Oberflächenverbindungen von Übergangsmetallen, XX [1

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Oberflächenverbindungen von Übergangsmetallen, X X [1]
Komplexe von Oberflächen-Chrom(II) mit Olefinen
Surface Compounds of Transition Metals, X X [1]
Complexes of Surface Chromium(II) with Olefines
Hans-Ludwig Krauss und Ulrich Westphal
Laboratorium für Anorganische Chemie der Universität Bayreuth
und Institut für Anorganische Chemie der Freien Universität Berlin
Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. E. O. Fischer zum 60. Geburtstag gewidmet
Z. Naturforsch. 33 b, 1278-1284 (1978); eingegangen am 31. Juli 1978
Surface Compounds, Olefine Complexes, Cyclopentadienyl Complexes, Chromium(II) Complexes,
Isomerisation
Surface chromium(II) supported on silica forms 1:1 and 1:2 complexes with defines;
polyenes prefer chelate structures. For the ligand-to-metal bond a "Zeise-Salt" type is
postulated. Secondary reactions include cis-trans isomerisation, shift of double bond,
rearrangement of C-framework and polymerization/oligomerization. Cyclopentadiene
obviously gives a h5-cyclopentadienyl/hydrogen complex by oxidative addition followed
by H2 emission and formation of a h5-cp-Crm complex; in this case the metal can be
split off from the support by H+ without cleavage of the cp-Cr-bond.
Einführung und Problemstellung
Ergebnisse
Unter den Reaktionen koordinativ ungesättigter
Cr-Oberflächen-Verbindungen auf Silicagel-Träger
[1-9] beansprucht die Komplexbildung mit Olefinen besonderes Interesse: der entsprechende Ethylen-Komplex tritt offenbar in der technischen Polyethylensynthese an Chrom-haltigen Katalysatoren
[10, 11] als erste Reaktionsstufe auf. Schon 1969
wurde dieses Zwischenprodukt von J. P. Hogan
[12, 13] erstmals nachgewiesen; später konnte B.
Rebenstorf [14] das System 0'fi.Cr II /C2H 4 optisch
charakterisieren und zeigen, daß nur etwa 1 0 % der
gebildeten Komplex Verbindungen unter Polymerisation weiterreagieren.
Falls nicht anders erwähnt, wurden im folgenden
stets Cr 11 0 'fl. - Verbindungen mit 0,3 bis 1,0% Cr11
und hoher „Qualität" [15, 16] eingesetzt. Als Untersuchungs-Methoden dienten Reflexions-Spektroskopie und chromatographische Stöchiometrie-Bestimmung.
Stöchiometrie-Bestimmungen werden nicht nur
bei Ethylen, sondern auch bei verschiedenen anderen
Olefinen durch Folgereaktionen erschwert. Es war
daher Ziel der vorliegenden Arbeit, die ReflexionsSpektren einer größeren Zahl von Olefin-Komplexen zu vermessen, sie mit den analytischen Daten soweit erhältlich — zu korrelieren und so zu einer
allgemeinen Aussage über die Komplexbildung der
C=C-Doppelbindung mit O'fl.Cr 11 zu gelangen.
Ferner sollte versucht werden, Informationen über
Charakter und Stabilität der Bindung zwischen
Metall und Ligand sowie über eventuelle Folgereaktionen zu gewinnen.
Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. H. L. Krauss,
Laboratorium für Anorganische Chemie der Universität Bayreuth, Postfach 3008, D-8580 Bayreuth.
Mono-Olefine
Eine Übersicht über die verwendeten Liganden
und die gebildeten Komplexe gibt die folgende
Tab. I.
Wie sich aus den aufgeführten Daten ergibt, bilden die meisten Monoolefine in reversibler Reaktion sowohl 1 : 1 - wie auch 1 : 2-Komplexe (blau
bzw. violett-blau); charakteristische Spektren sind
in Abb. 1 und 2 wiedergegeben. Die (koordinativ
noch ungesättigten) l : l - K o m p l e x e addieren CO
unter Ausbildung gemischter 1:2-Spezies, deren
Absorptionsmaxima - wie nach der LigandenfeldTheorie zu erwarten - etwa beim arithmetischen
Mittel der Werte für die „reinen" l : 2 - K o m p l e x e
des betr. Liganden und des CO (19,0 k K ) liegen
[27]. Mittels dieser Umsetzung lassen sich auch nahe
beieinander liegende Maxima von 1:1- und 1:2Olefin-Komplexen (s. Abb. 2) eindeutig identifizieren.
