Für jedes a ∈ R mit a 6= 0 existiert genau ein 1/a ∈ R mit (1/a)·a = 1.
6. Distributivgesetz Für alle a, b, c ∈ R gilt a(b + c) = ab + ac.
Die obigen Rechenregeln (1) bis (6) werden als die Körperaxiome bezeichnet, und die
reellen Zahlen erfüllen sie bekanntlich alle. Beachte das die Körperaxiome weder von
allgemeiner Subtraktion noch von allgemeiner Division sprechen, sondern nur von −a
und 1/a. Mit diesen können wir dann
a − b := a + (−b),
a
1
:= a ·
b
b
für a, b ∈ R mit b 6= 0 für die zweite Gleichung, definieren. Subtraktion und Division
werden nun nicht als eigenständige Operationen sondern über die obige Definition nur
als Schreibweisen betrachtet. Aus den Körperaxiomen folgen alle üblichen arithmetischen Gesetze, also Gleichungen die von Addition und Mutliplikation handeln. Was
dagegen nicht aus den Körperaxiomen folgt sind Existenzaussagen, wie etwa die Existenz von Wurzeln, oder Ungleichungen. Beispielsweise sind die Körperaxiome nicht
stark genug um auch nur 1 + 1 6= 0 einzusehen. Definieren wir beispielsweise auf der
zweielementigen Menge K = {0, 1} die Operationen + und · durch
· 0 1
0 0 0
1 0 1,
+ 0 1
0 0 1
1 1 0,
so erfüllen diese sämtliche Körperaxiome, aber es gilt 1 + 1 = 0 in K. Eine weitere
grundlegende Struktur auf den reellen Zahlen ist die Anordnung ≤. Auch diese wollen
wir wieder nicht systematisch untersuchen, sondern nur die folgenden Grundgesetze
auflisten:
1. Transitivität Sind a, b, c ∈ R mit a ≤ b und b ≤ c, so ist auch a ≤ c.
2. Antsymmetrie Sind a, b ∈ R mit a ≤ b und b ≤ a, so ist auch a = b.
3. Trichotomie Sind a, b ∈ R, s gilt stets a ≤ b oder b ≤ a.
4. Monotonie der Addition Sind a, b, c ∈ R mit a ≤ b, so ist auch a + c ≤ b + c.
5. Monotonie der Multiplikation Für alle a, b ∈ R mit a ≤ b und alle c ∈ R mit
c ≥ 0 ist auch ac ≤ bc.
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Die Körperaxiome zusammen mit diesen fünf zusätzlichen Axiomen sind die sogenannten Axiome eines angeordneten Körpers. Aus diesen folgen dann alle sonstigen Ihnen
bekannten Regeln für ≤, es folgt beispielsweise das Quadrate immer gröër gleich Null
sind, dass das Produkt negativer Zahlen positiv ist, und so weiter. Insbesondere können
wir dann Dinge wie 1 + 1 6= 0, beziehungsweise sogar 1 + 1 > 0 beweisen. Wie schon
bei den Körperaxiomen wollen wir hier aber nichts von all diesen Dingen vorführen.
Wir wollen aber noch bemerken, dass selbst die Axiome eines angeordneten Körpers
nicht ausreichen, die reellen Zahlen vollständig zu beschreiben. Zum Beispiel erfüllen
auch die rationalen Zahlen Q alle Regeln, die wir hier angegeben haben. Es gibt ein
weiteres Axiom, durch das die reellen Zahlen dann vollständig beschrieben werden.
Dies ist das sogenannte Vollständigkeitsaxiom, das wir aber erst besprechen werden
wenn wir uns mit der Konvergenz von Zahlenfolgen beschäftigen werden.
Wir wollen nun noch eine kleine Notation, die Ihnen aus der Schule wahrscheinlich nicht geläufig ist, einführen und besprechen, den sogenannten Betrag einer reellen
Zahl. Dieser hat eine rein praktische Funktion, wir möchten eine bequeme Möglichkeit
haben davon zu sprechen, dass eine reelle Zahl x klein ist. Wir könnten beispielsweise versuchen die Zahl x klein zu nennen wenn sie x ≤ 10−4 erfüllt. Dies erfüllt aber
nicht ganz den intendierten Zweck, den es ist ja zum Beispiel auch −400 ≤ 10−4 , aber
−400 wollen wir meist nicht als klein betrachten. Wir müssten unsere Bedingung also
beispielsweise in x ≤ 10−4 und x ≥ −10−4 umschreiben. Um diese zwei Bedingungen
durch eine einzige zu ersetzen, wird nun der Betrag der reellen Zahl x eingeführt.
Definition 4.1: Ist x ∈ R eine reelle Zahl, so heißt
(
x,
x ≥ 0,
|x| :=
−x, x ≤ 0
der Betrag von x.
Beispielsweise sind |4| = 4, | − 2| = 2 und |0| = 0. In anderen Worten ist |x| der
nichtnegative Wert unter den beiden Zahlen x und −x. In unserem obigen Beispiel
können wir die beiden Bedingungen x ≤ 10−4 und x ≥ −10−4 dann durch die eine
Bedingung |x| ≤ 10−4 ersetzen. Als Funktion von x hat der Betrag die folgende Gestalt
|x|
x
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Der Betrag erfüllt eine ganze Reihe von Grundeigenschaften, die im folgenden Satz
zusammengestellt sind:
Satz 4.1: Für alle x, y, z ∈ R gelten:
(a) Es ist |x| = | − x| ≥ 0 und x2 = |x|2 .
(b) Es gilt x ≤ |x|.
(c) Es ist |xy| = |x| · |y|.
(d) Es gilt die Dreiecksungleichung |x + y| ≤ |x| + |y|.
(e) Es ist |x − y| ≥ |x| − |y|.
(f ) Es ist |x| − |y| ≤ |x − y|.
Beweis: (a,b,c) Diese Aussagen sind direkt aus der Definition des Betrages klar.
(d) Mit den Regeln (a), (b) und (c) erhalten wir
|x + y|2 = (x + y)2 = x2 + 2xy + y 2 ≤ x2 + |2xy| + y 2 = |x|2 + 2|x| · |y| + |y|2 = (|x| + |y|)2 ,
und damit auch |x + y| ≤ |x| + |y|.
(e) Mit Teil (d) rechnen wir
|x| = |(x − y) + y| ≤ |x − y| + |y|,
also |x − y| ≥ |x| − |y|.
(f ) Mit Teil (e) haben wir |x| − |y| ≤ |x − y| und (e), (a) zusammen ergeben auch
|y| − |x| ≤ |y − x| = | − (x − y)| = |x − y|. Da |x| −
|y| aber
eine der beiden Zahlen
|x| − |y| oder −(|x| − |y|) = |y| − |x| ist, folgt auch |x| − |y| ≤ |x − y|.
Warum Aussage (d) hier als Dreiecksungleichung bezeichnet wird, ist an dieser Stelle nicht gut zu sehen. Wir werden dies aber bei der Betrachtung des Betrags einer
komplexen Zahl später in diesem Kapitel noch klären.
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