Lösung zu Blatt 9 - Fakultät für Physik

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Fakultät für Physik der LMU München
Lehrstuhl für Kosmologie, Prof. Dr. V. Mukhanov
Übungen zu Klassischer Mechanik (T1) im SoSe 2011
Blatt 9. Bewegung starrer Körper- Lösungsvorschlag
Aufgabe 9.1. Trägheitstensor eines Quaders
a) Berechnen Sie den Trägheitstensor eines homogenen Quaders der Masse m mit den Seiten der
Länge a, b und c, die parallel zu den Achsen x, y und z ausgerichtet sind. Der Schwerpunkt liegt im
Ursprung des Koordinatensystems.
b) Betrachten Sie nun den Spezialfall a = b und geben Sie den Trägheitstensor im Koordinatensystem
an, in dem der Schwerpunkt weiterhin im Ursprung liegt, der Quader aber so gedreht ist, daß die
Kante der Länge c parallel zum Vektor (1, 0, 1) verläuft und eine Kante der Länge a parallel zur
Achse y ist.
Lösung.
a) Berechnen wir zuerst die Komponente Θ xx :
Θ xx =
Z
a
2
Z
b
2
dx
− a2
c
2
Z
dy
− b2
− 2c
b2 + c2
dz ρ y2 + z2 = m
;
12
und Θ xy = Θ xz = ... = 0, da der Körper entlang der Hauptachsen ausgerichtet ist. Die anderen
Komponenten bestimmen wir aus der Symmetrie, indem wir (a, b, c) zyklisch vertauschen. Deshalb

 2
0
0 
b + c2
m 

 0
a2 + c2
0  .
Θ=


12
0
0
a2 + b2
b) Der Trägheitstensor nach der xz-Rotation
 1
 √
 2
R =  0
 1
−√
2
0
1
0

√1 

2

0 

√1 
2
kann durch Matrixprodukte berechnet werden,
 2
2
2 
3a + c2
0
a − c 
m

 0
0  .
2 a2 + c2
Θ0 = RΘRT =
24  2

a − c2
0
3a2 + c2
Für den Fall a = b = c, ergibt sich eine Identitäts-Matrix wie erwartet.
Aufgabe 9.2. Überkippen eines Würfels
Ein homogener Würfel der Kantenlänge a und der Masse m gleitet zunächst mit konstanter Geschwindigkeit v0 auf einem glatten horizontalen Tisch. (Vier Kanten des Würfels sind parallel zum Geschwindigkeitsvektor). Eine Schwelle von vernachlässigbarer Höhe (und mit etwas klebrigem Kaugummi daran)
stoppt dann die vordere, untere Kante des Würfels.
a) Bestimmen Sie die Winkelgeschwindigkeit unmittelbar nach dem Anstoßen. Um welchen Betrag
vermindert sich die kinetische Energie beim Anstoßen?
b) Welche Grenzgeschwindigkeit vg trennt die Fälle des Zurückfallens und des Überkippens des Würfels?
Hinweis: Ein Würfel mit der Kantenlänge a und Masse m hat bezüglich einer kantenparallelen Achse
durch den Schwerpunkt das Trägheitsmoment Θ0 = 16 ma2 . Das Trägheitsmoment um eine hierzu parallele
Achse mit Abstand l ist durch den Satz von Steiner gegeben. Die Rotationsenergie ist T rot = 12 Θω2 und
der Drehimpuls ist L = Θω. Vernachlässigen Sie Energieverluste durch den Kaugummi nach dem Stoß.
Lösung.
√
a) Der Satz von Steiner (mit Achsenabstand a/ 2) ergibt das Trägheitsmoment,
a
1
Θ = ma2 + m √
6
2
!2
=
2ma2
.
3
Der Drehimpuls bezüglich der Schwelle ist während des Stoßes erhalten:
mv0
a
3 v0
= Θω ⇒ ω =
.
2
4a
Die kinetische Energie T nach dem Stoß ist geringer als vor dem Stoß,
1
1
5
T − T 0 = Θω2 − mv20 = − mv20 .
2
2
16
b) Überkippen passiert wenn der Würfel sich um eine Winkel größer als 45◦ dreht. Da der Kaugummi
◦
keine Energie mehr absorbiert, wird√die Energie nach dem Stoß erhalten. Bei der Rotation
√ um45
erhöht sich der Schwerpunkt um a/ 2−a/2 und die potentielle Energie um ∆V = mga 2 − 1 /2.
Im Grenzfall wird die gesamte verbliebene kinetische Energie T = (3/16)mv20 dafür aufgebraucht:
√
2−1
8ag
.
3
s
T = ∆V ⇒ vg =
2
Aufgabe 9.3. Federrolle
1111
0000
0000
1111
0000
1111
Eine massive Rolle (homogene Scheibe mit dem Radius R und Masse M) ist an einer Feder ( und mit
Federkonstante K) und einem masselosen Seil der
Länge L aufgehängt. Eine Masse m hängt von der
Achse der Rolle (siehe Abbildung). Sämtliche Bewegung ist nur entlang der Vertikale (z-Achse) möglich.
Es wirkt das Erdschwerefeld; das Seil gleitet nicht an
der Rolle (statische Reibung ohne Energieverlust). In
der Anfangsposition wird die Rolle so festgehalten,
dass die Feder ungespannt ist.
z
a
M
m
a) Stellen Sie die Lagrange-Funktion des Systems auf. Wieviele Freiheitsgrade hat das System?
Hinweis: Bestimmen Sie zunächst die Beziehung zwischen dem Rotationswinkel φ der Rolle und
der z-Koordinate des Schwerpunktes der Rolle, sowie zwischen z und der Längenveränderung ∆L
der Feder. In der Anfangsposition sei z = 0.
b) Bestimmen Sie die Gleichgewichtslage des Systems.
c) Leiten Sie die Bewegungsgleichung her und bestimmen Sie die Lösung anhand der gegebenen
Anfangsposition.
Lösung.
a) Die Länge ∆z ist gleich der Länge des Kreissegmentes mit Radius R und Winkel φ. Der
Rotationswinkel φ ist mit der Höhe z deshalb durch z = φR verbunden. (Dabei φ in Radian!)
Die Länge des Seils ist fixiert; die Länge der (gespannten) Feder plus 2z ist also eine Konstante.
Am Anfang ∆L = 0 und z = 0. Deshalb ∆L = −2z.
Die kinetische Energie der Scheibe ist
1 2 1 2
Mż + I φ̇ ,
2
2
wobei I = 12 MR2 . Die kinetische Energie der Masse m ist 12 mż2 . Die potentielle Energie der Masse
m und der Scheibe ist (m + M)gz. Die potentielle Energie der Feder ist
1
K (∆L)2 = 2Kz2 .
2
Die Lagrangefunktion ist deshalb
!
2
3
1 2 1 2 1
1
2 ż
2
m + M ż2 − (m + M) gz − 2Kz2 .
L = mż + Mż + MR
− (m + M) gz − 2Kz =
2
2
4
R
2
2
Das System hat nur einen Freiheitsgrad, den wir als z(t) gewählt haben.
b) Die Gleichgewichtslage ist das Minimum der potentiellen Energie. Also
− (m + M) g − 4Kz = 0,
das heisst,
z0 = −
3
m+M
g.
4K
c) Die Bewegungsgleichung ist
!
3
m + M z̈ + 4Kz = − (m + M) g;
2
z(0) = 0, ż(0) = 0.
Die allgemeine Lösung ist
m+M
z(t) = −
g + A cos (ωt + α) ,
4K
s
ω=
4K
.
m + 32 M
Die Anfangsbedingungen ergeben α = 0 und A = m+M
4K g. Also ist die Lösung