Eine direkte (chromatographische) Stöchiometriebestimmung ist nur durchführbar, falls keine Folgereaktion auftritt. Aufgrund der offensichtlichen
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1279 H.-L. Krauss-U. Westphal • Komplexe von Oberflächen-Chrom (II) mit Olefinen
Tab. I. Komplexbildung von O'fl.Cr11 mit MonoOlefinen.
Olefin
vmax [kK] bei Cr: Lig
1:1
1:2
Ethylen
Propylen
1 -Hexen
1-Octen
1 -Decen
13,80
13,80
a
a
13,60
2-Methyl-2buten(Trimethylethylen) 13,75
2.3-Dimethyl-2buten(Tetramethylethylen) 13,70
Cyclopenten
Cyclohexen
Cyclohepten
ci«-Cyclooeten
trans-Cyclo octen
2.2.1-Bicyclo2-hepten
(Norbornen)
a
b
13,35
13,20
13,40
13,60
Folgereaktion
16,72
16,15
15,72
15,62
15,58
Polymerisation
Polymerisation
Oligomerisation
Oligomerisation
Oligomerisation
a
Oligomerisation
b
14,80
14,45
14,86
15,12
—
—
—
—
- v [kK]
Abb. 2. Komplexbildung von O'fl.Cr11 mit Cyclopenten: l:l-Komplex (gestrichelte Kurve) und 1:2Komplex (ausgezogene Kurve). Exp. Daten wie Abb. 1.
—
Isomerisierung zu cis-Cycloocten
Isomerisierung zu 1-Methyl-1.3-cyclohexadien
Meßwert nicht sicher bestimmbar,
l:2-Komplex wird nicht ausgebildet.
v [kK]
Abb. I. Komplexbildung von O'fl.Cr11 mit Ethylen:
l:l-Komplex (gestrichelte Kurve) und l:2-Komplex
(ausgezogene Kurve). Die strichpunktierte Kurve entspricht einer Bruttostöchiometrie von 1:1,5. Exp.
Daten: 0,3% Cr11 auf Silicagel „Merck 7734"; Takt/Tred
= 800/350 °C.
Korrelation von Spektrum und Stöchiometrie ist
jedoch auch bei der Umsetzung mit weiter-reagierenden Liganden eine Zuordnung der optischen Absorptions-Maxima und der Nachweis einer konsekutiven Bildung von 1 : 1 - und 1 :2-Komplexen möglich.
Typisch für die durch die Bildung von Folgeprodukten hervorgerufenen Schwierigkeiten ist das
Verhalten des Systems O'fl.CrU/Ethylen. Wird das
Ausgangs-Produkt bei 20 °C mit Pulsen von Ethylen beschickt, so bildet sich zunächst der 1 : 1 Komplex praktisch vollständig aus. Bei weiterer
Ethylenzugabe setzt Polyethylen-Bildung ein, ohne
daß im Spektrum das Auftreten des 1 : 2-Addukts
beobachtet werden kann. Da die polymerisationsaktiven Zentren jedoch nur ca. 1 0 % des gesamten
Cr11 ausmachen [14], läßt sich durch Vergiften
dieser reaktivsten Zentren mit der entsprechenden
Menge CO die Polymerisation solange aufhalten,
daß für die Aufnahme der Spektren des 1 : 2 Addukts an den restlichen 9 0 % der Zentren genügend Zeit bleibt; der Cr n -CO-Komplex stört wegen
der geringen Konzentration praktisch nicht. Die
Polymerisation ist allerdings auf die Dauer nicht
zu verhindern, da Kohlenmonoxid langsam von
allen 1-Olefinen verdrängt wird.
Mit zunehmender Kettenlänge der 1-Olefine
sinkt die Polymerisationsneigung erheblich (s. Tab.
I), so daß für die Registrierung der Spektren der
Primär-Komplexe stets ausreichend Zeit zur Verfügung steht; gleichzeitig nimmt die Verschiebung
der 1 : 2-Maxima gegenüber dem dd-Hauptmaximum der freien Cr^O'll.-Verbindung (11,83 k K )
deutlich ab. Beide Effekte sind beim Schritt Ethylen
Propylen am stärksten ausgeprägt.
