Kapitel 1.3

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Algebra I
1.3
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c Rudolf Scharlau, 2002 – 2008
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Gruppen
Der Begriff der Gruppe ordnet sich in gewisser Weise dem allgemeineren Konzept
der Verknüpfung (auf einer Menge) unter. So ist zum Beispiel die Addition oder
Multiplikation zweier gewöhnlicher Zahlen eine Verknüpfung auf der Menge aller
Zahlen. Informell gesprochen ist eine Verknüpfung auf einer Menge M eine Vorschrift, die je zwei Elementen x und y aus M (unter Beachtung der Reihenfolge)
ein weiteres Element z von M zuordnet. Die präzise Definition ist wie folgt.
Definition 1.3.1 Eine Verknüpfung auf einer Menge M ist eine Abbildung
M × M → M, geschrieben
(x, y) 7→ x · y oder x ∗ y, x ◦ y, x ⊙ y, x + y, x ⊕ y oder ähnlich.
Das Zeichen · bzw. ∗, ◦, ⊙, +, ⊕ heißt Verknüpfungssymbol.
Genauer sind die eben definierten Verknüpfungen sogenannte zweistellige, innere
Verknüpfungen. Man spricht von einer inneren Verknüpfung, weil nur eine Menge
M beteiligt ist, die Verknüpfung bleibt innerhalb dieser Menge; der Begriff zweistellig erklärt sich wohl von selbst: es werden zwei Elemente und nicht mehrere
verknüpft.
Definition 1.3.2 Eine Verknüpfung ∗ heißt assoziativ, falls für alle a, b, c ∈ M
gilt:
(a ∗ b) ∗ c = a ∗ (b ∗ c) .
Sie heißt kommutativ, falls für alle a, b ∈ M gilt:
a∗ b = b∗ a.
Beispiele 1.3.3 (Verknüpfungen)
(1) (Z, +), (N, +), (Z, ·), . . .. Die gewöhnliche Addition und Multiplikation von
Zahlen sind assoziative und kommutative Verknüpfungen.
(2) Sei X eine beliebige Menge. Betrachte
M = Abb(X) = {f | f : X → X Abbildung}
f ◦ g die Hintereinanderausführung (Verkettung, Komposition) von f und g,
f nach g“.
”
Diese Verknüpfung ist assoziativ:
f ◦ (g ◦ h) = (f ◦ g) ◦ h für alle f, g, h ∈ M.
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(3) Es sei X eine beliebige Menge und M = P(X) die Potenzmenge von X,
also die Menge aller Teilmengen. (Erinnerung: Wenn X endlich ist, mit n
Elementen, so besteht die Potenzmenge P(X) aus 2n Elementen.) Als Verknüpfung auf M können wir die Vereinigung ∪ sowie den Durchschnitt ∩
betrachten. Diese Verknüpfungen sind sowohl assoziativ als auch kommutativ.
(4) Es sei M wie unter (3), als Verknüpfung betrachten wir
A △ B = A ∪ B r (A ∩ B),
die sogenannte symmetrische Differenz von A und B. Diese Verknüpfung ist
offensichtlich kommutativ; weniger offensichtlich, aber richtig ist, dass sie
auch assoziativ ist; wir werden dieses in den Übungen mittels einer anderen
Interpretation der Verknüpfung △ beweisen.
(5) Wenn K ein Körper ist, n eine natürliche Zahl und Mn (K) wie üblich die
Menge der quadratischen Matrizen der Größe n mit Koeffizienten aus K
bezeichnet, so liefert die bekannte Multiplikation von Matrizen (Zeile mal
Spalte) eine Verknüpfung auf der Menge Mn (K).
Definition 1.3.4 (Neutrales Element) Es sei M eine Menge und ∗ eine Verknüpfung auf M. Ein Element e ∈ M heißt neutrales Element für die Verknüpfung, falls für alle x ∈ M gilt
e ∗ x = x ∗ e = x.
Bei gegebener Verknüpfung kann es höchstens ein neutrales Element geben. Man
kann also sagen: e ist das neutrale Element.
Zur Bezeichnungsweise: Wenn das Verknüpfungssymbol + ist, heißt das neutrale
Element immer Null, Schreibweise 0 oder bei Vektoren 0 oder ~0 (Nullvektor).
Beispiele 1.3.5 (Neutrales Element)
(1) Die Verknüpfung + auf M = N, Z, Q, R hat die Zahl 0 als neutrales Element.
0 + x = x + 0 = x für alle x ∈ M.
(2) Die Verknüpfung · auf M = N, Z, Q, R hat 1 als neutrales Element.
1 · x = x · 1 = x für alle x ∈ M.
(3) Abb(X) = {f | f : X → X Abbildung} mit der Verkettung f ◦ g als
Verknüpfung hat als neutrales Element die identische Abbildung id oder
idX : X → X, x 7→ x;
id ◦f = f ◦ id = f für alle f : X → X .
