Hepatitis B und C – Ist Stillen ein Problem?

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SERIE PÄDIATRIE
Hepatitis B und C – Ist
Stillen ein Problem?
DA KRANKHEITSERREGER mit der Muttermilch ausgeschieden werden, ergibt sich bei chronischen mit Hepatitis-B-Virus oder
Hepatitis-C-Virus infizierten Müttern die Frage, ob die Muttermilch eine zusätzliche Gefährdung für gestillte Säuglinge darstellt.
© Anja Roesnick – FOTOLIA
INITIATIVE PÄDIATRIE: Ein Überblick über den Wissensstand
zur Übertragung von Hepatitis B und C über die Muttermilch.
HEPATITIS B: ÜBERTRAGUNG ÜBER MUTTERMILCH
THEORETISCH MÖGLICH
Weltweit gibt es etwa 300 Millionen Hepatitis-B-Virusträger.
Während der Schwangerschaft sind 0,3–0,5% aller österreichischen Frauen chronisch mit Hepatitis-B-Virus infiziert. Bei jenen
Schwangeren, die aus Ländern mit einer höheren Durchseuchung
mit Hepatitis-B-Virus kommen, liegt dieser Prozentsatz deutlich
höher.
Die Übertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt heute vorwiegend
während des Geschlechtsverkehrs, während der Geburt der Neugeborenen oder durch Blutkontakt bei Drogensüchtigen. In ganz
seltenen Fällen wird das Hepatitis-B-Virus auch intrauterin auf
die Neugeborenen übertragen. Die Gefährdung der Kinder hängt
vom Ausmaß der Infektiosität der Mutter ab. Diese kann durch die
Untersuchung des mütterlichen Blutes auf HBe-Antigen oder
durch direkten Nachweis der Viruskonzentration (Untersuchung
des Blutes auf HBV-DNS durch Polymerase-Kettenreaktion/PCR)
bestimmt werden. Bei einer hohen Replikationsrate der Mütter,
bzw. Nachweis von HBe-Antigen im Blut der Mutter, ist die
Gefährdung der Neugeborenen ohne Impfung sehr hoch (90–
100%), während die Gefährdung bei Nachweis des Antikörpers
gegen HBe-Antigen etwa 30% beträgt. Die nach der Geburt sofort
durchgeführte aktiv/passive Impfung der Neugeborenen reduziert
die Gefährdung der Kinder um 90–95%.
Schon vor 20 Jahren wurden daher Untersuchungen durchgeführt,
um eine zusätzliche Gefährdung der Kinder durch Stillen abschätzen zu können:
Die Muttermilch ist die wertvollste Nahrung, die die Mutter dem
Kind zur Verfügung stellen kann. Nicht nur wird durch Stillen der
Kontakt der Mutter mit ihrem Kind sehr intensiv gestaltet und das
Kind hat immer ausreichend Nahrung zur Verfügung, sondern die
Muttermilch enthält ca. 200 immunologisch wirksame Substanzen und lebende Zellen, die das Kind vor Infektionen und Krankheiten schützen. Diese Berichte zeigten, dass die Muttermilch keine zusätzliche Gefährdung der Neugeborenen darstellt.
Leider sind neue wissenschaftliche Ergebnisse mit empfindlicheren Methoden sehr spärlich:
38 ÄRZTE KRONE 3/07
101 Neugeborene wurden durchschnittlich 4,9 Monate lang
gestillt. Von diesen Kindern wurde in keinem einzigen Fall die
Infektion auf die Säuglinge übertragen. Von 268 mit Muttermilchersatzpräparaten ernährten Kindern wurde bei 9 (= 3%) die Infektion auf den Säugling übertragen. Der Unterschied zwischen den
beiden Gruppen war zwar statistisch nicht signifikant, doch lässt
sich daraus ein Trend ableiten, der auf einen Schutz der Neugeborenen vor der Infektion durch Hepatitis B Virus durch die stillende Mutter hinweist.
2003 wurde von Wang JS et al (China) bei 230 Säuglingen die
Auswirkung von Stillen auf den Erfolg der aktiven bzw. aktiv/passiven Impfung der Neugeborenen untersucht:
Im Alter von einem Jahr waren bei aktiver Impfung 81% der
Gestillten und 73% der mit Muttermilchersatzpräparaten ernährten Säuglinge durch ausreichend hohe Antikörperkonzentrationen
vor einer Infektion geschützt. Bei aktiv/passiver Impfung lagen
die Prozentsätze der durch Antikörper geschützten Kinder bei 90–
91% in beiden Gruppen. Daraus konnte geschlossen werden, dass
Stillen den Erfolg der Impfung nicht negativ beeinflusst.
