Apraxien - Neurologos

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11.11.2014
www.neurologos.de
Apraxien
verstehen und behandeln
Stefanie Schulz
copyright S.Schulz
dbl Landesfortbildungstag Heidelberg 2014
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Apraxien verstehen und behandeln
Definition
Apraxieformen
Imitationsstörung
Störung kommunikativer Gesten
Störung von Objekt- und Werkzeuggebrauch
buccofaziale Apraxien und Sprechapraxien
Patientenbeispiel
Diskussion
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Apraxien - Definition
Definition der Apraxie
griechisch Apraxia= Untätigkeit
nach Lippert Anatomie: Handlungsunfähigkeit im
motorischen Bereich wobei die Muskeln nicht gelähmt
sind, sondern der Betroffene keine sinnvolle Bewegung
mehr mit ihnen ausführen kann
Poeck et al: Apraxie ist eine Störung der sequentiellen
Anordnung von Einzelbewegungen zu Handlungsfolgen,
während die elementare Beweglichkeit erhalten ist
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Apraxien - Definition
Im „Dschungel der Apraxie“
leider gibt es im Bereich der Apraxien eine Vielzahl von
Definitionen und definierten Sonderformen wie
Gangapraxie oder konstruktive Apraxie, ideokinetische,
ideomotorische und ideatorische Apraxie
diese Begriffe werden selbst in der Fachwelt nicht
einheitlich benutzt
gängig ist die Unterscheidung: ideomotorische
(ideokinetisch) und ideatorische Apraxie mittlerweile
durch neue Forschungen umstritten und in Fachkreisen
heftig diskutiert
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Apraxien - Definition
Definition der Apraxie
dieser Einteilung zugrunde liegt die veraltete
Modellvorstellung eines von im Gehirn von posterior
(hinten) nach anterior (vorne) verlaufenden Stroms der
Handlungskontrolle zugrunde. Je nachdem, wo dieser Fluss
unterbrochen ist, wird von einer ideatorischen oder
ideomotorischen Apraxie gesprochen
Ideatorisch: Handlungsplan (Ideation= Bewegungsentwurf)
nicht intakt aber Umsetzung in motorische Aktion möglich
Ideomotorisch: Handlungsplan intakt aber Umsetzung
motorische Aktion fehlerhaft
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Apraxien - Definition
Definition der Apraxie
• alle Apraxieformen können logopädisch relevant sein
• sinnvoll: Lokalisationsort der Symptomatik:
Apraxien der Gliedmaßen (Arme und/ oder Beine)
Apraxien des Rumpfes
Apraxien der Gesichtsmuskulatur: buccofaziale Apraxien
Apraxien der Sprechorgane: Sprechapraxien
Folgen für den Patienten und die Therapie?
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Apraxien nach Goldenberg (aus „Apraxien Fortschritte der Neuropsychologie“, Hogrefe)
Apraxie als…
Störung des
Imitierens
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Störung bei der
Ausführung
kommunikativer
Gesten
Störung des
Werkzeugs- und
Objektgebrauches
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Apraxien
Alltagsrelevanz von Imitation
spontanes Imitieren vs. bewusstes Imitieren
spontanes Imitieren erfolgt ständig unbewusst im Alltag,
wir ahmen z.B. den Gesichtsausdruck oder die
Körperhaltung anderer Menschen nach und drücken somit
Sympathie oder Zugehörigkeit aus
bewusste Imitation ist ein wichtiges Lernprogramm, wir
erwerben motorisches Wissen durch Imitation
bewusste Imitation:“ sieh her und mach es nach“
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Apraxien
Störungsrelevanz im Alltag
im Alltag fallen bei hirnorganisch betroffene Patienten
kaum Beeinträchtigungen auf, da diese Prozesse ja
unbewusst ablaufen
aber: kennen Sie nicht alle die Patienten, bei denen Sie das
Gefühl haben, sie sind nicht so richtig empathisch oder sie
wirken häufig seltsam unbeteiligt oder haben ein
irritierendes Verhalten in der Interaktion?
könnte dies eine Form der fehlenden sozialen Imitation
sein?
