5 thermodynamik thermodynamik 64

Werbung
5 THERMODYNAMIK
5.4
THERMODYNAMIK: ENERGIE-ENTHALPIE-ENTROPIE ------------------------------------------------------------------- 64
5.4.1
Energie
5.4.2
5.4.2.1
Innere Energie U
Änderung der Inneren Energie U
Isoliertes System
Geschlossenes System
Was ist Arbeit im physikalischen Sinn?
Wie lässt sich die innere Energie U eines Stoffes messen?
5.4.3
5.4.4
Enthalpie H
Entropie S = Unordnung
Entropieänderungen bei chemischen und physikalischen Prozessen
Entropieänderungen bei physikalisch-medizinischen Prozessen
5.4.5
5.4.6
Freie Reaktionsenthalpie
Molare Standardbildungsenthalpie ∆Hf°
5.4.7
5.4.7.1
Molare Standardentropie S°
Anleitung: Berechnung von ∆RH° und ∆RS° und ∆RG°
5.4.8
Wiederholung Chemisches Gleichgewicht
Gleichgewichtskonstante K und ∆RGo
Freiwilligkeit einer Reaktion
Energiediagramm der Freien Reaktionsenthalpie
Stabilität und Reaktivität
Thermodynamik : Wieviel?
Kinetik (Lehre von der Reaktionsgeschwindigkeit): Wie schnell?
Metastabil
Thermische Stabilität (Wärmebeständigkeit)
Vier Anwendungsaufgaben
Drill&Practice Thermodynamik
5.4.9
5.4.9.1
5.4.9.2
5.4.9.3
5.4.9.4
5.4.9.5
64
65
65
66
66
66
66
67
67
68
70
70
71
71
72
72
73
75
75
77
78
78
79
80
80
81
85
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
SPF SCB_A KME
64
5 Thermodynamik
5.4
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Geht es, oder geht es nicht? Das ist hier die Frage
Robert L. Wolke, Was Einstein seinem Friseur erzählte Serie Piper 3746
Vielleicht ist es ja eine dumme Frage, aber was ist der Grund, weshalb etwas
geschieht oder eben nicht geschieht? Ich meine, Wasser fließt zum Beispiel
bergab, nicht bergauf. Zucker löst sich im Kaffee auf, aber wenn ich zuviel
davon erwischt habe, kann ich seine Auflösung nicht mehr rückgängig machen. Ich kann ein Streichholz verbrennen lassen, aber danach kann ich die
Verbrennung nicht mehr ungeschehen machen. Gibt es so etwas wie eine
generelle Regel, die festlegt, was sich ereignen kann und was nicht?
Es gibt keine dummen Fragen. Sie haben die vielleicht tiefgründigste Frage gestellt, die es in der Wissenschaft überhaupt
geben kann. Dennoch kann sie relativ einfach beantwortet werden, seit ein Genie namens Josiah Willard Gibbs (1839-1903)
gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts all das herausgefunden hat.
Die Antwort besagt, daß überall in der Natur ein Gleichgewicht
zwischen zwei grundlegenden Eigenschaften besteht: der Energie,
über die Sie wahrscheinlich manches, und der Entropie, von der
Sie wahrscheinlich nichts wissen (aber das wird sich gleich ändern). Allein dieses Gleichgewicht entscheidet, ob ein bestimmter
Vorgang ablaufen kann oder nicht.
Gewisse physikalische und chemische Ereignisse können von
ganz allein stattfinden; sie können jedoch nicht in der entgegengesetzten Richtung verlaufen, solange sie dazu nicht Hilfe von
außen bekommen. Wir können beispielsweise Wasser bergauf
befördern, wenn wir es hochziehen oder hinaufpumpen. Und
wenn wir es wirklich wollten, könnten wir sogar den Zucker
wieder aus dem Kaffee holen, indem wir das Wasser verdampfen
und den Zucker dann chemisch von den Feststoffen des Kaffees
abtrennen.
Entscheidend ist, daß in jedem dieser Fälle beträchtlich nachgeholfen werden muß - man muß von außen Energie zuführen.
Wenn Mutter Natur sich selbst überlassen ist, kann vieles spontan
und aus sich heraus geschehen. Anderes dagegen ereignet sich
niemals spontan, selbst wenn wir untätig bis zum Tag des Jüngsten
Gerichts warten. Die große Generallinie der Natur besagt, daß
etwas dann geschieht, wenn das richtige Verhältnis zwischen
Energie und Entropie vorliegt; ist das nicht der Fall, geschieht
auch nichts.
Sehen wir uns zunächst die Energie an, bevor wir die Entropie
erklären. In der Regel versucht alles, seine Energie zu verringern,
soweit es das kann. In einem Wasserfall entledigt sich das Wasser
seiner aufgestauten Energie, indem es in ein Becken stürzt. (Wir
können von dieser auf dem Weg nach unten freigesetzten Energie
ein Wasserrad für uns antreiben lassen, wenn wir wollen.) Doch
sobald das Wasser im Becken angekommen ist, hat es, zumindest
was die beteiligte Schwerkraft angeht, seine Energie »verloren«; es
kann nicht mehr zum oberen Ausgangspunkt zurückkehren.
Eine Menge chemischer Reaktionen läuft aus einem ähnlichen
Grund ab: Die chemischen Verbindungen entledigen sich ihrer
gespeicherten chemischen Energie, indem sie sich spontan in
andere Stoffe umwandeln, die weniger chemische Energie besitzen. (Ein Beispiel dafür ist das brennende Streichholz.) Zu ihren
energetischen Ausgangsbedingungen können sie jedoch nicht
mehr zurückkehren.
Bei ansonsten gleichen Bedingungen ist also alles von Natur
aus bestrebt, seine Energie zu vermindern, wenn das
möglich ist. Das ist Regel Nummer eins.
Doch in der Geschichte, weshalb etwas geschieht, stellt diese
Verringerung der Energie nur die eine Hälfte dar.
Die andere befaßt sich mit der Zunahme der Entropie. Entropie ist
nur ein gehobener Ausdruck für Unordnung oder zufällige Verteilung, also für ein chaotisches, regelloses Arrangement der Dinge.
Beim Anstoß stehen Fußballspieler noch in einer bestimmten Ordnung auf dem Platz - sie verteilen sich nicht wahllos über das ganze
Spielfeld, und ihre Entropie ist deshalb gering. Dagegen sind sie
beim Abpfiff vielleicht völlig regellos, in einem Arrangement hoher
Entropie, über den ganzen Platz verteilt. Mit den einzelnen Bestandteilen, aus denen alle Stoffe zusammengesetzt sind, nämlich
den Atomen und Molekülen, verhält es sich genauso. Zu jedem
gegebenen Zeitpunkt können sie entweder ordentlich versammelt
sein oder sich in einem äußerst regellosen Gewühl befinden, und
zwischen diesen Extremen sind beliebig viele Mischformen möglich. Das heißt, ihre Entropie kann verschiedene Werte von niedrig
bis hoch annehmen.
Bei ansonsten gleichen Voraussetzungen (insbesondere hinsichtlich
der Energie) ist also alles von Natur aus bestrebt, immer
unordentlicher zu werden - das heißt, alles wird seine
Entropie steigern, wenn das möglich ist. Das ist Regel
Nummer zwei.
Die Frage, ob in der Natur etwas von sich aus - also
ohne jeden äußeren Eingriff - geschehen kann oder
nicht, hängt also allein vom Gleichgewicht zwischen
den Regeln der Energie und der Entropie ab.
Der Wasserfall? Er stürzt hinab, weil es zu einem großen Abfall der
(Gravitations- )Energie kommt; zwischen den Wassermolekülen am
oberen und am unteren Ende besteht praktisch keine
Entropiedifferenz. Der Vorgang wird von Energie angetrieben.
Der Zucker im Kaffee? Er löst sich vor allem deshalb, weil seine
Entropie dabei stark zunimmt. Zuckermoleküle, die im Kaffee
herumschwimmen, sind sehr viel regelloser verteilt als in der engen
Bindung der Zuckerkristalle. Indessen gibt es nur eine sehr geringe
Energiedifferenz zwischen dem festen und dem gelösten Zucker.
Dieser Prozeß wird über die Entropie in Gang gesetzt.
