Operationsverfahren bei gutartigen Schildrüsenerkrankungen

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Gutartige Schilddrüsenerkrankungen
Wir möchten Ihnen hiermit einen Überblick über die Erkrankungen und Therapiemöglicheiten bei
Schilddrüsenerkrankungen geben. Wir haben die Übersicht auf die Schilddrüsenkrankheiten beschränkt,
die eher operativ als nuklearmedizinisch behandelt werden. Ist bei einer Erkrankung die
nuklearmedizinische Behandlung die Therapie erster Wahl, haben wir das jeweils kenntlich gemacht.
Die Schilddrüse regelt den Energiehaushalt des Körpers. Die gutartigen Erkrankungen der Schilddrüse
(benigne Struma) umfassen alle Erkrankungen der Schilddrüse, die mit einer Störung des Gewebeaufbaus
und/ oder einer Störung der Funktion einhergehen. Die Diagnostik der entsprechenden Erkrankungen
erfolgt beim Hausarzt in Zusammenarbeit mit Internisten, Radiologen und Nuklearmedizinern. Manchmal
sind die Hauptursachen Knoten oder Schilddrüsenvergrößerungen, manchmal Hormonstörungen durch
eine Unter- oder Überfunktion, manchmal auch Herzrhythmusstörungen. Die Indikation zur operativen
Behandlung wird auf der Basis der Erkrankungs- und Lokalisationsdiagnostik unter Abwägung der
individuellen nichtoperativen alternativen Behandlungsverfahren und der möglichen Komplikationen einer
operativen Behandlung gestellt.
Ziel der operativen Behandlung ist die sichere und dauerhafte Beseitigung der zugrunde liegenden
Schilddrüsenerkrankung unter Vermeidung der Hauptkomplikationen der Schilddrüsenoperation, der
Rekurrensparese und des Hypoparathyreoidismus.
Schilddrüsenerkrankungen, die zu einer operativen Behandlung führen können:
•
diffuse Schilddrüsenvergrößerung (Struma)
•
Knotenstruma (Solitärknoten, Zysten, Adenome, kalte Knoten)
•
die Schilddrüsenüberfunktion (autonomes Adenom, Morbus Basedow)
•
Thyreoiditis (Entzündungen der Schilddrüse)
•
bösartige Schilddrüsenerkrankungen
Schilddrüsenvergrößerung (Struma)
Die Hauptindikation zur Operation einer gutartigen Schilddrüsenvergrößerung (Struma) ohne Solitärknoten
und ohne Schilddrüsenüberfunktion resultiert vorwiegend aus lokalen Beschwerden (Engegefühl, Druck im
Halsbereich, Verlagerung der Luftröhre durch die große Struma). Zu Beginn einer
Schilddrüsenvergrößerung sind auch alternative Verfahren, die medikamentöse Behandlung mit Jodid und
Schilddrüsenhormonen, sinnvoll. Bei zunehmender Knotenbildung und lokalen Beschwerden stellt die
operative Therapie die Behandlungsmethode der Wahl dar. Strumen mit retrosternalen und mediastinalen
Anteilen werden ebenfalls bevorzugt operativ behandelt.
Knotenstruma
Knotenstrumen haben einen oder mehrere Knoten oder sind sogar vollkommen knotig umgebaut. Bei
Solitärknoten ist es das Ziel der präventiven Diagnostik, tumorverdächtige Knoten von gutartigen Knoten zu
unterscheiden. Dieses kann z. B. durch eine Feinnadelpunktion geschehen. Oft ist ein Malignitätsausschluß
durch eine Feinnadelpunktion aber nicht möglich, da erst Kapseldurchbruch und Gefäßinvasion bzw.
Metastasierung beweisend für ein Malignom sind. Diese Kriterien sind bei einer Punktion, bei der nur kleine
Zellverbände gewonnen werden, aber nicht nachweisbar. Knoten bleiben daher häufig trotz unauffälliger
Punktionshistologie suspekt.