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Apraxien
Störungsrelevanz in der Therapie
wir fordern und brauchen Imitation therapeutisch bei…
aphasischen Patienten mit schlechtem Sprachverständnis: wir
versuchen über Vor- und Nachmachen ein Aufgabenverständnis
zu erreichen
sprachlichen Gesten, welche sprachersetzend wirken sollen
(Daumen hoch für „mir geht es gut“)
sprachliche Gesten welche eine Handlungen darstellen wie z.B.
mit Zeige- und Mittelfinger eine Schere imitieren für den Begriff
„schneiden“
bei der Therapie von Fazialisparesen, wenn wir Patienten
Übungen vormachen
bei der Therapie von Sprechapraxien, wenn wir dem Patienten
artikulatorische Bewegungen vormachen
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Apraxien
Störungsrelevanz in der Therapie
bei der Hälfte aller Patienten mit Aphasie ist initial das
Imitieren gestört, bei 50% bildet sich dies in den
ersten drei Monaten komplett zurück
Testung ist wichtig:
bessere Auswahl therapeutischer Hilfen
wird Imitation therapeutisch gebraucht, muss dies evtl.
explizit beübt werden(siehe Patientenbeispiel später)
sie ist kurz und aussagekräftig: machen Sie 3 einfache
Gesten und eine Gestenfolge und lassen Sie diese
jeweils imitieren
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Apraxien
Relevanz kommunikativer Gesten in unserem Alltag
Gestenformen:
Lexikalisierte Gesten: funktionieren wie Wörter einer
Lautsprache und stehen als Symbol für etwas z.B. Nicken für
„ja“ und Kopfschütteln für „nein“, eine allgemeinbekannte
Geste wird Emblem genannt
Zeigegesten (Deixis)
Ikonische Gesten: bilden die Wirklichkeit ab, indem sie z.B.
den Umriss eines Objekts darstellen oder eine Handlung
darstellen (Pantomime des Objektgebrauchs)
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Apraxien
Störungsrelevanz für den Patienten im Alltag
Patienten haben eine oftmals erhebliche Beeinträchtigung
im Alltag, da sie den Gebrauch kommunikativer Gesten
nicht nutzen können, um sprachliche Defizite
auszugleichen
betroffen sein können so z.B. der Gebrauch des Emblems
„Nicken und Kopfschütteln“, die gestische Darstellung
einer Handlung, das Zeigen auf ein Objekt wie ein Glas
Gesten können fehlerhaft sein oder ergeben für das
Gegenüber keinen eindeutigen Sinn
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Apraxien
Störungsrelevanz in der logopädischen Therapie
in der Forschung wird meist nur die Störung der
kommunikativen Gesten auf Aufforderung (verbal oder
bildlich) erforscht, nicht die spontane Geste
für die logopädische Therapie ist die Betrachtung von
Störung der Imitation und Störungen des Abrufes
kommunikativen Gesten auf Aufforderung gemeinsam
sinnvoll, da sie sich in der Therapie meist überschneiden:
gelingt es einem Patienten nicht die verbale oder bildliche
Anweisung umzusetzen, behelfen wir uns meist mit dem
Vormachen und sind somit bei der Imitation
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Apraxien
Störungsrelevanz in der logopädischen Therapie
die Pantomime des Objektgebrauches scheint häufig schwerer
betroffen, dies muss beim Gestentraining unbedingt
berücksichtigt werden
Pantomime des Objektgebrauches ist bei > 50% der
aphasischen Patienten betroffen
Störungen des realen Objektgebrauches sind seltener als
Störungen der darstellenden Pantomime: in der Therapie kann
das genutzt werden, indem die pantomimische Darstellung
zuerst als reale Bewegung geübt wird
es zeigen sich bei einer Störung der Imitation und der
kommunikativen Gesten signifikant weniger
Spontanremissionen: erfordert dranbleiben!!
