Magische Pflanze und schmackhafter Alleskönner

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Fotos © E. & D. Kastner
72 Slow Food
03_2013
Magische Pflanze
und
schmackhafter Alleskönner
Wissen
Mit Kapern lassen sich nicht nur Königsberger Klopse und Vitello tonnato
würzen, auch in der Heilkunde finden sie Verwendung.
Hübsch anzusehen ist die Kapernpflanze außerdem, sie zählt zu den
vielseitigsten und außergewöhnlichsten Nutzpflanzenarten unserer Erde und
hat sich über Jahrtausende als wahrer Überlebenskünstler erwiesen.
In ihrem natürlichen Bestand an der Mittelmeerküste ist sie heute jedoch
durch den Tourismus vom Aussterben bedroht.
Von Jan Sneyd.
Bereits vor Jahrtausenden haben Menschen am Mittelmeer die grünen, bitteren
Knospen der wild wachsenden, zähen und ausdauernden Kapernpflanze mit Essig
und Salz zu gesunden, haltbaren und schmackhaften Gewürzkapern fermentiert. So
sind sie auch hierzulande bekannt. Aber damit erschöpfen sich die Verwendungsmöglichkeiten der Pflanze keineswegs. Genutzt werden neben den Knospen praktisch alle Pflanzenteile des Kapernstrauches: Die Früchte als „Äpfel“, die Samen als
Antioxidationsspender, aus den Blättern kann fermentierter Salat hergestellt werden, in der Kosmetik dienen Kapernextrakte als antibakterieller Hautschutz und zur
Behandlung bei Rötungen, die Blätter eignen sich als Viehfutter, die Stängel zur
Zahnreinigung und als Brennstoff, Rindenextrakte helfen bei Kapillarschwäche und
die ganze, meistens weiß blühende Pflanze kann als Zierstrauch oder als Erosionsschutz genutzt werden.
Vielseitige Heilkraft
Schon die alten Ägypter schätzten
die heilende Wirkung der Kapern-Inhalts­
stoffe. Die kaperneigenen Senföle und
Geschmacksstoffe Rutin und Quercetin
spielen dabei eine wesentliche Rolle. Sie
wirken entzündungshemmend, krampflö­
send und gefäßstärkend. Auch bei Grie­
chen, Römern und Arabern stand die
gesundheitsfördernde Kraft der KapernInhaltsstoffe hoch in der Gunst. Das An­
wendungsspektrum reichte von Arthritis,
Traumschön Kapernblüten lassen sich nur
bewundern, wenn sie vor dem Öffnen nicht
gepflückt werden. Für die Ernte müssen die
Knospen noch geschlossen sein.
Rheuma und Gicht, über Hämorride und
Zahnschmerzen bis zu Magengeschwü­
ren, Leber- und Milzbeschwerden. Die
Seefahrer beugten mit den Vitamin-C-rei­
chen Kapern einer Skorbuterkrankung vor.
Und selbst als Aphrodisiakum wurde die
Kapernpflanze genutzt.
Noch heute wird in manchen Mittel­
meerdörfern traditionell ein täglicher Ge­
nuss von zehn bis zwanzig Kapern und
einigen Kapernäpfeln, den samenreichen
Beeren der reifen Früchte, zur Stärkung
der Immunkräfte und Verdauung empfoh­
len. Kapernextrakte werden in der ayurve­
dischen und indischen Medizin vor allem
bei Hepatitis und als Antikarzinogen ver­
wendet. Medikamente zur Regeneration
der Leberzellen, bei Virushepatitis und
nach einer Chemo- und Bestrahlungs­
therapie werden weltweit in vielen Län­
dern eingesetzt und in der Schweiz so­
gar bei der Krebstherapie empfohlen. In
Deutschland sind sie allerdings nicht für
den Vertrieb zugelassen.
Weltweite Verbreitung
Der deutsche Name Kaper (altdeutsch
„Kapper“) ist wahrscheinlich auf das grie­
chische Wort „kapparis“ zurückzuführen.
In vielen Sprachen klingt es ähnlich: Caper (Englisch), Kapari (Türkisch), Kapersy
(Russisch), Kabar (Arabisch) oder Kapary
(Tschechisch). Botanisch zählen die Ech­
ten Kapern, die dornigen und auch dorn­
losen Genotypen, zu der artenreichen
Familie der Capparidaceae, die heute
weltweit verbreitet ist. Capparis spinosa
var. spinosa und ovata (Dorniger Kapern­
strauch) ist die wichtigste Art. Sie kommt
wild wachsend vor allem im Mittelmeer­
raum, aber auch vom Kaukasus bis in den
Himalaya vor. Bereits vor zweitausend
Jahren beschrieb Dioskurides in seiner
,,Arzneimittellehre“ die Kapernpflan­
ze als einen „...dornigen Strauch, kreisförmig sich über die Erde ausbreitend...
hat runde Blätter, Knospen, Blüten und
Früchte, die Körner enthalten. Wächst besonders auf rauen, mageren Stellen, Inseln und auf Ruinen. Seine Wurzeln reichen tief...“
Die Kapernpflanze hat in einer Jahrtausen­
de dauernden Evolution erstaunliche Fä­
higkeiten entwickelt und sich auch an ex­
trem heiße, felsige und trockene Standorte
angepasst und entsprechend verbreitet.
