Eine Technologie im Aufbruch:Mikrobielle Brennstoffzellen und ihr

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Eine Technologie im Aufbruch
Mikrobielle Brennstoffzellen und ihr Weg in die Anwendung
Bilder: TU Braunschweig
Bereits vor 100 Jahren wurde das Grundphänomen mikrobieller Brennstoffzellen
erstmalig beschrieben. Diese Technologie, die chemische und elektrische Energie
mithilfe von Mikroorganismen ineinander umzuwandeln vermag, könnte den Blick
auf „Abfall“ und „Abwasser“ radikal verändern. U we S c hr ö d er * & Fal k H ar n is c h *
1 Bei der Elektronenübertragung zwischen Mikroorganismen und Elektroden wird zwischen direktem Elektronentransfer (DET)
und vermitteltem Elektronentransfer über Redoxmoleküle unterschieden.
B
rennstoffzellen wandeln die chemische Energie eines Substrates (des
„Brennstoffs“) elektrochemisch in
elektrische Energie um. Um diese Umwandlung bei niedrigen Temperaturen
durchführen zu können, bedarf es der Hilfe von Elektrokatalysatoren. Hier handelt
es sich vorrangig um Edelmetalle wie Platin. Aufgrund derer geringen Verfügbarkeit (und des damit verbundenen hohen
Preises) wird zunehmend versucht, diese
Edelmetalle auch in chemischen Brennstoffzellen zu ersetzen. Eine generelle
Limitation chemischer Elektrokatalysatoren liegt allerdings auch darin, dass nur
einfache elektrochemische Reaktionen
durchgeführt und in aller Regel nur niedrig-molekulare Substrate (Wasserstoff,
Methanol) umgesetzt werden können.
* P ro f . U . S c hr ö d er ,
Dr . F . H ar n is c h :
Technische Universität Braunschweig, Institut für
Ökologische und Nachhaltige Chemie,
38106 Braunschweig, Tel. +49 (0)5 31 / 3 91 84 25
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Mikroorganismen bevölkern im wörtlichen Sinne alle Bereiche unserer Umwelt
und sind in ihrer Diversität dazu in der
Lage, quasi alle verfügbaren chemischen
Energiequellen zu nutzen – und diese damit potenziell auch für eine (bio-)elektrochemische Energieumwandlung zugänglich zu machen. Doch wie sollte eine lebende Zelle mit einer Elektrode, d.h. einem festen Elektronenleiter, in der Funktion eines Elektrokatalysators in Wechselwirkung treten? Dieser Frage wird seit 100
Jahren nachgegangen – erste Arbeiten
durch Prof. Michael C. Potter stammen
bereits aus dem Jahr 1911. Heute ist bekannt, dass es für einen Elektronentransfer zwischen Mikroorganismen und Elektroden keiner künstlichen Methoden bedarf, sondern dass es wiederum evolutionär entwickelte mikrobiologische Mechanismen gibt, die es Mikroorganismen erlauben, Elektronen an einen festen Elektronenakzeptor wie eine Brennstoffzellenanode zu übertragen (s. Abb. 1). Ein Großteil der Forschungsanstrengungen diente
und dient einem besseren Verständnis der
Elektronentransfervorgänge, da diese
auch in anderen Bereichen wie der biologisch induzierten Korrosion sowie in geochemischen Prozessen von hoher Relevanz sind.
Lange wurde dem von Potter erstmals
beschriebenen Phänomen der Erzeugung
elektrischer Spannungen und Ströme
durch Mikroorganismen wenig Beachtung
geschenkt. Es waren zwar faszinierende
wissenschaftliche Entdeckungen, aber die
ONLINE: Die Literatur zum Artikel sowie ein
Whitepaper zum Thema „Entwicklung einer
mikrobiellen Brennstoffzelle“ finden Sie auf
laborpraxis.de über InfoClick 2802685.
EVENTS: Das FZ Jülich veranstaltet zusammen mit Partnern vom 22.08 bis 02.09.2011
in Viterbo, Italien die „Gemeinsame europäische Sommerschule für Brennstoffzellen- und
Wasserstofftechnologie“ (Kontakt: Tel.