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Apraxien
Störungsrelevanz in der logopädischen Therapie
Testung wichtig, denn therapeutisch genutzt wird häufig
eine Mischung aus Imitation und kommunikativen Gesten
auf Aufforderung z.B. beim sog. Gestentraining oder als
Deblockierungshilfe in der Sprechapraxietherapie
(Mediationstechnik= lautspezifische Gesten unterstützen
den Abruf)
Testung: verbale Aufforderung etwas gestisch darzustellen
Zeigen Sie, wie Sie einen Nagel einschlagen
Zeigen Sie, wie Sie den Hund streicheln
Zeigen Sie, wie Sie eine Zigarette rauchen
ergänzend mit Bild oder Schriftkarte bei Störung des SV
beobachten in Sprechsituation
da hier
„echte“ Kommunikation
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Apraxien
Störungsrelevanz im Alltag
natürlich hoch: Objekt- und Werkzeuggebrauch prägen unseren
Alltag:
Zähne putzen: Gebrauch der Zahnbürste
Essen und Trinken: Gebrauch von Esswerkzeug Messer,
Gabel, Löffel und anderen
Kaffee kochen: Gebrauch der Kaffeemaschine
Kleidung anziehen
usw.
allerdings zeigen Studien, dass Patienten im häuslichen Umfeld
Objekte oft besser gebrauchen als in der Klinik oder im
Therapieumfeld
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Apraxien
Störungsrelevanz in der logopädischen Therapie
Umgang mit Bildkarten, Schreiben und Legen von
Buchstabenplättchen
Umgang mit Mundspatel oder anderem Therapiematerial wie
vibrotaktiles Stimulationsgerät in der Dysphagie- oder
Paresentherapie (Fazialis- und Hypoglossusparesen)
Umgang mit Besteck und Trinkwerkzeug in der
Dysphagietherapie
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Apraxien
Störung des Schreibens
laut „Neurologie mit Repetitorium“ (De Gruyter Lehrbuch 1991,
Hrsg. Walter Fröscher) unterscheidet man u.a.
aphasische Agraphie:
sprachsystematische Störung, agraphische Probleme sind
mehr oder minder ein schriftliches Abbild der Aphasie
apraktische Agraphie:
Schreibgerät wird nicht richtig verwendet, Buchstabenform
kann nicht konstruiert werden, mit Buchstabenplättchen
können Wörter zusammengefügt werden, wenn der Umgang
mit diesen nicht auch durch eine Apraxie beeinträchtigt ist!
in der Praxis: Patienten mit schwerer Aphasie und
Apraxie Mischform
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Apraxien
Störung des Schreibens
Testung: kein beschriebener differenzialdiagnostischer Test
bekannt
ausprobieren:
kann der Patient besser Legen als Schreiben?
Symptomanalyse: weisen sie eher auf eine hohe apraktische
Komponente, indem der Patient z.B . den Stift dreht und wendet
und falsch aufsetzt? Beginnt er planlos eine „Form“ zu zeichnen,
in der Hoffnung, dass ein erkennbarer Buchstabe herauskommt?
macht der Patient eher klassisch aphasische Fehler wie
Auslassungen oder Ersetzungen von Graphemen, die auf eine rein
aphasische Agraphie hindeuten?
