Positionierung und zweiseitige Profilierung im Grosshandel – Ein

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Positionierung und zweiseitige Profilierung
im Grosshandel – Ein Konzept am Beispiel
des Pharmagrosshandels
DISSERTATION
der Universität St. Gallen,
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)
zur Erlangung der Würde einer
Doktorin der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Albena Ilieva Björck
aus
Bulgarien
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Thomas Rudolph
und
Prof. Dr. Christian Belz
Dissertation Nr. 3196
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden
Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung
zu nehmen.
St. Gallen, den 12. Juni 2006
Der Rektor
Prof. Ernst Mohr, PhD
Vorwort
Die Idee zur vorliegenden Dissertation entstand während meines Austauschsemesters
im Rahmen des Management-Ausbildungsprojektes Ost-West (MAPOW) und nahm
ihre Gestalt während meines Praktikums am Gottlieb-Duttweiler-Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement an.
Zunächst bedanke ich mich bei meinem Doktorvater Professor Dr. Thomas Rudolph
für die fachliche und methodologische Unterstützung in jeder Phase der Dissertation.
Sein hoher Qualitätsanspruch sowie der Kontakt zu den Kollegen des GottliebDuttweiler-Lehrstuhls haben mich zu neuen Ideen und zur ständigen Verbesserung der
Arbeit inspiriert. Ein grosser Dank gebührt auch Professor Dr. Christian Belz für die
Übernahme des Korreferates.
Ich danke herzlichst allen meinen Interview-Partnern, die mir zahlreiche Informationen aus der Praxis geliefert haben. Einen besonderen Dank möchte ich der Firma
Voigt AG in Romanshorn und speziell Herrn Fredy Gremlich, Leiter Verkauf, Frau
Gabriele Kleine, Leiterin Verkaufsinnendienst, Herrn Hans Gisler, Leiter Beschaffung
und Herrn Alfred Plammer, Projektleiter, für den wertvollen Einblick in ihren
Geschäftsalltag und für die Bereitschaft aussprechen, die Fallstudie in der
vorliegenden Form zu veröffentlichen.
Die Arbeit ist während meiner Tätigkeit in der Abteilung Corporate Identity der
Wegelin & Co. Privatbankiers entstanden. An dieser Stelle danke ich herzlich dem
geschäftsführenden Teilhaber und meinem Vorgesetzten Herrn Dr. Magne Orgland für
das entgegengebrachte Vertrauen und für die wertvollen organisatorischen Ratschläge,
welche meine Arbeitsweise weiterentwickelt haben. Mit seiner Flexibilität hat er die
notwendigen Rahmenbedingungen für das Gelingen meines Vorhabens geschaffen.
Ein grosses Dankeschön gebührt allen meinen Freunden, welche auch in schwierigen
Momenten für mich da waren und mir stets neue Energie gegeben haben. Ich denke an
Markus Guhn, Sabine Hugi, Tania Simao, Ana Maag, Rossitza Tzevtkova, Elitza
Braun, Robert Blaho, Sabine Bentz, Markus Schweizer, Tillmann Wagner. Besonderer
Dank gebührt Randy Drenth, welcher mich in der kritischen Phase meiner Arbeit mit
Rat und Tat unterstützt hat.
Vor allem möchte ich mich bei meinem Ehemann Johan Björck bedanken. Seine
Bereitschaft, mit mir über das Geschriebene stundenlang zu diskutieren, sein grosses
Know-how und seine unerschöpfliche Kreativität haben diese Arbeit erst ermöglicht.
Ich danke ihm für sein grosses Verständis und die vorbehaltlose Unterstützung schon
von dem Moment an, indem ich mich für das Promovieren entschieden habe.
Ganz besonders möchte ich schliesslich meinen Eltern danken, die mir immer zur
Seite standen. Trotz der grossen räumlichen Distanz haben sie es immer geschafft, mir
Rückhalt zu geben und Motivation zuzusprechen.