+49 (0) 24 61 / 61 - 22 44
August 2011  LABORPRAXIS
anfänglich gemessenen Ströme waren zu
gering. Die Situation änderte sich erstmals in den sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Studien in den
1930er Jahren hatten gezeigt, dass durch
die Zugabe künstlicher Redoxmediatoren
(anorganischer oder organischer redoxaktiver Elektronenshuttles, oft Farbstoffe)
der Stromfluss deutlich gesteigert werden
kann. Darauf basierend versuchte die
NASA im Zuge ihres Programmes zur bemannten Raumfahrt mikrobielle Brennstoffzellen zu entwickeln, welche es erlauben sollten, menschliche Abfallstoffe
wie Urin in elektrischen Strom umzuwandeln. Doch trotz einiger Entwicklungserfolge verebbte das Interesse abermals.
Ein Grund war hier die konkurrierende
(und sehr erfolgreiche) Entwicklung der
Photovoltaik, welche die gestellten Energieanforderungen in der Raumfahrt deutlich besser befriedigen konnte. Einen weiteren kurzen Aufschwung erlebte das Feld
zu Beginn der 1990er Jahre, als mikrobielle Brennstoffzellen für die Verwendung
in autonomen Robotiksystemen erforscht
wurden. Doch auch hier konnten sie sich
nicht durchsetzen. Bis dahin standen fast
ausschließlich Systeme mit bakteriellen
Reinkulturen und unter Verwendung von
künstlichen Redoxmediatoren im Vordergrund. Um die Jahrtausendwende wurde
jedoch entdeckt, dass sich bioelektrokatalytisch aktive Biofilme unter geeigneten Bedingungen aus natürlichen Mischkulturen quasi „von selbst“, d.h. nur
durch das Potenzial der Anode und ohne
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2 (A) Anzahl an Publikationen mit dem Schlagwort „Mikrobielle Brennstoffzelle“ (microbial fuel cell) Scifinder Suchtreffer pro Publikationsjahr. (B) Beispielhafte Darstellung der
Entwicklung der Stromdichten an Biofilm-Anoden.
Einsatz von Mediatoren oder einer artifiziellen Immobilisierung ansiedeln und
entwickeln können. Damit – und vorangetrieben durch die zunehmenden internationalen Bestrebungen hinsichtlich eines
nachhaltigeren Umgangs mit unseren
Ressourcen – erlebte das Feld einen ungeahnten und stetig wachsenden Aufschwung. Dies kann unter anderem an der
Anzahl der in den letzten Jahren veröffentlichten Publikationen abgelesen werden (s. Abb. 2A).
Dieses rege Forschungsinteresse und
die damit einhergehenden Forschungsanstrengungen brachten eine Steigerung der
bis dahin maximal erzielten Stromdichten
von mehr als zwei Größenordnungen (auf
derzeit 30 A/m2 Elektrodenfläche) mit
sich (s. Abb. 2B). Hierzu waren sehr unterschiedliche, interdisziplinäre Forschungsansätze nötig: So wurde die Leistungsfähigkeit der elektrochemisch aktiven Biofilme durch sehr effektive Anzuchtverfahren aus natürlichen Bakterienquellen deutlich erhöht. Zum anderen
wurden effiziente dreidimensionale Elektrodenmaterialien entwickelt, die eine
optimale Biofilmausbildung und damit
maximale Leistungsdichten erlauben
(s. Abb. 3).
Von den Grundlagen zur
Anwendung
Einer der Eckpfeiler und Triebkräfte in der
Entwicklung mikrobieller Brennstoffzellen
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3 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Biofilms auf einer Kohlenstofffaserelektrode.
ist die Nutzbarmachung von Abwasser für
eine direkte Energiegewinnung – unter
gleichzeitiger Reinigung des Abwassers.
Abwasser ist eine vielfältige, sich stetig
ändernde, komplexe Mischung unzähliger
organischer und anorganischer Verbindungen sowohl einfacher als auch komplexer Natur. Diese könnten niemals von
einem klassischen Elektrokatalysator umgesetzt werden. Ganz im Gegenteil – einige der Bestandteile, beispielsweise
Schwefelwasserstoff, wirken als Gift für
edelmetallbasierte Elektrokatalysatoren.
Im Gegensatz dazu sind Mikroorganismen
in der Lage, diese Bestandteile durch ihren Katabolismus zu schleusen, dabei zu
oxidieren und die freigesetzten Elektronen auf die Anode zu übertragen. Somit
können mithilfe mikrobieller Bioelektrokatalysatoren Bestandteile des Abwassers
oxidiert und dabei (unter gleichzeitiger
Reinigung des Abwassers) zur Energiegewinnung herangezogen werden. Mit einem solchen Verfahren kann nicht nur die
Energiequelle Abwasser elegant erschlossen, sondern auch die Energie, welche in
konventionellen Verfahren zur Abwasserbehandlung eingesetzt werden muss, eingespart werden. Es liegt also ein potenzieller doppelter Nutzen vor: Energieeinsparung unter gleichzeitigem Gewinn von
4 Grundtypen mikrobieller bioelektrochemischer Systeme: links mikrobielle Brennstoffzellen
und rechts mikrobielle Elektrolysezellen.