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(4) Für die Matrizenmultiplikation auf Mn (K), dabei K ein beliebiger Körper,
ist die Einheitsmatrix En das neutrale Element.
Nun sind wir bereit für die allgemeine Definition einer Gruppe. Hier wird zusätzlich zu den bisher schon genannten Axiomem noch die Existenz on inversen“
”
Elementen gefordert. Man beachte, dass das diesbezügliche Axiom (G3) der folgenden Definition nur formuliert werden kann, wenn ein neutrales Element vorhanden ist.
Definition 1.3.6 Eine Gruppe ist eine Menge G zusammen mit einer Verknüpfung
∗ auf G, so dass folgende drei Axiome gelten:
(G1) Die Verknüpfung ist assoziativ.
(G2) Es gibt ein neutrales Element e.
(G3) Zu jedem Element a ∈ G gibt es ein b ∈ G, so dass
a ∗ b = b ∗ a = e.
Falls zusätzlich die Verknüpfung kommutativ ist, so heißt auch die Gruppe kommutativ oder abelsch 1 .
Man spricht von einer Halbgruppe, falls lediglich eine assoziative Verknüpfung
gegeben ist. Eine Halbgruppe mit einem neutralen Element heißt auch Monoid.
Satz und Definition 1.3.7 (Eindeutigkeit von inversen Elementen) Es sei G
eine Menge und · eine assoziative Verknüpfung auf G mit neutralem Element e.
Dann gibt es bei gegebenem a ∈ G höchstens ein b ∈ G mit a · b = b · a = e. Falls
es existiert, wird es mit a−1 bezeichnet und heißt das Inverse zu a.
Wenn die Verknüpfung als + geschrieben wird, heißt b das Negative von a,
Bezeichnung −a (statt a−1 ).
Beispiele 1.3.8 (Gruppen)
(1) (Z, +), (Q, +), (R, +), (Q r {0}, ·), (R r {0}, ·) sind abelsche Gruppen.
(2) Wenn K ein beliebiger Körper ist und n ∈ N, so ist die Menge GLn (K)
der invertierbaren n × n-Matrizen über K eine Gruppe mit der Matrixmultiplikation als Verknüpfung, bezeichnet als allgemeine lineare Gruppe vom
Grad n über K.
1
nach Niels Henrik Abel, 1802–1829, norwegischer Mathematiker, vergl. auch Kapitel 4
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(3) Es sei X eine beliebige Menge. Setze
Per X = {f | f : X → X, f bijektiv} ⊆ Abb X .
Dann ist Per X eine Gruppe mit der Komposition von Abbildungen als Verknüpfung. Neutrales Element ist die identische Abbildung idX . Das inverse
Element zu f ∈ Per X ist die Umkehrabbildung f −1 von f .
Zur Bezeichnungsweise: bijektive Abbildungen einer Menge X in sich selbst
heißen oft Permutationen von X. Wenn X endlich ist, z.B. X = {1, 2, . . . , n}
heißt Per X auch die symmetrische Gruppe von X.
Standardbezeichnung
Sn = Per{1, 2, . . . , n} = {σ | σ : {1, . . . , n} → {1, . . . , n} bijektiv }
die symmetrische Gruppe vom Grad n.
(4) Addition von Resten ganzer Zahlen: Es sei m ≥ 2 eine feste natürliche Zahl.
Setze
Zm = {0, 1, 2, . . . , m − 1}
und definiere auf Zm eine Verknüpfung +m durch a +m b = c, wobei c ∈
{0, 1, . . . , m − 1} der Rest von a + b bei Division durch m ist. Hierdurch
wird (Zm , +m ) eine abelsche Gruppe, die Gruppe der Reste modulo m.
Die Verknüpfungstafel für m = 5:
+5
0
1
2
3
4
0
0
1
2
3
4
1
1
2
3
4
0
2
2
3
4
0
1
3
3
4
0
1
2
4
4
0
1
2
3
(5) Multiplikation von Resten ganzer Zahlen: Auf der eben eingeführten Menge
Zm kann man entsprechend auch eine Multiplikation ·m definieren. Diese ist
assoziativ (das ist an dieser Stelle nicht offensichtlich), hat 1 als neutrales
Element, aber nicht jedes Element hat ein Inverses.
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Noch eine Bemerkung zur Axiomatik von Gruppen. Wenn man den letzten
Satz 1.3.7 und seine Konsequenz, nämlich die Bezeichnung a−1 für das Inverse, mit in Betracht zieht, so hätte man eine Gruppe auch anders defineren
können: nämlich als eine Menge G mit erstens einer assoziativen zweistelligen
Verknüpfung mit neutralem Element (Axiom (G1) (G2)) sowie mit einer weiteren, einstelligen Verknüpfung“ x 7→ x−1 , also einer Abbildung von G in sich
”
selbst, so dass das folgende Axiom gilt: a ∗ a−1 = a−1 ∗ a = e für alle a ∈ G.
