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Teil 2/3 Zoonosen Spezial
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Zoonosen in der Rinderpraxis
In diesem Überblick wird sowohl auf die Infektionsmöglichkeiten durch Rinder wie auch auf das Infektions- und Intoxikationsrisiko, welches von Lebensmitteln vom Rind (Fleisch, Milch) ausgehen kann,
eingegangen.
von OVR Univ. Doz. Dr. Armin Deutz
Tierärzte gelten hinsichtlich des Erwerbs von Zoonosen aufgrund
ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nur als besonders exponierte
Berufsgruppe, sondern sie tragen auch eine große Verantwortung in der Kontrolle der Nutztierbestände auf Zoonosen sowie in der Aufklärung der Tierhalter und Konsumenten über
Infektions- und Intoxikationsmöglichkeiten. Die in Österreich
häufige Direktvermarktung von Milch- und Fleischprodukten
erhöht den Informationsbedarf aller Beteiligten.
Wichtige in Mitteleuropa vorkommende Zoonosen beim Rind
1. Bakterielle Zoonosen: Borreliose (Borrelia burgdorferi), Brucellose (Brucella abortus), Campylobacteriose (thermophile
Camylobacter spp.), Leptospirose (Serovare von Leptospira interrogans), Milzbrand (Bacillus anthracis), Q-Fieber
(Coxiella burnetii), Chlamydiose (Chlamydia psittaci), Salmonellose, Tuberkulose (Mycobacterium bovis, M. tuberculosis,
best. Serovare von M. avium)
2. Mykotische Zoonosen: Trichophytie (Trichophyton verrucosum)
3. Parasitäre Zoonosen: Babesiose (Babesia divergens), Fasziolose (Fasciola divergens), Kryptosporidiose (Cryptosporidium
parvum, C. muri), Zystizerkose (Taenia saginata)
4. Virale Zoonosen: Frühsommermeningoenzephalitis, Melkerknoten, Stomatitis papulosa (Parapockenviren), Metzgerpappilom (Papillomvirus 7), Rindergrippekomplex (Adeno- und
Parainfluenza-3, RSV, Ö)
5. Humanpathogene Mikroorganismen in Rohmilch: Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, S. agalactiae, Coxiella burnetii, E. coli, Salmonella ssp., Yersinia enterocolitica,
Campylobacter jejuni, Listeria monocytogenes, Brucella ssp.,
Mycobacterium ssp. usw.
Tierärzte haben Anzeigepflicht In der Rinderpraxis sind ne-
ben bakteriellen, mykotischen, parasitären und viralen Zoonosen
zunehmend Infektionen im Zusammenhang mit dem Konsum
von Rindfleisch und von Rohmilch von Interesse. Nach dem
Epidemiegesetz BGBl. Nr. 186/1950 i.d.g.F. sind u.a. Tierärzte
zur Anzeige verpflichtet bei Milzbrand, Psittakose, Rotz, Puerperalfieber, Wutkrankheit und Bissverletzungen durch wutkranke
oder wutverdächtige Tiere, Tularämie, Bangscher Krankheit, Trichinose, Leptospirose, Tuberkulose, hervorgerufen durch M. bovis
und Infektionen mit dem Influenzavirus A/H5N1 oder einem
anderen Vogelgrippevirus, wenn sie in Ausübung ihres Berufes
von der erfolgten Infektion eines Menschen oder dem Verdacht
einer solchen Kenntnis erlangen.
1. Bakterielle Zoonosen Von der Vielzahl bakterieller Zoonosen
sind im Zusammenhang mit der Rinderpraxis in unseren Breiten folgende von Bedeutung: Q-Fieber, Chlamydiose, Leptospirose und Borreliose. Daneben muss mit dem Ausbruch längst
erloschener Tierseuchen, wie z.B. Milzbrand, Tuberkulose oder
Brucellose, gerechnet werden. Diese Tierseuchen wurden jahrzehntelang hauptsächlich wegen ihrer Übertragbarkeit auf den
Menschen bekämpft. Die großen Erfolge in Europa zeugen von
einer konsequenten Tierseuchenbekämpfung sowie von strengen
Importbestimmungen in der Vergangenheit. In der Umstellung auf
den freien Warenverkehr innerhalb europäischen Gemeinschaft
mit dem Ersatz tierärztlicher Grenzkontrollen durch Kontrollen
des Herkunftsbestandes und stichprobenweisen Kontrollen am
Transport bzw. am Bestimmungsort ist in der nationalen Überwachung darauf zu achten, dass dieser mühsam und teuer erworbene
günstige Seuchenstatus Österreichs erhalten bleibt.
