Ärzte vom Regressrisiko befreien

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ARZNEIMITTELGESETZ
Ärzte vom Regressrisiko befreien
Falk Osterloh
D
as Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz
(AMVSG) wird in dieser Legislaturperiode
wohl das letzte große Gesetz im gesundheitspolitischen
Bereich werden. Lange hat es seine Schatten vorausgeworfen. Vor mehr als zwei Jahren trafen sich zum ersten Mal Vertreter dreier Bundesministerien unter anderem mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie, um
das Thema Arzneimittelpolitik in all seiner Komplexität einmal durchzusprechen. Im April 2016 legten die
Teilnehmer dieses Pharmadialoges dann einen Abschlussbericht vor, in dem sie unter anderem die Geheimhaltung des Preises vereinbarten, den der GKVSpitzenverband mit der Herstellerfirma für ein neues
Arzneimittel aushandelt.
Im nun vorliegenden Kabinettsentwurf des AMVSG
sind neben dieser auch diverse andere Regelungen vorgesehen, die sowohl das Verfahren nach Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) als auch andere
Bereiche der Arzneimittelpolitik teils sinnvoll erweitern. Die Ärzteschaft ist dabei insbesondere von zwei
Vorhaben betroffen. Zum einen soll es Krankenkassen
künftig untersagt werden, Rabattverträge mit Apotheken zur Herstellung von Zytostatika abzuschließen.
Dies hatten vor kurzem Apotheker und niedergelassene
Onkologen gefordert. Mit Erfolg!
Zum anderen soll der Gemeinsame Bundesausschuss
(G-BA) damit beauftragt werden, seine Beschüsse über
den Zusatznutzen neuer Arzneimittel so aufzubereiten,
dass sie in der Praxissoftware abgebildet werden können. Ziel sei es, Ärzten die im Rahmen der Nutzenbewertung gewonnenen Informationen über das Arzneimittel einfach zugänglich zur Verfügung zu stellen,
heißt es im Kabinettsentwurf. Der Hintergrund ist, dass
derzeit viele Arzneimittel verordnet werden, denen der
G-BA keinen Zusatznutzen bescheinigt hat. Unklar
bleibt allerdings, auf welche Weise die Informationen
sinnvoll dargestellt werden können – insbesondere
wenn man bedenkt, dass die Ärzte das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten müssen. Wenn aber künftig der
Preis eines neuen Medikaments geheimgehalten wer-
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 41 | 14. Oktober 2016
den soll, werden sie schlechterdings nicht wirtschaftlich verordnen können. Der unparteiische Vorsitzende
des G-BA, Prof. Josef Hecken, hat sich daher dafür
ausgesprochen, den Ärzten in der Praxissoftware ein
Preissignal zu geben, wie auch immer dies wiederum
aussehen könnte. Heikel ist an dieser Stelle, dass sich
das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorbehält,
„das Nähere“ zu den Beschlüssen des G-BA durch eine
Rechtsverordnung zu regeln „und dabei insbesondere
auch Vorgaben zu Hinweisen zur Wirtschaftlichkeit der
Verordnung“ zu machen. Heikel ist es deshalb, weil das
BMG der Pharmaindustrie während des Pharmadialogs
„zugesagt“ hat, „die Dialogpartner bei der Erarbeitung
eines entsprechenden Konzeptes zu beteiligen“, wie es
im Gesetzentwurf heißt. Wenn das BMG also „das Nähere“ zur Wirtschaftlichkeit von Verordnungen bestimmt, kann die Industrie dabei noch ein Wörtchen
mitreden.
Sinnvoll wäre es, Ärzte bei der Verordnung neuer
Arzneimittel komplett vom Regressrisiko zu befreien.
Zum einen würden sie dann möglicherweise eher neue
Arzneimittel mit Zusatznutzen verordnen – auch, wenn
diese teuer sein sollten. Und zum anderen wurde der
Preis vorher vom GKV-Spitzenverband ausgehandelt.
Folglich darf man davon ausgehen, dass der verhandelte Preis auch wirtschaftlich ist.
Falk Osterloh
Politische Redaktion
A 1781
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