Vögel wie Möwen, Albatrosse und Tauben
tragen die reifen Samen über Inseln und
Küsten, aber auch durch Weidetiere wie Ka­
mele und Ziegen, die die reifen Samen mit
dem Kot ausscheiden, sowie durch Wind,
Samenausfall und fließendes Wasser er­
schließt sich die Pflanze neue Lebensräu­
me. Auch die Verbreitung der Samen durch
Wespen und Eidechsen ist dokumentiert
(siehe www.kapernbuch.de). Heute wer­
den Kapern immer häufiger in Plantagen
kultiviert und intensiv angebaut. In ihrem
natürlichen Bestand sind die ursprüng­
lichen, anspruchslosen, dornigen Kapern­
sträucher durch den zunehmenden Tou­
rismus und den damit verbundenen Bau
von Hotels, Straßen und Ferienanlagen
sowie das Bevölkerungswachstum an den
typischen meeresnahen Standorten vom
Aussterben bedroht. Slow Food unter­
stützt deshalb z. B. in Sizilien die Cappero di Salina mit einem Presidio. Auch die
Billigproduktion auf den Plantagen mit ge­
züchteten ertragreicheren, dornlosen und
genetisch einheitlichen Klonsorten trägt
zur Genverarmung bei. Diesen Gen-Ero­
sionsprozess konnte der Autor in mehr­
jährigen Forschungs- und Sammelreisen
deutlich beobachten.
kleine Gläschen mit Essig-Salz-Wasser-La­
ke, oft auch mit Öl und Kräutern. Die kleins­
ten Kapern (Nonpareilles) zählen zu den
wertvollsten und teuersten, die mittelgroß­
en (ca. 8 bis 12 Millimeter) sind aber die in­
haltsreicheren. Beim Kauf sollte aber auch
auf die Farbe, unbeschädigten Zustand,
Form und Gleichförmigkeit geachtet wer­
den. Eine Aufbewahrung ist zwei bis drei
Jahre möglich. Geöffnete Gläschen sollten
im Kühlschrank aufbewahrt werden; kna­
ckig, aromatisch und würzig schmecken sie
dann richtig. Manchmal aber auch zu salzig
oder zu sehr nach Essig, deshalb sollten sie
vor dem Verzehr abgewaschen werden.
Die Verwendung von Kapern in der Kü­
che ist äußerst vielfältig, durch ihre wür­
zigen Inhaltsstoffe geben sie vielen Gerich­
ten eine ganz besondere Note und machen
sie zu kulinarischen Spezialitäten. Die pi­
kanten kleinen Knospen lassen sich zu
zahlreichen Vorspeisen, in Salaten, Sup­
pen und Saucen, in Fleisch- und Fischspei­
sen verwenden, zum Garnieren und sogar
in Cocktails und als Nachspeise! Ob in der
Küche, ob als Heilpflanze oder als Überle­
benskünstler in der Natur – immer zeigt
sich die Kaper als beeindruckender Univer­
salist. Eine wahre Slow Food Pflanze! 10 000 Tonnen Weltverbrauch
Der Weltverbrauch von Kapern liegt bei
über 10 000 Tonnen, der der Kapern­äpfel
oder Riesenkapern bei etwa 1 000 Tonnen.
Erhältlich sind Kapern und Kapernerzeug­
nisse mittlerweile nicht nur in Speziali­
tätengeschäften, sondern auch im Super­
markt und auch als Bio- und Salzkapern.
Geerntet werden die weichen Kapernknos­
pen ab Juni bis Herbst, ein Strauch kann
fast zwei Kilogramm Knospen liefern, die
Kapernäpfel folgen später. Die alte tradi­
tionelle wie die moderne Verarbeitung be­
ginnt mit einer Reinigung, dann folgt die
mehrwöchige Fermentation (Reifezeit)
durch Milchsäurebakterien in einer Lake,
einem Essigbad oder in reinem Meersalz,
der gesündesten Art der Konservierung mit
hoher Würzkraft. Nach der Sortierung folgt
die Konservierung durch die Umfüllung in
Eduard und Doris Kastner: Kapern entdecken,
Kastner 2012, 76 Seiten, gebunden, 7,50 Euro,
www.kastner.de
Buchtipps
Jan Sneyd: Kapern und die Kapernpflanze in der
Natur, Küche, Heilkunde. Mit vielen kulinarischen
und gesundheitlichen Tipps,
BoD 2009, 160 Seiten, Taschenbuch, 14 Euro (auch als
E-Book, 7,99 Euro).
Bezugsquellen
www.ascimurat.com und www.kaparimarket.com
Mit zahlreichen Spezialitäten und gesundheitlichen
Empfehlungen.
www.rousso-shop.de Marke Delicias
Rezept Kapernpesto
Zutaten 1 Scheibe Toast- oder Weißbrot, 40 g gemahlene Mandeln, 80 g Butter, 1 großes Bund glatte
Petersilie (ca. 60 g), 50 g in Salz eingelegte und zuvor
gewässerte Kapern, 1 Knoblauchzehe, 2 EL Senf,
8 – 9 EL Olivenöl, Pfeffer.
1 Toast- oder Weißbrot würfeln, mit den gemahle­
nen Mandeln und 2 EL Olivenöl anrösten.
2 Die Mischung in einen hohen Becker, der sich
zum Pürieren eignet, geben und mit den Blättchen
von der Petersilie, den Kapern, der geschälten und
gepressten Knoblauchzehe und 6 – 7 EL Olivenöl
zugeben, alles fein pürieren. Mit frisch gemahlenem
Pfeffer abschmecken.
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