Milzbrand Am Milzbrand konnte Robert Koch 1876 erstmals die
Ätiologie einer Infektionskrankheit beweiskräftig klären, nachdem
bereits Ende des 18. Jahrhunderts in München Übertragungsversuche durchgeführt wurden. Rein empirisch erkannte man schon
viel früher die Übertragbarkeit, was beispielsweise schon 1732 in
Sachsen zu Bekämpfungsvorschriften führte. Ein Risiko von Neuausbrüchen geht hauptsächlich von alten Verscharrungsplätzen,
Wasenmeistereien und Gerbereistandorten aus, daneben ist auch
die Einschleppung über importierte Tierfelle, -haare und Knochen
möglich. In den „alten Bundesländern“ der BRD erkrankten von
1962 bis 1980 113 Menschen an Milzbrand, wobei es sich seit
1968 um max. 1 bis 5 Fälle/Jahr handelt und auch nur mehr Hautmilzbrand und nicht Darm- oder Lungenmilzbrand nachgewiesen
wurde (Selbitz u. Bisping, 1995). Im Dezember 2005 erkrankte
ein Landwirt in Südtirol, nachdem er akut erkrankte Rinder ohne
Schlachttieruntersuchung selbst schlachtete (Kreidl et al., 2007).
Milzbrand ist auch im Zusammenhang mit „Biowaffen“ und bioterroristischen Anschlägen zu berücksichtigen.
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Trichophythie
Abb. 1: Rinder in ganzjähriger Stallhaltung erkranken
häufiger an Trichophythie.
Abb. 2: Für Kinder ist die Infektionsgefahr hoch.
Abb. 3: Schwerer Fall einer Trichophythie mit
Sekundärinfektionen.
Brucellose Die erfolgreiche Seuchenbekämpfung konnte die
Rinderbrucelllose in Europa nahezu vollständig zurückdrängen,
sie ist aber in Mittel- und Südamerika und in einigen Ländern
Afrikas noch immer eine der wichtigsten Zoonosen. Das Erkrankungsrisiko für Tierärzte durch Brucella abortus betrug früher in
Deutschland 17% (Dedie et al., 1993), wobei Serumtiter noch
häufiger auftraten. In einer Untersuchung von steirischen Tierärzten konnten keine Seroreagenten detektiert werden, obwohl
ein Tierarzt anamnestisch eine länger zurückliegende Brucellose
angab.
Vordergrund stehen, sind die klinischen Symptome und Organveränderungen stärker ausgeprägt als bei Tieren. Seltener wurden zentralnervale Störungen und Encephalitiden beobachtet
(Ladurner et al., 1975). Das akute Q-Fieber heilt meist nach 1-2
Wochen aus, seltener chronische Fälle können zu Hepatitiden und
Endocarditiden führen. Bei rund der Hälfte der Infizierten ist der
Verlauf inapparent, vor allem nach oraler Infektion. In Thüringen
waren unter exponierten Berufsgruppen u.a. bei Melkern (19%)
und Tierpflegern (14%) die häufigsten Q-Fieber-Reagenten zu
finden (Lange u. Hunstock, 1993).
Q-Fieber Die in der Untersuchung von steirischen Tierärzten
Borreliose Die Borreliose oder Lyme-Krankheit ist eine Zo-
festgestellte Prävalenz von 9% zeichnet Tierärzte, vornehmlich
Kollegen in der Großtier- und Gemischtpraxis, als exponierte
Berufsgruppe gegenüber Q-Fieber aus. Dem besonderen Risikofaktor „Nachgeburtabnahme ohne Schutzhandschuhe“ sollte
unbedingt durch die Verwendung von Schutzhandschuhen und
die Einhaltung einer entsprechenden Arbeitshaltung begegnet
werden.
