Joule-Thomson

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Der Joule-Thomson Effekt
Einleitung
Der Joule-Thomson Effekt bezeichnet die Temperaturänderung eines realen Gases bei einer
adiabatischen Volumenveränderung. Der Effekt wird großtechnisch zum Beispiel im LindeVerfahren bei der Gasverflüssigung von Luft verwendet. Dabei nutzt man das so genannte
Gegenstromprinzip, bei dem das komprimierte Gas durch ein bereits entspanntes Gas
vorgekühlt wird. Die Abkühlung und damit die Gasverflüssigung treten dabei schneller ein.
Im Falle von Sauerstoff wird Luft von CO2 und Wasser gereinigt und anschließend von 200
bar mittels eines Drosselventils entspannt. Der Stickstoff der Luft bleibt aufgrund des
niedrigeren Siedepunktes gasförmig. Weitere Anwendungen gibt es in Kühlschränken und
Tiefkühltruhen, die häufig nach ähnlichen Prinzipien arbeiten.
Ziel dieses Versuches ist die Bestimmung und der Vergleich des Joule-ThomsonKoeffizienten verschiedener Gase.
Theorie
Ideale Gase
Das Verhalten von Gasen bei Druck-, Temperatur- und Volumenänderung lässt sich häufig
mit Hilfe der Zustandgleichung für ideale Gase beschreiben
pV = nRT .
(1)
Dabei ist p der Druck, V das Volumen, n die Stoffmenge des Gases, R die ideale
Gaskonstante und T die Temperatur. Bei einem idealen Gas geht man davon aus, dass die
Gasteilchen ein vernachlässigbares Volumen besitzen und quasi ausdehnungslose
Massenteilchen sind. Außerdem wird angenommen, dass sich die Gasteilchen frei, also
kräftefrei, durch das ihnen zur Verfügung stehende Volumen bewegen können. Die
Gasteilchen bewegen sich also geradlinig und mit konstanter Geschwindigkeit bis es zu einem
elastischen Stoß mit einem benachbarten Gasteilchen kommt. Bei idealen Gasen ist die innere
Energie U unabhängig vom Volumen. Kombiniert man diese Bedingung mit dem idealen
Gasgesetz (1), so zeigt sich, dass die innere Energie einzig von der Temperatur des Gases
abhängt. Entsprechend gilt für die Enthalpie H
H = U + pV = H (T ) ,
(2)
dass die Enthalpie ebenfalls nur von der Temperatur abhängt. Für eine gegebene Menge
idealen Gases gilt dann bei fester Temperatur, dass die Ableitungen der inneren Energie,
sowie der Enthalpie nach Druck und Volumen verschwinden.
⎛ ∂U ⎞ ⎛ ∂U ⎞ ⎛ ∂H ⎞ ⎛ ∂H ⎞
⎟ =⎜
⎟ =0,
⎜
⎟ =⎜
⎟ =⎜
⎝ ∂V ⎠T ⎝ ∂p ⎠T ⎝ ∂V ⎠T ⎝ ∂p ⎠T
(3)
Abbildung 1: schematische Darstellung eines Drosselventils
Reale Gase
Bei realen Gasen ist die Situation anders. Um die Unterschiede zu verstehen, gehen wir von
einem Drosselventil (Abbildung 1) aus. Wir nehmen an, das Ventil sei so isoliert, dass es
adiabatisch arbeitet (ΔQ=0). Man stelle sich nun einen konstanten Gasstrom vor, der von der
Hochdruckseite der Drossel zu Niederdruckseite der Drossel fließe. Im thermischen
Gleichgewicht hat das Gas auf der Hochdruckseite den Druck p1 und die Temperatur T1.
Entsprechend herrscht auf der Niederdruckseite der Druck p2 und die Temperatur T2. Eine
gegebene Menge Gas besitzt also auf der Hochdruckseite das Volumen V1 und auf der
Niederdruckseite das Volumen V2. Beim Durchströmen der Drossel ändert sich die innere
Energie des Gases von U1 auf U2. Stellt man sich nun vor, dass auf beiden Seiten des Ventils
ein Kolben sitzt, so kann man die Arbeit (W1) errechnen, die an dem System auf der
Hochdruckseite geleistet wird.
W1 = − p1 ( 0 − V1 ) = p1V1 .
(4)
Die Arbeit (W2), die das System auf der Niederdruckseite verrichtet ist entsprechend
W2 = − p2 (V2 − 0 ) = − p2V2 .
(5)
Die gesamte am System verrichtete Arbeit ist dann
W = W1 + W2 = p1V1 − p2V2 .
(6)
Die Änderung der inneren Energie ergibt sich aus der geflossenen Wärmemenge und der am
System geleisteten Arbeit. Da wir adiabatische Bedingungen angenommen hatten gilt
ΔU = U 2 − U1 = ΔQ + ΔW = W .