St. Gallen, im September 2006
Albena Björck
Meinen Eltern und Johan
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis.....................................................................VI
Tabellenverzeichnis........................................................................... X
1 Einführung ................................................................................. 12
1.1
Problemstellung..................................................................................... 12
1.1.1
Das Hauptproblem der zweiseitigen Profilierung.......................... 12
1.1.2
Die Marketingstrategie als kritischer Erfolgsfaktor....................... 15
1.1.3
Anpassungsbedarf in der allgemeinen Marketingliteratur............. 16
1.1.4
Die Problemstellung auf einen Blick ............................................. 22
1.2
Zielsetzung ............................................................................................ 23
1.3
Theoretische Einordnung und begriffliche Abgrenzung....................... 24
1.4
Forschungsmethodik ............................................................................. 28
1.4.1
Der qualitative Forschungsansatz .................................................. 28
1.4.2
Der qualitative Forschungsprozess ................................................ 29
1.4.3
Das Untersuchungsdesign.............................................................. 32
1.5
1.4.3.1
Phase 1: Fallstudie Pharmamarkt Schweiz (2000–2005) ....... 32
1.4.3.2
Phase 2: Fallbeispiele ............................................................. 33
1.4.3.3
Phase 3: Fallstudie Vorgehenskonzept................................... 34
Vorgehen und Gliederung ..................................................................... 35
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische
Chancen und Gefahren................................................................. 38
2.1
Theoretische Grundlagen ...................................................................... 39
2.1.1
Der Marketingkanal als Wertschöpfungskette............................... 39
2.1.2
Die Branchenanalyse − Begriff und Methodik .............................. 41
2.1.3
Treibende Kräfte der Veränderungsprozesse................................. 43
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der
Schweiz ..................................................................................................... 48
2.2.1
Das Medikament ............................................................................ 48
II
2.2.2
2.2.2.1
Abgrenzung des Pharmamarktes............................................ 49
2.2.2.2
Der Marketingkanal für rezeptpflichtige Medikamente......... 50
2.2.2.3
Der Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente................. 54
2.2.3
Dynamik im Marketingkanal und Trends...................................... 56
2.2.3.1
Ausgaben der privaten Haushalte........................................... 56
2.2.3.2
Entwicklung des Medikamentenmarkts ................................. 57
2.2.3.3
Entwicklung des Markts für rezeptpflichtige Medikamente.. 58
2.2.3.4
Entwicklung des Generika-Marktes ....................................... 59
2.2.3.5
Entwicklung des Markts für rezeptfreie Medikamente.......... 60
2.2.3.6
Zusammenfassung der Trends im Marketingkanal ................ 60
2.2.4
Branchenanalyse des Pharmagrosshandels der Schweiz............... 61
2.2.4.1
Hohe Markteintrittsbarrieren.................................................. 62
2.2.4.2
Hohe Rivalität unter den Pharmagrosshändlern..................... 63
2.2.4.3
Substitutionsdienstleistungen / Komplementäre
Dienstleistungen ..................................................................... 66
2.2.4.4
Dynamik in der Verhandlungsmacht der Abnehmer ............. 68
2.2.4.5
Verhandlungsmacht der Lieferanten ...................................... 70
2.2.4.6
Rolle des Staates..................................................................... 73
2.2.4.7
Wachsende Verhandlungsmacht der Endkonsumenten ......... 78
2.2.4.8
Zusammenfassung branchenspezifischer Trends................... 80
2.2.5
2.3
Der Marketingkanal für Medikamente .......................................... 49
Treibende Kräfte im Pharmagrosshandelsumfeld ......................... 81
Zusammenfassung des Kapitels ............................................................ 85
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels .........................88
3.1
Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur. 88
3.1.1
Einschaltung des Grosshandels ..................................................... 89
3.1.1.1
Baligh-Richartz-Effekt und der Transaktionskostenansatz.... 89
3.1.1.2
Theorie der Marketingkanäle ................................................. 93
3.1.2
Die Grosshandelsfunktionen.......................................................... 97
III
3.2
Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels.................................... 103
3.2.1
Zweiseitige oder zweistufige Wertschöpfungskette? .................. 103
3.2.2
Zweiseitige Wertschöpfungsbündel............................................. 104