Coxiella burnetii, der Erreger des Q-Fiebers, hat ein sehr breites
Wirtsspektrum vom Menschen über zahlreiche Säugetier- und
Vogelspezies bis zu Zecken- und Insektenarten (Dedie et al.,
1993). Von den Haustieren sind hauptsächlich Wiederkäuer,
aber auch Hunde, befallen. In Westösterreich reagierten in einer Untersuchung 7,2% der Rinder seropositiv (Khaschbi et al.,
1996). Der häufigste Infektionsweg für den Menschen mit dem
zugleich schwersten Krankheitsverlauf ist die aerogene Infektion
über Staub- und Tröpfchenaerosole (Lochialsekret, Wollstaub,
Rinderhäute usw.), wobei die Erreger im Staub bis zu 2 Jahre
infektionsfähig bleiben. Daneben finden Infektionen über erregerhältige Milch von Kühen und seltener Schafen sowie über
Zeckenkot statt (Dedie et al., 1993; Weber, 1991). Der kutane
Infektionsweg ist umstritten und beim Menschen nur bei Hautverletzungen zu erwarten (Tiergeburtshilfe!). Beim Menschen,
wo die interstitielle Pneumonie und heftige Kopfschmerzen im
onose, bei der Zecken als Vektoren zwischen den eigentlichen
Erregerreservoiren, nämlich Nagetieren, Wild- und Haustieren,
fungieren. Bei Hunden, den exponiertesten Haustieren, sind vorwiegend Arthritiden beschrieben, Pferde können rezidivierende
Lahmheiten zeigen, von Rindern sind ebenfalls Lahmheiten und
Abortusfälle bekannt. Bei Rindern konnte der Erreger Borrelia burgdorferi in Milch und Urin nachgewiesen werden. Beim
Menschen zeichnet sich die Borreliose durch ein sehr variables
Symptombild aus, sie hat damit mittlerweile die Syphilis in der
Rolle als „Chamäleon unter den Infektionskrankheiten“ abgelöst
(Maiwald, 1994). Nach einer Lokalinfektion (Erythema migrans,
Acrodermatitis chronica atrophicans) kann es über eine Phase der
Erregergeneralisation zu Organmanifestationen kommen.
Abhängig von der Infektionsrate unter den Zecken tritt in
Mitteleuropa eine erhebliche regionale Variabilität in der Befallsrate der Bevölkerung auf. So waren in Endemiegebieten,
wie z.B. einigen Gebiete Süddeutschlands, über ein Drittel
der Probanden seropositiv, allgemein wird in Deutschland mit
einer Durchseuchungsrate von 10% der Bevölkerung gerechnet
(Künzer u. Künzer, 1990). Im Vergleich dazu liegt eine 7%ige
Seroprävalenz unter Tierärzten in der Steiermark darunter. Bei
Jägern in Südostösterreich konnte dagegen eine Seroprävalenz
von 48% festgestellt werden (Deutz et al., 2003).
2. Mykotische Zoonosen Eine der wohl häufigsten rinder-
assoziierten Zoonosen unserer Breiten stellt die Trichophytie,
eine durch Pilze (Trichophyton verrucosum) hervorgerufene ansteckende Infektion der oberen Hautschichten, Haarwurzeln
und Haarschäfte, dar. Die Trichophytie verursacht beim Rind
charakteristische runde und haarlose Hautveränderungen mit
asbestartig-krustösen oder schuppenden Belägen vorwiegend
an Kopf und Hals. In einer Erhebung, die 67 österreichische
Praxisgebiete umfasste, wurden rund 400 Humanfälle erhoben
und der Anteil Rinderbestände mit Trichophytie auf 10% geschätzt, wobei Betriebe mit ganzjähriger Stallhaltung überwogen
(Deutz, 1991). Wegen der bekannten Selbstheilungstendenz wird
diese überwiegende Jungtierkrankheit nicht oder unzureichend
therapiert. Neben den Hautschäden und Leistungseinbußen
beim Rind müsste die Infektionsgefahr für den Menschen – insbesondere für Kinder – ausreichend Grund für eine Prophylaxe
und Therapie sein. Beim Menschen, der wesentlich schwerer
als das Rind erkranken kann, unterscheidet man zwischen einer
„oberflächlichen“ und einer „tiefen“ Trichophytie. Die mildere
oberflächliche Trichophytie (Syn.: Herpes tonsurans, H. circinatus,
Tinea corporis) verläuft anfänglich als Follikulitis mit späterer
Exsudation, Verkrustung und Schuppenbildung. Bei der tiefen
Trichophytie (Syn.: Kerion celsi, Sykosis, Tinea barbae, Tinea capitis) kommt es beim Menschen zu heftigen, bis in die Subkutis
reichenden Entzündungen mit der Ausbildung abszedierender,
stark sezenierender, schmerzhafter und knotig-tumoröser Infiltrate, die häufig von Schwellung der regionären Lymphknoten,
Fieber und Abgeschlagenheit begleitet werden (Krauss u. Weber,
1986). Besonders bei der Trichophytie ist die Verantwortung der
Tierärzte im Zusammenhang mit der Aufklärung der Tierhalter
über das Infektionsrisiko (Kinder!) sehr hoch.