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Apraxien
Störung des Schreibens
Therapie bei apraktischer Komponente
Schreiben zumindest bis Besserung der Störung erreicht ist
nicht häufig nutzen, nicht zur Deblockierung geeignet
zusätzlich Ergotherapie notwenig, welche hier speziell üben
kann
copyright S.Schulz
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Apraxien
Buccofaziale Apraxie
Definition:
nonverbale Störung
Störung der Imitation mimischer Bewegungen
(Goldenberg)
Programmierungsstörung orofazialer Bewegungen
(Ziegler)
tritt bei ca 80 % aller aphasischen Patienten zumindest
initial auf
zeigt sich fast nur bei Imitation, wenig im Alltag
bildet sich meist rasch zurück
copyrigbt S.Schulz
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Apraxien
Buccofaziale Apraxie
Therapierelevanz
gering, da kaum Alltagsbeeinträchtigung und meist rasche
Rückbildung
Testung einfach: Imitation von Gesichtsbewegungen
nur therapierelevant bei der Behandlung von Fazialis- und
Hypoglossusparesen
bei buccofazialer Apraxie Bewegungen so anleiten, dass sie als
möglichst spontane und natürliche Bewegung abgerufen
werden können:
gemeinsam Lachen
sanftes Anpusten zum Augenschluss
Ekelgesicht
copyrigbt S.Schulz
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Sprechapraxien
Lokalisation
Sprechapraxie ohne Aphasie wird selten beschrieben, dies
macht eine eindeutige Lokalisation schwierig, Wertz 1985:
Sprechapraxie tritt nur in 10% isoliert auf
Duffy 1995: ca. 60% aller Sprechapraxien entstehen durch
zerebrovasculäre Ursachen (Apoplex)
betroffenen Areale linkshemisphärisch: Frontal- und
Parietallappen, Insel und Verbindungen zu den
Basalganglien
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Sprechapraxien- Lokalisation
Quelle: Lippert, Anatomie
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Sprechapraxien- Lokalisation
Quelle: Schulz-Kirchner, Ratgeber Aphasie
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Sprechapraxien- Theoretische Grundlagen
Prävalenz
Sprechapraxie und Aphasie treten meist gemeinsam auf
(ca. 85%), häufig tritt eine Sprechapraxie in Kombination
mit einer Broca-Aphasie auf (allerdings sind Angaben
hierzu unsicher, da die Symptome der Broca-Aphasie der
Sprechapraxie am nächsten kommen!!!)
ca. 10.000- 20.000 Neuerkrankungen pro Jahr
buccofaziale Apraxie tritt häufiger auf: 8 von 10 Patienten
mit Aphasie sind zumindest initial betroffen
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Sprechapraxien- Modellvorstellungen
Sprachproduktionsmodell nach Huber
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Sprechapraxien Definition
Zusammenfassung
der Sprechapraxie liegt die Störung einer bestimmten
Verarbeitungsstufe der Sprachproduktion zugrunde, so
unterscheidet sie sich von einer Aphasie oder Dysarthrie
Sprechapraxie ist eine Störung der Planung und
Programmierung von Sprechbewegungen, dabei liegt
keine Wahrnehmungsschwäche für die Sprachlaute vor
(vgl. phonologische Störung bei Kindern)
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Sprechapraxien Symptome
Ebenenmodell nach Ziegler
Segmentale Ebene
Lautbildung / Artikulation
Suprasegmentale Ebene
Prosodie
Sprechverhalten
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Sprechapraxien-Symptome
3 Ebenenmodell nach Ziegler:
segmentale Ebene= Lautbildungsebene
Lautentstellungen / phonetische Fehlleistungen
Phonematische Fehler/ phonologische Fehlleistung
Mischform
Suprasegmentale Ebene= Ebene der Prosodie
Akzentuierung und Redefluss
Sprechverhalten
Sprechanstrengung, Suchverhalten, Initiierungsstörung
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Sprechapraxien-Symptome
Segmentale Ebene = Lautbildungsebene
Lautentstellungen / Artikulationsfehler: Ziellaut ist noch
erkennbar aber klanglich verändert durch:
unpassende Lautdehnung
Vor- und Rückverlagerungen vor allem lingualer
Konsonanten
Nasalierung, Denasalierung
Entstimmung
unscharfe Frikativbildung usw.