Diese Definition einer Gruppe wäre ein wenig glatter als die von uns gewählte,
im Hinblick auf Satz 1.3.7 würde sie auf genau die gleiche Klasse von Objekten führen; der Nachteil ist, dass diese Definition weniger ökonomisch wäre,
man muss mehr zeigen, um die Gruppeneigenschaften zu verifizieren, nämlich
praktisch die Eindeutigkeit des neutralen Elementes gleich mit beweisen.
In jedem Fall ist folgendes festzuhalten: Bei gegebenem a sind die Elemente a−1
bzw. −a durch die Gleichungen
a · a−1
= a−1 · a = e
bzw. a + (−a) = (−a) + a = 0
gekennzeichnet. Um von einem Gruppenelement b zu zeigen, dass es gleich a−1
ist, muss man die Gleichung a · b = b · a = e verifizieren.
Als Beispiel für dieses Prinzip zeigen wir die Formel
(a · b)−1 = b−1 · a−1 ,
die für zwei beliebige Elemente a, b in jeder beliebigen Gruppe G gilt. Wenn
wir das Element b−1 · a−1 mit c bezeichnen, so wird also behauptet, dass c das
Inverse von a · b ist. D.h. es ist die Gleichung (a · b) · c = e zu zeigen, und weiter
c·(a·b) = e. Einsetzen von c = b−1 ·a−1 und Benutzen des Assoziativgesetzes sowie
der Eigenschaft des neutralen Elementes liefert unmittelbar die erste Behauptung:
(a · b) · (b−1 · a−1 ) = a · (b · b−1 ) · a−1
= a · e · a−1
= a · a−1 = e .
Entsprechend wird die zweite Gleichung c · (a · b) = e verifiziert.
Wir kehren noch einmal zur symmetrischen Gruppe Sn zurück, die man aus der
Linearen Algebra von der Einführung der Determinanten kennt.
Definition 1.3.9 Ein Zyklus oder Zykel in der Gruppe Sn ist eine Permutation
ρ der Gestalt
i1 7→ i2 7→ i3 7→ . . . 7→ iℓ 7→ i1
für eine ℓ-elementige Teilmenge {i1 , . . . , iℓ } ⊆ {1, . . . , n}. Notation:
ρ = (i1 , i2 , . . . , iℓ−1 , iℓ ) .
Die Zahl ℓ heißt auch die Länge des Zykels.
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Beispiele
1 2 3
ρ1 =
, 1 7→ 2 7→ 3 7→ 1 , ρ1 = (1, 2, 3)
2 3 1
1 2 3 4 5
ρ2 =
, 3→
7 4 7→ 2 7→ 1 7→ 3 , ρ2 = (3, 4, 2, 1) = (1, 3, 4, 2).
3 1 4 2 5
Beispiel für ein Element σ ∈ S4 , das kein Zyklus ist
1 2 3 4
.
σ=
2 1 4 3
Satz 1.3.10 Jede Permutation kann man in ein Produkt von elementfremden
Zyklen zerlegen, und zwar eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren.
1 2 3 4 5
operiert wie folgt:
Beispiel π =
3 4 5 2 1
1 7→ 3 7→ 5 7→ 1 2 7→ 4 7→ 2.
Also gilt π = (1, 3, 5) ◦ (2, 4). Entsprechend gilt für das dritte Beispiel unter 1.3.9:
σ = (1, 2) ◦ (3, 4).
Wir verlassen nun die Sn und kehren zu allgemeinen Gruppen zurück.
Definition 1.3.11 Eine Teilmenge H einer Gruppe (G, ·) mit neutralem Element e heißt Untergruppe von H, falls die folgenden drei Bedingungen erfüllt
sind.
(U1) e ∈ H
(U2) Für alle x, y ∈ H gilt x · y ∈ H (H ist abgeschlossen“).
”
−1
(U3) Für alle x ∈ H gilt x ∈ H.
Wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, ist H zusammen mit der von G auf H
eingeschränkten“ Verknüpfung selbst wieder eine Gruppe.
”
Beispiele 1.3.12 (Untergruppen)
(1) Für m ∈ N ist die Vielfachenmenge mZ eine Untergruppe von (Z, +).
(2) Z ist eine Untergruppe von (R, +).
(3) Die orthogonale Gruppe
O(E) = O(E, h , i) := {F ∈ GL(E) | ∀x, y ∈ E : hF (x), F (y)i = hx, yi}
eines euklidischen Vektorraumes (E, h , i) ist eine Untergruppe der allgemeinen linearen Gruppe von E.
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(4) D = {id, ρ, ρ2 , ρ3 } mit ρ = (1, 2, 3, 4) (in Zykelschreibweise) ist eine Untergruppe der symmetrischen Gruppe S4 . Diese Gruppe entspricht den Drehungen eines Quadrates, wenn man die Ecken zyklisch von 1 bis 4 nummeriert
(siehe die Zeichnung unten).
(5) Die Diedergruppe der Ordnung 8. Die Teilmenge
Di4 = D ∪ {τ1 = (2, 4), τ2 = (1, 3), σ1 = (1, 4)(2, 3), σ2 = (1, 2)(3, 4)}
der symmetrischen Gruppe S4 ist ebenfalls eine Untergruppe, die sogenannte Diedergruppe der Ordnung 8. Man erhält sie, indem man zu der obigen
Gruppe D alle diejenigen Permutationen hinzunimmt, die Spiegelungen des