3. Parasitäre Zoonosen Diese sind im Zusammenhang mit
dem Rind in Mitteleuropa von untergeordneter Bedeutung.
Taeniasis saginata Für Taenia saginata ist der Mensch der
einzige Endwirt, wobei er durch den Parasitismus kaum einen
Schaden erleidet. Dieser Umstand wird einer langen, erfolgreichen Evolution dieses Bandwurms in der Anpassung an seinen
Wirt zugeschrieben (Auer u. Aspöck, 1995). Die in Österreich
seit 1852 vorgeschriebene Schlachttier- und Fleischuntersuchung
verhindert heute weitgehend, dass finniges Rind- oder Schweinefleisch (T. solium) in Verkehr gelangt. Dennoch werden in Österreich alljährliche Fälle von Infestationen mit T. saginata oder
T. solium bei In- und Ausländern diagnostiziert (Auer u Aspöck,
1995). T. saginata kann im Menschen solitär als 4 bis 12 m langer
Bandwurm 30 bis 40 Jahre parasitieren. Weltweit rechnet man
mit ca. 40 Million T. saginata-Trägern (Krauss u. Weber, 1986).
Bei Auslandsaufenthalten in hochendemischen Gebieten (z.B.
Ostafrika) ist das Übertragungsrisiko durch die Aufnahme von
unzureichend gegartem Rindfleisch beträchtlich.
Babesiose Die bisher vereinzelt nachgewiesenen Babesiosen
beim Menschen traten in den USA, Mexico sowie in Europa
(Frankreich, Irland, Schottland, UdSSR, ehemaliges Jugoslawien) auf und wurden mit den Spezies B. microti, B. divergens,
B. bovis und B. equi in Zusammenhang gebracht (Krauss u.
Weber, 1986). Obwohl B. divergens im Untersuchungsgebiet
endemisch vorkommt, wurden in einem Seroscreening unter
137 steirischen Tierärzten keine Reagenten ermittelt.
Fasziolose Infestationen mit Fasciola hepatica treten beim
Menschen selten auf. Insgesamt wurden in der Abteilung für
Med. Parasitologie des Klinischen Institutes für Hygiene der
Universität Wien in 40 Jahren 13 klinische Fälle von Fasziolose beim Menschen registriert. Als Infektionskrankheit für
den Menschen kommen hauptsächlich mit Metazerkarien
kontaminierte Salate, Wasserkresse und Fallobst und nicht der
direkte Tierkontakt infrage (Auer u. Aspöck, 1994).
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4. Virale Zoonose Aus der Vielzahl viraler Zoonosen soll im
Zusammenhang mit der Rinderpraxis nur auf die Melkerknoten
(Parapockenviren), die Stomatitis papulosa (Parapockenviren),
das Metzgerpapillom (Papillomvirus 7) sowie den Rindergrippekomplex exemplarisch eingegangen werden.
Melkerknoten Euterpocken vom Rind manifestieren sich beim
Menschen nach Erregerübertragung in Form der Melkerknoten.
Nach einer Kontaktinfektion treten an den Händen Bläschen
und Papeln auf, wobei teilweise die axillaren Lymphknoten mitreagieren. Selten treten Läsionen auch an den Unterarmen oder
am übrigen Körper auf. Bei Ausbleiben einer Sekundärinfektion
bilden sich die Läsionen innerhalb einiger Wochen ohne Narbenbildung zurück.