Die Substitution von H-Atomen an der Doppelbindung (-> Trimethylethylen, -> Tetramethylethylen) schränkt die Ausbildung des 1 : 2-Addukts
offenbar aus sterischen Gründen ein: im Spektrum
ist auch bei großem Überschuß dieser Liganden nur
eine schwache „1 :2-Schulter" bzw. überhaupt
keine Veränderung gegenüber dem 1 : 1-Komplex
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H.-L. Krauss-U. Westphal • Komplexe von Oberflächen-Chrom (II) mit Olefinen
1280
zu erkennen. Tetramethylethylen bildet keine oligomeren Folgeprodukte mebr.
Auch die cyclischen Mono-Olefine oligomerisieren
nicht; als Folgereaktionen treten hier jedoch u. U.
Isomerisierungen auf. Diese verlaufen in den beobachteten Fällen (s. Tab. I) bei 20 °C so schnell, daß
nur die Komplexe des stabileren Isomeren isoliert
werden können. (Unterhalb von — 5 0 °C ist kurzzeitig das Auftreten violett gefärbter Primärprodukte zu erkennen, die wahrscheinlich den zunächst
gebildeten Komplexen der instabileren Isomeren
entsprechen.)
Wie schon bei verschiedenen anderen Liganden
beobachtet [1], sind auch bei den Mono-Olefinen
die (thermischen) Existenzbereiche der Komplexe
verschiedener Stöchiometrie im allgemeinen nicht
scharf voneinander getrennt. Die Abhängigkeit der
Brutto-Stöchiometrie einiger typischer Komplexe
von der Temperatur bei ~ 10 Pa ist in Tab. I I wiedergegeben.
Tab. II. Temperatur-Abhängigkeit der Brutto-Stöchiometrie (Mono-Olefine ohne Folgereaktion).
Olefin
2.3 -Dimethyl -2 -buten
Cyclopenten
Cyclohexen
Cyclohepten
cis-Cycloocten
Stöchiometrie bei ~ 10 Pa
und T =
0 °C
20 °C 50 °C 100 °C
1,05
1,62
1,50
0,96
1,34
1,27
1,57
1,97
0,86
1,04
0,99
1,28
1,68
0,76
0,95
0,83
1,07
1,25
Aussagen über die Stabilität der Komplexe sind
problematisch: eine Bestimmung der Komplexbildungskonstanten und/oder eine direkte kalorimetrische Messung der Reaktionswärmen bei der
Komplexbildung sind wegen der Physisorption der
Liganden am Träger mit so großen Unsicherheiten
behaftet, daß sie nicht zu verwertbaren Daten führen. Allenfalls läßt sich aus einem Vergleich der
thermischen Stabilität im Vakuum und aus Liganden-Austauschreaktionen abschätzen, daß bei den
geradkettigen 1-Olefinen das Ethylen, bei den cyclischen Olefinen das Cycloocten am stabilsten gebunden wird.
2) Di-, Tri- und Tetra-Olefine
Eine Übersicht über die eingesetzten Liganden
und die gebildeten Komplexe gibt Tab. III.
Als charakteristisches Beispiel sei zunächst der
Komplex mit 1.5-Hexadien besprochen. Die (chromatographisch bestimmten)
Stöchiometriedaten
Tab. III. Komplexbildung und Stöchiometrie von
O'fl.Cr11 mit Di-, Tri- und Tetra-Olefinen.
Stöchiometrie bei
Olefin
Vmax [kK]
- 1 0 Pa und
bei 20 °C 20 °C 50 °C 100 °C
I.5-Hexadien
2'.4<-Hexadien
1.4-Hexadien
1.3-Cyclohexadien
1.4-Cyclohexadien
1-Methyl-1.3cyclohexadien
1.5 -Cy clooctadien
1.3.5-Cycloheptatrien
1.3.5.7-Cyclooctatetraen (COT)
a
b
16,85
0,98
0,95
0,93
15,50
1,40
0,98
0,83
16,05
1,25
1,01
0,89
a
14,60
2,09
2,01
Isomerisierung zu 1.3-Cyclo hexadien
14,50
18,18
16,47
0,99
1,01
0,98
0,97
0,98
0,94b
16,89
1,03
1,01
1,00
Meßwert unsicher infolge einer ungeklärten Nebenreaktion.