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Sprechapraxien-Symptome
Segmentale Ebene= Lautbildungsebene
phonologische Fehler:
2 Kategorien: umgebungsunabhängig u.
umgebungsabhängig
umgebungsunabhängig:
Beispiel
Nase
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1. Addition
Nadse
2. Substitution
3. Elision
Lase
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_ Ase
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Sprechapraxien-Symptome
umgebungsabhängige phonologische Fehler:
Antizipation /
regressive Assimilation
(von rechts nach links)
Nase-Sase
progressive Assimilation
(von links nach rechts)
Nase-Nane
Metathese /
Lautumstellung
Nase-Sane
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Sprechapraxien-Symptome
Segmentale Ebene= Lautbildungsebene
häufig Mischform von phonetischen und phonologischen
Fehlleistungen
phonetisch-phonologische
Fehlleistungen häufigste Form bei der Sprechapraxie
segmentale Fehler/Artikulationsfehler gelten als inkonstant
und inkonsequent, doch verschiedene Autoren beschreiben
eine Regelhaftigkeit
Ziel- und Ersatzlaut haben häufig eine starke Ähnlichkeit
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Sprechapraxien-Symptome
Suprasegmentale Ebene= Prosodie
Redefluss und Akzentuierung sind betroffen
Redeflussstörungen:
Hauptsymptom: silbische (skandierende) Sprechweise durch
Pausen zwischen den Silben
Pausen innerhalb der Silben
insgesamt Sprechtempo reduziert
unpassende häufige Sprechpausen
Iteration (Wiederholung) von Lauten und Silben (klingt wie
Stottern) vor allem initial
Koartikulationsprobleme an Silbengrenzen
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Sprechapraxien-Symptome
Suprasegmentale Ebene= Prosodie
Akzentuierungsstörungen
Überakzentuierung, verminderter Akzent
alle Silben gleich akzentuiert /Akzentnivellierung
Akzent wird verschoben, dh. es werden Silben akzentuiert,
die sonst ohne Akzent sind
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Sprechapraxien-Symptome
Sprechverhalten
Sprechanstrengung: gepresstes Sprechen, Reaktion auf
die Anstrengung oft nonverbal sichtbar (Gesicht verzieht
sich, Hände verkrampfen sich usw.)
artikulatorisches Suchverhalten
Korrekturversuche
Mitbewegungen im Gesicht aber auch Körper
Veränderung der Sprechstimmlage
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Sprechapraxie-Differentialdiagnostik
10 Punkte Checkliste (nach Liepold et. al)
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Sprechapraxien-Differentialdiagnostik
Aphasie oder Sprechapraxie? Das Wichtigste in Kürze:
bei reiner Sprechapraxie außerhalb der Störung der
Sprechprogrammierung keine weiteren Symptome
auditives und Lesesinnverständnis, Schreiben usw. sind intakt
bei Sprechapraxie: artikulatorisches Suchverhalten
bei Sprechapraxie: typische skandierende verlangsamte
Sprechweise
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T.: „Wie geht es Ihnen heute?“
P.: „Mein Podse tutelt vom Sitzen so wehelig!“
Aphasische phonematische Paraphasie oder sprechapraktisch
bedingter phonologischer Fehler?
bei der Einzelwortanalyse nicht zu 100% unterscheidbar
aber: häufig besseres Fehlerbewusstsein bei Sprechapraxie mit
angestrengten Korrekturversuchen, diese Korrekturversuche sind
weniger erfolgreich als bei der Aphasie
bei sprechapraktischer Fehlleistung: artikulatorisches
Suchverhalten
liegt noch eine Lautentstellung vor (phonetisch-phonologischer
Fehler=Mischform) Sprechapraxie
therapeutisches Bauchgefühl!
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Sprechapraxien-Differentialdiagnostik
Dysarthrie oder Sprechapraxie? Das Wichtigste in Kürze:
die dysarthrische Störung tritt nicht bei der Sprechprogrammierung auf, sondern ist eine neuromuskuläre
Störung, sie ist daher hypo- oder hypertoner Natur (ohne
Sonderformen zu nennen)
bei der Dysarthrie gibt es keine störungsfreien Inseln
das Störungsbild der Dysarthrie ist konstant, auftretende
Fehler sind vorhersehbar
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Patientenbeispiel
Herr B. 72 Jahre alt, türkisch, sprach sehr gut deutsch vor
Apoplex, lebt mit Frau und Familie
medizinische Anamnese: sehr schwerer Mediainfarkt links,
welchen der Patient knapp überlebte, Folgen: arm- und
beinbetonter Hemiparese rechts (Patient sitzt im Rollstuhl,
rechter Arm und Hand kann nicht für die logopädische
Therapie genutzt werden, er ist Rechtshänder), Neglekt,
fragliche Hemianopsie
logopädische Übergabe-Diagnose: leichte Dysphagie, schwere
flüssige Aphasie, schwere buccofaziale und Sprechapraxie,
stark eingeschränkte Störungswahrnehmung,
Sprechapraxie 2011
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Patientenbeispiel
Problem:
Herr B. gilt als „Therapieverweigerer“, er führt ihm gegebene
Aufgaben nicht aus, wirft das Therapiematerial herum, löst dann
meist irgendwann unverständlich fluchend seine Rollstuhlbremse
und fährt selbständig aus dem Therapiezimmer, dieses Verhalten
tritt nur in der logopädischen Therapie auf.