Durch den engen Kontakt zwischen Menschen
und Tauben in Städten sind Infektionen über
Staub und Tröpfchen leicht möglich. Eine quantitative Risikoabschätzung scheitert an verlässlichen Querschnittsuntersuchungen von Tauben
und an vermutlich hohen Dunkelziffern von
Krankheitsfällen in der Humanmedizin.
Stomatitis papulosa Diese erosive oder prolieferative Stoma-
titis des Rindes, die meist ohne Störung des Allgemeinbefindens
abläuft, kann beim Menschen den Melkerknoten ähnliche Hautveränderungen hervorrufen. Die Infektion erfolgt über kleine
Hautwunden z.B. bei der Untersuchung der Maulhöhle von
infizierten Rinden. Nach einer Inkubationszeit von 3 bis 6 Tagen
entstehen an den Händen Bläschen und warzenähnliche Knötchen, die sich nach 3 bis 4 Wochen zurückbilden, wobei aber
nach Monaten rekurrierende Läsionen auftreten können.
Metzgerpapillom Bei dieser ausschließlich bei Metzgern,
Tierärzten und Landwirten angetroffenen Warzenform wird
aus epidemiologischen Gründen angenommen, dass es sich um
eine Zoonose handelt. Der Erreger, das menschliche Papillomvirus 7 (HPV 7), wurde in anderen Warzen oder bei anderen
Berufsgruppen noch nie nachgewiesen. Bisher fehlt aber ein
Erregernachweis beim Rind oder bei anderen Haustieren. Differentialdiagnostisch ist das Metzgerpapillom von durch andere
Papillomviren hervorgerufene Warzen nicht zu unterscheiden.
Weltweit kommen bei 35% der Fleischhauer sog. Metzgerpapillome vor (Krauss u. Weber, 1986).
Rindergrippekomplex Viele praktizierende Tierärzte leiden
während Rinder- oder Schweinegrippeausbrüchen selbst unter
grippalen Infekten. In der serologischen Diagnostik ist es nicht
immer möglich, Virusstämme menschlichen oder tierischen Ursprungs zu differenzieren. In der serologischen Untersuchung
von steirischen Tierärzten auf Zoonosen fielen jedoch hohe
Seroprävalenzen gegenüber Parainfluenza-3-Virus (95%) und
Respiratorisches Syncytialvirus (59%) auf, wobei keine statistisch
signifikanten Unterschiede zwischen den Arten der Praxisausübung festzustellen waren. Dies lässt auf eine sehr weite Verbreitung dieser Grippeerreger schließen. Im Falle der Seroprävalenzen
gegenüber dem Schweineinfluenza-Virus H1N1 (9%) konnte
aber epidemiologisch ein signifikanter Zusammenhang mit der
Ausübung der Schweinepraxis nachgewiesen werden.
5. Zoonoseerreger in Rinderkot Das Vorkommen von hu-
manpathogenen Keimen in Rinderkot ist sowohl aus fleischhygienischen, als auch aus milchhygienischen Überlegungen von
Straßentauben als
Infektionsrisiko?
Melkerknoten heilen meist komplikationslos ab
(Foto: W. Obritzhauser).
Selbst für gesunde Menschen kann Taubenfüttern ein Infektionsrisiko
bedeuten.
VON OVR UNIV. DOZ. DR. ARMIN DEUTZ
größtem Interesse für den Verbraucherschutz. Kontaminationen
von Fleisch oder Rohmilch mit humanpathogenen Keimen sind
eine potenzielle Infektionsquelle für Foodborne Diseases wie Campylobacteriose, Salmonellose, VTEC (Verotoxinbildende E. coli)Infektionen, Yersiniosen und Listeriosen.
In einem Projekt in der Steiermark wurden Kotproben von
627 Kühen und 247 Kälberkotproben aus 77 Betrieben gezogen
und auf das Vorkommen von Campylobacter spp., Salmonella
spp. und verotoxinbildende E. coli bakteriologisch untersucht.
Aus einem weiteren Projekt an 7 Schlachthöfen gelangten von
212 Rindern Kotproben auf Campylobacter spp. und Salmonella
spp. zur Untersuchung. Weiters liegen Untersuchungsergebnisse von 145 Rohmilchproben und Rohmilchprodukten aus der
Direktvermarktung vor. Proben aus 19 Milchviehbetrieben zur
Untersuchung auf Listeria ssp. wurden aus Silage, Einstreu frisch
und gebraucht sowie aus Milchfiltern und Tankmilch gezogen.