Ab 200°C Isomerisierung zu Toluol.
zeigen, daß unter unseren Versuchsbedingungen pro
0'fl.Cr n -Ion 1 Molekül des Diolefins komplex gebunden wird. Wie sich aus der Lage des Maximums ergibt, wird der Ligand dabei offenbar über
zwei Koordinationsstellen gebunden; eine „echte"
1 : 1-Stufe wird nicht durchlaufen. Der Annahme
einer chelatartigen Struktur entspricht auch die
besondere thermische Stabilität des Addukts: eine
merklich dissoziative Zersetzung ist erst ab
200 °C/10 Pa zu beobachten. Die beiden anderen
Hexadiene der Tab. III können, wie aus den Stöchiometrie-Daten hervorgeht, offenbar auch über
eine Doppelbindung koordinativ gebunden werden;
die Spektren bei 20 °C entsprechen zwar dem 1 : 2T y p (Bindung von einem Liganden über zwei bzw.
von zwei Liganden über je eine Doppelbindung),
bei 2 < ,4'-Hexadien kann jedoch bei geringem Liganden-Angebot optisch das Auftreten des „echten"
1 : 1-Typs beobachtet werden.
Die Spektren der cyclischen Polyene 1.3.5-Cycloheptatrien, 1.5-Cyclooctadien und 1.3.5.7-Cyclooctatetraen zeigen bei einer Stöchiometrie von 1 : 1
im dd-Bereich das typische Bild des 1 : 2-Typs,
so daß angenommen werden kann, daß auch hier
die Koordination über zwei Doppelbindungen erfolgt. Besonders bemerkenswert ist die Stabilität
des Addukts von 1.5-Cyclooctadien (Spektrum s.
Abb. 3). Der Ligand läßt sich nicht von Ethylen
verdrängen: auch nach Tagen erfolgt in Ethylenatmosphäre keine Polymerisation (T = 20
200
°C). Bei - 1 0 Pa ist der Komplex bis 400 °C stabil;
bei weiterer Temperaturerhöhung tritt Verkohlung
des Liganden ein.
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1281 H.-L. Krauss-U. Westphal • Komplexe von Oberflächen-Chrom (II) mit Olefinen
- v [k K]
Abb. 3. Komplexbildung von O'fl.Cr11 mit 1.5-Cyclooctadien: Stöchiometrie 1:1. Exp. Daten wie Abb. 1.
3)
Cyclopentadien
Die Sonderstellung dieses Liganden in der Komplexchemie - bedingt durch seine Tendenz zum
Übergang in das aromatische CyclopentadienylSystem [17] - ist auch bei der Umsetzung mit
O'fl.Cr 11 festzustellen. Es bildet sich bei 20 °C ein
intensiv braun gefärbtes Produkt, dessen Spektrum
(Abb. 4) nicht dem der „normalen" Olefin-Komplexe ähnlich ist. Die Stöchiometrie der Umsetzung
liegt im Temperaturbereich von 20-300 °C bei 1 : 1 .
Überraschenderweise erfolgt bei ca. 150 °C unter
Entwicklung von elementarem Wasserstoff ein
Farbwechsel von braun nach grün, wobei sich jedoch die Struktur des Spektrums nicht wesentlich
ändert (Abb. 4).
Die beiden O'fl.-Komplexe sind koordinativ gesättigt: weder CO noch Ethylen werden addiert,
—
v [k K]
Abb. 4. Komplexbildung von O'fl.Cr11 mit Cyclopentadien vor und nach Wasserstoff-Entwicklung (ausgezogene bzw. gestrichelte Kurve). Exp. Daten wie
Abb. 1. Strichpunktiert: Olefinkomplex von Cyclopentadien mit O'fl.Cr11 niederer Qualität (0,3% Cr11
auf Silicagel „Merck 7734" ;Takt =Tred = 500°C); s.Disk.
Polyethylenbildung wird nicht beobachtet (Ethylendruck - 1 0 5 Pa, T-Bereich 20-200 °C). Mit
Sauerstoff reagieren die Verbindungen mit unterschiedlicher Wärmetönung: die Reaktionswärme
ist vor der Wasserstoff-Abgabe größer, nach der
Wasserstoff-Abgabe kleiner als bei der freien Ausgangsverbindung; im ersteren Fall ist die Oxydation mit einem Extinktions-Anstieg der Si-OHOberschwingung im NIR-Bereich verbunden.
Mit (wäßriger oder methanolischer) Salzsäure bilden beide Komplexe intensiv blau gefärbte Lösungen, deren (identische) Spektren die Maxima des bekannten Ions [7r-C 5 H5CriiiCl n (H20) 3 -„] 2 - w aufweisen [18]. Da eine Reaktion zwischen Cyclopentadien und Cr-Ionen in wäßriger Lösung auszuschließen ist, wird hier offenbar - ähnlich wie in
[19] - das Chrom mitsamt dem Liganden als Einheit vom Träger abgespalten.
