Glaukom ist gleicherhöhter Augeninnndruck.

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Glaukom ist gleicherhöhter Augeninnndruck. Von dieser einfachen Formel ist
man inzwischen abgerückt.
Heute ist bekannt, dass auch eine mangelnde Durchblutung des
Sehnervenkopfs und andere Faktoren beteiligt sind.
Erstaunlicherweise sind die „aktuellen“ Leitlinien zur Glaukomtherapie aus dem
Jahr 2009. Als Ursache des Glaukoms wird heute ein Missverhältnis von
Augeninnendruck (IOD) und Durchblutung des Sehnervs betrachtet. Bei
erhöhtem Blutdruck in den Gefäßen des Sehnervenkopfes kann ein hoher
Augeninnendruck toleriert werden. Bei niedrigem Durchblutungsdruck kann bereits
ein „normaler“ Augeninnendruck zur Entstehung und zum Fortschreiten eines
Glaukoms führen. Für den Krankheitsverlauf ist ein hoher IOD in Verbindung mit
einem niedrigem Perfusionsdruck im Sehnervenkopf besonders ungünstig.
Das primäre Offenwinkelglaukom (POWG) ist die am meisten verbreitete Form
dieser Augenkrankheit. Bei einem Glaukom wird nur in etwa 50 Prozent der Fälle
ein auffällig erhöhter Augeninnendruck gemessen. In den anderen Fällen handelt
es sich zumeist um ein Normaldruckglaukom. Neben der
altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) und der diabetischen Retinopathie ist
das Glaukom in den Industrienationen eine der häufigsten Erblindungsursachen
und in Deutschland der zweithäufigste Grund für Blindengeldbezug. Nach Angaben
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erblinden weltweit 4,5 bis 5 Millionen
Menschen durch das Glaukom.
Besser Tropfen als Lasern
Die Zahl der Glaukom-Patienten lag im Jahr 2012 bei etwa 972.000. Ein
Frühstadium des Glaukoms war bei 1.269.000 Patienten zu erkennen. Im von der
European Glaucoma Society (EGS) empfohlenen Therapiestufenplan steht die
medikamentöse Augeninnendrucksenkung vor der Laserchirurgie des
Trabekelwerkes und vor der Glaukomchirurgie. Der therapeutisch angestrebte
Augeninnendruck („Zieldruck“) soll sich nach den Empfehlungen der EGS nach
dem Ausmaß des bereits bestehenden Sehnervschadens, der Lebenserwartung
des Patienten, der Schnelligkeit der Progression sowie nach der Höhe des
unbehandelten Augeninnendrucks richten.
Viele Faktoren bestimmen Medikamentenauswahl
Gemäß der Leitlinie Nr. 15 a vom Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V.
und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. ist die
Medikamentenauswahl von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Dazu gehören
Wirksamkeit, Nebenwirkungen, Kontraindikationen der verschiedenen Pharmaka
und die individuelle Situation des Patienten. Ungewöhnlich für eine Leitlinie ist, dass
keine Empfehlungen und Präferenzen für bestimmte Wirkstoffgruppen
ausgesprochen werden. Nach Möglichkeit soll eine Mindestdrucksenkung um 20
Prozent gegenüber dem Ausgangswert durch ein einzelnes Medikament erreicht
werden.
Entsprechend der Richtlinie der EGS aus dem Jahr 2008 können Betablocker,
topischeCarboanhydrasehemmer, Alpha-2-Sympathomimetika und
Prostaglandinderivate als Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung des
chronischen Offenwinkelglaukoms angewendet werden. In den Richtlinien ist
festgehalten, dass das Ziel der Glaukomtherapie darin liegt, die Sehfunktion des
Patienten und die damit verbundene Lebensqualität zu vertretbaren Kosten zu
erhalten.
Weniger Wasser oder besserer Abfluss
Es bestehen zwei Therapieansätze, den Augeninnendruck medikamentös zu
senken:
1.
durch eine Verminderung der Kammerwasserproduktion mithilfe von:
Betablockern, Carboanhydrasehemmern und Sympathomimetika.