Bei Zysten ist eine Operationsindikation gegeben, wenn diese groß sind, wenn konservative Verfahren nicht
zu einem Erfolg führen (z. B. die Abpunktion, Alkoholeinspritzung) oder wenn der Verdacht auf Malignität
(bösartiger Tumor) besteht. Bei großen symptomatischen autonomen Adenomen und fehlenden
Kontraindikationen zur Operation stellt die Operation die effektivste Behandlungsoption mit niedrigem
operativen Risiko dar. Der kalte Knoten mit Malignitätsverdacht stellt in jedem Fall eine Operationsindikation
dar. Bei unklaren Einzelknoten ist eine intraoperative Schnellschnittuntersuchung erforderlich. Hier wird
eine Knotenentfernung unter Mitnahme eines umgebenden Randsaumes mit normalem
Schilddrüsengewebe durchgeführt. Der Knoten darf dabei nicht angeschnitten werden. Bei mehreren
Knoten kann eine subtotale Lappenresektion oder bei Knoten, die den gesamten Schilddrüsenlappen
einnehmen, eine totale Lappenresektion (Hemithyreoidektomie) angezeigt sein.
Seit 5 Jahren besteht am St. Antonius-Hospital Gronau ein Pathologisches Institut (Dr. Afram), so dass wir
Schnellschnittuntersuchungen während der noch laufenden Schilddrüsenoperation durchführen lassen
können. Durch diese Schnellschnittuntersuchung kann sofort geklärt werden, ob ein präoperativ unklarer
Befund bösartig ist oder nicht. Eine evtl. notwendige Erweiterung des Eingriffes kann dadurch sofort
durchgeführt werden und muß nicht auf die nächsten Tage verschoben werden.
Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
Bei der Diagnostik sollte geklärt werden, zu welcher Hauptform der Überfunktion die
Schilddrüsenerkrankung zu zählen ist. (Schilddrüsenautonomie oder Immunthyreopathie, M. Basedow),
Mischformen sind eher selten.
Bei der multifokalen Schilddrüsenautonomie ist eine Entfernung des erkrankten Gewebes erforderlich, da
die Erkrankung keine Spontanheilung erwarten lässt. Ob eine Radiojodtherapie oder eine Operation
durchgeführt wird, wird in erster Linie vom Ausmaß der Schilddrüsenerkrankung insgesamt bestimmt. Wir
schlagen bei der Erstbehandlung, wenn keine Kontraindikationen vorliegen, eine operative Behandlung vor;
bei einer autonomen Rezidivstruma mit Hyperthyreose sollte aber primär eine Radiojodtherapie
durchgeführt werden.
Beim M. Basedow handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit möglicher Spontanheilung. Hier
erfolgt die Therapieempfehlung erst nach unzureichendem Therapieerfolg mittels einer primären
antithyreoidalen Behandlung. Generelle Vorteile der Operation sind neben dem schnellen Wirkungseintritt
der Therapie die sichere und dauerhafte Beseitigung der Überfunktion und der Struma.
Vorbereitung zur Operation bei der Überfunktion
Unabhängig von der Hyperthyreoseursache werden nicht jodinduzierte Hyperthyreosen so lange
medikamentös (thyreostatisch) vorbehandelt, bis eine klinisch normale (euthyreote) Stoffwechsellage
vorliegt. Bei jodinduzierten Thyreotoxikosen und thyreotoxischen Krisen, die trotz intensiver Therapie nicht
zu beherrschen sind, oder bei sehr schweren Nebenwirkung der thyreostatischen Behandlung kann in
begründeten Ausnahmefällen eine operative Behandlung auch im Zustand der Überfunktion erforderlich
sein. Bei der thyreotoxischen Krise mit Somnolenz oder Bewusstlosigkeit sollte unter BetarezeptorenBlocker-Therapie und intensivmedizinischer Betreuung eine ausgedehnte Resektion ohne weitere
schilddrüsenspezifische Vorhandlungen innerhalb von Stunden erfolgen. Bei autonomer hyperthyreoter
Knotenstruma werden nur die erkrankten Gewebeanteile entfernt und das normale Schilddrüsengewebe
belassen. Bei vollständigem knotigem Umbau wird das Schilddrüsengewebe u. U. vollständig entfernt.
Beim M. Basedow wird eine ausgedehnte subtotale Thyreoidektomie mit einem kleinen Rest als Verfahren
der Wahl angesehen. Bei dieser Strategie ist mit einer Rezidivrate von unter 5 % zu rechnen. Bei den
meisten Patienten ist postoperativ eine lebenslange Hormonsubstitution erforderlich. Bei größeren
verbleibenden Schilddrüsenresten ist es zwar wahrscheinlicher, dass der Patient ohne
Schilddrüsenmedikamente auskommt, die Rezidivrate ist dann aber deutlich erhöht. Zu große
Schilddrüsenreste haben auch einen schlechten Einfluß auf den Verlauf der Augenerkrankung.
