Zusammenfassung des Studienprotokolls Titel: Dosisintensivierte Bestrahlung bei Patienten mit Prostatakarzinom und PSAWiederanstieg nach Prostataentfernung Protokoll-Nummer: SAKK 09/10 Hintergrund der Studie: Nach radikaler Prostatektomie kommt es bei etwa 25 - 40% der Patienten innerhalb von 10 Jahren zu einem Wiederanstieg des prostataspezifischen Antigen (PSA)-Wertes (biochemisches Rezidiv). Momentan werden zwei Hauptstrategien verfolgt, um die Tumorkontrolle nach radikaler Prostatektomie zu verbessern: Die adjuvante Bestrahlung (bei Vorhandensein von Risikofaktoren wie z.B. Kapseldurchbruch, R1-Situation), und die Salvage-Bestrahlung (bei erfolgtem biochemischen Rezidiv). Der optimale Zeitpunkt der postoperativen Bestrahlung (adjuvant oder salvage) wird gegenwärtig in grossen randomisierten Studien untersucht. Eine begleitende Hormontherapie ist zurzeit weder für die adjuvante noch für die Salvage-Bestrahlung etabliert. Die in der Salvage-Situation benötigte Bestrahlungsdosis ist unklar und variiert zwischen 64 und 70 Gy. Aufgrund von retrospektiven Daten ist davon auszugehen, dass pro Gy Dosiszunahme eine Erhöhung der biochemischen Kontrolle (nach 5 Jahren) um etwa 3% erreicht werden kann. Der Einfluss der Dosisintensivierung auf Toxizität und Lebensqualität ist nicht abschliessend geklärt. Der Nutzen einer dosisintensivierten Salvage-Bestrahlung wird im Rahmen der vorliegenden randomisierten Studie überprüft. Hypothese: Die Studie soll zeigen, dass eine Salvage-Bestrahlung mit 70 Gy im Vergleich zu 64 Gy zu einer signifikanten Erhöhung des biochemischen progressionsfreien Überlebens führt. Siehe Abschnitt „Begründung der Patientenzahl“ für Details. Ziel dieser Studie: Sollte sich die Dosisintensivierung als wirksam und verträglich erweisen, werden die Ergebnisse dieser Studie eine neue Standarddosis für die Salvage-Bestrahlung etablieren. Die Verträglichkeit der beiden Bestrahlungsdosen wird anhand der erfassten Toxizitäts-, und Lebensqualitäts-Daten beurteilt. Primärer Endpunkt: Biochemische Progressionsfreiheit Sekundäre Endpunkte: • • • • • • Klinisches progressionsfreies Überleben Zeit bis Hormonbehandlung Prostatakrebsspezifisches Überleben Gesamtüberleben Akut- und Spättoxizität des Verdauungs-, Harn- und Geschlechtsapparats Lebensqualität SAKK 09/10 Protokollsynopsis, SAKK Version 1 vom 29.11.2010 Page 1 of 3 Studiendesign: Randomisierte multizentrische Phase III Studie mit zwei Behandlungsarmen. Biochemisches Rezidiv nach Prostatektomie ohne makroskopischen Tumornachweis Randomisierung stratifiziert durch: • Gleason Score • pT Stadium • Lymphadenektomie • Persistierender PSA-Wert nach Prostatektomie • PSA-Wert bei Randomisierung • Zentrum • Radiotherapietechnik Arm A: 64 Gy (32 x 2 Gy) ohne Hormonbehandlung Nachsorge Arm B: 70 Gy (35 x 2 Gy) ohne Hormonbehandlung Ein- und Ausschlusskriterien Versuchspersonen: • • • • • • • Adenokarzinom der Prostata ohne Lymphknotenbefall (pN0 oder cN0) nach radikaler Prostatektomie (pT2a-3b, R0-1) PSA-Rezidiv ohne makroskopischen Tumornachweis PSA ≤ 2 ng/mL Persistierender PSA Wert nach Prostatektomie > 0.4 ng/mL Keine Metastasierung Patienten in gutem Allgemeinzustand ohne schwerwiegende Begleiterkrankungen Keine vorhergehende oder begleitende Behandlung mit Hormontherapie, Kastration oder Bestrahlung im Bereich des Beckens Studienablauf (Untersuchungen studienspezifisch/-unspezifisch) Untersuchungen vor der Behandlung Vor Durchführung der Bestrahlung wird eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Beckens (alternativ eine Computertomographie, CT) sowie falls klinisch indiziert ein Skelettszintigraphie durchgeführt. Ausserdem wird eine körperliche Untersuchung inklusive Rektaluntersuchung und PSA-Bestimmung durch den behandelnden Strahlentherapeuten durchgeführt. Eventuell bestehende Beschwerden des Harn- und Geschlechtsapparates und des Magen-Darm-Traktes sowie die Lebensqualität vor Behandlung werden auf speziellen Fragebögen erfasst. Teile des bei der Prostataentnahme entnommen Gewebes werden zur Qualitätssicherung von einem darauf spezialisierten Pathologen untersucht. Daher wird das hierfür benötigte Gewebe an die Referenzpathologie (Institut für Pathologie, Universität Bern, Schweiz) geschickt. Nach Durchführung der Qualitätskontrolle