Quadrates entsprechen. Ein Quadrat läßt 4 Spiegelungen zu, nämlich an den
beiden Diagonalen und den beiden Seitenhalbierenden. Dieses führt auf die
4 angegebenen Permutationen.
2
1
3
4
Abb. 1.1.1: Die Symmetrien des Quadrates
Die Abgeschlossenheit folgt daraus, dass wir nun alle Symmetrieabbildungen des Quadrates berücksichtigt haben und diese eine Gruppe bilden; siehe
das Beispiel 2.3.4 (9) auf Seite 73.
(6) Die Diedergruppe der Ordnung 2n Allgemeiner kann man statt des
Quadrates für jede Zahl n ein reguläres n-Eck in der euklidischen Ebene
E betrachten, also ein Polygon mit lauter gleichlangen Seiten und gleichen Winkeln. Wenn man die Ebene mit den komplexen Zahlen identifiziert, kann man als Ecken z.B. die n-ten Einheitswurzeln, also die Zahlen
e2πki/n , k = 0, 1, . . . n − 1 nehmen. Die Symmetriegruppe dieses Polygons
heißt Diedergruppe Dn ; sie besteht aus 2n Elementen, nämlich n Drehungen und n Spiegelungen. Diese Drehungen und Spiegelungen können als
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orthogonale Abbildungen eines zweidimensionalen euklidischen Vektorraumes aufgefasst werden; in der Linearen Algebra hat man gelernt, wie die
zugehörigen Matrizen aussehen.
Jede Symmetrieabbildung des n-Ecks bildet Ecken auf Ecken ab, liefert
also eine Permutation der n-elementigen Menge der Ecken. Ferner ist eine
Symmetrieabbildung durch ihre Wirkung auf die Ecken eindeutig festgelegt.
Wenn man die Ecken mit den Zahlen 1 bis n nummeriert, kann also Dn (wie
schon unter (5) im Fall des Quadrates) als Untergruppe der symmetrischen
Gruppe Sn aufgefasst werden.
2
2
3
3
1
1
4
4
5
6
5
Abb. 1.1.2: Das reguläre Fünf- und Sechseck
Wie diese ersten Beispiele bereits zeigen, liefert das Studium von Untergruppen
viele neue Beispiele von Gruppen. Eine weitere einfache Möglichkeit, aus bekannten Gruppen neue herzustellen, ist die folgende:
Bemerkung und Definition 1.3.13 Wenn (G, ·) und (H, ∗) zwei Gruppen sind,
dann ist das kartesische Produkt G × H mit der durch
((x, u), (y, v)) 7→ (x · y, u ∗ v),
x, y ∈ G, u, v ∈ H
komponenteweise“ definierten Verknüpfung wieder eine Gruppe. Sie wird auch
”
als direktes Produkt von G und H bezeichnet.
Die folgende Sätze enthalten einige kleine Ergänzungen zu dem, was man üblicherweise schon aus der Linearen Algebra über Gruppen weiß. Diese sind so einfach
und naheliegend, dass wir sie bei unserer Wiederholung gleich miterledigen und
nicht auf Kapitel 2 verschieben.
Im folgenden Satz 1.3.14 wird festgestellt, dass man bei einer assoziativen
Verknüpfung Summen- bzw. Produktzeichen verwenden kann, wie in der Analysis üblich. D.h. Produkte von mehr als zwei Faktoren können ohne weitere
Vorsichtsmaßnahmen definiert werden. Bemerkenswert ist, dass dieses einzig und
allein aus dem Assoziativgesetz folgt.
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Satz 1.3.14 (Produkte mit mehr als zwei Faktoren). Es sei (M, ·) eine Menge
mit einer assoziativen Verknüpfung. Definiere für a1 , a2 , . . . , an ∈ M (n ≥ 3) das
Produkt“ a1 · a2 · . . . · an induktiv durch
”
!
n
n−1
Y
Y
a1 · a2 · . . . · an =
ai :=
ai · an .
i=1
i=1
Dann gilt für jedes m mit 1 ≤ m < n:
n
Y
ai =
m
Y
ai ·
i=1
i=1
n
Y
aj .
j=m+1
Beispiel: a1 · a2 · a3 · a4 ist definiert als ((a1 · a2 ) · a3 ) · a4 ; es ist z.B. gleich
(a1 · a2 ) · (a3 · a4 ).
Der vorige Satz ist schon dann von Interesse, wenn alle Faktoren ai einander
gleich sind. Er besagt in diesem Spezialfall, dass Potenzen“ eines Elementes
”
a in natürlicher Weise definiert sind. Der folgende Satz verallgemeinert dieses
im Fall von Gruppen auf negative Exponenten und hält fest, dass die üblichen
Potenzgesetze für Zahlen in dieser allgemeinen Situation gültig sind.
Satz und Definition 1.3.15 (Potenzgesetze) Es sei G eine Gruppe mit Verknüpfung · und neutralem Element e. Für a ∈ G sowie n ∈ Z definiere

