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Versicherer und der Niedrigzins
„Man könnte die Zinszusatzreserve in eine Art
Dauerreserve verwandeln“
Das anhaltende Niedrigzinsumfeld macht die Garantien in der Lebensversicherung
teuer. Versicherer, die klassische Policen anbieten, geraten unter den Druck.
Carsten Zielke, Geschäftsführer von Zielke Research Consult, gibt im Interview eine
aktuelle Einschätzung zur Situation in der Versicherungsbranche.
Pfefferminzia: Der Garantiezins wird zum 1. Januar 2017 von 1,25 auf 0,9 Prozent im
Neugeschäft sinken. Ist die Versicherungswirtschaft darauf vorbereitet?
Carsten Zielke: Die Anpassung kommt für viele überraschend schnell. Die meisten hatten ab 1. Juli
2017 mit einer Absenkung gerechnet – daher wird eine Umsetzung voraussichtlich viele
Herausforderungen mit sich bringen.
Ist es denkbar beziehungsweise sinnvoll, dass der Garantiezins in naher Zukunft ganz
wegfällt?
Das wäre das sinnvollste. Jede Gesellschaft sollte gemäß ihrer Ertragskraft selbst bestimmen
können, ob sie Garantien anbietet oder nicht.
Wie werden sich die Garantien im Neugeschäft nach der erneuten Zinssenkung verändern?
Für Sparer gibt es auch anderswo kaum Zinsen. Aber ich denke, dass das Neugeschäft trotzdem
weiter rückläufig sein wird, da sich Anleger in dieser Situation nicht langfristig binden möchten.
Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die Produktpalette der Lebens- und Rentenversicherer
aufgrund der andauernden Niedrigzinsphase verändern?
Einige Gesellschaften haben sich bereits aus der Klassik zurückgezogen. Doch die alternativen
Versicherungskonzepte funktionieren im aktuellen Niedrigzinsumfeld auch kaum. Deshalb bin ich
der Meinung, dass die Lebensversicherer weiterhin klassische Rentenversicherungen anbieten, dabei
aber verstärkt in Sachwerte investieren sollten. Gerade Infrastrukturinvestitionen sind hier
interessant.
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Das Bankhaus Lampe hat gerade den Report „Alternativen für Versicherer“ veröffentlicht, an dem
ich mitgearbeitet habe. Im Rahmen der Publikation setzen wir uns mit Infrastrukturinvestitionen für
Versicherungen sowie den zugehörigen Chancen und Herausforderungen auseinander. Die
Anlageklasse Infrastruktur ist sicherlich sehr komplex, allerdings auch eine spannende
Handlungsoption für Versicherer.
Die 2011 eingeführte Zinszusatzreserve sollte langfristig die Lücke zwischen den zugesagten
Garantien und den real am Markt erzielbaren Zinsen schließen. Der Aufwand hierfür steigt
nun immer weiter und belastet die Lebensversicherer stark. Was empfehlen Sie hier?
Ich denke, dass der Mechanismus der Zinszusatzreserve geändert werden muss. Ansonsten sind bis
2018 alle Stillen Reserven aufgebraucht und es gibt eine Unterdeckung. Eine Lösung könnte es sein,
die Zinszusatzreserve in eine Art Dauerreserve zu verwandeln, die dann als Eigenmittel betrachtet
wird. Dadurch könnten Versicherer wieder rentierlicher investieren.
Ab wann müssen Versicherer ihre Altgarantien konkret absenken? Wie könnte man einen
solchen einschneidenden Schritt beim Kunden positiv argumentieren?
Meiner Meinung nach ist der Zeitpunkt schon jetzt gekommen. Wenn man alle Garantien zum
Beispiel auf ein Prozent senken würde, könnten dann die Lebensversicherer viel freier investieren
und mittelfristig wieder eine attraktive Rendite für den Versicherungsnehmer erwirtschaften. Diese
könnten sie aber nicht auf dem Altniveau garantieren.
Sind die deutschen Lebensversicherer in Sachen Innovationskraft, Know-how und Visionen in
der Lage, diese Krise zu meistern?
Wenn Sie sich einen Ruck geben, dann ja. Wenn Sie auf alte Muster bauen, dann nicht. Aber Krisen
sind in der Regel dazu da, sich neu zu erfinden. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld und die weiterhin
stark zunehmende Regulierung führen zur Bildung einer Schicksalsgemeinschaft aus Banken, Asset
Managern und Versicherungen. Dadurch entstehen Wechselwirkungen.
Die Versicherer sollten Ansätze anstreben, die ihrer individuellen Bedürfnisstruktur in der
jeweiligen Phase gerecht werden. In dem daraus entstehenden Dialog zwischen den
Marktteilnehmern liegt natürlich auch eine Chance, um die Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln –
beispielsweise im Hinblick auf die Kapitalanlagekompetenz, die Versicherungen für den
Versicherungsnehmer stärker ins Zentrum stellen.
In einer Studie haben Sie untersucht, wie die zehn größten Versicherer ihre Kapitalanlagen
absichern und dabei keine klare Linie, aber drei Wege festgestellt: Sie achten entweder auf
Bilanzschutz oder sie denken nur ökonomisch oder sie vermeiden Abschreibungen dank HGB.
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Wer macht es richtig?
Die Gefahr eines rein ökonomischen Denkens ist, dass bilanzielle Gefahren unterschätzt werden und
umgekehrt. Aus diesem Grund denke ich, dass eine optimale Absicherungspolitik im Schutz des
Eigenkapitals stehen sollte.
Beobachten Sie auch eine Veränderung auf der Nachfrageseite? Rücken Kunden langsam von
ihrem sklavischen Wunsch nach Garantie in der Altersvorsorge ab und sind sie bereit, mehr
Risiko für mehr Rendite in Kauf zu nehmen?
Ich habe das Gefühl, dass sie lieber auf andere Sparformen ausweichen, wenn sie keine Garantien
mehr bekommen. Die fondsgebundene Police ohne Garantien oder die klassische Police ist für mich
die wahre Lösung. Diese könnte mit einem Fondssparplan außerhalb des Versicherungsmantels
kombiniert werden, um dem Kunden die nötige Liquiditätsflexibilität zu geben. Doch ich gebe zu –
das ist vielen Aktuaren zu einfach.
Gibt es positive oder negative Erkenntnisse aus dem bereits wesentlich länger in einer
Niedrigzinsphase verharrenden japanischen Markt für Deutschland?
Japan sollte kein Beispiel für Deutschland sein. Die verkaufen eigentlich kaum Sparprodukte mehr.
Dieser Artikel erschien am 12.07.2016 unter folgendem Link:
http://www.pfefferminzia.de/versicherer-und-der-niedrigzins-man-koennte-die-zinszusatzreserve-in-eine-art-dauerreserve-verwand
eln-1468315359/
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