Das brennende Streichholz? Offensichtlich kommt es hier zu einer
großen Abnahme der Energie, die auf einen Schlag freigesetzt wird.
Die gespeicherte chemische Energie im Streichholzkopf wird in
einem Ausbruch von Hitze und Licht abgegeben. Doch auch die
Entropie nimmt gewaltig zu: Die Partikel der Flamme und der
Rauch- und Gasschwaden sind viel regelloser verteilt als im kompakten Streichholzkopf. Diese Reaktion wird von den Regeln der
Natur also gleich doppelt bevorzugt, da sie sowohl durch Energie
als auch durch Entropie angetrieben wird. Deshalb läuft sie auch so
freudig ab, sobald Sie die auslösende Reibung geliefert haben.
Was aber, wenn ein Prozeß vorliegt, in dem eine der Größen, entweder die Energie oder die Entropie, in die »falsche Richtung«
läuft? Nun, der Vorgang kann immer noch stattfinden, solange die
andere Größe so stark in die »richtige Richtung« läuft, daß sie
überwiegt. Das heißt, die Energie kann zunehmen, wenn eine
gleichzeitige Steigerung der Entropie stattfindet, die diesen Vorgang
aufwiegt. Die Entropie wiederum kann abnehmen, solange eine ausreichend große Abnahme der Energie für Ausgleich sorgt.
Willard Gibbs war es, der eine Gleichung für dieses Gleichgewicht
von Energie und Entropie aufstellte. Wenn sich aus der GibbsGleichung
ergibt,
daß
nach
dem
Ausgleich
von
Entropieänderungen in der »falschen« Richtung noch etwas Energie
übrigbleibt, kann diese Energie (die freie Energie) dazu verwendet werden, die Dinge geschehen zu lassen; der
fragliche Prozeß wird also von sich aus ablaufen. Wenn dagegen der
Betrag der verfügbaren (»freien«) Energie nicht ausreicht, eventuelle
Entropieänderungen in der »falschen« Richtung auszugleichen, kann
und wird der Prozeß nicht ablaufen, solange nicht zusätzliche Energie von außen zugeführt wird.
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.1
Energie
Zentrale Frage
Wie kann man formell auf dem Papier erkennen, ob nach dem Vermischen von 2
Stoffen eine Reaktion abläuft oder nicht? Geht es, oder geht es nicht, das ist hier
die Frage!
Das Thema Thermodynamik oder Triebkraft für den Ablauf chemischer
Reaktionen kann hier eindeutige Aussagen treffen.
Benzin, ein komplexes Kohlenwasserstoffgemisch brennt ja bekanntlich, aber nicht
einfach so, sondern nach Zugabe von Aktivierungsenergie. Lässt sich jetzt sagen
„es geht“, weil es ja brennt, oder „es geht nicht“, weil es erst nach Zündung
brennt, also nicht sofort. Was heisst aber schon „sofort“?
Diese Fragen werden durch die Definition der Begriffe Freiwilligkeit, Stabilität
und Reaktivität, Enthalpie, Entropie und Freiwillige Reaktionsenthalpie geklärt.
Hier aber erst einmal die relevanten Reaktionsgleichungen:
5.4.2
Innere Energie U
Jedes System besitzt eine gewisse Energie, die mit U abgekürzt wird. Wird diese
Energie vom System abgegeben, kann man sie messen: als Wärme, als Arbeit z.B.
Hubarbeit, als Licht, als Knall. Energie lässt sich anscheinend nur messen, wenn sie
sich ändert. Daher wird in diesem Kapitel häufig ein Δ (delta) zu finden sein, z.B
ΔU, was die Änderung der inneren Energie ausdrücken soll.
1. Hauptsatz der Thermodynamik = Energieerhaltungssatz
Energie kann weder vernichtet noch erzeugt werden, sie kann nur in andere
Formen umgewandelt werden.
Chemische Reaktionen sind Stoffumwandlungen, bei denen die Atome umgruppiert
werden. Bei diesem Vorgang wird Energie entweder nach aussen abgegeben oder
von aussen aufgenommen.
Wo bzw. an welcher Stelle in den Stoffen befindet sich die Energie, die umgesetzt wird?
SPF SCB_A KME
65
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.2.1 Änderung der Inneren Energie U
Isoliertes System
In einem isolierten System werden weder Stoffe noch Energie mit der Umgebung
ausgetauscht. Eine geschlossene Kaffeethermoskanne (Dewar Gefäss) macht zwar
den Eindruck eines isolierten Systems, der Kaffee kühlt jedoch mit der Zeit auch
ab. Es handelt sich hier somit um eine geschlossenes System (s.u.) und nicht um ein
isoliertes System.
In einem isolierten System ist die innere Energie konstant, sie ändert sich
also nicht.
Geschlossenes System
In einem geschlossenen System werden keine Stoffe mit der Umgebung ausgetauscht, wohl aber Energie.
In einem geschlossenen System ändert
sich die innere Energie U.
In einem geschlossenen System kann
sich die innere Energie U auf 2 Arten
ändern: durch Austausch von
Wärme ΔQ und Arbeit W.
Was ist Arbeit im physikalischen Sinn?
In einem Motor wird Benzin verbrannt. Nehmen wir der Einfachheit
halber an, er sei ein geschlossenes System. Bei der Verbrennung entsteht Wärme, die nach aussen abgegeben wird, der Motor wird heiss,
aber auch Arbeit, denn es entstehen Gase, die den Druck erhöhen und
die Kolben antreiben. Dadurch wird das Volumen des Verbrennungsraums vergrössert und der Druck nimmt damit wieder ab.
Die Arbeit W, die verrichtet wird kann
durch die Änderung des Verbrennungsraum-Volumens beschrieben werden.
Ein neg. Vorzeichen steht immer für
Abgabe von Energie.
Die Änderung der inneren Energie U ist
somit beschreibbar als
SPF SCB_A KME
66
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Wie lässt sich die innere Energie U eines Stoffes messen?
Mit einem Kalorimeter, das nichts anderes ist als eine etwas aufwändig ausgerüstete, verschlossene Kaffeethermoskanne, in der Stoffe umgesetzt werden. Dieses
Kalorimeter lässt keine Volumenänderung zu, daher ist die Änderung des Volumens
in dieser Experimentanordnung immer gleich Null: ΔV = 0.
Mit ΔU = ΔQ - p·ΔV wird ΔU = ΔQv (ΔQv: Änderung der Wärmemenge bei konstantem Volumen), d.h. die Änderung der Wärmemenge entspricht hier der Änderung der inneren Energie. Wärme ist zwar nicht gleich Temperatur, sie lässt sich
aber aus dem Temperaturanstieg im Inneren errechnen.
Die Änderung der Inneren Energie ΔU eines Systems entspricht der umgesetzten Wärme ΔQ unter der Voraussetzung der Einhaltung eines konstanten
Volumens: ΔU
5.4.3
= ΔQv. Die Einheit der Inneren Energie ist kJ/mol.
Enthalpie H
Betrachten wir noch einmal das Kalorimeter. Es wurde etwas umgebaut, um einen
Druckausgleich bei der Reaktion zu ermöglichen. Man kann auch sagen, die Reaktion kann bei konstantem Druck verlaufen, wobei sich das Volumen verändern wird.
Mit dieser Anordnung kann die Enthalpie H gemessen werden.
Die Änderung der Enthalpie ΔH (en (gr.) = darin, thalpos (gr.) = Wärme)
eines Systems entspricht der umgesetzten Wärme ΔQ unter der Voraussetzung der Einhaltung eines konstanten Drucks: ΔH
= ΔQp.
Die Einheit der Enthalpie ist kJ/mol.
Da bei chemischen Reaktionen häufig unter konstantem Druck gearbeitet wird,
wird der Ausdruck der Enthalpie häufig verwendet.
Es gilt das Prinzip vom Enthalpieminimum: Jede chemische Reaktion ist bestrebt in einen Zustand geringster Enthalpie zu gelangen.
Die Abgabe von Wärme durch einen menschlichen Körper bei konstantem Umgebungsdruck ist zwar keine chemische Reaktion, verdeutlicht aber sehr schön das
Prinzip von Enthalpieminimum. Das System „Körper“ ist bestrebt, einen möglichst
geringen Enthalpiegehalt anzunehmen.