Zuerst wurde dies als Antipathie gegenüber der Logopädin
interpretiert. Als es bei Therapeutenwechsel wieder auftrat, wurde
es als Zeichen einer niederen Frustrationstoleranz gedeutet (eine
durchaus gut mögliche Erklärung) und die Therapie irgendwann in
Absprache mit den Angehörigen abgebrochen.
Die Angehörigen bitten um einen letzten Therapieversuch, da sie
ihren Mann/ Vater so nicht kennen.
Sprechapraxie 2011
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Patientenbeispiel
Diagnostik:
buccofaziale Apraxie: nicht verbal möglich wegen schlechten
ASV /LSV , Imitation gelingt nicht, dies scheint ihn mehr zu
irritieren Herr B. wird mittels Bildkarten aufgefordert, die
abgebildete Mund- und Gesichtsbewegung nachzumachen
Herr B. soll pfeifen, spitzt die Lippen und macht ein
Kußgeräusch in meine Richtung, lacht dann verlegen und
macht „ohoh“
Herr B. soll den Mund öffnen und streckt dabei zusätzlich
immer wieder die Zunge mit heraus und macht „äääh“ (wie
beim Arzt)
Herr B. soll die Augen schließen, er grimassiert angestrengt
und nährt sich der Bewegung an
copyright S.Schulz
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Patientenbeispiel
Diagnostik:
therapierelevanter Objektgebrauch:
Herr B. bekommt einen Bleistift in die Hand, schaut ihn
genau an, dreht und wendet ihn und beißt schließlich
hinein, erschrickt und lacht verlegen und macht „ähh“
Therapiekarten: Herr B. kann mir keine Therapiekarte vom
Tisch geben, er schiebt sie herum, wirft sie herunter und
lacht dann verlegen oder hebt sie auf und beißt hinein, er
versucht sich mit einer Bildkarte zu kämmen
Buchstabenplättchen: auch hier beißt er hinein oder schiebt
sie sinnlos auf dem Tisch herum
die Angehörigen erzählen von fehlerhaftem Objektgebrauch
im Alltag
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11.11.2014
Patientenbeispiel
Diagnostik:
Störung bei der Ausführung kommunikativer Gesten
Herr B. soll eine Zeigegeste (Deixis) ausführen, ich versuche
ihm das über Imitation und drei Bildkarten zu verdeutlichen,
von denen zwei identisch sind. Er soll die identischen zeigen,
er schiebt die Karten umher, einmal gelingt ihm das Zeigen
auf eine Karte (allerdings nicht die Korrekte)
Herr B. soll eine Geste für Trinken machen, dies gelingt
nicht, auch nicht mit Handführung
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Patientenbeispiel
Spontansprachanalyse zur Diagnostik der Sprechapraxie
Spontansprache: völlig unverständliche Automatismen,
flüssiger Jargon (nicht- türkisch sprachige Menschen denken,
er spricht flüssig türkisch!!!)