2.
durch die Verbesserung des Abflusses mithilfe
von Cholinergika/Parasympathomimetika, Prostaglandinanaloga oder Alpha-2Sympathomimetika.
Die Vorteile der Verbesserung des Abflusses sind eine Korrektur des
Abflussdefizites, welches eine intraokulare Druck-Erhöhung primär verursacht, und
ein besserer Schutz gegen IOD-Schwankungen. Die physiologische
Kammerwasserproduktion bleibt erhalten und ermöglicht so eine Ernährung
vonCornea und Linse sowie den Abtransport von Metaboliten.
Betablocker: Ausgeblockt?
Bei der Einführung des Betablockers Timolol im Jahr 1978 sprach man von einem
„Paradigmenwechsel in der Glaukomtherapie“. Alle Betarezeptorenblocker werden
maximal zweimal täglich verabreicht. Die initiale Gabe kann den Druck um bis zu 30
Prozent vom Ausgangsdruck senken. Betaxolol (Betoptima®) gehört zu den
selektiven β1-Antagonisten, von denen auch ein neuroprotektiver Effekt
angenommen wird. Es soll das Gesichtsfeld besser erhalten als
Timolol.Carteolol (Arteoptic®) ist ein Betablocker mit intrinsischer
sympathomimetischer Aktivität. Beide Stoffe sollen
weniger kardiale Nebenwirkungen aufweisen als Timolol. In den betagten Leitlinien
werden Betablocker immer noch als 1. Wahl geführt. In der Literatur hingegen
mehren sich die Negativmeinungen. Das pharmakritische „arznei-telegramm“ meint
dazu: „Betablocker fördern Augentrockenheit, können die Empfindlichkeit der
Hornhaut herabsetzen und eine Keratitis punctata hervorrufen. Betaxolol-Tropfen
brennen besonders oft beim Einträufeln (bei über 50%). Von Metipranolol raten wir
ab. Dieser Betablocker kann Entzündungen im Auge, insbesondere des
Ziliarkörpers (Uveitis) auslösen.“ Nachteilig ist auch, dass die nächtliche
Kammerwasserproduktion durch Betarezeptorenblocker nicht beeinflusst wird.
Pharmakritiker müssen halt kritisch sein, also alles halb so schlimm? Das Deutsche
Ärzteblatt setzte im Jahr 2004 noch einen drauf: “Betablocker sind nicht mehr
zeitgemäß. Über zwei Jahrzehnte waren Betablocker die Therapie der Wahl beim
Glaukom. In jüngster Zeit hat ihre Bedeutung allerdings abgenommen. Ein Grund
dafür ist, dass der Anfang der 70er-Jahre eingeführte Betablocker Timolol nach
einer Behandlungsdauer von zwei Jahren bei etwa der Hälfte der GlaukomPatienten an Wirkung verliert.
Demgegenüber ist mit dem Mitte der 90er-Jahre zugelassenen ProstaglandinAnalogum Latanoprost eine dauerhafte Senkung des Augeninnendrucks zu
erreichen; sein Nebenwirkungsspektrum ist günstiger“ Diese Aussage ist nunmehr
zehn Jahre alt und in den Leitlinien sind Betablocker noch immer Mittel der 1. Wahl.
Da auch bei lokaler Anwendung am Auge eine systemische Resorption stattfindet,
können bei prädisponierten Personen systemische Nebenwirkungen auftreten. Für
Patienten mit Asthma bronchiale oder bradykarden Herzrhythmusstörung sind die
Betablocker tabu. Es sind Todesfälle unter Asthmatikern dokumentiert. Um eine
systemische Resorption zu minimieren sollte nach der Applikation von BetablockerAugentropfen der Tränenkanal bei geschlossenem Auge für fünf statt für eine
Minute komprimiert werden.