Rezidivstruma
Aufgrund der bei Rezidivstrumen deutlichen erhöhten Risiken hinsichtlich einer Rekurrenzschädigung oder
einer Nebenschilddrüsenunterfunktion sollte die Operationsindikation kritisch gestellt werden, insbesondere
bei Rezidivstrumen mit einer Überfunktion. Bei der Rezidivschilddrüsenoperation operieren wir zunächst die
erkrankte Seite und führen dort eine Schilddrüsenresektion unter Schonung des N. recurrens und der
Nebenschilddrüsenkörperchen vor. Nur wenn nach Abschluß der Operation an der ersten Seite die
Situation des Stimmbandnerven eindeutig ist, wird auch die Gegenseite operiert. Kann man dieses nicht
eindeutig erkennen, wird die Operation beendet und die zweite Seite später operiert. Dieses Vorgehen
verhindert die Möglichkeit einer beidseitigen Stimmbandverletzung mit seinen schlimmen Folgen.
Operationstechnisch ist der laterale Zugang zur Schilddrüse meist günstiger als das normale Vorgehen
durch die Mittellinie.
Thyreoiditis
Die Behandlung der eitrigen akuten Thyreoiditis folgt den Regeln der septischen Chirurgie. Die subakuten
Formen der Thyreoiditis de Quervain müssen nur relativ selten operiert werden, z. B. wenn häufige
Kortisonbehandlungen bei rezidivierenden Schüben erforderlich sind. Hier wird die erkrankte Seite
vollständig entfernt, die Gegenseite subtotal reseziert. Die Immunthyreoiditis Hashimoto wird meist im
Zusammenhang mit der Operation einer Knotenstruma diagnostiziert. Die seltenen primär malignen
Lymphome der Schildddrüse entstehen auf dem Boden einer Thyreoiditis Hashimoto. Bei der chronisch
fibrosierenden Thyreoiditis (Riedel) können mechanische Symptome zur Operation zwingen. Hier reicht
manchmal die Isthmusresektion aus, um den starken Druck von der
Luftröhre zu nehmen.
Allgemeine Operationsregeln
Morphologie- und funktionsgerechte Resektion.
Dieses Verfahren ist als Standardverfahren bei allen Knotenstrumen anzusehen, unabhängig von deren
Funktionslage. Aus der Resektion allen knotigen und überfunktionierenden Gewebes kann ein
unterschiedliches Resektionsausmaß und eine unterschiedliche Menge und Verteilung des
zurückbleibenden Gewebes resultieren.
Resektionsformen:
•
•
selektive oder subtotale Resektion mit oberem Polrest
•
Hemithyreoidektomie einseitig oder beidseitig (es verbleibt kein Rest)
subtotale Resektion mit hinterem Rest
•
Knotenentfernung (mit Randsaum aus gesundem Schilddrüsengewebe)
Bei der Operation werden beide Schilddrüsenlappen dargestellt, die letztliche Entscheidung über das
Resektionsausmaß fällt nach dieser Untersuchung. Bei einer Rezidivoperation kann man unter gewissen
Umständen auf die Exploration verzichten, wenn die Szintigrafie unauffällig war.
Wir führen Operationen an der Schilddrüse bei nicht zu großen Strumen in Form einer minimal-invasiven
video-assistierten Schilddrüsenresektion (MIVAT) durch. Hierbei kann durch einen minimalen collaren
Hautschnitt (etwa 2-3 cm Breite) das weitere Vorgehen unter der Sicht einer stark vergrößernden
Videokamera erfolgen. Das Verfahren erlaubt bei regelrechter Darstellung der Schilddrüse eine gute Sicht
auf die Nebenschilddrüsen und auch auf die Stimmbandnerven. Zum Einsatz kommen dabei modernste
Ultraschallskalpelle und ein Gewebeversiegelungssystem, bei dem auf kleinstem Raum Gewebe vollständig
bluttrocken durchtrennt werden kann. Die äußerst kleinen Operationswunden sind kosmetisch
hervorragend, die postoperativen Schmerzen sind im Vergleich zur normalen Operation deutlich vermindert.
Durch die starke Vergrößerung können die Nebenschilddrüsen und der N. recurrens sicher dargestellt und
geschont werden.