SPF SCB_A KME
67
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.4
Entropie S = Unordnung
Trinkender Vogel
Beobachtung, Beschreibung und Deutung des Phänomens
Wenn Sie an Ihr Zimmer oder an Ihre Wohnung denken, wird ruckartig klar: Unordnung entsteht quasi von allein, um aber Ordnung zu schaffen, ist eine gewisse
Energie zu investieren: Staub saugen, Aufräumen, Abwaschen, all das „kostet
Energie“. Daher ist die Unordnung, die auch als Entropie bezeichnet werden kann,
eine Form von Energie, die leicht übersehen wird aber an manchen Stellen in chemischen Reaktionen eine entscheidende Rolle spielt.
Die Entropie S (entrepein (gr.) = umkehren) ist ein Mass für die Unordnung
eines Systems. Sie ist ein Mass für die Plätze und Stellungen, die ein System
einnehmen kann. Die Einheit der Entropie ist J/mol/K.
Die Entropie gibt eine Richtung vor. Das Leben in der Wohnung erhöht die Entropie. Der Prozess ist irreversibel in dem Sinne, dass auf dem gleichen Wege (das
bedeutet in diesem Fall „das gleiche Verhalten“), einfach durch Weiterleben in der
Wohnung die Ordnung nicht wiederhergestellt werden kann. Dazu muss ein anderer Prozess (eben „das Aufräumen“) genutzt werden.
Die Idee ist naturwissenschaftlich einzigartig, denn mit der Entropie existiert
eine Richtung der Zeit, die sonst nirgendwo zu finden ist. Eine Richtung der Zeit
erzeugt somit auch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sollten die normalsten
Dinge der Welt ihren Ursprung in der Entropie haben?
SPF SCB_A KME
68
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
SPF SCB_A KME
2. Hauptsatz der Thermodynamik
Alle Systeme sind bestrebt ein Maximum an Unordnung anzunehmen.
Die Entropie des Gesamtsystems kann nur gleich bleiben oder zunehmen.
Betrachten wir das Beispiel des Schmelzens eines Eiswürfels (18 g = 1 mol) auf
einer Hand. Dies ist zwar kein chemischer Prozess, dafür aber umso einfacher zu
verstehen. Eiswürfel (System) und Hand (Umgebung) haben unterschiedliche Temperaturen, damit kommt es zu einem irreversiblen Prozess der Wärmeübertragung
von der Hand zum Eiswürfel; er schmilzt. Der Druck ändert sich dabei nicht (nach
wie vor ca. 1 bar), also p = konstant. Die Temperatur des Eiswürfels ändert sich
während des Schmelzvorgangs auch nicht. Die Hand wird immer wieder schnell
nachgewärmt, so dass die Handtemperatur übers Ganze gesehen immer 37 °C hat,
also T = konstant.
Die Entropieänderung ∆S lässt sich durch die übertragene Wärme ∆Q (auch Q
oder Qrev genannt) ausdrücken, vereinfacht gilt:
∆S =
∆Q
T
(T = konst.)
Bei konstantem Druck, der ja vorliegt gilt ΔQp = ΔH, oder
∆S =
∆H
T
(p, T = konst.)
∆H lässt sich leicht aus Tabellenwerken errechnen (siehe unten) = 6010 J/mol.
Für das Eis bei 273 K gilt ∆SWürfel =
Für die Hand bei 310 K gilt ∆SHand = -
6010
273
6010
310
= 22 J/K
= - 19.4 J/K
Das negative Vorzeichen ergibt sich aus der Idee von Abgabe und Aufnahme von
Entropie. Die Änderung der Gesamtentropie errechnet sich zu:
∆SGesamt = ∆SSystem+ ∆SUmgebung = ∆SWürfel + ∆SHand = 22 – 19.4 J/K = 2.6 J/K
Dies heisst, dass die Entropie im Gesamtsystem um 2.6 J/K angestiegen ist. Der 2.
Hauptsatz der Thermodynamik unterscheidet sich fundamental vom 1. Hauptsatz
der Thermodynamik:
1. Hauptsatz = Energieerhaltungssatz: Energie geht nicht verloren, es wird genau
so viel aufgenommen, wie abgegeben wird.
2. Hauptsatz = Entropie nimmt bei allen spontanen (freiwillig ablaufenden) Prozessen zu (die Prozesse sind dann auch immer irreversibel), also
∆SGesamt > 0
gesamt: Entropie steigt
Es ist oft zu beobachten, dass die Entropie bei einer chemischen Reaktion im Kolben abnimmt [z.B. Mg(s) + O2(g)  2 MgO(s)]. Dies wird aber erkauft durch
einen Enthalpieumsatz [die Reaktion ist stark exotherm, sonst liefe sie gar nicht
ab], so dass Wärme nach aussen abgegeben wird. Da die Temperatur innen grösser
ist als aussen, also TSystem > TUmgebung lässt sich wie bei obiger Rechnung schliessen, dass ∆SSystem < ∆SUmgebung
Aussen nimmt die Entropie mehr zu, als sie innen abgenommen hat. Über das Gesamtsystem betrachtet, nimmt die Entropie zu. Wird das Ende der Welt das totale Tohuwabohu sein?
Entropie steigt
Wärme
Entropie sinkt
69
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Entropieänderungen bei chemischen und physikalischen Prozessen
Zimt und Zucker
Endotherme Reaktion: 2 Pulver
Entropieänderungen bei physikalisch-medizinischen Prozessen
Erythrocyten werden in unterschiedliche Lösungen gegeben.
Was passiert? (Alle Stoffe können Membran durchqueren.)
aussen destilliertes Wasser
Dialyse
aussen sehr hoch
konzentrierte
Glucose Lösung
Es gibt noch den 3. Hauptsatz der Thermodynamik: Ein ideal kristallisierter Reinstoff besitzt am absoluten Nullpunkt eine Entropie von Null. Da ein ideal kristallisierter Reinstoff nur schwer herzustellen ist
und der absolute Nullpunkt nicht erreicht werden kann, wird eine Entropie von Null nie erreicht.
SPF SCB_A KME
70
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.5
SPF SCB_A KME
Freie Reaktionsenthalpie
Es gilt das Prinzip vom Enthalpieminimum: Jede chemische Reaktion ist bestrebt
in einen Zustand geringster Enthalpie zu gelangen.
Darüberhinaus gilt das Prinzip vom Entropiemaximum: Alle Systeme sind bestrebt ein Maximum an Unordnung anzunehmen. (2. Hauptsatz der Thermodynamik).
Wenn eine Reaktion also exotherm in Richtung Enthalpieminimum verläuft, und
zusätzlich die Entropie erhöht wird, dann wird die Reaktion zweifellos ablaufen.
Wie ist das aber bei anderen Kombinationen und wie passen rechnerisch Enthalpie
und Entropie zusammen?
Bei einer Reaktion ist die Änderung der Reaktionsenthalpie ∆RH und die Änderung
der Reaktionsentropie ∆RS ausschlaggebend. Enthalpie und Entropie wurden von
Gibbs 1873 zu einer neuen Funktion, der freien Reaktionsenthalpie ∆RG verknüpft.
Für eine chemische Reaktion, die bei der Temperatur T abläuft, formuliert man
die freie Reaktionsenthalpie ∆RG:
∆RG = ∆RH -T·∆
∆ RS
Gibbs-Helmholtz-Gleichung
J.W. Gibbs
(1839 -1903)
Bezeichnung
∆RG freie Reaktionsenthalpie
∆RH Reaktionsenthalpie
∆RS Reaktionsentropie
T
Bedeutung
Wirkung
Änderung der freien ∆G < 0 exergonisch
Enthalpie im System
∆G > 0 endergonisch
Änderung der Enthalpie im System
Änderung der Entropie im (Teil-)System
∆H < 0 exotherm
∆H > 0 endotherm
∆S < 0 Entropie nimmt ab
∆S > 0 Entropie nimmt zu
Temperatur in Kelvin (K)
5.4.6
Molare Standardbildungsenthalpie ∆Hf°
Um ∆RG° theoretisch berechnen zu können, sind für eine grosse Anzahl von Stoffen die Werte für die Enthalpien und Entropien unter Standardbedingungen, d.h.
bei 298.15 K (= 25 °C, 273.15 K = 0 °C) und bei 1.013 · 105 Pa (= 1.013 bar) und für
die Bildung von einem mol der Verbindung bestimmt und tabelliert worden, die sog.