Prostaglandin-Analoga: Einmal ist genug
Prostaglandinderivate sind seit 1997 auf dem Markt. Latanoprost war der erste
Vertreter der neuen Generation Antiglaukomatosa, drei weitere folgten.
Prostaglandinanaloga wirken multifaktoriell: Die trabekulären Maschen werden
größer, die Bindegewebsstreifen zwischen Ziliarmuskelfaser verbreitern sich, der
Ziliarkörper entspannt sich und wird weniger stark kontrahiert. Die Senkung des
IOD erfolgt hauptsächlich durch die Steigerung des uveoskleralen Abflusses. Mit
einer Senkung des Druckes um bis zu 40 Prozent gehört die Substanzklasse zu
den wirksamsten Vertretern. Im Gegensatz zu den anderen Wirkstoffen können die
Prostaglandin-Analoga den Augendruck auch während der Nacht deutlich senken.
Von großer Bedeutung ist, dass die Pharmaka nur einmal täglich angewendet
werden dürfen. Bei einer Gabe von mehr als einem Tropfen pro Auge nimmt die
Wirkung ab.
Wenn die Wimpern klimpern
Die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung ist eine okuläre Hyperämie.
Weiterhin wurde häufig über Augenjucken, Augenreizung, Sicca-Syndrom,
Augenliderythem, verschwommenes Sehen,Photophobie und Augenlidödem
berichtet. Prostaglandinderivate können einen teilweise irreversiblen Effekt auf die
Pigmentierung haben. Es kann zu einer Dunkelfärbung der Haut des Augenlids
kommen. Der Patient sollte darauf hingewiesen werden, nach dem Tropfen
überschüssige Flüssigkeit von der Haut abzuwischen. Möglich ist auch eine
verstärkte Irispigmentierung. Meist kommt es zu einer Zunahme des braunen
Pigmentanteils der Iris. Melanozyten lagern im Stroma der Iris mehr Melanin ein.
Betroffen sind meist mischfarbige Iriden wie blau-braun, grau-braun, gelb-braun und
grün-braun. Die Veränderung kann meist nach einigen Monaten der Behandlung
sichtbar werden, die Progression nimmt mit jedem Behandlungsjahr ab. Auch über
vermehrtes Wimpernwachstum wird berichtet. Müssen noch andere
mit Thiomersal konservierte Augentropfen angewendet werden, so ist ein Abstand
von fünf Minuten einzuhalten um eine Ausfällung des Wirkstoffs Latanoprost zu
verhindern. Augenarzt und Apotheker können durch eine ausführliche
Patientenberatung die Nebenwirkungen reduzieren.
Die Prostaglandinanaloga müssen teilweise gekühlt gelagert werden:

Travatan® (Travoprost) bleibt bei 30°C für 52 Wochen und bei 40°C für 24
Wochen stabil (ist also tropentauglich)

Xalatan® (Latanoprost ) soll dauerhaft bei 2-8° Celsius gelagert werden, bis
zu 4 Wochen bleibt es bei einer Temperatur bis zu 25° stabil.

Taflotan sine® (Tafluprost) muss gekühlt gelagert werden, kann aber bis zu 4
Wochen bei einer Temperatur bis zu 25° aufbewahren (kumulativ)
Neuer ist nicht immer besser, so sieht es auch das „arznei-telegramm“: „Der
Prostaglandin-F2α-Abkömmling Bimatoprost senkt den Augeninnendruck etwas
stärker als das Erstwahlmittel Timolol. Er wird aber lokal deutlich schlechter
vertragen als Timolol und das ältere Prostaglandinderivat Latanoprost. Die
Langzeitsicherheit ist nicht überschaubar. Wir sehen keinen Verordnungsgrund.“
Carboanhydrasehemmer: oldie but goldie
Carboanhydrasehemmer wie Brinzolamid und Dorzolamid senken den
Augeninnendruck durch selektive Blockade der Carboanhydrase II, die für die
Neubildung des Kammerwassers verantwortlich ist. Der Sauerstoff- und
Kohlendioxidaustausch in den roten Blutkörperchen wird gebremst, der Zilliarkörper
bekommt zu wenig Sauerstoff und reduziert die Produktion von Kammerwasser.