wird das Gewebe wieder zurück gesendet. Untersuchungen während der Behandlung Es werden die bei einem bösartigen Prostatatumor üblichen Untersuchungen während der Behandlung durchgeführt. Zusätzliche Untersuchungen aufgrund der Studie fallen nicht an. Während der Bestrahlung erfolgen wöchentliche Kontrollen durch den behandelnden Strahlentherapeuten. Es wird festgestellt, ob Nebenwirkungen am Harn- und Geschlechtsapparat und Magen-Darm-Trakt aufgetreten sind und wenn ja, wie ausgeprägt diese Nebenwirkungen sind. Untersuchungen nach der Behandlung Es werden die bei einem bösartigen Prostatatumor üblichen Untersuchungen nach der Behandlung durchgeführt. Im ersten Jahr erfolgen Kontrolluntersuchungen jeweils 3, 6 und 12 Monate nach Abschluss der Bestrahlung, anschliessend werden diese Kontrolluntersuchungen halbjährlich durchgeführt bis 3 Jahre nach Abschluss der Bestrahlung, anschliessend jährlich bis etwa 10 Jahre nach Abschluss der Bestrahlung. Bei jeder dieser Kontrollen erfolgt eine körperliche Untersuchung inklusive Rektaluntersuchung, Erfassung etwaiger Nebenwirkungen sowie eine PSA-Bestimmung. Anlässlich dieser Kontrollen wird ebenfalls die Lebensqualität erfasst. Dies erfolgt 3 Monate nach Abschluss der Bestrahlung sowie jährlich bis 5 Jahre nach Abschluss der Bestrahlung. Die Durchführung von weiterführenden Abklärungsuntersuchungen wie z.B. MRT, CT, Skelettszintigraphie, andere Röntgenuntersuchungen, oder Gewebeentnahme durch Stanzbiopsie sind nicht regelmässig SAKK 09/10 Protokollsynopsis, SAKK Version 1 vom 29.11.2010 Page 2 of 3 vorgesehen. Diese und weitere Untersuchungen können durchgeführt werden, wenn der behandelnde Strahlentherapeut dies für sinnvoll hält. Statistisches Auswertungskonzept: Endpunkte, die eine Zeit bis zum Ereigniseintritt untersuchen, werden durch Kaplan-Meier-Analysen beschrieben. Akute und späte Nebenwirkungen der Behandlung werden prozentual und nach Häufigkeit des Auftretens ausgewertet. Mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests werden die Toxizitäten zwischen Standard- und Experimentalbestrahlung verglichen. Die Lebensqualität wird deskriptiv und durch passende statistische Methoden analysiert. Begründung der Patientenzahl: Basierend auf dem primären Endpunkt „Biochemische Progressionsfreiheit“ wurde die Patientenzahl berechnet. Bei einer Power von 80% und einem Signifikanzlevel von 5% werden 250 Patienten benötigt. Risiken/Belastungen/Unannehmlichkeiten: Bei der Bestrahlung des Prostatabetts treten typischerweise gehäufter Stuhlgang und verstärkter Harndrang als Akutreaktion während der Bestrahlungszeit auf. Darüber hinaus kann es zur Hautrötung, häufigeren Blasenentleerungen, Brennen beim Wasserlassen, Harnstrahlabschwächung, rektalen Reizerscheinungen (Schleimabgang, selten Durchfall) und selten unwillkürlichem Urinverlust kommen. Diese Akutnebenwirkungen bilden sich in der Regel nach dem Ende der Bestrahlung komplett zurück. Ebenfalls ist ein vorübergehender Haarverlust im bestrahlten Hautareal möglich. Als Spätfolgen können gelegentlich chronische Reizungen des Darmes und der Blase auftreten, die jedoch dann meist keinen schweren Verlauf nehmen. Auch Wundheilungsstörungen bei evtl. späteren Operationen oder Verletzungen im bestrahlten Gebiet sind möglich. Sehr selten sind ernstere Nebenwirkungen wie eine Einengung der Harnröhre, Fisteln, Verklebungen und Verengungen von Darmschlingen sowie Geschwüre im Enddarm, die im Extremfall zur Anlage eines künstlichen Darmausganges führen können. Extrem selten sind Veränderungen des Knochengewebes im Bestrahlungsgebiet. Ausserdem sind andere seltene, ungewöhnliche oder sogar bisher unbekannte Nebenwirkungen möglich. Das Auftreten von behandlungsbedingten Symptomen, die die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen, ist nicht zu erwarten. Da es durch die Behandlung zu einer Störung der Spermienbildung kommen kann, müssen Männer eine Zeugung während und bis 6 Monate nach der Behandlung durch geeignete Verhütungsmassnahmen (Verwendung von Präservativ, Kondom) verhindern. Referenzen: Dies ist eine Studie der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK). Die Studie wird von Dr. med. Pirus Ghadjar, Inselspital Bern, geleitet. 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