Dementsprechend hat die Weltgesundheitsorganisation 2002 festgestellt, dass eine Änderung der gültigen WHO Empfehlung nicht
notwendig ist:
Es wird weiterhin ein Stillen von Neugeborenen durch 6 Monate
empfohlen, danach sollte eine sichere altersentsprechende Kost
gegeben werden. Das Stillen kann bis mindestens Ende des 2.
Lebensjahres fortgesetzt werden.
BEI ANGST DER MUTTER VOM STILLEN ABRATEN
Gestillte Kinder werden nicht häufiger durch
Hepatitis-B- und -C-Viren infiziert als nicht gestillte Kinder
STILLEN BIETET EVENTUELL SOGAR SCHUTZ
Wir wissen, dass Hepatitis-B-Virus bei einer hohen HBV-Replikationsrate im mütterlichen Blut auch häufiger in der Muttermilch nachgewiesen werden kann. Dementsprechend hat die
Weltgesundheitsorganisation schon 1998 festgestellt, dass das
Risiko der Übertragung von Hepatitis-B-Virus durch Stillen zwar
vernachlässigbar ist, aber die theoretische Möglichkeit zur Übertragung des Hepatitis-B-Virus von der Mutter auf das Kind
besteht. 1999 haben Yang et al (China) gezeigt, dass der Nachweis
von Hepatitis-B-Virus DNS im Kolostrum (der energiereichen
Vormilch) umso häufiger nachgewiesen werden kann, je höher die
Replikationsrate des Hepatitis-B-Virus im mütterlichen Blut ist,
und je mehr Infektionsparameter im Blut der Mutter nachgewiesen werden können. Lediglich beim Fehlen sämtlicher Hinweise
auf eine Hepatitis-B-Virus-Infektion kann die HBV-DNS auch in
der Vormilch nicht nachgewiesen werden.
Um die Gefährdung der Neugeborenen durch Stillen nachzuweisen,
wurden im Jahre 2002 von Hill JD et al (USA) 369 simultan geimpfte Neugeborene von Hepatitis-B-Virusträgerinnen untersucht:
Diese wissenschaftlichen Ergebnisse schließen naturgemäß nicht
aus, dass in seltenen Einzelfällen eine Infektion der Kinder durch
Muttermilch möglich ist. Aufgrund der zahlreichen Vorteile des
Stillens ist daher eine individuelle Beratung der Mutter notwendig. Stillen kann aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage auch
bei Müttern empfohlen werden, die das Hepatitis-B-Virus in
ihrem Blut nachweisbar haben. Besteht die Mutter allerdings darauf, die theoretisch mögliche eventuelle zusätzliche Gefährdung
der Kinder durch Muttermilch zu vermeiden, dann sollte von Stillen abgeraten werden, unabhängig davon wie hoch die Konzentration des Virus im Blut der Mutter ist.
Aufgrund dieser wissenschaftlichen Datenlage würden die Kollegen und Kolleginnen in Graz eine individuelle Beratung der Mütter durchführen und versuchen, zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen. Natürlich sollte das Übertragungsrisiko für Personen in der Umgebung der infizierten Mutter durch entsprechendes Verhalten verringert werden: Impfung aller Hepatitis-BVirus-negativen Kontaktpersonen von Hepatitis-B-Virus-Trägern
(dies wird in der Steiermark von der Krankenkasse bezahlt), Impfung aller HBV-negativen Geschlechtspartner von HBV-Trägern/Trägerinnen, Verwendung von Kondomen bis zum Erreichen
des Impfschutzes, Verwendung von sterilen Geräten bei Frisören
(z.B. Rasiermessern), Tätowierung/Piercing, Maniküre/Pediküre
und in Kosmetikinstituten. Eine Übertragung des Hepatitis-BVirus im medizinischen Bereich ist durch die strengen Richtlinien
für die Sterilisierung und das keimfreie Arbeiten im medizinischen Bereich praktisch ausgeschlossen. Eine Beratung kann an
der Leberambulanz der Medizinischen Universitätsklinik, dem
Referenzzentrum für Hepatitis A, B, C am Institut für Hygiene
bzw. an der Leberambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und
Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Graz erfolgen.
HEPATITIS C: RISIKO SCHWER ABSCHÄTZBAR
Hier ist die Abschätzung der Übertragungsrisiken schwieriger, da
die infektive Dosis nicht bekannt ist. Gesichert ist die Übertragung durch Blut- und Blutprodukte. Eine Schutzimpfung steht
derzeit aber nicht zur Verfügung.