3.2.2.1
Aufteilung der Marketingkanalaufgaben.............................. 105
3.2.2.2
Logistische Dienstleistungen................................................ 107
3.2.2.3
Marketingdienstleistungen ................................................... 109
3.2.2.4
Finanzdienstleistungen ......................................................... 113
3.2.3
3.3
Verknüpfungen innerhalb der Wertschöpfungskette ................... 114
3.2.3.1
Horizontale Verknüpfungen innerhalb eines
Wertschöpfungsbündels ....................................................... 116
3.2.3.2
Horizontale Verknüpfungen zwischen den
Wertschöpfungsbündeln ....................................................... 118
3.2.3.3
Vertikale Verknüpfungen ..................................................... 119
Zusammenfassung des Kapitels .......................................................... 121
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im
Grosshandel.................................................................................... 123
4.1
Die Entscheidung über Positionierung und Profilierung .................... 123
4.2
Theoretische Grundlagen .................................................................... 127
4.2.1
Generische Positionierungsstrategien .......................................... 127
4.2.2
Der Geschäftsmodellansatz.......................................................... 132
4.3
4.2.2.1
Positionierungsstrategie „Kostenführer“ .............................. 134
4.2.2.2
Positionierungsstrategie „Produktführer“............................. 139
4.2.2.3
Positionierungsstrategie „Problemlöser“.............................. 144
Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen
im Pharmagrosshandel ........................................................................ 151
4.3.1
Vorgehen...................................................................................... 151
4.3.2
Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im
Pharmagrosshandel der Schweiz.................................................. 152
4.3.2.1
Amedis-UE ........................................................................... 152
4.3.2.2
Galexis AG Pharmagrosshandel........................................... 156
IV
4.3.2.3
4.3.3
Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen führender
Pharmagrosshändler in Europa .................................................... 168
4.3.3.1
Phoenix Pharmahandel AG und Co. KG.............................. 168
4.3.3.2
GEHE Pharmahandel GmbH ............................................... 170
4.3.3.3
Alliance UniChem Grossbritannien ..................................... 173
4.3.3.4
Anzag AG............................................................................. 174
4.3.3.5
Noweda Apothekergenossenschaft ...................................... 176
4.3.3.6
Sanacorp Pharmahandel AG ................................................ 179
4.3.4
4.4
Zur Rose AG ........................................................................ 163
Zusammenfassende Betrachtung ................................................. 180
4.3.4.1
Der Kostenführer.................................................................. 180
4.3.4.2
Der Produktführer ................................................................ 182
4.3.4.3
Der Problemlöser.................................................................. 185
4.3.4.4
Dynamik der Geschäftsmodelle ........................................... 188
Neue strategische Chancen durch Prewholesale................................. 189
4.4.1
Der Begriff „Prewholesale“......................................................... 189
4.4.2
Positionierung und Profilierung im „Prewholesale“ ................... 191
4.4.2.1
Zweistufige Wertschöpfung im Prewholesale ..................... 191
4.4.2.2
Drei Prewholesale-Unternehmen im Vergleich ................... 193
4.4.3
4.5
Aufbau Erfolg versprechender Geschäftsmodelle
im Prewholesale ........................................................................... 195
Zusammenfassung des Kapitels .......................................................... 199
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung..................................202
5.1
Theoretische Grundlagen .................................................................... 202
5.2
Vorgehen der zweiseitigen Profilierung ............................................. 208
5.2.1
Zweiseitig Zielkunden definieren................................................ 209
5.2.2
Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen ................... 210
5.2.3
Rangfolge der Kundenbedürfnisse erstellen................................ 211
5.2.4
Profilierungspoteziale und Kostentreiber eruieren ...................... 213
V
5.2.5
Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen
auswählen ..................................................................................... 215
5.2.6
Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern.................... 215
5.2.7
Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw.