Der grüne, Wasserstoff-ärmere O'fl.-Komplex ist
auch durch „direkte" Umsetzung von Chromocen
mit Silicagel „Merck 7733" bei 200 °C in hoher Ausbeute zu erhalten.
Diskussion
Die beschriebenen Umsetzungen von O'fl.Cr 11
auf Silicagel mit Olefinen zeigen erneut die große
Reaktionsfähigkeit der koordinativ ungesättigten
Metall-Zentren auf Oberflächen: in reversibler
Reaktion werden 1 : 1 - und 1 : 2-Komplexe gebildet, bei Polyolefinen ggf. unter Bindung über zwei
Koordinationsstellen (Chelat-Struktur).
Über den Bindungstyp lassen sich zunächst keine
direkten Aussagen machen, da die IR-Schwingungen der C-C-Doppelbindung von Trägerabsorptionen verdeckt werden und für die nur wenig von der
Komplexbildung beeinflußten CH-Banden keine
systematischen Vergleichsdaten vorliegen.
Aufgrund des bekannten Verhaltens von O'fl.Cr 11
gegenüber einer Vielzahl von Liganden [1-9] läßt
sich jedoch mit Sicherheit annehmen, daß das Metall auch gegenüber Olefinen als sehr starke LewisSäure reagiert. Wegen der relativ hohen positiven
Ladung (Cr 11 !) dürfte die Bindung dem bei M 11 -,
Cu1- und Ag I -01efin-Komplexen auftretenden „Zeise-Salz-Typ" entsprechen (starke a-Donor-Bindung,
schwache jr-Rückbindung; siehe hierzu auch „ab
initio"- und SCF-Rechnungen [20, 21]).
Bei gegebenem Zentralatom - hier also O'fl.Cr 11 hängt die Stärke der Bindung von den spezifischen
Eigenschaften des eingesetzten Olefins ab (Substi-
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H.-L. Krauss-U. Westphal • Komplexe von Oberflächen-Chrom (II) mit Olefinen
1282
tuenten an der Doppelbindung, sterische Hinderung usw.). Der empirisch gefundenen Abstufung
der Bildungskonstanten bei Ag I -Komplexen mit
homologen, geradkettigen 1-Olefinen [22]
Ethylen
Propen > 1-Hexen > 1-Octen
entspricht bei den hier untersuchten 0'fl.Cr I I -Komplexen dieser Liganden eine analoge Reihenfolge
der Verschiebung der dd-Maxima (1 : 2-Verbindung); die gleiche Korrelation läßt sich auch bei
den cyclischen Mono-Olefinen [23] für die Reihe
Cycloocten > Cyclohepten > Cyclopenten >
Cyclohexen
beobachten.
Es erscheint somit erlaubt, bei homologen Liganden-Reihen die Wechselwirkung Olefin/Cr11 und
damit die Stärke der Bindung an der LigandenfeldAufspaltung, also an der Lage des dd-Hauptmaximums abzulesen.
Eine Ausdehnung auf nicht-homologe Olefine ist
sicher nicht zulässig; auffallend ist jedoch, daß der
thermisch besonders stabile Komplex 1.5-Cyclooctadien/Cr 11 auch ein außerordentlich langwelliges
dd-Maximum aufweist (s. Tab. III).
Dem Bild einer ,,side-on"-Addition des Olefins
über eine Donor-Funktion des bindenden Orbitals
seiner n-Bindung entsprechen die beobachteten
cis-trans-Isomerisierungen:
offensichtlich wird in
diesen Fällen die Doppelbindung so sehr geschwächt bzw. durch die Komplexbildung beansprucht, daß eine Rotation um die C-C-Achse möglich wird. Das kurzzeitige Auftreten eines violetten
Primärprodukts (große Ligandenfeld-Aufspaltung,
Hinweis auf starke Wechselwirkung!) bei der Umsetzung mit trans-Cycloocten unterstützt diese Annahme :
\
Cr 2+
+
- -
N
V
T—-
+ '
Cr
nur ca. 1 0 % der Komplex-bildenden Cr II -Zentren
beteiligt (,,katalytisch aktiv") ;es sind dies diejenigen
Zentren, die auch bevorzugt mit CO reagieren. Hieraus läßt sich zunächst schließen, daß für die Polymerisationsreaktion die gleichen Qualitätsmerkmale
gelten wie für die CO-Addition. Da geringere Qualität primär mit der (mehr oder weniger ausgeprägten) Koordination benachbarter Oberflächengruppen erklärt wird [1] und ferner die Bildung des
1 : 2-Olefin-Addukts offenbar keine ausreichende
Voraussetzung für eine nachfolgende Polymerisation darstellt, kann gefolgert werden, daß mindestens drei freie Koordinationsstellen am O'fl.-Metall
vorhanden sein müssen, um die PolymerisationsReaktion auszulösen (vgl. auch die Bildung von
1.3.5-substituierten Aromaten aus monosubstituierten Acetylenen [24] sowie von ataktischem Polypropylen aus Propylen [24]).