Molare Standardbildungsenthalpie ∆Hf° und die Molare Standardentropie ∆S°.
Die hochgestellte Null zeigt somit Standardbedingungen an.
Die Werte der Bildungsenthalpien, die unter Standardbedingungen gemessen wurden, gelten näherungsweise auch für andere Temperaturen, da die Abweichungen
sehr klein sind. Damit können die Werte der Tabelle der Molaren
Standardbildungsenthalpien bei beliebigen Temperaturen verwendet werden.
71
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Zur Messung der molaren Standardbildungsenthalpien verwendet man das Kalorimeter. 1 mol der gewünschten Verbindung wird bei konst. Druck von 1.013 · 105 Pa
aus den Elementen erzeugt. Die bei der Reaktion an das Wasser abgegebene oder
vom Wasser aufgenommene Wärme ist die Standardbildungsenthalpie ∆Hf° (also
die Bildung des Stoffes aus den Elementen). Sie besitzt die Einheit kJ·mol-1.
Vorteil: Es werden vergleichbare Enthalpiewerte geschaffen, mit denen sich rechnen lässt.
Die Standardbildungsenthalpie der Elemente ist defintionsgemäss Null.
C (s) + O2 (g) → CO2 (g)
∆Hf°
5.4.7
0
0
-393 kJ·mol-1 (energieärmer als Edukte)
Molare Standardentropie S°
Jede Substanz besitzt bei Standardbedingungen eine bestimmte molare Entropie
S°, die in den allermeisten Fällen von Null verschieden ist, da jeder Stoff, sofern
es sich nicht um einen ideal gebauten Kristall bei 0 K handelt, durch seine Wärmebewegung eine bestimmte Unordnung besitzt. Einheit J·mol-1·K-1
5.4.7.1
Anleitung: Berechnung von ∆RH° und ∆RS° und ∆RG°
∆RH° = Σ ∆Hf°Produkte - Σ ∆Hf°Edukte
kJ•mol-1
∆RS° = Σ S°Produkte - Σ S°Edukte
J•mol-1•K-1
(In Prosa ausgedrückt: Für die Berechnung der Reaktionsenthalpie bzw. -entropie
bildet man die Differenz aus der Summe der Molaren Standardbildungsenthalpien
∆Hf° der Produkte und der Edukte. Das Gleiche gilt für die Entropien. Die Werte
sind aus Tabellen zu entnehmen.)
Aufgabe: Prüfen Sie den Rechenweg.
Hefezellen produzieren aus Glucose unter anaeroben Bedingungen bei 28 °C Ethanol und Kohlenstoffdioxid. (Die Hefe wird hier als Katalysator angesehen.)
Reaktionsenthalpie
C6H12O6 (aq) 2 C2H5OH (aq) + 2 CO2 (g)
∆RH° = Σ ∆Hf°Produkte - Σ ∆Hf°Edukte = [2 · (-278) + 2 · (-393)]- [-1268] = -74 kJ•mol-1
Die Reaktionsenthalpie ist negativ, die Reaktion ist also exotherm.
Reaktionsentropie
∆RS° = Σ S°Produkte - Σ S°Edukte = [2 · (161) + 2 · (214)]- [212] = 538 J•mol-1•K-1
Achtung: ∆RS° ist in Joule und nicht in kiloJoule angegeben.
Die Reaktionsentropie ist positiv, damit nimmt die Unordnung zu (leicht auch in
der Reaktionsgleichung ersichtlich.)
Freie Reaktionsenthalpie
Nach Gibbs-Helmholtz ∆RG° = ∆RH° -T·∆
∆RS°
∆RG° = -74 - 301.15 · 0.538 = - 236.0 kJ•mol-1
Die Reaktion ist exergonisch. Vom System wird freie Reaktionsenthalpie abgegeben. Über die Geschwindigkeit kann keine Aussage gemacht werden, auch nicht
über die Aktivierungsenergie.
SPF SCB_A KME
72
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.8
SPF SCB_A KME
73
Wiederholung Chemisches Gleichgewicht
DER GROSSE HOLZAPFELKRIEG
Wir wollen das Konzept des chemischen Gleichgewichts durch eine auf
den ersten Blick scheinbar weit hergeholte, aber tatsächlich mathematisch
korrekte Analogie einführen. Man stelle sich einen Holzapfelbaum vor, der auf
der Grenzlinie zwischen zwei Gärten steht; in dem einen wohnt ein verschrobener alter Mann und in dem anderen ein Vater, der seinem Sohn aufgetragen
hat, hinauszugehen und den Garten von Holzäpfeln zu reinigen. Der Junge
merkt schnell, daß man die Holzäpfel am einfachsten dadurch los wird, daß
man sie in den Nachbargarten wirft. Er tut es und erregt den Zorn des alten
Mannes. Jetzt beginnen der Junge und der Mann Holzäpfel hin und her über
den Zaun zu werfen, so schnell sie können. Wer wird gewinnen?
Die Schlacht läuft in fünf Phasen ab, wie in den fünf Graphiken gezeigt ist.
Wenn man annimmt, daß der Junge stärker und schneller ist als der alte Mann,
könnte man meinen, daß der Konflikt damit endet, daß alle Äpfel auf der Seite
des alten Mannes landen (Phase I und II). Wenn sich auf beiden Seiten des
Zauns die gleiche Anzahl von Äpfeln befindet, ist es zwar richtig, daß der Junge
die Äpfel schneller über den Zaun werfen wird, als sie der alte Mann zurückwerfen kann. Aber das heißt nur, daß mehr Äpfel auf der Seite des alten Mannes sein werden, die dann leichter zu erreichen sind. Auf der Seite des Jungen
werden sie rarer, und der Junge muß mehr herumrennen, um sie aufzuheben.
Schließlich wird ein Gleichstand oder ein Gleichgewicht erreicht, in dem die
gleiche Anzahl Äpfel in beiden Richtungen über den Zaun fliegt. Der alte Mann
wirft weniger schnell, hat aber geringere Mühe, Äpfel zu finden (Phase III); der
Junge wirft schneller, verliert aber Zeit dadurch, daß er herumrennt und die
wenigen Äpfel auf seiner Seite sucht (Phase IV). Das Verhältnis der Äpfel auf
den beiden Seiten des Zaunes wird schließlich durch die relative Geschwindigkeit der beiden Kämpfer bestimmt, doch werden nicht alle Äpfel auf einer Seite
landen (Phase V). Wir können die Geschwindigkeit, mit der der alte Mann die
Äpfel wirft, ausdrücken durch
GeschwindigkeitM = kMcM
Die Geschwindigkeit wird gemessen in Äpfel pro Sekunde über den Zaun, und
cM ist die Konzentration der Äpfel auf der Seite des Mannes, ausgedrückt in
Äpfel pro Quadratmeter Boden. Die Geschwindigkeitskonstante kM hat die
Einheit m2—s-1:
 Äpfel
GeschwindigkeitM = kM—cM 
 s
=
m2 Äpfel 
⋅

s
m2 
Der Wert von kM drückt die Behendigkeit des alten Mannes aus und seine
Geschwindigkeit, mit der er das Gebiet auf seiner Seite des Zauns unter Kontrolle hat.
Die Geschwindigkeit, mit der der Junge die Äpfel über den Zaun zurückwirft,
ist gegeben durch
GeschwindigkeitB = kB—cB
 Äpfel m2 Äpfel 
=
⋅


s
m2 
 s
wobei cB die Konzentration der Äpfel irn Garten des Buben ist und kB die
Geschwindigkeitskonstante oder Behendigkeitskonstante, die angibt, wie
schnell der Junge auf seiner Seite des Zauns aufräumt. Da wir angenommen
haben, daß der Junge schneller ist als der Mann, ist kB größer als kM.