In Österreich rechnet man mit derzeit etwa 80.000 infizierten Personen (ca. 1% der Bevölkerung). Bei 20–50% aller akuten Hepatitis-C-Infektionen kommt es zur Spontanheilung, bei 50–80% zur
Chronifizierung. Bei etwa 75% der chronischen Infizierten verläuft die Hepatitis C mild. Bei 25% kommt es allerdings nach
durchschnittlich 20 Jahren zu einer Leberzirrhose. Bei Patienten
mit Leberzirrhose besteht das Risiko der Entwicklung eines
Leberzellkarzinoms. Die Häufigkeit der Übertragung von Hepatitis-C-Virus von Schwangeren bzw. stillenden Müttern auf ihre
Kinder liegt bei 3–7%, bei zusätzlich HIV infizierten Müttern bei
14% (Schwankungsbreite 5–36%, abhängig von der Population).
Die Übertragung des Hepatitis-C-Virus erfolgt selten intrauterin,
meist während der Geburt, ist aber auch nach der Geburt möglich.
Das Übertragungsrisiko steigt mit der Virusmenge, ein Grenzwert
kann aber nicht angegeben werden. Wenn die Mutter zwar Antikörper gegen das Hepatitis-C-Virus besitzt, aber das Virus selbst
mittels PCR nicht nachgewiesen werden kann (dh. dass die Viruslast gering ist oder das Virus nicht mehr im Blut der Mutter zirkuliert), ist die Übertragung des Hepatitis-C-Virus auf die Neugeborenen selten. Wir wissen aus Untersuchungen, dass ein HepatitisC-Virus-RNA-positives Neugeborenes wieder negativ werden
kann. Bei nicht infizierten Kindern werden die von der Mutter
durch die Plazenta während der Schwangerschaft übertragenen
Antikörper erst im 2. Lebensjahr nicht mehr nachweisbar.
Auch Hepatitis-C-Virus-RNA wurde in der Vormilch nachgewiesen (in etwa 82 % der Proben). In reifer Muttermilch wurde das
Hepatitis-C-Virus wesentlich seltener nachgewiesen (in 2–3%
aller zwischen 1993 und 2000 untersuchten Proben). In den letzten 12 Jahren wurde auch intensiv versucht, die potentielle
Gefährdung durch Stillen abzuschätzen. Insgesamt wurde die
Übertragung nur bei 11 von 352 gestillten Kindern im Gegensatz
von 36 von 412 nicht gestillten Kindern übertragen. Dies weist
ebenso wie bei Hepatitis-B-Virus positiven Müttern auf einen
Trend zugunsten eines Schutzes durch Stillen hin. Dem gegenüber ist allerdings das Risiko der Übertragung von Hepatitis-CVirus auf Neugeborene bei Müttern mit einer HIV-Koinfektion
deutlich erhöht (L. Penbrey et al 2001), unabhängig von der Art
der Entbindung, der Größe des Zentrums und dem mütterlichen
Alter.
UNTERSCHIEDLICHE RÜCKSCHLÜSSE FÜR DIE BERATUNG
Aus diesen Ergebnissen wurden bemerkenswerter Weise sehr
unterschiedliche Rückschlüsse für die Beratung der Mütter
bezüglich Stillen gezogen. So empfiehlt etwa die Hälfte der
Gynäkologen und Geburtshelfer Stillen, die andere Hälfte empfiehlt nicht zu stillen (USA 2003, Australien 2004). Europäische
Kinderärzte zeigten ein differenzierteres Vorgehen: In einer
Umfrage unter 31 Institutionen wurde von 10 Stillen empfohlen,
10 Stellen rieten vom Stillen ab, 3 informierten über die Risken,
in 8 Institutionen (= 27%) bestanden keine diesbezüglichen Richtlinien (Pendrai L et al 1999). Internationale Gremien (AAP,
ACOG, CDC, EASL, WHO) stellten fest, dass Stillen durch
Hepatitis-C-Virus positive Mütter nicht kontraindiziert ist, ausgeÄRZTE KRONE 3/07 39
SERIE PÄDIATRIE
Hepatitis B und C – Ist
Stillen ein Problem?
DA KRANKHEITSERREGER mit der Muttermilch ausgeschieden werden, ergibt sich bei chronischen mit Hepatitis-B-Virus oder
Hepatitis-C-Virus infizierten Müttern die Frage, ob die Muttermilch eine zusätzliche Gefährdung für gestillte Säuglinge darstellt.