Die Bindung des Liganden in den CyclopentadienKomplexen beansprucht besonderes Interesse: das
Vorliegen einer h 5 -Bindung im abgelösten Cyclopentadienyl-Chloroaquo-Cr m -Komplex kann als
Hinweis auf einen entsprechenden Bindungstyp
auch im O'fl.-Komplex verstanden werden, nicht
allerdings als zwingender Schluß, da bei Cyclopentadienylverbindungen cr/Tr-Umlagerungen bekannt
sind [25, 26]. Unter Berücksichtigung weiterer Produkt-Eigenschaften (auffallende thermische Beständigkeit, Spektrentyp abweichend von dem der
Olefin-Komplexe, ähnliche Spektren vor und nach
H2-Abgabe, keine weitere Addition von CO oder
C2H4, keine Abspaltung des Liganden mit HCl) läßt
sich jedoch der folgende Reaktionsablauf* postulieren.
C5H6
'
__
>T
„ 2+
Cr
Über den Reaktionsablauf bei Spaltung bzw. Bildung von CC-cr-Bindungen (Isomerisierung von Norbornenund 1.3.5-Cycloheptatrien, Aufbau von Polymeren und Oligomeren) lassen sich z.Zt. noch keine
sicheren allgemeinen Aussagen machen. Der Nachweis definierter Primär-Komplexe bestätigt und ergänzt jedoch die schon früher entwickelten Vorstellungen zum Problem der Polyethylensynthese. An
der Polymerisationsreaktion sind, wie oben erwähnt,
Cr(h - C 5 H 5 ) 2
»T
+ 1/ 2
h2
+ Silicagel
HCl / H20
HCl / H20_
(^O's-n Cr
CIn
* Die hier formulierte oxidative Addition wurde auch
in verschiedenen anderen Fällen beobachtet [27].
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2-n
1283 H.-L. Krauss-U. Westphal • Komplexe von Oberflächen-Chrom (II) mit Olefinen
Für die li 5 -Bindung des Cyclopentadien-Rings
über drei Koordinationsstellen spricht indirekt auch
der Befund, daß Cyclopentadien mit Produkten
sehr niedriger Qualität (Takt = Tred = 500 °C) also bei partieller Absättigung des Metall-Zentrums
durch benachbarte Oberflächengruppen - in reversibler Reaktion einen normalen 0'fl.Cr n ( !)-01efinKomplex bildet (Stöchiometrie 1 : 1 ; Vmax bei
16,3 k K (Abb. 4): Koordination über beide Doppelbindungen [27]).
Experimentelles
a)
Ausgangsprodukte
Die Reinigung von Ar und CO erfolgte wie in [15]
beschrieben; O2 wurde über Mg(C104)2 getrocknet.
Gasförmige Olefine wurden mit 0'fl.Mn II /Silicagel
[28] von Sauerstoff befreit, Lösungsmittel und
flüssige bzw. feste Liganden im gereinigten
Ar-Strom destilliert bzw. sublimiert. Dimeres Cyclopentadien wurde über eine Vigreux-Kolonne (ArStrom) depolymerisiert und sofort verwendet.
Trans-Cycloocten wurde aus Cyclooctylamin nach
[29, 30] hergestellt, Chromocen aus Cr m -chlorid
und Na-cyclopentadienid nach [31, 32].
b) Herstellung der
CrlI-Oberflächenverbindungen
Kieselgel „Merck 7733" (bzw. „Merck 7734" für
Chrom-Konzentrationen um 0,3%) wurde mit Wasser 30 min gekocht, abfiltriert und bei 150 Pa/150 °C
15 h getrocknet. Die Dotierung erfolgte mit einer
der gewünschten Konzentration entsprechenden
wäßrigen Cr03-Lösung. Nach Filtration wurde das
Produkt bei 1500 Pa in 24 h auf 150 °C erwärmt
und schließlich im 02-Strom in einem Drehrohrofen
2 h bei 800 °C (500 °C) aktiviert (Aufheizzeit 7 bzw.