Nach einem Massenausbruch von Campylobacteriose in einem
Jugendschülerheim wurden Stuhlproben erkrankter Kinder und
Kotproben von Kühen des milchliefernden Betriebes untersucht
und die Campylobacter-Stämme verglichen.
Je nach Untersuchungsdurchgang und Art des Probenmaterials
konnten in bis 2 % der Proben Campylobacter spp. (Sammelproben Rinderkot), in bis 87% Listeria ssp. (gebrauchte Einstreu)
und in einem hohen Anteil der Betriebe VTEC nachgewiesen
werden. Salmonellen waren nicht nachweisbar. Der Massenausbruch in einem Jugendschülerheim, bei dem 38 von 64 Kindern an akuter Campylobacteriose erkrankten, konnte durch
den Nachweis identer Stämme in den Stuhlproben erkrankter
Kinder und im Rinderkot aus Kühen eines milchliefernden
Betriebes auf Rohmilchkonsum (Rohmilch in Müsli) zurückgeführt werden.
Die teilweise hohen Nachweisraten humanpathogener Keime
in Rinderkot verlangen die Einhaltung hygienischer Maßnahmen
in der Milch- und Fleischgewinnung. Rohmilchkonsum und Verzehr von unzureichend gegartem Rindfleisch stellen ein potenzielles
Infektionsrisiko hinsichtlich Foodborne Diseases dar.
Zoonoseträger Straßentauben können biologische oder me-
verlaufen und andererseits, weil Tauben als Reservoir von
Zoonoseerregern wenig bekannt sind.
chanische Träger von Zoonoseerregern sein. Seit den 1940er
Jahren wurden Straßentauben auf Zoonosen untersucht und
dabei insgesamt 109 humanpathogene Krankheitserreger
nachgewiesen (Haag-Wackernagel, 2006). Für sieben dieser
Zoonoseerreger existieren Fallberichte über eine tatsächliche
Übertragung auf den Menschen (Salmonella enterica Kiambu,
Chlamydophila psittaci, Aspergillus sp., Candida parapsilosis,
Cryptococcus neoformans, Histoplasma capsulatum, Toxoplasma
gondii).
Gefährliche Stäube Von den 230 bisher evidenten Erkran-
kungsfällen erfolgten vermutlich 229 (99,6%) als aerogene
Infektionen. Ein Fall einer perkutanen Infektion wurde
bei einem HIV-positiven Mann beschrieben, der von einer
Straßen­taube verletzt wurde und in der Folge eine seltene primär kutane Kryptokokkose entwickelte (Gatti et al., 1997).
Orale Infektionen (Schmierinfektionen) sind bislang nicht
bekannt.
Erkrankungsrisiko Wesentliche Faktoren der Krankheitsü-
bertragung sind die Pathogenität des Erregers, die Infektionsdosis und der Immunstatus der Exponierten. Hohe Infektionsdosen sind vor allem bei starker Staubentwicklung oder bei
intensivem direktem Körperkontakt mit Straßentauben zu erwarten. Tauben beherbergen oft aber Varianten eines Erregers,
die für den Menschen nicht oder nur schwach pathogen sind
(z.B. Yersinia pseudotuberculosis, Salmonella enterica subsp. enterica Serovar Typhimurium var. Copehagen, PT 99). Der einzige
Fall einer vermuteten Salmonellaübertragung von Straßentauben auf den Menschen wurde auf Salmonella enterica serovar
Kiambu 1 zurückgeführt (Haag-Wackernagel, 2006).