Wenn der Junge seinen Garten völlig von Äpfeln gereinigt hätte, bevor der
alte Mann herausgekommen wäre, dann wäre die GeschwindigkeitM zu Beginn
der Schlacht größer gewesen als die GeschwindigkeitB, und es hätte insgesamt
einen Strom von Äpfeln auf die Seite des Jungen gegeben. Seine Behendigkeit
würde ihm nichts nützen, wenn es keine Äpfel auf seiner Seite gäbe, die er
aufheben könnte. Wenn umgekehrt die Schlacht mit der gleichen Konzentration von Äpfeln auf jeder Seite begonnen hätte, dann wäre die GeschwindigkeitB
größer gewesen als die GeschwindigkeitM, weil die Behendigkeitskonstante kB
größer ist als kM. Wenn beiden die gleiche Anzahl von Äpfeln zur Verfügung
steht, ist der Junge immer besser dran als der alte Mann, da er schneller
umherrennen kann. In beiden Fällen würde ein neutraler Beobachter zu seiner
Überraschung feststellen, daß die Schlacht schließlich in einer Patt-Situation
oder in einem Gleichgewicht endete, in dem GeschwindigkeitM =
GeschwindigkeitB, ist, an einem Punkt also, an dem die zusätzlichen Äpfel auf
der Seite des alten Mannes gerade die zusätzliche Behendigkeit des Jungen k
ompensieren. Die Geschwindigkeiten, mit
denen Äpfel in beiden Richtungen über den Zaun geworfen würden, wären
dieselben:
GeschwindigkeitM = GeschwindigkeitB
kM—cM = kB—cB
Das Verhältnis der Konzentrationen bei diesem Stillstand oder in diesem
stationären Zustand gibt uns die relativen Behendigkeiten des Mannes und des
Jungen an:
cM kB
=
cB kM
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Das Verhältnis der Äpfel in den beiden Gärten wird, wenn die
Patt-Situation erreicht ist, unabhängig von den Ausgangsbedingungen immer dasselbe sein - gleichgültig ob zu Beginn alle Äpfel in
dem Garten des Jungen oder des Mannes lagen oder zwischen den
beiden aufgeteilt waren. Das Verhältnis der Äpfel in den beiden
Gärten im Zustand des Gleichgewichts wird auch dasselbe sein,
unabhängig davon, wie viele Äpfel es gibt - ein Dutzend oder tausend (solange wir Ermüdungserscheinungen ausschließen können).
Eine Verdopplung der Zahl der Äpfel in der Schlacht verdoppelt die
Geschwindigkeit, mit der der Junge sie finden und werfen kann,
doch sie verdoppelt auch die Geschwindigkeit, mit der der Mann sie
zurückwerfen kann. Die beiden Effekte heben einander im Verhältnis auf.
Ein solches Verhältnis, das unabhängig von den Ausgangsbedingungen und von den absoluten Zahlen ist, wird Gleichgewichtskonstante K genannt:
K=
cM kB
=
cB kM
Wenn wir den Wert der Gleichgewichtskonstante kennen, entweder aus vergangenen Schlachten oder durch Kenntnis der
Behendigkeitskonstanten kM und kB, dann können wir, wenn die
Patt-Situation erreicht ist, bestimmen, wie viele Äpfel auf der Seite
des alten Mannes sind, indem wir die Äpfel auf der Seite des Jungen
zählen und einfache Arithmetik anwenden.
Beispiel. Der Junge säubert sein Gebiet doppelt so schnell wie
der alte Mann. In der Patt-Situation liegen im Garten des Jungen
drei Äpfel pro Quadratmeter. Wie groß ist die Apfeldichte auf der
Seite des alten Mannes?
Aus den Bedingungen folgt:
K=
cM kB
=
= 2 ⇒ cB = 3Äpfel ⋅ m− 2
cB kM
Dann ist cM = 6 Äpfel—m-2
Der alte Mann hat im Gleichgewicht sechs Äpfel pro Quadratmeter
auf seiner Seite.
Die Patt-Situation ist ein Gleichgewicht zwischen zwei einander
entgegen gerichteten Apfelwerf-Prozessen. Offensichtlich hat im
Gleichgewicht das Hin- und Herwerfen von Äpfeln nicht aufgehört,
doch wenn wir über die Zahl der Äpfel auf beiden Seiten Buch
führten, würden wir feststellen, daß sich nichts mehr änderte. Das
wird durch die Patt-Situation in Phase V illustriert. Die Konzentration der Äpfel auf beiden Seiten des Zauns wird sich nicht mehr
ändern, bis der eine oder der andere Kämpfer ermüdet und langsamer wird.
Die Holzapfel-Analogie ist eine mathematisch korrekte Behandlung der einfachen Reaktion, bei der eine Substanz in eine andere
übergeht: A  C oder A → C und C → A
SPF SCB_A KME
74
In der Analogie sind A und C die Äpfel auf der Seite des Mannes bzw. des Jungen, und die chemische Reaktion entspricht dem
Werfen der Äpfel von einer Seite auf die andere.
Jeder chemische Prozeß ist auf der molekularen Ebene reversibel. Wenn A-Moleküle in C-Moleküle umgewandelt werden können,
dann müssen auch C- Moleküle in der Lage sein, in A-Moleküle
überzugehen, wenn auch vielleicht mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Wenn kH und kR die Geschwindigkeitskonstanten für Hinbzw. Rückreaktion sind, dann gilt wie in der Holzapfel-Analogie:
Geschwindigkeit der Hinreaktion = Geschwindigkeitskonstante der
Hinreaktion — Konzentration der Reaktanden
vH = kH— cA
Geschwindigkeit der Rückreaktion = Geschwindigkeitskonstante der
Rückreaktion — Konzentration der Produkte
vR = kR— cC
Anstelle der Einheiten Äpfel pro Quadratmeter messen wir die
Molekülkonzentrationen in Moleküle pro Kubikzentimeter oder
bequemer in Mol pro Liter. Wenn man die Gesamtreaktionsgeschwindigkeit in Mol reagierende Substanz pro Sekunde ausdrückt,
dann erhalten die Geschwindigkeitskonstanten die Einheiten Liter
pro Sekunde.
Wieder beschreiben die Geschwindigkeitskonstanten, wie
schnell die Hin- und Rückreaktionen "das Territorium beherrschen",
das die Moleküle einnehmen.
Wenn die Hin- und Rückreaktionen lange genug abgelaufen
sind, wird das Verhältnis der Konzentrationen von A und C einen
bestimmten Wert annehmen, der nicht von den Ausgangsbedingungen oder der absoluten Zahl der vorhandenen Moleküle A und C
abhängt. Das Gleichgewicht ist erreicht, in dem sich Hin- und
Rückreaktionen genau die Waage halten:
GeschwindigkeitH = GeschwindigkeitR
K=
cC kH
=
cA kR
Gleichgewicht bedeutet nicht, daß die chemische Aktivität aufgehört hat, sondern nur, daß Hin- und Rückreaktion mit derselben
Geschwindigkeit ablaufen, so daß sich die Mengen von Reaktand
und Produkt nicht mehr ändern.
(modifiziert nach Dickerson/Geis CHEMIE-eine lebendige und
anschauliche Einführung)
Aussagen
•
Chemische Reaktionen sind umkehrbar. Sie verlaufen nicht einfach von den Edukten zu den Produkten, sondern auch in umgekehrte Richtung. Man schreibt Edukte  Produkte Die Äpfel fliegen von links nach rechts
und umgekehrt.
•
Chemische Reaktionen werden als dynamisches Gleichgewicht beschrieben, wenn genauso viele Stoffe gebildet werden, wie wieder zerfallen. Ab einem gewissen Zeitpunkt fliegen genauso viele Äpfel von links nach
•
Gleichgewichte lassen sich von der Edukteseite einstellen, wie aber auch von der Produkteseite. (Dass das GG
von der Edukte her erreichbar ist, ist trivial, es ist aber auch durch Kombination der Produkte erreichbar.)
Ist das Gleichgewicht erreicht, ändert sich die Konzentration der Stoffe nicht mehr, jedoch läuft die Reaktion ständig weiter. Nach Erreichen des Gleichgewichts bleibt die Anzahl der Äpfel links wie auch rechts
rechts wie von rechts nach links.
•
konstant. Sie ändert sich nicht mehr, obwohl ständig Äpfel hin- und herfliegen.
•
„Gleichgewicht“ bedeutet NICHT, dass die Konzentration der Edukte und Produkte identisch, also „im Gleichgewicht“ sind. Gleichgewicht = keine Änderung der Stoffkonzentrationen. Die Anzahl der Äpfel auf der linken
•
Das Verhältnis der Äpfel lässt sich durch die Gleichgewichtskonstante K ausdrücken: Anzahl der Äpfel auf
der „Produkteseite“ durch Anzahl der Äpfel auf der „Edukteseite“.