4 h). Anschließend wurde bei der gewünschten Reduktionstemperatur (350 bzw. 500 °C) mit Argon
gespült, mit CO 20 min reduziert und unter erneutem Spülen mit Argon auf Zimmertemperatur abgekühlt. Entsprechend der Wahl der Aktivierungsund Reduktionstemperaturen resultierten Produkte
extrem hoher (800/350 °C) bzw. extrem niedriger
(500/500 °C) Qualität. Die Bestimmungen von C r «
bzw. Cr VI erfolgten durch Titration mit Cr 2 07 2 ~
bzw. Fe 1 1 ; Gesamt-Chrom wurde nach Oxidation
mittels „ A g O " ebenfalls mit F e " titriert [33].
c)
Umsetzung von O'fl.Cr11
Gasförmige oder leicht flüchtige Liganden wurden im Argon-Strom in einem Wirbelbett mit den
Oberflächenverbindungen zur Reaktion gebracht,
wobei die Ligandenmenge über ein Mischventil
variiert wurde. Schwerflüchtige Liganden wurden
in Pentan-Lösung umgesetzt; die Entfernung des
Lösungsmittels erfolgte bei 20 °C/0,1 Pa.
Vor der Komplexbildung mit polymerisierenden
Liganden wurden 1 0 % der Cr II -Zentren mit CO
„vergiftet"; hierzu wurde zunächst bei 20 °C mit
Kohlenmonoxid gesättigt und anschließend überschüssiges CO bei 150 °C/0,1 Pa entfernt.
Die Isolierung der l : l - S t u f e bei konsekutiver
Komplexbildung erfolgte entweder durch schrittweise Umsetzung mit kleinen Ligand-Pulsen in einem Argon-Wirbelbett oder durch vorsichtigen thermischen Abbau der 1:2-Stufe bei entsprechend gewählten Druckbedingungen. Bei gut getrennten
Stufen konnten definierte Darstellungsbedingungen
empirisch ermittelt werden; so bildet sich der I r l Komplex von Ethylen bei 50 °C/15 Pa, von Cyclopenten bei 100 °C/15 Pa und von Cycloocten bei
180 °C/15 Pa.
In allen hier beschriebenen Verfahren muß der
Reaktionsablauf ständig durch Aufnahme der Reflexionsspektren kontrolliert werden.
d) ,,Chromatographische"
Stöchiometrie-Bestimmungen
Die Reaktionen wurden zu diesem Zweck in einem thermostatisierbaren, vakuum-isolierten Rohr
(1 cm 0 ) mit stationärer 0'fl.Cr n -Phase durchgeführt. Eine abgewogene, analysierte (Cr11, Schüttgewicht) Probe wurde eingefüllt und bei der gewünschten Temperatur von oben her mit einer bestimmten Menge des Liganden umgesetzt (Argonstrom oder Lösung in Pentan). Anschließend wurde
mit Ar bzw. Pentan in der gleichen Richtung so
lange eluiert, bis sich eine stationäre Front ausbildete (2 h bis 2 Tage). Die Stöchiometrie ließ sich
auf Grund der analytischen Daten, der eingesetzten
Ligand-Menge und der Zonenlänge in einfacher
Weise auf ± 0,02 genau bestimmen.
Zur Bestimmung der Physisorption wurden jeweils zusätzliche Versuche unter gleichen Bedingungen durchgeführt, bei denen die obere Hälfte
des Rohrs mit verschiedenen, ebenfalls eingewogenen Mengen an Cr-freiem, „gleichbehandelten Träger" [6] beschickt war. Die nunmehr nach Ausbildung der Front am O'fl.Cr 11 komplex gebundene
Ligand-Menge ist um den am Chrom-freien Säulenteil physisorbierten Anteil verringert; hieraus läßt
sich ein für den Liganden und die Versuchsbedingungen typischer Korrekturfaktor ermitteln. (Das
Verfahren liefert nur bei Physisorption
Chemisorption zuverlässige Werte.)
e) Aufnahme der Spektren
Die UV-VIS-NIR-Reflexionsspektren wurden
mit dem Gerät Beckman-DK 2 aufgenommen (diffuse Reflexion); als Referenz diente bei 1000 °C
ausgeglühtes MgO. Sowohl die Probe wie die Referenz wurden in Quarz-Schlenkrohren direkt in die
Öffnungen der Ulbrichtkugel eingeführt (Eindringtiefe reproduzierbar 1 cm). Die erhaltenen Spektren
wurden auf linearen Wellenzahlmaßstab und Kubelka-Munk-Funktionswerte
umgezeichnet.