neu konfigurieren ......................................................................... 216
5.3
Fallstudie Voigt AG ............................................................................ 217
5.3.1
Ausgangssituation ........................................................................ 217
5.3.2
Vorgehen der zweiseitigen Profilierung ...................................... 218
5.3.2.1
Zweiseitig Zielkunden definieren......................................... 218
5.3.2.2
Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen............ 220
5.3.2.3
Rangfolge der Kundenbedürfnisse erstellen......................... 224
5.3.2.4
Profilierungspotenziale und Kostentreiber eruieren............. 229
5.3.2.5
Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen
wählen................................................................................... 236
5.3.2.6
Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern ............ 239
5.3.2.7
Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw. neu
konfigurieren ........................................................................ 241
5.3.3
5.4
Zusammenfassende Betrachtung ................................................. 242
Zusammenfassung des Kapitels .......................................................... 245
6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick....... 247
6.1
Zusammenfassende Gestaltungshinweise ........................................... 247
6.2
Ausblick............................................................................................... 252
6.2.1
Ausblick für die weitere Forschung............................................. 252
6.2.2
Ausblick für die Praxis................................................................. 253
Literaturverzeichnis ...................................................................... 254
Anhang............................................................................................ 269
VI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1:
Anpassungsbedarf in bestehenden Vorgehenskonzepten der
strategischen Marketingplanung .......................................... 18
Abbildung 1.2:
Literaturbeiträge zum Thema der Positionierung und
Profilierung im Grosshandel .................................................. 20
Abbildung 1.3:
Zielsetzung der Dissertation................................................... 23
Abbildung 1.4:
Stellung der Positionierung und Profilierung im strategischen
Marketing .............................................................................. 26
Abbildung 1.5:
Mögliche Prozessschritte beim Einsatz der FallstudienMethodik ................................................................................ 30
Abbildung 1.6:
Untersuchungsdesign in drei Phasen...................................... 32
Abbildung 1.7:
Vorgehen und Gliederung der Arbeit..................................... 36
Abbildung 2.1:
Der Marketingkanal als das offene Wertsystem des
Grosshandels .......................................................................... 40
Abbildung 2.2:
Das Modell der fünf Wettbewerbskräfte................................ 42
Abbildung 2.3:
Weiterentwicklung
des
Porter’schen
Modells
der
Branchenanalyse..................................................................... 43
Abbildung 2.4:
Wechselwirkung zwischen den treibenden Kräften............... 46
Abbildung 2.5:
Wertschöpfende Prozesse und beispielhafte Zuordnung der
Institutionen am Pharmamarkt der Schweiz ....................... 50
Abbildung 2.6:
Struktur
des
Marketingkanals
für
rezeptpflichtige
Medikamente.......................................................................... 51
Abbildung 2.7:
Struktur des Marketingkanals für rezeptfreie Medikamente.. 55
Abbildung 2.8:
Medikamentenmarkt Schweiz in Mio. CHF und Anzahl
verkaufter Packungen............................................................. 57
Abbildung 2.9:
Markt
für
rezeptpflichtige
und
kassenpflichtige
Medikamente.......................................................................... 58
Abbildung 2.10: Wachstum des Generikamarkts in der Schweiz in Mio. CHF59
Abbildung 2.11:
Markt rezeptfreier Medikamente nach Abgabekanälen in Mio.