a
, falls n > 0

| · a ·{z. . . · a}



n-Mal
e
, falls n = 0
an =

−1
−1
−1


| · a {z· . . . · a }, , falls n < 0 .
 a
|n|-Mal
Dann gilt für alle m, n ∈ Z
am+n = am · an .
Insbesondere ergibt sich für jedes m ∈ Z
e = a0 = am · (a−1 )m , also (am )−1 = (a−1 )m .
D.h. das Inverse von am ist (a−1 )m .
Ergänzung Die Notation an verwendet man nur bei multiplikativer Schreibweise
der Verknüpfung a · b, ab (ohne Symbol), a ∗ b, a ⊙ b, aber nicht bei + und ⊕.
Beim Verknüpfungssymbol + oder ⊕ schreibt man für a ∈ G, n ∈ Z

a
, wenn n > 0


| +a+
{z. . . + a}



n-Mal
0
, wenn n = 0
n.a =


(−a) + (−a) + . . . + (−a) , wenn n < 0


{z
}
 |
|n|-Mal
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Der folgende leichte Satz stellt schließlich die Kürzungsregel für Zahlen sowie das
Lösen einer Gleichung mit einer Unbekannten in den allgemeinen Kontext der
Gruppen.
Satz 1.3.16 Es sei G eine Gruppe mit Verknüpfung · .
a) Kürzungsregel Für alle a ∈ G, x, y ∈ G gilt:
a · x = a · y =⇒ x = y ,
x · a = y · a =⇒ x = y .
b) Eindeutige Lösbarkeit von Gleichungen Für je zwei beliebige Elemente a und b ∈ G gibt es genau ein x ∈ G und genau ein y ∈ G mit
a·x =b
und y · a = b .
Beweis: Beide Aussagen ergeben sich leicht aus der Existenz von Inversen in
Verbindung mit dem Assoziativgesetz. Im Einzelnen:
Für a) multipliziert (genauer: “verknüpft”) man die vorausgesetzte Gleichung
von links bzw. rechts mit a−1 und wendet dann das Assoziativgesetz und die
Eigenschaft des neutralen Elementes an.
Für b) sieht man mit Hilfe der gleichen Rechenregeln, dass x = a−1 · b und
y = b · a−1 Lösungen sind, und zwar die einzig möglichen.
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