Syntax und Semantik

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Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel:
4.2 Prädikatenlogik ohne Gleichheit – Syntax und Semantik
Terme
Ab sofort wird Signatur τ als festgelegt angenommen.
Sei V = {x, y , . . .} Vorrat an Variablen.
Def.: Terme sind induktiv definiert:
• Jede Variable ist ein Term.
• Sind t1 , . . . , tn Terme und f ein n-st. Funktionssymbol, so ist
auch f (t1 , . . . , tn ) Term.
Beachte: Mit n = 0 sind auch Konstanten Terme.
Bsp.: +(∗(x, +(1, y )), 0)
benutze auch Infix-Notation (x ∗ (1 + y )) + 0
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4.2 Prädikatenlogik ohne Gleichheit – Syntax und Semantik
Formeln
Def.: Formeln der Prädikatenlogik 1. Stufe ohne Gleichheit (FO)
sind induktiv aufgebaut:
• Sind t1 , . . . , tn Terme, so ist R(t1 , . . . , tn ) Formel, falls
st(R) = n.
• Sind ϕ, ψ Formeln, so auch ¬ϕ, ϕ ∨ ψ, ϕ ∧ ψ, ϕ → ψ,
• Ist ϕ Formel und x Variable, so sind auch ∃x ϕ und ∀x ϕ
Formeln.
verwende ϕ ↔ ψ als Abkürzung für (ϕ → ψ) ∧ (ψ → ϕ)
Bem.: “erststufig” bedeutet: Quantifizierung nur über Elemente
des Universums, nicht jedoch über Teilmengen, Funktionen,
Relationen, etc.
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4.2 Prädikatenlogik ohne Gleichheit – Syntax und Semantik
Präzedenzen
Präzedenzregeln, um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden; in
absteigender Reihenfolge: ¬, ∃, ∀, ∧, ∨, →
Bsp.: wie ist also ∃x ∀y R(f (x, y )) → ∀z z ≤ f (x, y ) zu
verstehen?
Klammern, um Präzedenzen zu umgehen, z.B. (ϕ ∨ ψ) ∧ χ
Infix-Notation für Relationssymbole für intuitivere Syntax, z.B.
z ≤ f (x, 2) statt ≤ (z, f (x, 2))
Punktnotation für “öffnende Klammer hier, schließende so weit
rechts wie möglich”, z.B.
∃x.∀y .R(f (x, y )) → ∀z.z ≤ f (x, y )
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Interpretationen für Terme
Aussagenlogik: Interpretation = Belegung der Aussagenvariablen.
Hier offensichtlich nicht ausreichend, um einer Formel einen
Wahrheitswert zuzuordnen.
Def.: Eine Interpretation einer FO-Formel über der Signatur τ ist
ein I = (A, ϑ), wobei A τ -Struktur mit Universum A und
ϑ : V → A ist. Dies induziert gleich auch eine Interpretation aller
Terme.
[[x]]A
ϑ := ϑ(x)
A
A
A
[[f (t1 , . . . , tn )]]A
ϑ := f ([[t1 ]]ϑ , . . . , [[tn ]]ϑ )
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Terme interpretieren
Bsp.: t := (x · (1 + y )) + 0 über Signatur τ = (+, ·, 0, 1). Was ist
jeweils [[t]]A
ϑ , wobei
• A = (N, +, ·, 0, 1), ϑ(x) = 3, ϑ(y ) = 4?
• A = (N, +, ·, 0, 1), ϑ(x) = 4, ϑ(y ) = 3?
• A = (N, ·, +, 1, 0), ϑ(x) = 3, ϑ(y ) = 4?
• A = ({0, 1}, ∨, ∧, 0, 1), ϑ(x) = 1, ϑ(y ) = 0?
∗
• A = (2{a,b} , ∪, ·, ∅, {�}), ϑ(x) = {abbba, baba},
ϑ(y ) = {b, aa, baba}?
• A = ({a, b}∗ , ·, zip, �, �), ϑ(x) = aaaa, ϑ(y ) = bbb?
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Interpretationen für Formeln
Def.: Sei I = (A, ϑ), A Universum von A, c ∈ A. ϑ[x �→ c]
bezeichne Update von ϑ an der Stelle x auf c.
I ist Modell von ϕ, wenn I |= ϕ gilt, wobei
A, ϑ |= R(t1 , . . . , tn )
gdw.
A, ϑ |= ϕ ∧ ψ
gdw.
A, ϑ |= ϕ → ψ
gdw.
A, ϑ |= ∀x ϕ
gdw.
A, ϑ |= ¬ϕ
gdw.
A, ϑ |= ϕ ∨ ψ
gdw.
A, ϑ |= ∃x ϕ
gdw.
A
A
([[t1 ]]A
,
.
.
.
,
[[t
]]
)
∈
R
n
ϑ
ϑ
A, ϑ �|= ϕ
A, ϑ |= ϕ und A, ϑ |= ψ
A, ϑ |= ϕ oder A, ϑ |= ψ
wenn A, ϑ �|= ϕ dann A, ϑ |= ψ
es gibt c ∈ A mit A, ϑ[x �→ c] |= ϕ
für alle c ∈ A gilt A, ϑ[x �→ c] |= ϕ
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Freie Variablen
Def.: frei(ϕ) bezeichnet die in ϕ frei, d.h. nicht durch einen
Quantor ∃ oder ∀ gebundenen, vorkommenden Variablen.