Der Augeninnendruck wird bis zu 20 Prozent reduziert. Die Substanzen haben
außerdem eine positive Wirkung auf die Durchblutung des Sehnervkopfes. Bei
Therapiebeginn kann eine Verbesserung der Ergebnisse in der
Gesichtsfelduntersuchung auftreten. Nachteilig ist ein bitterer, metallischer
Geschmack und lokale Reizerscheinungen. Brinzolamid brennt nicht so stark und
muss nur zweimal täglich verabreicht werden, Dorzolamid dreimal. Da die
Carboanhydrase auch im Endothel der Hornhaut vorkommt, sollen Hemmstoffe
dieses Enzyms bei Hornhauterkrankungen nur mit Vorsicht eingesetzt werden. Eine
Kombination mit Betablockern oder mit Prostaglandin-Analoga bringt zusätzliche
drucksenkende Effekte. Sie werden zweimal täglich als Augentropfen angewendet.
Alphablocker – kein Alphatier
Seit Februar 1998 ist der Alpha-2-Agonist Brimonidin zur Behandlung des
Glaukoms zugelassen, wenn Betablocker nicht vertragen werden oder
kontraindiziert sind. Weitere Substanzen dieser Wirkstoffklasse sind Apraclonidin
(Iopidine®), Clonidin (Isoglaucon®) und Dipivefrin (Glaucothil®). Zweimal täglich
eingeträufelt, wirkt 0,2-prozentiges Brimonidin ebenso gut wie 0,5-prozentiges
Timolol. Typische Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Blutdrucksenkung und
häufige allergische Reaktionen. Die US-Arzneimittelbehörde FDA erteilte die
Zulassung für eine Kombination von 1 Prozent Brinzolamid und 0,2 Prozent
Brimonidin. Der Carboanhydrasehemmer und der Alpha-2-Agonist wirken laut
Studien gemeinsam besser als alleine, haben aber zusammen keine größeren
Nebenwirkungen. Mit einer Zulassung in Deutschland wird für das Jahr 2014
gerechnet.
Parasympathomimetika – nur noch im Anfall
Pilocarpin ist seit dem Jahr 1870 als augeninnendrucksenkendes Medikament
bekannt, erhältlich in den Konzentrationen 0,5 bis 6 Prozent. Es bewirkt eine IODSenkung von etwa 20 Prozent. Pilocarpin greift direkt am Musculus sphincter
pupillae an und verengt die Pupille mit Aufweitung des Kammerwinkels und
verbessert den Abfluss des Kammerwassers. Die Engstellung der Pupille wird oft
als störend empfunden und kann schmerzhaft sein. Nachteilig ist auch die häufige
Applikation, bis zu 4 mal täglich muss der Patient zum Fläschchen greifen. Beim
Engwinkelglaukom oder beim Glaukomanfall, bei dem in der Regel die Irisbasis den
Kammerwinkel verlegt, ist Pilocarpin Mittel der ersten Wahl geblieben.
Die Warnung vor phosphathaltiger Pufferlösung hat unter Patienten großes
Misstrauen hervorgerufen. Augentropfen und Augengele, die Phosphatpuffer
enthalten, können an vorgeschädigter Hornhaut zu einer irreversiblen Calcifizierung
mit Einbußen der Sehfähigkeit führen. Davor warnt das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Bei gesunder Hornhaut ist die
Anwendung aber unbedenklich. Das BfArM betont, dass Phosphatpuffer-haltige
Ophthalmika millionenfach angewendet werden, ohne dass es zu unerwünschten
Wirkungen an der Hornhaut kommt. Dass bei intakter Hornhaut ein Risiko bestehe,
sei auf Grundlage der verfügbaren Daten sehr unwahrscheinlich. Ein Verzicht auf
diese Puffer ist nicht erforderlich.
von Matthias Bastigkeit
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