© Anja Roesnick – FOTOLIA
INITIATIVE PÄDIATRIE: Ein Überblick über den Wissensstand
zur Übertragung von Hepatitis B und C über die Muttermilch.
HEPATITIS B: ÜBERTRAGUNG ÜBER MUTTERMILCH
THEORETISCH MÖGLICH
Weltweit gibt es etwa 300 Millionen Hepatitis-B-Virusträger.
Während der Schwangerschaft sind 0,3–0,5% aller österreichischen Frauen chronisch mit Hepatitis-B-Virus infiziert. Bei jenen
Schwangeren, die aus Ländern mit einer höheren Durchseuchung
mit Hepatitis-B-Virus kommen, liegt dieser Prozentsatz deutlich
höher.
Die Übertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt heute vorwiegend
während des Geschlechtsverkehrs, während der Geburt der Neugeborenen oder durch Blutkontakt bei Drogensüchtigen. In ganz
seltenen Fällen wird das Hepatitis-B-Virus auch intrauterin auf
die Neugeborenen übertragen. Die Gefährdung der Kinder hängt
vom Ausmaß der Infektiosität der Mutter ab. Diese kann durch die
Untersuchung des mütterlichen Blutes auf HBe-Antigen oder
durch direkten Nachweis der Viruskonzentration (Untersuchung
des Blutes auf HBV-DNS durch Polymerase-Kettenreaktion/PCR)
bestimmt werden. Bei einer hohen Replikationsrate der Mütter,
bzw. Nachweis von HBe-Antigen im Blut der Mutter, ist die
Gefährdung der Neugeborenen ohne Impfung sehr hoch (90–
100%), während die Gefährdung bei Nachweis des Antikörpers
gegen HBe-Antigen etwa 30% beträgt. Die nach der Geburt sofort
durchgeführte aktiv/passive Impfung der Neugeborenen reduziert
die Gefährdung der Kinder um 90–95%.
Schon vor 20 Jahren wurden daher Untersuchungen durchgeführt,
um eine zusätzliche Gefährdung der Kinder durch Stillen abschätzen zu können:
Die Muttermilch ist die wertvollste Nahrung, die die Mutter dem
Kind zur Verfügung stellen kann. Nicht nur wird durch Stillen der
Kontakt der Mutter mit ihrem Kind sehr intensiv gestaltet und das
Kind hat immer ausreichend Nahrung zur Verfügung, sondern die
Muttermilch enthält ca. 200 immunologisch wirksame Substanzen und lebende Zellen, die das Kind vor Infektionen und Krankheiten schützen. Diese Berichte zeigten, dass die Muttermilch keine zusätzliche Gefährdung der Neugeborenen darstellt.
Leider sind neue wissenschaftliche Ergebnisse mit empfindlicheren Methoden sehr spärlich:
38 ÄRZTE KRONE 3/07
101 Neugeborene wurden durchschnittlich 4,9 Monate lang
gestillt. Von diesen Kindern wurde in keinem einzigen Fall die
Infektion auf die Säuglinge übertragen. Von 268 mit Muttermilchersatzpräparaten ernährten Kindern wurde bei 9 (= 3%) die Infektion auf den Säugling übertragen. Der Unterschied zwischen den
beiden Gruppen war zwar statistisch nicht signifikant, doch lässt
sich daraus ein Trend ableiten, der auf einen Schutz der Neugeborenen vor der Infektion durch Hepatitis B Virus durch die stillende Mutter hinweist.
2003 wurde von Wang JS et al (China) bei 230 Säuglingen die
Auswirkung von Stillen auf den Erfolg der aktiven bzw. aktiv/passiven Impfung der Neugeborenen untersucht:
Im Alter von einem Jahr waren bei aktiver Impfung 81% der
Gestillten und 73% der mit Muttermilchersatzpräparaten ernährten Säuglinge durch ausreichend hohe Antikörperkonzentrationen
vor einer Infektion geschützt. Bei aktiv/passiver Impfung lagen
die Prozentsätze der durch Antikörper geschützten Kinder bei 90–
91% in beiden Gruppen. Daraus konnte geschlossen werden, dass
Stillen den Erfolg der Impfung nicht negativ beeinflusst.
Dementsprechend hat die Weltgesundheitsorganisation 2002 festgestellt, dass eine Änderung der gültigen WHO Empfehlung nicht
notwendig ist:
Es wird weiterhin ein Stillen von Neugeborenen durch 6 Monate
empfohlen, danach sollte eine sichere altersentsprechende Kost
gegeben werden. Das Stillen kann bis mindestens Ende des 2.
Lebensjahres fortgesetzt werden.