Prosodie: erhalten
Sprechverhalten: eine Sprechanstrengung fällt nur beim Abruf
auf Einzellautebene / Wortebene auf
Fazit: ???
copyright S.Schulz
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Patientenbeispiel
Fazit:
schwere Apraxie, welche die Arbeit an der Aphasie massiv
behindert, da es für den Patienten erstens aufgrund seines
schlechten SV kaum möglich ist, Anweisungen zu folgen und
wenn er sich die Aufgabenstellung aus dem Kontext erschließt,
steht ihm die Apraxie im Weg
da flüssiger Jargon, vermutlich eher Aphasie im Vordergrund
aber auffallende sprechapraktische Komponenten auf Laut- und
Wortebene
Therapie:???
copyright S.Schulz
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Patientenbeispiel
Ziel:
Herr B. muss für eine sinnvolle Aphasietherapie (und evtl.
Sprechapraxietherapie) notwendige Aufgaben wie „Bildkarte
zeigen“, „Buchstabenplättchen legen“, „Gesten imitieren“ lernen
aufgrund der Schwere der Aphasie und Apraxie erscheint eine
Abtrennung von der Sprache vorerst sinnvoll
aus dem beobachteten nonverbalen Verhalten von Herrn B.
lässt sich schließen, dass ihm seine Reaktionen peinlich sind. Die
Töchter bestätigen dies, er war bisher stolzes Familienoberhaupt
und sehr geschätzte Ratgeber in der türkischen Gemeinde- es ist
also unbedingt notwendig, angemessenes therapeutisches
Verhalten zu finden, um ihm Verständnis zu signalisieren
copyright S.Schulz
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11.11.2014
Patientenbeispiel
Therapeutische Umsetzung:
mittels Farbkarten und Zahlenkarten (es zeigte sich eine gut
erhaltene Zahlenverarbeitung), Puzzles, einfachen
Steckaufgaben und Farbsteinen wurde konstant immer die
gleiche Aufgabenstellung geübt: Imitation von Zeigen, Geben,
Nehmen, Legen
Herr B. liebt Spiele, er „freut sich diebisch“, wenn er gegen mich
gewinnt (Interaktionsebene), zudem hat er einen starken
Ordnungssinn und möchte leere Felder auf Spielfeldern stets
ergänzen. Dies nutzen wir mit selbsterfundenen einfachen
Ergänzungsspielen, wobei mittels Würfel die Zahl der
ergänzenden Steine ermittelt wird (Üben der Handlungen
Würfeln, Nehmen und Legen)
copyright S.Schulz
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Patientenbeispiel
Therapeutische Umsetzung:
im nächsten Schritt wurde bei allen Aufgaben auf Ergänzung
bzw. selbständige Ausführung übergegangen
dies dauerte 1 Jahr
allmählich wurden die Aufgaben durch Sprache ergänzt:
Farbkarten mit Buchstaben, Zahlenkarten mit Zahlwörtern,
Buchstabenpuzzle, Einführung von Bildkarten, Name legen,
Name ergänzen usw.
nun Arbeit am ASV LSV möglich
Sprechapraxietraining mit einfachen Wörtern (Familiennamen,
„Hallo“, „Allah“ usw.) mittels „touch cues“
copyright S.Schulz
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Patientenbeispiel
Erfolge und Grenzen der Therapie:
ASV und LSV Training ist möglich, bisher aber nur auf Wortebene aber
Angehörige berichten von einem deutlich verbessertem ASV im Alltag
die Apraxie in Form der Störung des Objektgebrauches tritt im Alltag
kaum mehr auf (Ausnahme Schreiben), in der Therapie nur nach langen
Pausen
Imitation ist adäquate Hilfe bei der Sprechapraxietherapie
Pantomime des Objektgebrauchs gelang nicht
der Wortabruf der 3 Wörter „Hava“ „ Hallo“ und „Allah“ mit
therapeutischer Hilfe dauerte fast 2 Jahre!
der Patient ruft selbständig bis heute nur sehr selten verständliches
Wortmaterial ab
aber: als Herr B. in Anwesenheit seiner Tochter Hava in der Therapie
erstmals seit 2 Jahren wieder ihren Namen artikuliert, weint seine Tochter
vor Freude und auch Herr B. freut sich sehr!
copyright S.Schulz
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