(7)
Einsetzen von (4)-(6) in Gleichung (7) liefert
H1 ≡ U1 + p1V1 = U 2 + p2V2 ≡ H 2 .
(8)
Mit anderen Worten: der Prozess läuft isenthalpisch ab, so dass gilt dH=0.
Für infinitesimale Druck- und Temperaturänderungen lässt sich das totale Differential der
Enthalpie wie folgt schreiben
⎛ ∂H ⎞
⎛ ∂H ⎞
dH = ⎜
⎟ dp + ⎜
⎟ dT = 0 .
⎝ ∂T ⎠ p
⎝ ∂p ⎠T
(9)
Diese Gleichung lässt sich umschreiben
( ∂H / dp )T
⎛ ∂T ⎞
=: μ JT .
⎜
⎟ =−
( ∂H / dT ) p
⎝ ∂p ⎠ H
(10)
Die Änderung der Temperatur bei einer isenthalpen (adiabatischen) Druckänderung definiert
den Joule-Thomson Koeffizienten. Für ideale Gase verschwindet der Joule-Thomson
Koeffizient, da in diesem Fall der Zähler null ist. Bei realen Gasen ist dies nicht der Fall und
der Joule-Thomson Koeffizient kann im Allgemeinen positive und negative Werte annehmen.
Ein positives Vorzeichen ist gleichbedeutend mit einer Abkühlung bei einer
Druckverminderung.
Anschaulich kann man sich den Joule-Thomson Koeffizienten als ein Maß dafür vorstellen
wie viel potentielle Energie bei der Ausdehnung des Gases in kinetische Energie überführt
wird.
Der Joule-Thomson Koeffizient lässt sich auch theoretisch vorhersagen. Dazu gehen wir von
Gleichung (10) aus und ersetzen den Nenner der rechten Seite durch die Wärmekapazität
⎛ ∂H ⎞
⎜
⎟ = cp
⎝ dT ⎠ p
(11)
und den Zähler durch die thermodynamische Beziehung
⎛ ∂H ⎞
⎛ ∂V ⎞
⎜
⎟ = −T ⎜
⎟ +V
⎝ dT ⎠ p
⎝ dp ⎠T
(12)
Wir erhalten den Ausdruck
μ JT =
T ( ∂V / ∂T ) p − V
cp
.
(13)
Um den Zähler dieses Ausdruckes genauer zu bearbeiten, geht man von der
Zustandsgleichung für reale Gase aus. Diese so genannte van-der-Waals-Gleichung ist für ein
Mol Gasteilchen gegeben durch
⎛
a ⎞
⎜ p + 2 ⎟ (Vm − b ) = RT ,
Vm ⎠
⎝
(14)
wobei a der so genannte Kohäsiondruck und b das Covolumen sind. Der Kohäsiondruck
berücksichtigt die Wechselwirkung der Gasteilchen, während das Covolumen die endliche
Göße der Teilchen berücksichtigt. Ausklammern von pVm liefert
⎛
a ⎞⎛
b ⎞
pVm ⎜1 +
1 − ⎟ = RT .
2 ⎟⎜
pVm ⎠⎝ Vm ⎠
⎝
(15)
Für kleine Drücke oder große Volumina kann man diese Gleichung nähern durch
⎛
a ⎞⎛
b ⎞
pVm = ⎜1 −
1 + ⎟ RT .
2 ⎟⎜
pVm ⎠⎝ Vm ⎠
⎝
(16)
Ausmultiplizieren des Terms in den Klammern liefert
⎛
b
a
ab ⎞
pVm = ⎜ 1 +
−
−
RT . (17)
2
3 ⎟
⎝ Vm pVm pVm ⎠
Da der Term proportional zu a*b sehr klein ist, kann er in erster Näherung vernachlässigt
werden. Man erhält
⎛
1 ⎛
a ⎞⎞
1 ⎛
a ⎞
pVm = ⎜ 1 + ⎜ b −
RT = RT + ⎜ b −
⎟
⎟
⎟ RT . (18)
⎜ V
⎟
pV
V
pV
m
m
m
m
⎝
⎠
⎝
⎠
⎝
⎠
Im Korrekturglied kann man mit Hilfe des idealen Gasgesetzes pVm=RT ersetzen. Man findet
pVm = RT +
1 ⎛
a ⎞
a ⎞
⎛
⎟ p . (19)
⎜b −
⎟ pVm = RT + ⎜ b −
Vm ⎝
RT ⎠
RT ⎠
⎝
Dieser Ausdruck kann nun genutzt werden um die Ableitung in Gleichung (13) zu berechnen.
a
⎛ ∂V ⎞ ⎛ ∂ ⎡ RT ⎛
+ ⎜b −
⎜
⎟ =⎜
⎢
RT
⎝ ∂T ⎠ p ⎝ ∂T ⎣ p ⎝
R
a
⎞⎤ ⎞
.