Darstellung des Nervus recurrens
Dauerhafte Störungen des N. recurrens sind mit Stimmstörungen und Beeinträchtigung der Atemreserve
verbunden. Bei bilateraler Recurrensparese ist häufig eine Tracheotomie erforderlich.
Das Risiko, den N. recurrens zu verletzen wird durch das Ausmaß der Resektion und der Lagevarianten
des Nerven bestimmt. Die schonende präparative Darstellung des N. recurrens mindert das
Schädigungsrisiko und sollte immer durchgeführt werden.
Darstellung der Nebenschilddrüsen
Die Notwendigkeit der Schonung der Nebenschilddrüsen bei der Schilddrüsenresektion ergibt sich aus den
subjektiven und objektiven Folgen des Hypoparathyreoidismus, die eine wesentliche Beeinträchtigung der
Lebensqualität bedeuten können, da auch heute noch eine Substitution der NSD-Funktion nicht immer
befriedigend möglich ist.
Die gemeinsame Blutversorgung von Schilddrüse und Nebenschilddrüse erfordert eine sorgfältige
Dissektion zwischen den zu erhaltenden Nebenschilddrüsen (NSD) und der Schilddrüse, um deren
Funktion nicht zu gefährden. Bei jeder Schilddrüsenresektion ist zu gewährleisten, dass gefährdete NSD
sicher identifiziert und gut vaskularisiert in situ erhalten werden. Durchblutungsgestörte NSD werden
autotransplantiert. Im OP-Bericht soll die Lageangabe der erhaltenen NSD-Körperchen, ggfs. auch eine
erfolgte Autotransplantation dokumentiert werden. Auch hier kann eine sorgfältige Operationsdurchführung
mit Darstellung der Nebenschilddrüsenkörperchen diese Komplikation weitestgehend vermeiden. Unsere
Operateure sind diesbezüglich besonders geschult.
Vorgehen bei retrosternaler/retromediastinaler Struma
Die retrosternale Ausdehnung erfordert besondere Rücksicht hinsichtlich des N. recurrens. Dehnt sich die
Struma in das hintere Mediastinum aus, kann sie fast immer ohne Sternotomie entwickelt werden, bei
Ausdehnung in das vordere Mediastinum ist dieses ggfs. notwendig (selten).
Intraoperative Schnellschnittuntersuchungen
Bestehen präoperativ Hinweise für eine bösartige Schilddrüsenerkrankung, dann wird eine intraoperative
Schnellschnittuntersuchung durchgeführt. Die Schnellschnittuntersuchung ist nicht immer sicher. Bei
eindeutiger Schnellschnittdiagnose kann eine den Patienten belastende Zweitoperation vermieden werden,
ggfs. kann eine endgültige Diagnose auch erst durch eine Paraffinhistologie gesichert werden.
Postoperative Stimmband- und Nebenschilddrüsenkontrollen
Die Prüfung der Stimmbandfunktion (Laryngoskopie) erfolgt vor der Entlassung des Patienten entweder
durch den Anästhesisten während der Ausleitung der Narkose oder durch einen HNO-Arzt. Sollte es zu
einer Fehlfunktion der Stimmbandnerven kommen (sehr selten) könnten entsprechende Maßnahmen sofort
eingeleitet werden (z. B. logopädische Übungen).
Gleichzeitig werden postoperativ Blutuntersuchungen durchgeführt, um die Funktion der
Nebenschilddrüsenkörperchen zu kontrollieren. Eine symptomatische Nebenschilddrüsenunterfunktion
erfordert eine Kalziumsubstitution und, wenn nicht ausreichend, die Einnahme von Vitamin D.
Eine postoperative Kontrolle der Restschilddrüse erfolgt durch eine Sonografie nach etwa 6-12 Wochen. In
der Regel ist nach Schilddrüsenoperationen eine nachoperative Behandlung durch Schilddrüsenhormone
erforderlich, um ein Wiederanwachsen der operierten Schilddrüse zu verhindern. Dieses ist auch sinnvoll,
wenn bei der Operation genügend gesundes Gewebe zurückbleibt. Die Behandlung mit
Schilddrüsenhormonen senkt eindeutig die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv. Die Dosierung der
Schilddrüsentabletten ist niedriger als der Körperbedarf des Patienten. Dadurch muß das vorhandene
Schilddrüsengewebe nur noch den Rest des täglichen Bedarfes produzieren. Bei richtiger Dosierung sind
daher Nebenwirkungen nicht zu befürchten.
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