BEI ANGST DER MUTTER VOM STILLEN ABRATEN
Gestillte Kinder werden nicht häufiger durch
Hepatitis-B- und -C-Viren infiziert als nicht gestillte Kinder
STILLEN BIETET EVENTUELL SOGAR SCHUTZ
Wir wissen, dass Hepatitis-B-Virus bei einer hohen HBV-Replikationsrate im mütterlichen Blut auch häufiger in der Muttermilch nachgewiesen werden kann. Dementsprechend hat die
Weltgesundheitsorganisation schon 1998 festgestellt, dass das
Risiko der Übertragung von Hepatitis-B-Virus durch Stillen zwar
vernachlässigbar ist, aber die theoretische Möglichkeit zur Übertragung des Hepatitis-B-Virus von der Mutter auf das Kind
besteht. 1999 haben Yang et al (China) gezeigt, dass der Nachweis
von Hepatitis-B-Virus DNS im Kolostrum (der energiereichen
Vormilch) umso häufiger nachgewiesen werden kann, je höher die
Replikationsrate des Hepatitis-B-Virus im mütterlichen Blut ist,
und je mehr Infektionsparameter im Blut der Mutter nachgewiesen werden können. Lediglich beim Fehlen sämtlicher Hinweise
auf eine Hepatitis-B-Virus-Infektion kann die HBV-DNS auch in
der Vormilch nicht nachgewiesen werden.
Um die Gefährdung der Neugeborenen durch Stillen nachzuweisen,
wurden im Jahre 2002 von Hill JD et al (USA) 369 simultan geimpfte Neugeborene von Hepatitis-B-Virusträgerinnen untersucht:
Diese wissenschaftlichen Ergebnisse schließen naturgemäß nicht
aus, dass in seltenen Einzelfällen eine Infektion der Kinder durch
Muttermilch möglich ist. Aufgrund der zahlreichen Vorteile des
Stillens ist daher eine individuelle Beratung der Mutter notwendig. Stillen kann aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage auch
bei Müttern empfohlen werden, die das Hepatitis-B-Virus in
ihrem Blut nachweisbar haben. Besteht die Mutter allerdings darauf, die theoretisch mögliche eventuelle zusätzliche Gefährdung
der Kinder durch Muttermilch zu vermeiden, dann sollte von Stillen abgeraten werden, unabhängig davon wie hoch die Konzentration des Virus im Blut der Mutter ist.
Aufgrund dieser wissenschaftlichen Datenlage würden die Kollegen und Kolleginnen in Graz eine individuelle Beratung der Mütter durchführen und versuchen, zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen. Natürlich sollte das Übertragungsrisiko für Personen in der Umgebung der infizierten Mutter durch entsprechendes Verhalten verringert werden: Impfung aller Hepatitis-BVirus-negativen Kontaktpersonen von Hepatitis-B-Virus-Trägern
(dies wird in der Steiermark von der Krankenkasse bezahlt), Impfung aller HBV-negativen Geschlechtspartner von HBV-Trägern/Trägerinnen, Verwendung von Kondomen bis zum Erreichen
des Impfschutzes, Verwendung von sterilen Geräten bei Frisören
(z.B. Rasiermessern), Tätowierung/Piercing, Maniküre/Pediküre
und in Kosmetikinstituten. Eine Übertragung des Hepatitis-BVirus im medizinischen Bereich ist durch die strengen Richtlinien
für die Sterilisierung und das keimfreie Arbeiten im medizinischen Bereich praktisch ausgeschlossen. Eine Beratung kann an
der Leberambulanz der Medizinischen Universitätsklinik, dem
Referenzzentrum für Hepatitis A, B, C am Institut für Hygiene
bzw. an der Leberambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und
Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Graz erfolgen.
HEPATITIS C: RISIKO SCHWER ABSCHÄTZBAR
Hier ist die Abschätzung der Übertragungsrisiken schwieriger, da
die infektive Dosis nicht bekannt ist. Gesichert ist die Übertragung durch Blut- und Blutprodukte. Eine Schutzimpfung steht
derzeit aber nicht zur Verfügung.
In Österreich rechnet man mit derzeit etwa 80.000 infizierten Personen (ca. 1% der Bevölkerung). Bei 20–50% aller akuten Hepatitis-C-Infektionen kommt es zur Spontanheilung, bei 50–80% zur
Chronifizierung. Bei etwa 75% der chronischen Infizierten verläuft die Hepatitis C mild. Bei 25% kommt es allerdings nach
durchschnittlich 20 Jahren zu einer Leberzirrhose. Bei Patienten
mit Leberzirrhose besteht das Risiko der Entwicklung eines
Leberzellkarzinoms. Die Häufigkeit der Übertragung von Hepatitis-C-Virus von Schwangeren bzw. stillenden Müttern auf ihre
Kinder liegt bei 3–7%, bei zusätzlich HIV infizierten Müttern bei
14% (Schwankungsbreite 5–36%, abhängig von der Population).