Den wenigen bisher publizierten Erkrankungsfällen durch
Taubenkontakte dürfte aber eine große Dunkelziffer von Fällen gegenüberstehen. Dies einerseits deshalb, da einige Zoo­
nosen (z.B. Chlamydiose) ähnlich einem grippalen Infekt
Vorbeugemaßnahmen Die Betrachtung der Tätigkeiten, die
zu einer Krankheitsübertragung von Straßentauben auf den
Menschen führten, zeigt, dass viele Infektionen durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen hätten vermieden werden können. Bei beruflicher Exposition mit Tauben und ihren Ausscheidungen können Infektionen durch das Tragen von Schutzbekleidung (bei Staubentwicklung inklusive Mundschutz) weitgehend
verhindert werden. Immunsupprimierte Personen müssen über
die Infektionsrisiken durch direkte und indirekte Kontakte mit
Straßentauben aufgeklärt werden, damit sie diese Infektionsquelle meiden. Im Bereich von Spitälern sind Ansammlungen
von Tauben sowie deren Brutaktivitäten möglichst zu verhindern. Generell sollte darüber informiert werden, dass Kontakte
mit kranken Sraßentauben und auch das Taubenfüttern selbst
für Gesunde ein Infektionsrisiko bergen. Bei prädisponierten
Menschen können von Tauben stammende Allergene eine „Taubenzüchterlunge“ auslösen. Personen mit einer bekannten Prädisposition für diese Krankheit müssen jeglichen Kontakt mit
Tauben und deren Ausscheidungen vermeiden.
Neben den Schäden an Gebäuden durch die Verschmutzung
mit Taubenkot sind Tauben auch als Überträger von Zoonosen
von gesundheitspolitischem Interesse. Die Größe der urbanen
Taubenpopulationen wird durch die ganzjährige Fütterung
maßgeblich mitbestimmt. Damit kann das „Taubenproblem“
in Städten auch nur durch eine Senkung der Nahrungsgrundlage gelöst werden.
Ausgewählte Literatur
Haag-Wackernagel, D. (2006): Gesundheitsgefährdung durch die
Straßentaube Columba livia. Amtstierärztl. Dienst u. Lebensmittelkontrolle 13, 262-272.
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Hepatitis E und
Schweinekontakt
Eine zu den „neuen Zoonosen“ gerechnete
Erkrankung ist Hepatitis E, für die das Schwein
ein potentes Infektionsrisiko und Erregerreservoir
darstellen dürfte. Eine aktuelle österreichische
Untersuchung untermauert diese Hypothese.
VON OVR UNIV. DOZ. DR. ARMIN DEUTZ
Haus- und Wildschweine können das Hepatitis-E-Virus ausscheiden
(Foto: A. Schwinger).
Schweinekontakt ist ein Risikofaktor hinsichtlich Hepatitis E.
Verbreitung Hepatitis E ist eine seit den 1980er Jahren be-
mittel, Übelkeit, Erbrechen, Juckreiz, Muskel-, Kopf-, und
Gelenkschmerzen sowie leichtes Fieber auf. In der zweiten
Krankheitsphase können Symptome wie Ikterus, heller
bis lehmfarbiger Stuhl und dunkler Harn hinzukommen.
Laborchemisch fällt die Erhöhung der Transaminasen auf.
In der überwiegenden Zahl der Fälle tritt eine Genesung
ohne Behandlung nach 2 bis 3 Wochen ein, es gibt aber
auch Krankheitsverläufe von bis zu drei Monaten.
Aktuelle Untersuchung In einer aktuellen Querschnitts-
kannte Krankheit, von der man ursprünglich annahm, dass
sie auf Entwicklungsländer beschränkt sei. So traten Fälle vorwiegend in Zentral- und Südostasien, Nord- und Westafrika,
Mexiko und gehäuft im Sudan und Irak auf. Der Erreger ist
das Hepatitis-E-Virus (HEV), das bis vor Kurzem den Caliciviren, heute aber der Familie der Hepeviridae, zugeordnet wird
und eine hohe Tenazität aufweist. Neuere Untersuchungen
ergaben, dass Hepatitis E bei Weitem nicht nur in Entwicklungsländern auftritt, sondern mit recht hohen Prävalenzen
auch in Industrieländern nachweisbar ist, wobei in industrialisierten Ländern die Infektion zumeist subklinisch verläuft. In
Deutschland wurden im Jahr 2006 insgesamt 52 Fälle gemeldet, die überwiegend noch auf importierte Infektionen aus Endemiegebieten zurückzuführen waren. Es mehren sich jedoch
Berichte über sporadische Infektionen in
Europa ohne Reiseanamnese (Johne et
al., 2007). Schwedische Schweinehalter
waren in einem Serosreening zu 13%
seropositiv (Olsen et al., 2006).