Ist K > 1 spricht man davon, dass das GG rechts liegt. Ist 0 < K < 1 dann liegt das GG links.
und rechten Seite ist völlig verschieden aber konstant.
•
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.9
5.4.9.1
Gleichgewichtskonstante K und ∆RGo
Freiwilligkeit einer Reaktion
Die Freiwilligkeit einer Reaktion auch Spontaneität einer Reaktion wird sehr speziell definiert.
∆RG°
Bedingungen sind Standardbedingungen: Der Druck ist
1.013 · 105 Pa (1.013 bar) und die Temperatur 298.15 K.
Ausserdem wird nach Definition der Molaren Standardbildungsenthalpie ein 100%iger Stoffumsatz vorausgesetzt: das Gleichgewicht einer Reaktion liegt
ganz auf der rechten Seite E P (kein Gleichgewicht
und somit keine Stoffmischung von E/P).
Unter diesen Bedingungen wird die Freie Reaktionsenthalpie ∆RG° genannt (Die hochgestellte Null ist das
Wichtige). Ist ∆RG° negativ (Differenz ProdukteEdukte), dann ist eine Reaktion freiwillig. Die Reaktion verläuft freiwillig, d.h.
ohne äussere Einflüsse (ohne Energiezufuhr). Der Ball würde spontan d.h. freiwillig
herunterrollen.
∆RG°
Bedingungen sind Standardbedingungen mit 0%igem
Stoffumsatz: Das Gleichgewicht dieser Reaktion liegt
ganz auf der linken Seite E  P (kein Gleichgewicht
und somit keine Stoffmischung von E/P)
Ist ∆RG° positiv (Differenz Produkte-Edukte), dann
ist eine Reaktion nicht freiwillig. Die Reaktion verläuft nicht freiwillig ohne äussere Einflüsse (Energiezufuhr), d.h. wenn sie ablaufen soll, muss von aussen
ständig Energie zugeführt werden.
Der Ball rollt nicht spontan d.h. nicht freiwillig hinauf, dies kann aber durch Energiezuführung möglich gemacht werden.
Jetzt verlaufen aber die wenigsten Reaktionen nach dem Muster einer extrem rechten (100%igen) oder extrem linken
(0%igen) Gleichgewichtslage, sondern die meisten Reaktionen
sind (richtige) Gleichgewichte. Ein System landet im Gleichgewicht, weil dort der energetisch günstigste Zustand der Freien Reaktionsenthalpie herrscht. Im Gleichgewicht existiert
eine Stoffmischung aus Edukten und Produkten.
Gleichgewichte lassen sich von beiden Seiten starten, hier der
Einfachheit halber von der Edukteseite aus betrachtet.
Die Reaktion verläuft solange freiwillig, bis ∆RG (grün) Null
geworden ist. Hier ist ∆RG der Unterschied zwischen Ausgangszustand (hier Edukte) und
dem Gleichgewichtszustand. Nicht
zu verwechseln mit ∆RG°, der Dif∆RG°
ferenz zwischen Ausgangszustand
∆R G
Edukt und 100% Produkt (blau).
Einmal im Gleichgewicht angekommen, wird der Gleichgewichtszu∆R G = 0
stand nicht freiwillig in Richtung
Produkte verlassen, weil hier ∆RG
positiv ist (grün).
SPF SCB_A KME
75
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Nicht verwechseln: Als ∆RG wird die Triebkraft einer Reaktion bezeichnet, die von
den tatsächlichen Konzentrationsverhältnissen der an der Reaktion beteiligten
Stoffe abhängt (in der GG-Konstanten K verrechnet; s.u.). ∆RG° hingegen ist die
Triebkraft der Reaktion unter der Annahme einer extremen Gleichgewichtslage.
Die Werte sind verschieden, die zugrunde liegenden Prinzipien jedoch gleich. Ist
∆RG negativ dann verläuft eine Reaktion freiwillig, ist ∆RG° negativ so verläuft sie
auch freiwillig.
Es ist nicht sinnvoll alle ∆RG Werte zu errechnen. Interessant ist der Punkt, wenn
das System die Gleichgewichtslage erreicht hat. Ist diese erreicht dann gilt, per
Definition (keine Herleitung):
∆RG = ∆RG° + R·T·lnK
Ausserdem gilt im Gleichgewicht, dass ∆RG = 0, so dass nach Einstellung des
Gleichgewichts die Gleichgewichtskonstante K aus ∆RG°, die sich wiederum aus
tabellarischen Werten errechnen lässt, kalkulierbar ist:
∆RG = ∆RG° + R·T·lnK = 0
Es besteht also ein Zusammenhang zwischen der Gleichgewichtskonstanten K und
der Freien Reaktionsenthalpie ∆RGo, wenn ein System sein Gleichgewicht erreicht
hat:
∆RGo = - R·T·lnK
R: Universelle Gaskonstante 8.314 J·mol-1·K-1
(Achtung Joule nicht kiloJoule)
ln = natürlicher Logarithmus zur Basis e
y = ln x ► x = ey
T = Temperatur in Kelvin
Aufgabe
Behauptung: Wenn eine Reaktion freiwillig verläuft (∆RG° < 0), dann liegt das
Gleichgewicht auf der rechten Seite (K > 1).
Prüfen Sie die Zahlen zur Bestätigung der Behauptung (siehe auch Graphik rechts)
Verwenden wir das Gärungsbeisp. (S. 72) mit Glucose mit ∆RG° = - 236.0 kJ•mol-1
∆RG° = -R·T·lnK Zahlen einsetzen: - 236.0 = - 0.008314 · 301.15 · lnK
lnK = 94.2581942 K = e94.2581942 = 8.63 · 1040
∆RG°-Wert ist negativ und das GG liegt auf der Produkteseite mit K >> 1.
Gleichgewichte deren Gleichgewichtslagen rechts liegen, werden auch als frei-
willig, d.h. ohne äussere Zufuhr von Energie ablaufend, bezeichnet. Gleichgewichte die links liegen werden als nicht freiwillig bezeichnet, da für den Ablauf der
Reaktion ständig Energie zugeführt werden muss.
Es gilt also folgender zusammenfassender Zusammenhang:
Lage des GG
Wert für ∆RG°
Wert für K
Freiwilligkeit
Spontaneität
Rechts
∆RG° < 0
K>1
freiwillig = spontan
Links
∆RG° > 0
0<K<1
nicht freiwillig
= nicht spontan
Mitte
∆RG° = 0
K=1
---
SPF SCB_A KME
76
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.9.2
SPF SCB_A KME
Energiediagramm der Freien Reaktionsenthalpie
Freiwilligkeit lässt sich mit einem negativen ∆RGo-Wert ausdrücken. Der Wert
kommt zustande aus einem Anteil der Enthalpie ∆RHo und einem Anteil der Entropie -T·∆RSo. Der Anteil der Entropie ist nicht einfach ∆RSo sondern -T·∆RSo. Die
beiden Werte sind entweder Gegenspieler oder Mitspieler.
Alkoholische Gärung (S. 72)
∆RH° = -74 kJ•mol-1
∆RH° = -74 kJ•mol-1
∆RS° = 538 J•mol-1•K-1
-T·∆RS° = - 301.15 · 0.538 = -162.0 kJ•mol-1
(Entropieanteil erstaunlich gross)
∆RG° = - 236.0 kJ•mol-1
-T·∆RS° = -162.0 kJ•mol-1
∆RG° = - 236.0 kJ•mol-1
Aufgabe
Warum können auch endotherme Reaktionen freiwillig ablaufen?
Zeichnen Sie ein (beliebiges) Diagramm der Freien Reaktionsenthalpie.
(Zur Erinnerung 1: Dies widerspricht ja dem Prinzip vom Enthalpieminimum.)
(Zur Erinnerung 2: freiwillig heisst „nur“, dass das GG rechts liegt, also viel Produkt gebildet wird.)
Übersicht verschiedenster temperaturabhängiger Kombinationen von Enthalpie
und Entropie zur Freien Reaktionsenthalpie.
77
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.9.3
Stabilität und Reaktivität
Thermodynamik : Wieviel?
Aussage
Je stabiler ein Stoff ist, desto geringer ist seine Energie.