Nutzenergie. Abwasser kann so von einer
teuren Energiesenke zu einer potenziell
profitablen Ressource werden. Aber nicht
nur Abwässer, auch weitere so genannte
„niedrigenergetische Biomassen“ welche
kaum auf anderen Wegen erschlossen werden können, lassen sich mithilfe bioelektrochemischer Zellen potenziell nutzen.
Entwicklung unterschiedlicher
Zelltypen
Mikrobielle Brennstoffzellen stellen jedoch nur einen Archetypus der mikrobiellen bioelektrochemischen Systeme (BES)
dar, und in den letzten Jahren hat sich
eine Vielzahl daraus resultierender Technologien entwickelt. Abbildung 4 stellt
zwei grundlegende Typen mikrobieller
bioelektrochemischer Systeme schematisch dar. In beiden Zelltypen findet an
der Anode die mikrobiell katalysierte Oxidation des Substrates statt. Während die
Anodenreaktionen in allen BES prinzipiell
identisch sind, unterscheiden sich die
einzelnen Typen stark in den jeweiligen
Kathodenreaktionen. In mikrobiellen
Brennstoffzellen findet an der Kathode
die Reduktion von Sauerstoff zu Wasser
statt. Dies kann sowohl durch Elektrokatalysatoren als auch Bioelektrokatalysa-
LP - T i p p  mikrobielle Bioelektrokatalysatoren
Mikroorganismen sind anders als klassische Elektrokatalysatoren in der Lage Bestandteile von Abfallstoffen wie Abwasser zu katabolisieren, dabei zu oxidieren
und die freigesetzten Elektronen auf eine Anode zu übertragen. Somit können mittels mikrobieller Bioelektrokatalysatoren Bestandteile beispielsweise des Abwassers
zur Energiegewinnung herangezogen und dabei gleichzeitig gereinigt werden. Es
besteht potenziell also ein doppelter Nutzen: Energieeinsparung unter gleichzeitigem Gewinn von Nutzenergie.
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toren vermittelt werden. Da die GesamtZellreaktion unter Freisetzung von Energie stattfindet, wird elektrischer Strom
erzeugt. Im Falle von mikrobiellen Elektrolysezellen ist dies nicht der Fall. Hier
reicht die Triebkraft der Anodenreaktion
in Kombination mit der jeweiligen Kathodenreaktion nicht aus, um die Zellreaktion ablaufen zu lassen, und ein entsprechender Energiebetrag muss in die Elektrolysezelle investiert werden. Dieser ist
jedoch deutlich geringer als bei konventionellen Elektrolyseuren. Die Kathodenreaktion ist in diesen Fällen unter anderem die Methan-, Wasserstoff- oder Wasserstoffperoxidbildung. Das bedeutet,
dass bei mikrobiellen Elektrolyseuren das
Ziel in einer Produktion von Chemikalien
liegt, nicht von Elektrizität. Die genannten Beispielreaktionen sind hier jedoch
nur ein Anfang. Eine stetig wachsende
Anzahl immer komplexerer Produkte bis
hin zu organischen Verbindungen ist in
der Entwicklung. Abgesehen von den Aspekten der Strom- und Chemikalienerzeugung sowie Abwasserreinigung werden
weitere Anwendungen beforscht und entwickelt. Dazu gehört die Wasserentsalzung, der Abbau von Umweltgiften, der
Einsatz der Technologie in Biosensoren
sowie die Energieerzeugung aus Sedimenten – ein Spektrum, welches stetig weiter
anwächst.
Die letzten Jahre der Entwicklung mikrobieller bioelektrochemischen Systeme
waren geprägt von Grundlagenforschung.
Diese Grundlagenforschung hat die Basis
geschaffen, die mikrobielle bioelektrochemische Systeme in die Anwendungsforschung zu überführen – ein Prozess,
welcher gerade einsetzt. Bis zum endgültigen Durchbruch müssen jedoch noch
zahlreiche Hürden genommen werden. n
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