Die multiplikative Ordnung The multiplicative order

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Jahrbuch 2004/2005 | Moree, Pieter | Die multiplikative Ordnung
Die multiplikative Ordnung
The multiplicative order
Moree, Pieter
Max-Planck-Institut für Mathematik, Bonn
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Das Konzept der multiplikativen Ordnung ist sehr alt und hat seit der Zeit von Fermat viele Mathematiker
interessiert. Es spielt eine Rolle in vielen verschiedenen Zw eigen der Mathematik. W ir w erden einen kurzen
Überblick über die Geschichte der Forschung in diesem Bereich geben bis hin zu neueren Arbeiten, die die
Verteilung der Ordnung bezüglich Restklassen betreffen.
Summary
The notion of multiplicative order is very old and has interested mathematicians since the days of Fermat. It
plays a role in different branches of mathematics. We w ill give a short overview of the history of research in
this area up to recent w ork concerning the distribution of the order over residue classes.
Die multiplikative Ordnung
Das Konzept der multiplikativen Ordnung ist sehr alt und hat seit der Zeit von Fermat viele Mathematiker
interessiert. Es spielt eine Rolle in vielen verschiedenen Zw eigen der Mathematik. W ir w erden einen kurzen
Überblick über die Geschichte der Forschung in diesem Bereich geben bis hin zu neueren Arbeiten, die die
Verteilung der Ordnung bezüglich Restklassen betreffen.
Jeder ist damit vertraut, dass 1/3 = 0.3333 . . . = 0.3¯, w obei mit 3¯ angegeben w ird, dass die Ziffer 3
unendlich oft w iederholt w ird. Man sagt, dass die Dezimaldarstellung von 1/3 periodisch mit Periode eins ist.
ähnlich kann man sich fragen, w elche Struktur die Dezimaldarstellung von 1/n hat, w enn n eine natürliche Zahl
ist (Tab. 1).
Tabelle 1: Dezimaldarstellung von 1/n .
© 2005 Max-Planck-Gesellschaft
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© P ie te r More e , MP I für Ma the m a tik
Nehmen w ir an, dass n ungerade und nicht durch fünf teilbar ist. Wenn man eine schriftliche Division ausführt,
w ie sie jeder in der Schule kennengelernt hat, sieht man, dass die Dezimaldarstellung von 1/n die Periode m
hat, w obei m die kleinste Zahl ≥ 1 ist, die die Eigenschaft hat, dass 10 m ≡ 1(mod n), d.h. 10 m hat den Rest
eins nach Division durch n. Zum Beispiel gilt 10 ≠ 1 (mod 11) (das bedeutet, 10 hat nicht den Rest eins nach
Division durch 11) und 10 2 = 100 ≡ 1 (mod 11) und deshalb sollte 1/11 eine Dezimaldarstellung mit Periode
zw ei haben. Tatsächlich gilt 1/11 = 0.0909... = 0.09. Es ist nicht schw er einzusehen, dass es immer eine Zahl
(und somit eine kleinste Zahl) m gibt mit 10 m ≡ 1 (mod n), und allgemeiner für je zw ei teilerfremde Zahlen g
und n eine kleinste Zahl m mit gm ≡ 1 (mod n). Diese Zahl m w ird die multiplikative Ordnung von g modulo n
genannt und mit ord g (n) bezeichnet. Sie gibt die Länge der Periode der Entw icklung von 1/n in der Basis g an.
Der Begriff der multiplikativen Ordnung spielt eine Rolle in vielen verschiedenen Zw eigen der Mathematik, w ie
etw a der Gruppentheorie oder der Kodierungstheorie. Zum Beispiel benutzt das so genannte RSA (RamirShamir-Adleman) Kryptosystem, eine Methode zum sicheren Austausch von kodierten Informationen, die vom
Banken häufig bei elektronischen Transaktionen angew endet w ird, ganz w esentlich die Potenzbildung x → gx
und das Rechnen modulo einer großen Zahl n. Dies ist aber nur dann nützlich, falls die Ordnung von g modulo
n groß ist, da die Kodierung sonst leicht von Unbefugten entziffert w erden könnte. Man w ill also Zahlen n und
g finden, für die ord g (n) möglichst groß ist. Aus Resultaten von Fermat, Euler und Gauss w eiß man, dass diese
Ordnung immer kleiner als n ist, und dass der maximale Wert ord g (n) = n - 1 nur dann angenommen w erden
kann, w enn n eine Primzahl ist. Umgekehrt gibt es für jede Primzahl p Zahlen g mit ord g (p) = p - 1, die so
genannten primitiven Wurzeln modulo p. Die Anw endung in der Kryptographie führt uns also zu der Frage, w ie
die primitiven W urzeln von Primzahlen verteilt sind und speziell, ob jede natürliche Zahl g (Quadratzahlen
muss man hier ausschließen) eine primitive W urzel von unendlich vielen Primzahlen ist. Dass dies so ist, w urde
von Artin 1927 vermutet. Die Gültigkeit der Artinschen Vermutung ist bis heute nicht nachgew iesen, konnte
aber von Hooley (1967) unter Annahme der Verallgemeinerten Riemannschen Vermutung (VRV) - einer der
berühmtesten offenen mathematischen Fragen überhaupt - gezeigt w erden.
