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Buchbesprechung
Klaus Schmeh:
Planeten und Propheten
www.skeptiker.de
Skeptiker kennen das Missverhältnis von esoterischer zu kritischer Literatur. Einer breiten Palette von Esoterik-Büchern stehen nur wenige skeptische Veröffentlichungen gegenüber. Dieses Missverhältnis abzumildern hat sich Klaus Schmeh, Informatiker und
GWUP-Mitglied, zum Ziel gesetzt. Mit seinem Buch Planeten und Propheten gibt er
einen gelungenen Überblick nicht nur über die Astrologie, sondern über das Wahrsagerei-Unwesen insgesamt, vor allem in Deutschland.
Zunächst werden Begriffe definiert. Zur Wahrsagerei, auch Mantie genannt, zählt
Schmeh alle Prognosemethoden ohne wissenschaftliche Fundierung. Ein Hellseher hingegen erlangt auf wissenschaftlich nicht erklärbare Weise Wissen über gegenwärtige
Sachverhalte, etwa über den Aufenthaltsort einer vermissten Person. Ein Prophet ist für
den Autor jemand, der göttliche Botschaften (Prophezeiungen) empfängt und an andere
weiterleitet. Diese Unterscheidungen sind wichtig für die Auseinandersetzung mit Astrologen, da diese häufig versuchen, den Anschein von Seriosität zu erwecken, indem sie
sich von Wahrsagern und Propheten abgrenzen.
Schon seit dem dritten Jahrtausend vor Christus sind aus Ägypten und Mesopotamien
Wahrsagetechniken bekannt. In Mesopotamien gab es Traumdeuter und Menschen, die
aus Eingeweiden lasen; das Orakel von Delphi war eine wichtige Institution der griechischen Welt. Heute finden apokalyptische Literatur und ihre Deutung unter den christlichen Rechten in den USA Sympathisanten. Dies hat laut Schmeh Tradition. Da in der
Johannes-Offenbarung von 1000 Jahren bis zur Befreiung des Satans die Rede ist, soll
bereits das Jahr 1000 unter Bibelgläubigen als kritisches Datum gegolten haben. In der
Renaissance dann fanden Wahrsager wie Nostradamus Gehör, die Prognosen über viele
Jahrhunderte erstellten und in Buchform gut verkauften.
Wie unterscheidet sich nun die Astrologie von anderen Prognose-Verfahren? Klaus
Schmeh nimmt sich in seinem Buch viel Zeit, die „Sternenkunde“, so die wörtliche
Übersetzung, zu erläutern. Er hält allerdings schon den Namen für falsch gewählt. Er
empfiehlt augenzwinkemd eine Umbenennung in „Bioastronanalytik“ oder „Astromantie“ – womit er sich schwerlich durchsetzen wird. Schmeh betont, dass es keine einheitliche astrologische Schule gibt. Manche Astrologen sagen konkrete Ereignisse
vorher (prognostische Astrologie). Andere sind auf allgemeine Deutungen spezialisiert,
wonach die Sternzeichen den Charakter einer Person beeinflussen, nicht aber die Zukunft.
Angesichts so vieler Ungereimtheiten empfiehlt sich ein Blick auf die Geschichte.
Dabei gilt es zunächst ein weit verbreitetes Vorurteil auszuräumen: Die Astrologie ist
keine Jahrtausende alte, kontinuierlich entwickelte Erfahrungslehre. Die Babylonier, die
früh mit der Sternenkunde in Zusammenhang gebracht werden, deuteten die Bewegung
der Sterne nicht im Zusammenhang mit Einzelschicksalen. Diese Entwicklung nahm die
Astrologie erst um etwa 500 v.Chr. unter Einfluss der Griechen. In Griechenland allerdings meldeten sich auch die ersten Kritiker zu Wort. Der Philosoph Karneades etwa
fragte, wie Tausende von Menschen in derselben Schlacht sterben können, obwohl sie
ein unterschiedliches Horoskop besitzen.
Im Christentum spielte die Astrologie nie eine große Rolle, wenngleich sie praktiziert
und geduldet wurde. Zu den Befürwortern zählten Thomas von Aquin und der Reformator Philipp Melanchthon. Dessen Weggefährte Luther war Astrologiegegner. Mit der Renaissance wurde die Sternenkunde dann wieder populär. Erst die Erkenntnisse der Ast-
ronomie sowie der Beginn der Aufklärung drängten sie erneut zurück.
Die Astrologie, wie wir sie heute kennen, ist ein Produkt des 20. Jahrhunderts und unterscheidet sich in einigen Punkten von früheren Formen, weshalb der Autor sie auch als
„Neoastrologie“ bezeichnet. Schmeh sieht die Ablehnung der prognostischen Schule in
Sterndeuterkreisen als Erfolg der Psychologie, die sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts als
Wissenschaft etablierte.
Gibt es physikalische Kräfte, die einen Einfluss der Sterne auf die Menschen erklären
können? Haben die Sternzeichen eine Entsprechung zur Wirkung der Jahreszeiten?
Schmeh verneint all dies. Immer dann, wenn naturwissenschaftliche Erklärungen
scheinbar versagten, müssten übernatürliche Erklärungen herhalten. Diese seien natürlich nicht zu widerlegen.
Eindeutig sind jedoch die regelmäßigen Fehlleistungen der Astrologen. In einem eigenen Kapitel betrachtet der Autor die Vorhersagen der letzten Jahre. Die GWUP sammelt
seit 1991 die Aussagen von Astrologen und Wahrsagern, seit 2002 unter der Ägide des
Mathematikers Michael Kunkel. Darüber hinaus widmet sich Schmeh „klassischen“
Wahrsagern wie Nostradamus und hinterfragt deren Wirken kritisch, aber fair.