⎟⎥ ⎟ = +
2
⎠ ⎦ ⎠ p p RT
(20)
Einsetzen von Gleichungen (19) und (20) in Gleichung (13) liefert
μ JT
⎛R
a ⎞ RT ⎛
a
−
−⎜b −
T⎜ +
2 ⎟
p RT ⎠ p ⎝
RT
= ⎝
cp
⎞
⎟
⎠
.
(21)
Vereinfachen führt zum endgültigen Ergebnis
μ JT
2a
−b
.
= RT
cp
(22)
Versuchsdurchführung
Abbildung 2: Aufbau des Joule-Thompson Versuchs
Im Rahmen dieses Versuches werden die Joule-Thomson-Koeffizienten von N2, CO2, Ar und
Propan bestimmt. Der Aufbau des Versuches ist Abbildung 2 zu sehen. Die Gase werden den
entsprechenden Flaschen entnommen. Achten Sie darauf, dass Druckminderventile
geschlossen sind (vollkommen herausgedreht). Die Gasentnahmestellen sind über ein
Verteilersystem mit der Apparatur verbunden. Achten Sie bei der Messung darauf, dass nicht
beide Gruppen das gleiche Gas zur selben Zeit messen.
An jeder Seite des Gaszylinders wird ein Pt100-Temperaturfühler bis auf wenige mm an die
in der Mitte befindliche Gasfritte herangeführt. Die Fühler werden mit den Plastkappen durch
Festschrauben gehaltert. Der Stecker des linken Fühlers wird in die Buchse T1 und der rechte
Fühler mit der Buchse T2 verbunden. Mit Hilfe der Temperaturfühler-Auswahltasten T1..4
wird ein PT100 auf die obere und der andere auf die untere Anzeige geschaltet. Danach stellt
man um auf Temperaturdifferenzanzeige. Achten Sie darauf, dass sich die Apparatur im
thermischen Gleichgewicht befindet und kein direktes Sonnenlicht auf die Apparatur fällt (die
beiden Messfühler müssen zu Beginn die gleiche Temperatur anzeigen). Zunächst wird das
Flaschenventil geöffnet, dann das Druckminderventil zum Schlauch. Durch vorsichtiges
Drehen am Druckminderventil lässt sich der Druck in der Apparatur regulieren. Der
Überdruck wird direkt an der Apparatur angezeigt. Achten Sie darauf, dass der Überdruck
an der Apparatur niemals über 0.9 bar betragen darf. Das durch das Entspannen am
Druckminderer etwas abgekühlte Gas fließt über die lange Metallschlange des
Wärmetauschers, so dass es am Eingang der Apparatur wieder Raumtemperatur angenommen
hat. Dabei findet ein erheblicher Druckabfall statt Deshalb muss der Druck am Druckminderer
einige bar anzeigen, damit ein Druck von 0.9 bar am Eingang der Apparatur erreicht werden
kann. Achten Sie darauf, dass an der rechten Seite der Apparatur die Gasöffnung immer
geöffnet ist.
Aufgabenstellung
1. Reduzieren Sie schrittweise den Überdruck von 0.9 bar auf null in Schritten von 0.1
bar. Notieren Sie für jeden Druck die Temperaturdifferenz. Warten Sie immer bis die
Temperaturanzeige ΔT einen konstanten Wert annimmt. (Das dauert einige Minuten.)
Beachten Sie auch das Vorzeichen der Temperaturänderung und die Tatsache, dass der
Druck beim Entspannen abnimmt. (Der Überdruck wird angegeben.)
Nach einem abgeschlossenen Messzyklus muss der Druckminderer in jedem Fall vom
Restdruck entlastet werden. Verfahren Sie so nacheinander mit allen Gasen. Bei einem
Gaswechsel muss die Apparatur etwa 1 Minute lang mit dem neuen Gas gespült
werden.
2. Bestimmen Sie für alle verwendeten Gase den Joule-Thomson-Koeffizienten und
vergleichen Sie den experimentell erhalten Wert mit dem berechneten theoretischen
Wert
3. Vergleichen Sie beide Werte mit den Literaturdaten
4. Diskutieren Sie die Resultate im Hinblick auf die Näherung eines idealen Gases.
Welche Bedeutung hat das Vorzeichen der Joule-Thomson-Koeffizienten und aus
welchen Wechselwirkungen resultiert es?
5. Leiten Sie einen Ausdruck für die Inversionstemperatur mit Hilfe des realen
Gasgesetzes her. Nutzen Sie dazu Gleichung (22). Berechnen Sie anschließend die
Inversionstemperaturen für die gemessenen Gase.
Literatur
P.W. Atkins, Physikalische Chemie, 2.Auflage, VCH-Verlag, Weinheim 1996
G.Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4.Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim
1997
Literaturwerte für die Joule-Thomson-Koeffizienten:
William M. Haynes ,CRC Handbook of Chemistry and Physics, 92nd Edition, Taylor &
Francis 2011-2012
Landolt-Börnstein, 6. Aufl., Bd. II/4, Beitrag von H.D. BAEHR.
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