Zur Verdeutlichung spricht man von
thermodynamisch stabilen oder thermodynamisch instabilen Stoffen (und
nicht einfach nur von stabil oder instabil).
Je thermodynamisch stabiler ein Stoff
ist, desto höher ist die Konzentration,
nachdem sich das Gleichgewicht eingestellt hat. Somit besteht ein direkter
Zusammenhang zwischen der Freiwilligkeit einer Reaktion und der Stabilität
der Stoffe. Massgebliches Argument
ist also der Wert von ΔRG° und somit
die Lage des GG.
Beschränkt man sich auf die Betrachtung der Edukte, so kann man auch von
thermodynamisch stabilen oder therSystemen
modynamisch
instabilen
sprechen.
Wie schnell sich das GG einstellt, ist
hier unerheblich.
Beispiel
Im Bild a) sind die Produkte stabiler, im
Bild b) die Edukte.
In Bild a) handelt es sich um thermodynamisch instabile Edukte (da sie energetisch höher liegen) bzw. thermodynamisch stabile Produkte (da sie energetisch tiefer liegen).
Im Bild a) handelt es sich um eine exergonische Reaktion. ΔRG° < 0, damit liegt
das Gleichgewicht rechts und K > 1. Die
Reaktion ist per Definition freiwillig.
Von den Produkten ist dann wohl mehr
vorhanden als von den Edukten. Viel
Produkte und wenig Edukte im Bild a)
nach Einstellung des Gleichgewichts
heisst dann auch, die Produkte sind
thermodynamisch stabil, die Edukte
thermodynamisch instabil.
In Bild b) handelt es sich um ein thermodynamisch stabiles System.
Die Höhe des Berges stellt die Aktivierungsenergie dar, sie ist bei a) und b)
gleich.
Üblicherweise wird der von Chemikern benutzte „nackte“ Begriff Stabilität als
Synonym für thermodynamische Stabilität verwendet. „Gold ist relativ stabil“
heisst dann, dass Gold thermodynamisch stabil ist und somit das GG der Reaktion
von Gold mit einem zweiten Stoff links liegt.
SPF SCB_A KME
78
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Kinetik (Lehre von der Reaktionsgeschwindigkeit): Wie schnell?
Aussage
Je schneller ein Stoff reagiert, desto
grösser ist dessen Reaktivität. Je langsamer ein Stoff reagiert, desto geringer ist dessen Reaktivität.
Je reaktiver ein Stoff ist, desto
schneller stellt sich das GG ein.
Zur Verdeutlichung spricht man von
kinetisch instabilen oder kinetisch stabilen Stoffen.
Massgebliches Argument =
Aktivierungsenergie
Ob das GG links oder rechts liegt, ist
hierbei unerheblich.
Beispiel
Im Bild b) sind die Edukte unreaktiver
als in Bild a).
Im Bild a) stellt sich das GG schneller
ein.
Im Bild b) spricht man von kinetisch
stabilen Edukten. Synonyme: kinetisch
stabil = unreaktiv = reaktionsträge =
kinetisch inert (untätig)
Die Aktivierungsenergie in Bild c) ist
geringer als in Bild d). Die Edukte sind
in Bild c) kinetisch instabil in Bild d)
kinetisch stabil.
a) und b) sind exergonisch, c) und d)
sind endergonisch. Für die Edukte gilt
a) thermodynamisch instabil,
kinetisch instabil
b) thermodynamisch instabil,
kinetisch stabil (wird auch metastabil
genannt, siehe unten)
c) thermodynamisch stabil,
kinetisch instabil
d) thermodynamisch stabil,
kinetisch stabil
Wirkung eines Katalysators = Senkung
der Aktivierungsenergie: kinetisch stabile Stoffe können durch Zugabe eines
Katalysators kinetisch instabil werden.
Gibt man zu den Stoffen in Bild b) einen geeigneten Katalysator, erhält man
Bild a). Hier wird ausschliesslich die
Kinetik beeinflusst, nicht die Thermodynamik.
SPF SCB_A KME
79
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Metastabil
Haben wir es gleichzeitig mit einem thermodynamisch instabilen System und mit
einem kinetisch stabilen zu tun, dann nennt man das System auch metastabil, so
wie es in Bild b) gezeigt ist.
Oder anders: Die GG Lage ist rechts, aber das GG stellt sich nur sehr langsam ein.
„Es sieht im Experiment so aus, als ob der Stoff thermodynamisch stabil wäre, ist
er aber nicht, er ist kinetisch stabil. Dies ist bemerkenswert, da alle Stoffe der
belebten Natur zu ihnen zählen. Holz, Glucose, Aminosäuren, Fette, Alkane, Alkene
reagieren mit Luftsauerstoff im Wesentlichen zu CO2 und H2O.
Die Metastabilität kann durch eine Katalysator beeinflusst werden.
Thermische Stabilität (Wärmebeständigkeit)
Die allermeisten organischen Verbindungen haben eine geringe Wärmebeständigkeit, sie sind thermisch (!) instabil, d.h. sie verkohlen oder brennen schon bei wenigen 100 °C. Dies passiert z.B. bei Alkanen aufgrund der geringen Polarität der C-C
bzw. C-H Bindungen. Dabei zeigt sich, dass die C-C und C-H Bindungen exergonisch
in C-O oder H-O Bindungen überführt werden. Das GG dieser Reaktion liegt
rechts, es handelt sich also bei Alkanen um thermodynamisch instabile Stoffe,
aber die Bindungen sind unreaktiv, d.h. Alkane sind kinetisch stabil. Bei der thermischen Instabilität von organischen Stoffen liegt also ein metastabiler Zustand
vor, der wie bereits definiert thermodynamisch instabil und kinetisch stabil ist.
Aufgaben
Natrium reagiert bei Standardbedingungen an der Luft sehr rasch mit Luftfeuchtigkeit. Frische Schnittstellen von Natrium „laufen an“ und die Reaktion ist stark
exergonisch. Machen Sie eine Aussage zur Stabilität und Reaktivität von Natrium.
Methan reagiert mit Luftsauerstoff erst nach Entzünden mit einem Streichholz
zu CO2 und H2O. ΔRG° ist negativ. Machen Sie eine Aussage zur Freiwilligkeit,
Stabilität und Reaktivität von Methan.
Ausströmender Wasserstoff kann bei Raumtemperatur mit Hilfe eines Asbest/Platin-Katalysators an der Luft entzündet werden. Die Flamme ist sehr heiss.
Wie steht es hier mit Stabilität und Reaktivität?
Die Begriffe Stabilität und Reaktivität passen hierarchisch nicht zueinander.
Stellen Sie die Beziehung der beiden Begriffe zueinander dar.
SPF SCB_A KME
80
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.9.4
SPF SCB_A KME
81
Vier Anwendungsaufgaben
Aufgabe
Knallgasreaktion: Wasserstoffgas reagiert mit Sauerstoffgas zu Wasser
Beobachten Sie die Reaktion genau und machen Sie eine Aussage zur Reaktivität und Stabilität
der Edukte sowie der Freiwilligkeit dieser Reaktion. Stellen Sie dazu die Reaktionsgleichung auf.
Information: Bei dieser Reaktion lässt sich nach Gleichgewichtseinstellung so gut wie kein Wasserstoff- oder Sauerstoffgas mehr nachweisen.
Nutzen Sie dazu die Tabelle unten. Rechnen Sie nicht.
allg. Definition
Stabilität
Massgebliche Argumente:
1) GG-Konstante K/Lage des GG
2) Geschwindigk. der GG-Einstellung
3) Aktivierungsenergie
4) Katalysator
dies ist ein Argument
Begründung zur Knallgasreaktion
dies ist kein Argument
Reaktivität
dies ist ein Argument
dies ist kein Argument
Freiwilligkeit
Spontaneität
(synonyme
Begriffe!)
dies ist ein Argument
dies ist kein Argument
Im Allgemeinen besteht kein Zusammenhang zwischen
der Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung
und der Lage des Gleichgewichts.
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
Aufgabe
Giftige Autoabgase wie CO und NO werden am Auto-Katalysator umgesetzt, um
ungiftige Produkte wie CO2 und N2 zu erhalten.