Die Übertragung des Hepatitis-C-Virus erfolgt selten intrauterin,
meist während der Geburt, ist aber auch nach der Geburt möglich.
Das Übertragungsrisiko steigt mit der Virusmenge, ein Grenzwert
kann aber nicht angegeben werden. Wenn die Mutter zwar Antikörper gegen das Hepatitis-C-Virus besitzt, aber das Virus selbst
mittels PCR nicht nachgewiesen werden kann (dh. dass die Viruslast gering ist oder das Virus nicht mehr im Blut der Mutter zirkuliert), ist die Übertragung des Hepatitis-C-Virus auf die Neugeborenen selten. Wir wissen aus Untersuchungen, dass ein HepatitisC-Virus-RNA-positives Neugeborenes wieder negativ werden
kann. Bei nicht infizierten Kindern werden die von der Mutter
durch die Plazenta während der Schwangerschaft übertragenen
Antikörper erst im 2. Lebensjahr nicht mehr nachweisbar.
Auch Hepatitis-C-Virus-RNA wurde in der Vormilch nachgewiesen (in etwa 82 % der Proben). In reifer Muttermilch wurde das
Hepatitis-C-Virus wesentlich seltener nachgewiesen (in 2–3%
aller zwischen 1993 und 2000 untersuchten Proben). In den letzten 12 Jahren wurde auch intensiv versucht, die potentielle
Gefährdung durch Stillen abzuschätzen. Insgesamt wurde die
Übertragung nur bei 11 von 352 gestillten Kindern im Gegensatz
von 36 von 412 nicht gestillten Kindern übertragen. Dies weist
ebenso wie bei Hepatitis-B-Virus positiven Müttern auf einen
Trend zugunsten eines Schutzes durch Stillen hin. Dem gegenüber ist allerdings das Risiko der Übertragung von Hepatitis-CVirus auf Neugeborene bei Müttern mit einer HIV-Koinfektion
deutlich erhöht (L. Penbrey et al 2001), unabhängig von der Art
der Entbindung, der Größe des Zentrums und dem mütterlichen
Alter.
UNTERSCHIEDLICHE RÜCKSCHLÜSSE FÜR DIE BERATUNG
Aus diesen Ergebnissen wurden bemerkenswerter Weise sehr
unterschiedliche Rückschlüsse für die Beratung der Mütter
bezüglich Stillen gezogen. So empfiehlt etwa die Hälfte der
Gynäkologen und Geburtshelfer Stillen, die andere Hälfte empfiehlt nicht zu stillen (USA 2003, Australien 2004). Europäische
Kinderärzte zeigten ein differenzierteres Vorgehen: In einer
Umfrage unter 31 Institutionen wurde von 10 Stillen empfohlen,
10 Stellen rieten vom Stillen ab, 3 informierten über die Risken,
in 8 Institutionen (= 27%) bestanden keine diesbezüglichen Richtlinien (Pendrai L et al 1999). Internationale Gremien (AAP,
ACOG, CDC, EASL, WHO) stellten fest, dass Stillen durch
Hepatitis-C-Virus positive Mütter nicht kontraindiziert ist, ausgeÄRZTE KRONE 3/07 39
SERIE PÄDIATRIE
MEDIZIN
nommen bei wunden oder blutenden Brustwarzen, einer Virämie
der Mutter in sogenannten “Developed Nations“. Dabei sollte aber
beachtet werden, dass es bei 50% der HCV-RNA negativen Mütter zu einer Reaktivierung des Virus mit möglicher Infektionsgefährdung der Neugeborenen kommen kann. Die kanadische
Gesellschaft für Kinderheilkunde empfiehlt eine Aufklärung über
die Risken der Infektion mit Hepatitis-C-Virus, da die Sicherheit
des Stillens nicht ausreichend nachgewiesen ist. Die Deutsche
Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie stellt dagegen fest, dass
die Übertragung von Hepatitis-C-Virus durch Muttermilch nicht
erwiesen ist; damit nähern sich die beiden Gesellschaften der gleichen Frage mit unterschiedlicher Sichtweise.