Übertragung Das Virus wird üblicherweise durch kontami-
nierte Gegenstände (wie Toilettenspülungen, Wasserhähne,
Türgriffe usw.), Nahrung und Wasser, besonders unter unhygienischen Bedingungen sowie zur Regenzeit übertragen
(„Fecal-oral route of transmission“). Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist zusätzlich anzunehmen, dass es sich bei der Hepati-
Zur Vorbeugung von Hepatitis E sollte auf Reisen
immer die Grundregel „Cook it, boil it, peel it or
forget it“ gelten.
Schwangere gefährdet Die Erkran-
kung verläuft i.d.R. moderat mit einer Letalitätsrate von
0,5 bis 4%. Bei Schwangeren, besonders am Ende der
Schwangerschaft, werden jedoch auch fulminante Verläufe
mit einer Letalität bis zu 25% infolge akuten Leberversagens beobachtet. Hepatitis E hat eine Inkubationszeit von
zumeist 30 bis 40 Tagen und ist klinisch nicht von Hepatitis A zu unterscheiden. Als erste Beschwerden treten
Appetitlosigkeit, Abneigung gegen bestimmte Nahrungs-
tis E um eine Zoonose handelt, wobei vor allem Schweine und
Wildtiere asymptomatisch infiziert sind und das Virus im Kot
ausscheiden. Ähnliche Viren wurden bei Affen, Rehen, Mäusen und Schafen nachgewiesen. Auch Berichte, wonach sich
Erkrankungsfälle nach dem Verzehr von nicht erhitzter Leber
von Wildtieren ereignet hätten, legen ein zoonotisches Potenzial von HEV nahe. HEV wurde auch bei der Untersuchung von
Wildtieren in Deutschland nachgewiesen (Johne et al., 2007).
untersuchung unter prädisponierten Berufsgruppen (639
Probanden) in der Steiermark konnten hohe Seroprävalenzen
bei Schweinehaltern, Tierärzten und Schlachthofarbeitern sowie bei IgM-positiven Probanden auch Hepatitis E-Antigen
(Genotyp 3 HEV) mittels RT-PCR nachgewiesen werden
(Gorgach et al., 2007). Auffallend waren beispielsweise die
großen Unterschiede in der Seroprävalenz zwischen Schlachthofarbeitern in der Schweine- und Geflügelschlachtung.
Diese Untersuchung untermauert die Hypothese, dass es sich
bei Hepatitis E um eine Zoonose handelt und dass Kontakte
mit Schweinen und Rohprodukten vom Schwein ein Risiko
darstellen. Zudem sollte es zu einem Überdenken der Kategorisierung in „endemische“ und „nicht-endemische“ Gebiete
kommen. Die relativ hohen Seroprävalenzen bei nicht oder
wenig exponierten Personen können einerseits von weiteren
Landwirte, Tierärzte und Schlachthofarbeiter sind exponierte
Berufsgruppen.
Reservoiren (Wildtiere?) herrühren und sollen andererseits
auch zu einem Vergleich der Testmethoden anregen.
Vorbeugemaßnahmen Da ein Impfstoff gegen Hepatitis
E erst klinisch getestet wird, sind hygienische Vorbeugemaßnahmen im Umgang mit Lebensmitteln (inkl. Wasser), Gegenständen des täglichen Bedarfs und mit Tieren die einzige
wirkungsvolle Prophylaxe. Auf Reisen sollte auch die reisemedizinische Grundregel „Cook it, boil it, peel it or forget
it“ gelten.
OVR Univ. Doz. Dr. Armin Deutz
Bezirkshauptmannschaft Murau –
Veterinärreferat,
Bahnhofviertel 7, 8850 Murau,
E-Mail: [email protected]
Ausgewählte Literatur
Gorgach, P., Bakonyi, T., Deutz, A., Nowotny, N. (2007):
Prevalence of Hepatitis E Virus Antibodies in Occupational Groups
with Different Exposure to Swine. Proc. Int. Meeting on Emerging
Diseases and Surveillance, February 23-25, Vienna, p. 85
Johne, R., Kaci, S., Nöckler, K. (2007): Hepatitis E – eine über
Lebensmittel übertragbare virale Zoonose in Deutschland?
Amtstierärztl. Dienst u. Lebensmittelkontrolle, Abstract-Band zur
48. Arbeitstagung des Arbeitsgebietes Lebensmittelhygiene,
25.–28.9., Garmisch-Partenkirchen, S. 32.
Herunterladen