2 CO (g) + 2 NO (g)  2 CO2 (g) + N2 (g)
a) Berechnen Sie ∆RH°, ∆RS° und ∆RG°.
b) Machen Sie eine Aussage zur Reaktivität, Stabilität und Freiwilligkeit.
c) Fertigen Sie ein Energiediagramm der Freien Reaktionsenthalpie an.
d) Warum wird überhaupt ein Katalysator benötigt?
Weltweit fahren bereits etwa 80% aller PKW mit Abgaskatalysatoren. Die wichtigsten Schadstoffe der Autoabgase können dadurch zu mehr als 90 % in ungefährliche Stoffe überführt werden.
Der Träger des Katalysators besteht aus einem
Keramikkörper mit wabenförmigen Gängen. Diese Gänge sind mit einer porösen Schicht von
Aluminiumoxid überzogen. Die innere Oberfläche wird dadurch etwa um den Faktor 5000
vergrößert.
Auf der Oxidschicht sind als eigentlicher Katalysator etwa zwei Gramm einer Platin/RhodiumLegierung aufgebracht. An der Metalloberfläche erfolgt sowohl die Oxidation von Kohlenstoffmonooxid und von Kohlenwasserstoffen als
auch die Reduktion von Stickstoffmonooxid.
Damit Oxidation und Reduktion gleichzeitig
optimal ablaufen, muss die Zusammensetzung des Luft/Kraftstoff-Gemisches
konstant bei einem bestimmten Wert gehalten werden. Dies erfolgt durch die λSonde, die in einem Regelkreis durch Messung der Sauerstoffkonzentration das
Einspritzsystem oder den Vergaser steuert. Liegt zu viel Sauerstoff vor (mageres
Gemisch), so ist die Reduktion gestört. Bei zu viel Kraftstoff (fettes Gemisch) ist
keine vollständige Oxidation möglich.
SPF SCB_A KME
82
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
SPF SCB_A KME
Aufgabe
Wie viele Kalorien halten sich in 16 g Zucker (2 Teelöffel) versteckt?
Saccharose C12H22O11 (Kristallzucker, siehe rechts) wird mit Sauerstoff umgesetzt zu CO2 und Wasser. Dies geschieht im Humanstoffwechsel in der Glycolyse und im Citratcyclus (siehe rechts).
C12H22O11 (S) + 12 O2 (g)  12 CO2 (g) + 11 H2O (l)
a) Berechnen Sie ∆RH°, ∆RS° und ∆RG°.
b) ∆RG° entspricht dem Energiegehalt. Berechnen Sie, wieviel kiloJoule 16 g Kristallzucker entsprechen und rechnen Sie in „Kalorien“
um. Umrechnung: 1 "Kalorie" = 1 kcal = 4.18 kJ
c) Zucker gelten in der Biologie als energiereiche Stoffe. Wenn Sie
die Standardbildungsenthalpien von Glucose und Saccharose in der
Tabelle betrachten, so sind die Werte stark negativ. Die Stoffe
sind also relativ energiearm. Ist das nicht ein Widerspruch zur
biologischen Meinung, dass die Stoffe energiereich seien?
CO2 + H2O
83
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
SPF SCB_A KME
Aufgabe
Der Zusammenhang zwischen ∆RG° und K soll anhand des StickstoffmonooxidGleichgewichts verdeutlicht werden. Unerwünschtes NO entsteht bei der Verbrennung im Motor. Sollte die Betriebstemperatur des Motors möglichst hoch,
oder möglichst niedrig sein? Rechnen Sie und beurteilen Sie.
O2 (g) + N2 (g)  2 NO (g)
Temperatur (K)
298 (Umwelt)
900 (Auspuff)
2300 (Verbrennungsraum)
Aussage
∆RH°
∆RS°
∆RG°
kJ·mol-1
J·mol-1·K-1
kJ·mol-1
Gleichgewichtskonstante K
Gleichgewichtslage
84
Thermodynamik: Energie-Enthalpie-Entropie
5.4.9.5
1.
Drill&Practice Thermodynamik
Bei der Verminderung des Schadstoffausstosses von Heizkraftwerken wird
das bei der Verbrennung von verunreinigendem Schwefel gebildete SO2 mit
Hilfe von Luftsauerstoff am Vanadiumoxidkatalysator zu SO3 umgesetzt.
a)
b)
c)
d)
e)
f)
2.
Stellen Sie die Reaktionsgleichung auf.
Beurteilen sie nach Berechnung der freien Reaktionsenthalpie bei 298 K
und 800 K, ob die Vorgänge freiwillig ablaufen.
Machen Sie eine Aussage zur Entropie (alle Stoffe gasförmig). Stimmt
Ihre logische Überlegung mit der errechneten Zahl überein.
Zeichnen Sie ein Energiediagramm der Freien Reaktionsenthalpie, das die
Anteile der Enthalpie und Entropie zeigt.
Berechnen Sie die Gleichgewichtskonstante K bei 298 K. Liegt das Gleichgewicht weit auf der linken Seite, auf der linken Seite, auf der rechten
Seite, weit auf der rechten Seite?
Bei einer bestimmten Temperatur betrug der Umsatz dieser Reaktion
70%. Nehmen Sie an, dass die Reaktion mit 2 mol SO2 und 1 mol O2 ge-
startet wurde. Berechnen Sie den Wert der Gleichgewichtskonstanten
für diese Temperatur. Bestimmen Sie, bei welcher Temperatur die Reaktion durchgeführt wurde. Gehen Sie dafür von der Gibbs-HelmholtzGleichung in Kombination mit dem Zusammenhang zwischen der freien
Reaktionsenthalpie und der Gleichgewichtskonstanten aus.
g) Welche Temperatur würden Sie für eine 99.9%ige Verbrennung wählen?
h) Wofür wird der Katalysator benötigt?
Die Reaktion von Stickstoff und Wasserstoff zu Ammoniak verläuft exotherm.
a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung.
b) Verläuft die Reaktion auch exergonisch? Berechnen Sie ∆RG° bei 298 K.
c)
3.
4.
5.
6.
Berechnen Sie die Gleichgewichtskonstante K bei 298 K und bei 450 °C.
Bei welcher der beiden Temperaturen liegt das GG weiter rechts, auf der
Seite der Produkte?
d) Die Synthese von Ammoniak wird bei ca. 450 °C durchgeführt. Ist das
nach Ihren Daten logisch? Warum wird diese hohe Temperatur gewählt?
e) Welche Rolle spielt der hohe Druck von 300 bar, der bei der Synthese
verwendet wird? (Nur mit Hilfe von Le Châtelier lösbar.)
Betrachtet man in der Tabelle die Entropiewerte eines Stoffes im festen
(solid, s) und gasförmigen Zustand (z.B. Fe) so ist der Wert für den gasförmigen Zustand höher. Ist das logisch? Passt die Antwort auch für den Übergang
von flüssig (liquid, l) zu gasförmig?
Berechnen Sie die Umwandlung von (Z)-But-2-en  (E)-But-2-en. Verläuft die
Reaktions freiwillig? Ist der Energieunterschied gross/klein?
Es wurde behauptet, dass isolierte Doppelbindungen und konjugierte Doppelbindungen energetisch unterschiedlich seien. Prüfen Sie mit thermodynamischen Berechnungen am Beispiel von Penta-1,3-dien und Penta-1,4-dien.
Berechnen Sie die Reaktionsenthalpie für die Reaktion von
Cyclohexen zu Cyclohexan durch Anlagerung von Wasserstoff (Hydrierung von Doppelbindungen mit H2). (Die Reaktionsentropie ist relativ gering, zusätzlich für alle Betrachtungen relativ ähnlich
und wird hier der Einfachheit halber ignoriert.)
Berechnen Sie auch: Cyclohexa-1,3-dien plus Wasserstoff zu
Cyclohexan, Cyclohexa-1,3,5-trien (hypothetisches Teilchen)
plus Wasserstoff zu Cyclohexan (keine Daten, Schätzung
machen!), Benzen plus Wasserstoff zu Cyclohexan.
Auswertung: Vergleichen Sie die Werte miteinander. Ist der
Verlauf
Cyclohexen Cyclohexa-1,3-dien Cyclohexa-1,3,5-trien
gleichmässig? Entspricht das Ergebnis Ihren Erwartungen?
Warum will sich das Benzen dort gar nicht einordnen?
SPF SCB_A KME
85
Herunterladen