Handlungsbedarf und Innovationen
Bei der individuellen Beratung der Mütter konnte ich feststellen,
dass die Frage der Mütter an die Ärzte nicht nach der Häufigkeit
oder Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ihrer Kinder ist, sondern, dass sie wissen wollen, ob sie sicher sein können, dass das
Kind die Infektion durch Stillen nicht bekommt. Da theoretisch in
Einzelfällen die Übertragung des Hepatitis-C-Virus durch Stillen
möglich ist, muss in diesen Fällen vom Stillen abgeraten werden.
Dementsprechend werden von den Grazer Kolleginnen und Kollegen auch bei Hepatitis-C-Virus-Infektionen detaillierte Ratschläge gegeben:
Das Übertragungsrisiko ist innerhalb einer Familie bzw. unter
Haushaltsangehörigen sehr gering, vorausgesetzt man verwendet
eigene Toilettenartikel und man ist vorsichtig bei offenen Wunden
oder Kontakt mit Blut. Eine Übertragung bei einer gemeinsamen
Verwendung von Küchengeräten und Handtüchern ist äußerst
unwahrscheinlich, ebenso ist die Übertragung durch Küsse auf die
Wange oder andere unverletzte Hautstellen nicht möglich. Sogar
die Übertragung durch Zungenküsse ist äußerst unwahrscheinlich,
ausgenommen bei Zahnfleischbluten wie z.B. bei Parodontose,
die sexuelle Übertragung ist sehr selten, bei Blutungen oder Praktiken mit Verletzungsrisiko wird das Tragen eines Kondoms empfohlen. Bezüglich des vertikalen Übertragungsrisikos von der
Mutter auf das neugeborene Kind empfehlen die Grazer Kollegen
eine individuelle Beratung, da das Risiko der Übertragung des
Hepatitis-C-Virus durch Stillen sehr gering ist. Eine mütterliche
HCV-Infektion stellt auch keine gesicherte Indikation für Kaiserschnitt dar (ausgenommen bei Koinfektion mit HIV). Bei intravenösen Drogenabhängigen sollten Einmalspritzen und Einmalnadeln verwendet bzw. alles unternommen werden, eine Entzugsbehandlung durchzuführen.
Genauere Beratungen erfolgen im Referenzzentrum für Hepatitis
A, B, C am Institut für Hygiene, an der Leberambulanz der Medizinischen Universitätsklinik und der Leberambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen
Universität Graz.
Univ.-Prof. Dr. JOHANN DEUTSCH
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde,
Graz, Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ)
[email protected]
40 ÄRZTE KRONE 3/07
Die International Association for the Study of Pain (IASP) hat das
Jahr zwischen Oktober 2006 und Oktober 2007 zum „Internationalen Jahr gegen Schmerzen beim älteren Menschen“ ausgerufen.
SCHMERZMESSUNG WIRD VERNACHLÄSSIGT
Eine verbreitete Ursache für die bei weitem nicht immer optimale Schmerztherapie sieht Univ.-Prof. Dr. Wilfried Ilias, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien, in der fehlenden oder unzureichenden Messung und Erfassung von Schmerzen. Nur 8% der
befragten Österreicher gaben in der oben zitierten Studie an, dass
in ihrem Fall eine Schmerzskala zur individuellen Schmerzmessung eingesetzt wurde; in Finnland waren es immerhin 20%. „Aus
schmerzmedizinischer Sicht sollte die Schmerzerfassung neben
der Messung von Körpertemperatur, Blutdruck und Puls unbedingt als weiteres Vitalzeichen in die Standarddokumentation aufgenommen werden“, fordert Ilias. Die verwendeten Schmerzskalen sind eine wissenschaftlich validierte, international angewandte Methode, die auch bei uns stärkere Verbreitung finden müsse.
Bewährt sind verbale Ratingskalen (VRS), numerische Ratingskalen (NRS) oder visuelle Analogskalen (VAS). Für Patienten, die
AKTUELLE ZAHLEN des „Survey of Chronic Pain in Europe“
zeigen u.a., dass 21% der Österreicher an chronischen Schmerzen
leiden, allerdings rund ein Drittel der chronischen Schmerzpatienten überhaupt nicht in Behandlung ist. 43% gehen davon aus, dass
„mein Arzt eher meine Krankheit behandeln würde als meine
Schmerzen“, und 28% „glauben, dass mein Arzt nicht weiß, wie
er meine Schmerzen kontrollieren soll“. Weiters geht aus der
Umfrage hervor, dass eine chronische Schmerzbelastung deutliche Auswirkungen auf Lebensqualität und Lebensführung hat: So
gaben 34% der Befragten an, „weniger als früher“ an gesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen zu können, 23% konnten „nicht
mehr“ Autofahren, 23% konnten „nicht mehr“ und 50% „weniger
als früher“ Sport betreiben, 22% waren „weniger als früher“ in der
Lage, Beziehungen zu Familie und Freunden aufrecht zu erhalten
und 19% konnten keine sexuellen Beziehungen mehr haben.