Die
OH-Banden im NIR-Bereich (Kombinations- und
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1284
H.-L. Krauss-U. Westphal • Komplexe von Oberflächen-Chrom (II) mit Olefinen
Oberschwingungen) sind in den Abbildungen nicht
wiedergegeben.
Die Herstellung von Komplexen verschiedener
Stöchiometrie erfolgte durch Variation von Temperatur und Partialdruck des betr. Liganden.
Das Durchsicht-Spektrum von
[cpCrCl n (H 2 0)3-ra] 2-?l wurde in wäßriger Salzsäure
mit einem Beckman-DK 1 Spektralphotometer aufgenommen (Absorptionsspektrum) und auf linearen
Wellenzahlmaßstab umgezeichnet.
[1] X I X . Mitteilung: H. L. Krauss und D. Naumann,
Z. Anorg. Allg. Chem. 1978, im Druck.
[2] H. L. Krauss und H. Stach, Z. Anorg. Allg. Chem.
366, 34 (1969).
[3] Yu. I. Yermakov, V. A. Zakharov, Yu. P. Grabovski und E. G. Kushnareva, Kinet. Katal. 11,
519 (1970).
[4] L. K. Przhevalskaya, V. A. Shvets und V. B.
Kazanski, Kinet. Katal. 11, 1310 (1970).
[5] D. D. Eley, C. H. Rochester und M. S. Scurrell,
J. Chem. Soc. Faraday Trans. 1973, 660; J. Catal.
29, 20 (1973).
[6] G. Hierl und H. L. Krauss, Z. Anorg. Allg. Chem.
401, 263 (1973).
[7] H. L. Krauss und B. Rebenstorf, Z. Anorg. Allg.
Chem. 402, 113 (1973).
[8] H. L. Krauss und B. Weisser, Z. Anorg. Allg.
Chem. 412, 82 (1975).
[9] A. Zecchina, E. Garrone, G. Ghiotti, C. Mortera
und E. Borello, J. Phys. Chem. 79, 966 (1975).
[10] A. Clark, J. P. Hogan, R. Banks und W. Lanning,
Ind. Eng. Chem. 48, 1152 (1956).
[11] US Pat. 2825721 (1958), 2960126 (1958), Brit.
Pat. 790196 (1958), 80464 (1958).
[12] J. P. Hogan, Polvm. Prepr., Am. Chem. Soc., Div.
Polym. Chem. 10, 240 (1969).
[13] J. P. Hogan, J. Polym. Sei. 8, 2637 (1970).
[14] Dissertation B. Rebenstorf, Freie Universität
Berlin 1975.
[15] H. L. Krauss, B. Rebenstorf und U. Westphal,
Z. Anorg. Allg. Chem. 414, 97 (1975).
[16] H. L. Krauss und U. Westphal, Z. Anorg. Allg.
Chem. 430, 218 (1977).
[17] F. A. Cotton und G. Wilkinson, Anorganische
j)
H»-Bestimmung
Der bei der thermischen Zersetzung von
0'fl.Cr(H)cp entwickelte Wasserstoff wurde als
elementares H 2 gaschromatographisch sowie nach
den üblichen Methoden der C/H-Mikroanalyse durch
Verbrennung qualitativ und quantitativ bestimmt.
Das Molverhältnis 0'fl.Cr(H)cp : H 2 betrug 1 : 0,497.
Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem
Fonds der Chemischen Industrie danken wir für die
finanzielle Unterstützung der Arbeit.
[18]
[19]
[20]
[21]
[22]
[23]
[24]
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Chemie, 3. Aufl., S. 784; Verlag Chemie, Weinheim 1974; vgl. auch [25, 26].
E. O. Fischer, K. Ulm und P. Kunzel, Z. Anorg.
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Dissertation H. Schmidt, Technische Universität
München 1973; siehe hierzu auch [8].
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M. A. Muhs und F. T. Weiss, J. Am. Chem. Soc.
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Cur-Komplexe: J. M. Harvilacliuk, A. D. Aikens
und R. G. Murray, Inorg. Chem. 8, 539 (1969); für
AgI-Komplexe liegen widersprüchliche Angaben
vor: vgl. [22] bzw. R. G. Taynham und M. F.
Sehnert, J. Am. Chem. Soc. 78, 4024 (1956).
H. L. Krauss und H. Stach, Z. Anorg. Allg. Chem.
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Z. Anorg. Allg. Chem. 282, 47 (1955).
E. G. Horvath, private Mitteilung.
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