Trotz der Tatsache, dass der Begriff der multiplikativen Ordnung so alt ist, ist die Frage nach ihrer Verteilung
über Restklassen modulo d erst vor kurzem untersucht w orden, zuerst von den japanischen Mathematikern
K.Chinen und L. Murata (2000) und dann von P. Moree am MPIM. Das w esentlich leichtere Problem der
Teilbarkeit der Ordnungsfunktion durch eine vorgegebene Zahl d w urde schon früher von H. Hasse, R. Odoni
und K. W iertelak untersucht. Hier man kann unkonditionell zeigen, dass für gegebene Zahlen g und d die
Dichte der Primzahlen p, für die ord g (p) durch d teilbar ist, stets existiert und eine rationale Zahl ist. Ein
typisches Resultat ist z.B.: für eine feste ungerade Zahl g ist die Ordnung ord g (p) für zw ei Drittel von allen
Primzahlen p gerade (also nicht nur für die Hälfte, w ie man naiverw eise erw arten w ürde), w ährend für g = 2
(also für die binäre Entw icklung von 1/p) die entsprechende Dichte 17/24 beträgt. Es ist aber viel schw ieriger,
und bisher nur unter Annahme der VRV gelungen, zu zeigen, dass für vorgegebene Zahlen g, d und a die
Dichte δ g (a, d) der Primzahlen p mit ord g (p) ≡ a (mod d) existiert und diese zu bestimmen.
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Es zeigt sich, dass die Analyse dieses naiv klingenden Problems komplizierte Überlegungen unter Verw endung
tiefliegender Ergebnisse sow ohl aus der analytischen w ie auch aus der algebraischen Zahlentheorie
(Klassenkörpertheorie) erfordert. Auch die Ergebnisse sind in verschiedenen Hinsichten überraschend. Zum
Beispiel w ürde man erw arten, dass die Dichten δ g (1, 4) und δ g (3, 4) stets gleich sind, das heißt, dass die
Periode der Entw icklung von 1/p in einer gegebenen Basis g, falls ungerade, mit gleicher Wahrscheinlichkeit
den Rest 1 oder 3 nach Division durch 4 lässt. Es stellt sich aber heraus, dass diese Dichten durchaus
voneinander abw eichen können, und sogar ziemlich stark (Tab. 2), w obei allerdings immer δ g (1, 4) ≤ δ g (3, 4).
Diese fehlende Gleichverteilung kann in bestimmten kryptografischen Umgebungen benutzt w erden. Zw eitens
zeigt sich (immer noch unter Annahme der VRV), dass sich die Dichten δ g (a, d) um eine bestimmte von g
unabhängige Größe δ(a, d) orientieren, die man aus der Theorie der endlichen Körper gew innt. Zum Beispiel
sind die W erte von δ(a, d) für d = 4 und a = 0, 1, 2, 3 gleich 1/3, 1/6, 1/3, 1/6. Die Dichte δ g (a, d) ist für fast alle
Zahlen g gleich δ(a, d), und auch w enn diese zw ei Zahlen verschieden sind, liegen sie meistens einander sehr
nah, speziell dann, w enn g einen großen Primfaktor hat. Nur für Zahlen g, die eine hohe Potenz einer kleinen
Zahl enthalten, w ie g = 6 27 (s. Tabelle 2) kann δ g (a, d) stark von dem Mittelw ert δ(a, d) abw eichen. Schließlich
brauchen die Dichten δ g (a, d), im Gegensatz zu den Zahlen δ(a, d) oder den Dichten bei dem einfacheren
Problem von W iertelak, nicht rational zu sein. Zum Beispiel ist die Differenz zw ischen δ g (3, 4) und δ g (1, 4)
immer
ein
rationales
Vielfaches
von
einer
bestimmten,
vermutlich
irrationalen
Konstanten B
=
0.643650679662 . . . , die eine Variante einer berühmten universellen Konstanten ist, die Artin bei der
Untersuchung seiner Vermutung über primitive W urzeln eingeführt hat.
Auf Grund der arithmetischen Komplexität der auftretenden Rechnungen sind einige numerische Experimente
von Interesse. In Tabelle 2 w erden für einige Werte von g die experimentellen Daten über die Differenz δ g (3,
4) - δ g (1, 4) für die ersten 100 Millionen Primzahlen p (also für alle p ≤ 2038074743) mit den theoretischen
W erten verglichen. Die übereinstimmung ist exzellent.
Tabelle 2: Der Fall d = 4
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W ie so häufig in der Zahlentheorie sieht man auch hier, w ie eine elementar zu formulierende Frage zu
tiefliegenden Überlegungen und zu überraschenden Ergebnissen und Anw endungen führen kann.
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