Er geht ferner auf eine neuere, scheinbar wissenschaftliche Weissagetechnik ein, den
Bibel-Code von Michael Drosnin (siehe Skeptiker 3/06, S. 88-91). Der Amerikaner behauptet in seinem gleichnamigen Buch, im Originaltext der Bibel seien Botschaften
über vergangene und zukünftige Ereignisse kodiert. Die Methode hat jedoch einen Haken: Sie funktioniert auch bei anderen Texten. Wie der australische Mathematiker
Brendan McKay zeigte, kann man damit auch aus Herman Melvilles Roman Moby Dick
Worte und Sätze extrahieren, die scheinbar die Morde an Indira Gandhi und Martin
Luther King ankündigen. Diese Vorgehensweise eröffnet so viele Möglichkeiten, Namen und Ereignisse aus Schriftstücken herauszulesen, dass sie beliebige Ergebnisse
bringt. „Fest steht“, so Schmeh in seinem Buch, „dass Ereignisse der jüngeren Weltgeschichte nicht in der Bibel stehen – weder codiert noch im Klartext.“(S. 102)
Besser als Drosnin kommt bei Klaus Schmeh der Industriellenerbe Günther Sachs weg.
Dieser wollte in seinem Buch Die Akte Astrologie (1997) einen Zusammenhang zwischen Astrologie und menschlichem Verhalten belegen. Sachs hatte dazu Daten zu Geburtstermin und Berufswahl zusammengetragen. Bei der Auswahl von Datenmaterial
und Statistikmethoden wird Sachs eine grundsätzlich richtige Vorgehensweise bescheinigt. Erst bei der Auswertung passierten einige Fehler. So vermutete Sachs anhand der
Verkaufszahlen von Sternzeichen-Büchern eine Affinität von Skorpion-Geborenen zu
derartiger Literatur, weil von diesen Bänden stets mehr Exemplare verkauft werden als
beispielsweise von Büchern zum Sternzeichen Zwilling. Dass die im Sommer geborenen Zwillinge vielleicht andere Geschenke bekommen als die im Herbst geborenen
Skorpione, berücksichtigte er dabei nicht. Auch andere, kompliziertere Untersuchungen
in Die Akte Astrologie sind statistisch mangelhaft. Schmeh unterstellt Sachs jedoch
keine unredlichen Absichten, er glaubt nur, dass dieser sich „in den Tiefen der mathematischen Statistik verheddert hat, wie schon viele andere vor ihm.“ (S. 120).
Auch die Skeptikern hinlänglich bekannten, ebenfalls fehlerhaften Arbeiten von
Gauquelin finden Erwähnung. Schmeh listet noch eine Reihe weiterer Untersuchungen
auf, von denen die Peter Niehenkes zu den bekannteren zählen dürfte. Der Psychologe
und Astrologe forschte vergeblich nach einem Zusammenhang zwischen Wesensmerkmalen und Geburtshoroskop. Auch bei der Analyse dieser Studien bleibt Schmeh stets
distanziert und verzichtet auf Polemik. Er greift die Beteiligten nicht persönlich an, sondern verweist auf deren sachliche Fehler.
In einem eigenen Kapitel geht Schmeh auf Zuordnungstests mit Astrologen ein. Besonders erwähnenswert ist hier die Untersuchung des Amerikaners Shawn Carlson aus dem
Jahre 1985. Da-bei sollten Studenten über ein Persönlichkeitsinventar Beschreibungen
ihres Charakters abgeben. Gleichzeitig wurden ihnen von Astrologen Horoskope anhand
ihres Geburtszeitpunktes zugeordnet. Nun sollten die Probanden aus drei Horoskopen
ihr eigenes herausfin-den. Die Astrologen hingegen hatten die Aufgabe, aus drei
Persönlichkeitsbeschreibungen mit Hilfe des Geburtszeitpunktes die passende Person
auszuwählen. Beide Gruppen blieben mit ihren Treffern nur innerhalb der
Zufallserwartung – eine kräftige Blamage für die Astrologen. Bei späteren
Untersuchungen kam es stets zu ähnlichen Ergebnissen.
Zum Abschluss untersucht Schmeh die eklatanten Unterschiede der Astrologielehren
verschiedener Kulturen. Dieses Kapitel hätte durchaus noch ausführlicher gestaltet werden können, da es das Argument von „der“ Astrologie als Erfahrungswissenschaft widerlegt.
Mondglaube und Hellsehen finden noch kurz Erwähnung, ehe der Autor mit teils sehr
persönlichen Worten zu erklären versucht, warum der Glaube an Wahrsagerei und Astrologie so verbreitet ist. Er vermutet, dass die Dauerpräsenz der Astrologen in den Medien dazu beiträgt, dass die Menschen daran glauben.
Klaus Schmeh hat ein durchweg gut lesbares Buch geschrieben, das frei von Polemik
gegen die Anhänger der Astrologie ist. Stattdessen setzt er sich sachlich mit der Thematik auseinander, ohne langweilig zu werden. Aufgelockert wird das Ganze durch vom
Autor selbst erstellte, professionelle Karikaturen, die sich vom bemühten Witz vergleichbarer Illustrationen erfreulich abheben. Trotz des geringen Umfanges von nur 170
Seiten ist das Werk eine gelungene Analyse des Themas. Empfehlenswert!
Holger von Rybinski
Skeptiker 4/2006
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