 s


m + M 
4K
 .
g 1 − cos t
z=−
4K
m + 32 M 
Aufgabe 9.4. Rollenschwingung
Ein homogener Zylinder mit dem Radius a rollt ohne
zu gleiten in einer zylindrischen Fläche vom Radius
R mit R > a, so daß die beiden Zylinderachsen parallel sind (siehe Skizze). Zu berechnen ist die Schwingungsdauer kleiner Schwingungen. Die Lösung ist in
folgende Schritten aufgeteilt.
y
φ
a
R
x
a) Die Position des rollenden Zylinders sei mit dem Winkel φ beschrieben (siehe Skizze), und die
Drehung des Zylinders um seine Achse mit dem Winkel θ. Finden Sie die mathematische Beziehung
zwischen φ̇ und θ̇, die das “Rollen ohne zu gleiten” beschreibt.
b) Berechnen Sie die Koordinaten des Schwerpunktes des rollenden Zylinders als Funktion des Winkels φ.
c) Berechnen Sie das relevante Trägheitsmoment des rollenden Zylinders.
d) Geben Sie die Lagrange-Funktion in Abhängigkeit von der verallgemeinerten Koordinate φ an.
e) Leiten Sie die Euler-Lagrange Gleichung für φ(t) her.
f) Bestimmen Sie die allgemeine Lösung dieser Gleichung für φ 1 (harmonische Näherung).
g) Geben Sie die Schwingungsdauer an und vergleichen Sie diese im Limes a → 0 mit der Schwingungsdauer eines mathematischen Pendels mit der Seillänge R.
Lösung.
a) Wenn φ der angegebene Winkel und θ der Rotationswinkel des Zylinders sind, dann
betrachten wir die lineare Geschwindigkeit des Zylinderschwerpunktes. Einerseits, ist diese Geschwindigkeit gleich v = (R − a) φ̇. Andererseits, dreht sich der Zylinder mit Winkelgeschwindigkeit θ̇. Der Punkt, an dem der Zylinder die Oberfläche berührt, soll in Ruhe bleiben. Die Geschwindigkeit dieses Punktes ist v − aθ̇. Deshalb
(R − a) φ̇ = aθ̇.
4
Diese ist die gesuchte Beziehung.
b) x s = (R − a) sin φ, y s = a + (R − a) (1 − cos φ).
c) Θ =
ma2
2
(Aufgabe 1).
d) Die kinetische Energie setzt sich aus Translations- und Rotationsenergie zusammen:
1
m 2
L = T trans + T rot − V =
ẋ s + ẏ2s + Θθ̇2 − mgy s
2
2
m
m
2
2
2
(R − a) + (R − a) φ̇ + mg (R − a) cos φ + const
=
2
4
3m
(R − a)2 φ̇2 + mg (R − a) cos φ + const.
=
4
e) Die Bewegungsgleichung ist
d ∂L ∂L
3
m (R − a)2 φ̈ =
= −mg (R − a) sin φ.
=
2
dt ∂φ̇ ∂φ
f) Da sin φ ≈ φ, erhalten wir φ̈ + ω2 φ = 0, wobei
ω2 =
2 g
.
3R−a
Die Lösung ist φ (t) = φ0 cos (ωt + α0 ).
g) Schwingungsdauer:
s
2π
= 2π
T=
ω
3 (R − a)
2g
p
Der Limes a → 0 ergibt T → 2π 3R/(2g).
p
Beim mathematischen Pendel ist T = 2π R/g. Also wird der Zylinder aufgrund seiner Rotation
etwas langsamer beschleunigt.
5
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