Experten der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) sind
sich einig, dass es in Sachen flächendeckender Schmerztherapie
noch viel zu tun gibt, und diskutierten zahlreiche aktuelle Aspekte und Neuerungen anlässlich der 6. Österreichischen Schmerzwochen, die von 23.10.–4.11. 2006 abgehalten wurden.
ihre Beschwerden nicht (mehr) verbalisieren und mit den standardisierten Skalen nicht umgehen können (z.B. Demenzpatienten,
behinderte Menschen und Kleinkinder), wurden spezielle Instrumente entwickelt, um Schmerzempfindung und -intensität anhand
von Beobachtungskriterien wie z.B. Atmung, negativer Lautäußerung und Gesichtsausdruck zu ermitteln.
CHRONOBIOLOGIE ERFORDERT CHRONOPHARMAKOLOGIE
Nicht nur Schmerzen und ihre Intensität weisen tagesrhythmische
Schwankungen auf, sondern auch die Wirkung und Pharmakokinetik von Arzneimitteln. Demzufolge muss, so Prof. Dr. Björn
Lemmer, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität
Heidelberg, nicht nur die richtige Menge der richtigen Substanz
an das richtige Zielorgan gelangen, sondern dies auch zur richtigen Zeit. Dass Schmerzempfindungen tageszeitlichen Schwankungen unterliegen, wird durch den Nachweis zirkadianer
Schwankungen in der Konzentration von Endorphinen und Enkephalinen im Gehirn gestützt. Das erklärt laut Univ.-Doz. Dr.
Rudolf Likar, Präsident der ÖSG, auch, dass bestimmte Lokalanästhetika, nichtsteroidale Analgetika und Opioidanalgetika tages-
In der Praxis nicht zu ersetzen ...
bei der Behandlung chronischer Schmerzen
ALTE MENSCHEN SIND SCHMERZTHERAPEUTISCH
OFT UNTERVERSORGT
„Ältere Menschen sind jene Bevölkerungsgruppe, die am häufigsten unter chronischen Schmerzen leidet, aber auch besonders der
Gefahr einer unzureichenden Behandlung ausgesetzt ist“, betont
Univ.-Prof. Dr. Michael Bach, Abteilung für Psychiatrie, LKH
Steyr und President elect der ÖSG. 80% der in Pflegeheimen
untergebrachten Menschen leiden zumindest zeitweise unter
Schmerzen, klagen aber weniger häufig darüber als jüngere. Eine
weniger aussagekräftige, weil eingeschränkte Mimik und Körpersprache sowie mangelnde Artikulationsfähigkeit (etwa bei
Demenz) tragen zur unbefriedigenden Beurteilung der Schmerzsituation bei. Zudem besteht insbesondere im Alter sehr häufig
eine Komorbidität mit Depression und dadurch bedingt ein signifikant höheres Chronifizierungsrisiko. Eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung beider Störungsbilder ist essenziell.
Zugelassene Änderung der Fachinformation, genehmigt am 21.10.2005
Patienten‚ die auf eine wirksame Dosis eingestellt worden sind‚ dürfen nicht ohne
Retitration und klinische Beobachtung von Durogesic Depotpflaster auf andere
transdermale Fentanyl-Präparate oder andere Opioid-hältige‚ transdermale Pflaster
umgestellt werden‚ da sonst eine Analgesie nicht gewährleistet werden kann bzw.
vermehrt Nebenwirkungen auftreten können.
Fachkurzinformation siehe Seite 56
FRAGE NACH DER SICHERHEIT STEHT IM VORDERGRUND
6. ÖSTERREICHISCHE
SCHMERZWOCHEN: Die
diskutierten Themen spannten
einen breiten Bogen von aktuellen
Zahlen zu Häufigkeit und Auswirkungen von Schmerzen über
deren Chronobiologie und Messung
bis hin zu innovativen pharmakologischen Optionen.
* Alle Stärken: Chronische Schmerzen, die durch starke orale Opioide nicht ausreichend behandelbar sind.
Zusätzlich bei Durogesic™ 12μg/h-Depotpflaster: – bei Kindern und Jugendlichen von 2 bis 18 Jahren /
– bei Erwachsenen ausschließlich zur Titration
www.janssen-cilag.at
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