Bsp.: frei(ϕ) = {x, y }, wobei
ϕ = (∀y R(x, f (c, y ))) ∨ ∃x.¬R(y , f (d, x))
Def.: Ist frei(ϕ) = ∅, so heißt ϕ auch Satz.
Bsp.: (∃x ∀y R(x, y )) → ∀y ∃x R(x, y ) ist Satz
Wir schreiben auch ϕ(x1 , . . . , xn ) um auszudrücken, dass
frei(ϕ) ⊆ {x1 , . . . , xn }.
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Freie und gebundene Variablen
betrachte
• Struktur A = ({0, 1}, P A ) mit P A = {1}
• Variablenbelegung ϑ = [x �→ 0, y �→ 1]
gilt jeweils A, ϑ |= . . .
• P(x) ∧ ∃x.¬P(x)?
• P(x) ∧ ∃y .¬P(y )?
• P(y ) ∧ ∃x.¬P(x)?
• P(y ) ∧ ∃y .¬P(y )?
Fazit: freie Variablen dürfen nicht einfach umbenannt werden,
gebundene schon
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Substitutionen
Def.: ϕ[t/x] bezeichnet simultanes Ersetzen aller freien
Vorkommen der Variable x in ϕ durch den Term t, wobei
quantifizierte Variablen, die auch in t vorkommen, in ϕ eindeutig
umbenannt werden.
Bsp.: was ist jeweils
• P(f (x))[g (x, f (x))/x]?
�
�
∃x P(f (x)) [g (x, f (x))/x]?
�
�
• ∀y .(∃x R(x, z)) ∧ Q(x, y ) [f (y )/x]
•
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Erfüllbarkeit, Äquivalenz, etc.
Die Begriffe Erfüllbarkeit, Allgemeingültigkeit und Äquivalenz (≡),
Erfüllbarkeitsäquivalenz (≡sat ) sind wie bei der Aussagenlogik
definiert.
Beachte: Interpretation ist Paar aus Struktur und
Variablenbelegung. Also ist z.B. ∃x R(x, y ) erfüllbar trotz freier
Variablen.
Insbesondere ist ϕ erfüllbar gdw. ¬ϕ nicht allgemeingültig ist.
Bsp.: Neben den üblichen aussagenlogischen Äquivalenzen gelten
weitere, z.B.
• ∃x ϕ ≡ ¬∀x ¬ϕ
• ∃x ∃y ϕ ≡ ∃y ∃x ϕ
• ∃x ϕ ≡ ∃y ϕ[y /x]
• ∃x ϕ ∨ ∃x ψ ≡ ∃x (ϕ ∨ ψ)
• ...
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Beispiel: gerichtete Graphen
zur Erinnerung: 2-stellige Relationssymbole sind Kantenrelationen
in gerichteten Graphen; hier jetzt τ = (E ), E 2-stellig
sind die folgenden Formeln jeweils (un)erfüllbar bzw.
allgemeingültig?
• ϕ1 := ∀x ∀y (E (x, y ) ∨ E (y , x))
• ϕ2 := ∀y .E (x, y ) ∨ ∃z.E (x, z) ∧ E (z, y )
• ∃x ∀y E (y , x) ∧ ∃y ∀x ¬E (y , x)
• ϕ1 → ∃x ϕ2
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Beispiel: Signatur der Arithmetik
sei τ = (<, +, ·, 0, 1) wie zuvor definiert
Sind die folgenden Formeln jeweils (un)erfüllbar / allgemeingültig?
Sind sie jeweils mit N = (N, <N , +N , ·N , 0N , 1N ) erfüllbar?
• ∀x.1 < x → x < x · x
• x <y ∧y <z ∧z <x
• ∀x ∀y ∀z.¬(x · (y + z) < x · y + x · z)
• ∃x ∃y .(∀z.z · x < 1 ∧ y · z < 1) ∧ x < y
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Theorie und Modellklasse
Strukturklassen vs. Formel(menge)n
Def.: sei K Klasse von τ -Strukturen, Φ Menge von Sätzen über
Signatur τ
• (Theorie) Th(K) := {ϕ | ϕ ist FO-Satz über τ und A |= ϕ für
alle A ∈ K}
• (Modellklasse) Mod(Φ) := {A | A ist τ -Struktur und A |= ϕ
für alle ϕ ∈ Φ}.
Th(K) ist logische Repräsentation von K
wie verhalten sich jeweils zueinander
• Th(Mod(Φ)) und Φ?
• Mod(Th(K)) und K?
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4.2 Prädikatenlogik ohne Gleichheit – Syntax und Semantik
Beispiele
was ist jeweils Mod(Φi ), wobei
• Φ1 := {∀x ∀y .(E (x, y ) ↔ E (y , x)) ∧ ¬E (x, x)}
ungerichtete Graphen
• Φ2 := {∀x ∀y .E (x, y ) ∨ E (y , x)}
Turniergraphen
• Φ3 := {∀x E (x, x), ∀x ∀y ∀z.E (x, y ) ∧ E (y , z) → E (x, z)}
Prä-Ordnungen
• Φ4 := Φ2 ∪ Φ3
totale Prä-Ordnungen
was ist Th({N, Z, Q, R}), jeweils mit üblicher Interpretation über
Signatur (≤, +, ·, 0, 1)?
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