CHF ....................................................................................... 60
VII
Abbildung 2.12:
Faktoren der Attraktivität der Pharmagrosshandelsbranche in
der Schweiz............................................................................ 62
Abbildung 2.13: Strategische Einsätze der Pharmagrosshändler...................... 66
Abbildung 2.14: Vergleich zwischen dem alten und dem neuen
Preisbildungsmodell für kassenpflichtige Medikamente ....... 75
Abbildung 2.15
Haupteinflussfaktoren,
treibende
Kräfte
und
branchenspezifische Trends ................................................... 81
Abbildung 3.1:
Reduktion der Kontakte zwischen Herstellern (H) und den
Abnehmern (A) dank der Einschaltung des Grosshandels
(GH)........................................................................................ 89
Abbildung 3.2:
Wertschöpfung der Grosshandelsunternehmen durch die
Ausführung der Marketingfunktionen.................................. 101
Abbildung 3.3:
Gegenseitig
abhängige
Erwartungen
(interdependent
expectations) der Hersteller und Einzelhändler an die
Grosshandelsleistung............................................................ 102
Abbildung 3.4:
Wertschöpfungsbündel „logistische Dienstleistungen“ ....... 107
Abbildung 3.5:
Wertschöpfungsbündel „Marketingdienstleistungen“.......... 110
Abbildung 3.6:
Wertschöpfungsbündel „Finanzdienstleistungen“ ............... 113
Abbildung 3.7:
Zweiseitige
Wertschöpfungskette
eines
Grosshandelsunternehmens und interne Verknüpfungen..... 115
Abbildung 3.8:
Acht Marketingflüsse sind für die Performance eines
Marketingkanals wichtig ...................................................... 116
Abbildung 3.9:
Verknüpfungen zwischen der Wertkette des Grosshändlers und
den Wertketten des Herstellers und des Einzelhändlers im
Rahmen des Produktflusses.................................................. 121
Abbildung 4.1:
Positionierung
und
zweiseitige
Profilierung
im
Grosshandel .......................................................................... 126
Abbildung 4.2:
Drei generische Strategietypen............................................. 127
Abbildung 4.3:
Marktcharakteristika, welche eine fokussierte Strategie
unterstützen........................................................................... 129
Abbildung 4.4:
Zweiseitige Profilierungsaktivitäten des Kostenführers im
Grosshandel .......................................................................... 139
VIII
Abbildung 4.5:
Zweiseitige Profilierungsaktivitäten des Produktführers im
Grosshandel .......................................................................... 144
Abbildung 4.6:
Zweistufige Profilierungsaktivitäten des Problemlösers im
Grosshandel .......................................................................... 150
Abbildung 4.7:
Struktur der Amedis-UE-Gruppe ......................................... 153
Abbildung 4.8:
Zweiseitige Profilierung von Amedis-UE Pharmagrosshandel
als Kostenführer ................................................................... 156
Abbildung 4.9:
Struktur der Galenica-Gruppe .............................................. 157
Abbildung 4.10:
Zweiseitige Profilierung von Galexis AG Pharmagrosshandel
als Produktführer ................................................................ 163
Abbildung 4.11: Struktur der „Zur Rose“-Gruppe.......................................... 164
Abbildung 4.12: Zeistufige Profilierung der Apotheke „Zur Rose“ als
Problemlöser mit Fokus Arzt............................................... 168
Abbildung 4.13: Zweiseitige Profilierung von Phoenix Pharmahandel als
Kostenführer ........................................................................ 170
Abbildung 4.14: Zweiseitige Profilierung der GEHE AG als Produktführer. 172
Abbildung 4.15:
Zweiseitige Profilierung von Alliance UniChem als
Produktführer ...................................................................... 174
Abbildung 4.16:
Profilierung der Anzag AG im Übergang vom Produktführer
zum Problemlöser ............................................................... 176
Abbildung 4.17:
Zweistufige
Profilierung
der
Noweda
eG
Apothekengenossenschaft als Problemlöser ....................... 178
Abbildung 4.18: Zweistufige Profilierung der Sanacorp AG als Problemlöser ...
.............................................................................................. 180
Abbildung 4.19:
Zweiseitige
Profilierung
des
Kostenführers
im
Pharmagrosshandel ............................................................. 182
Abbildung 4.20:
Zweiseitige
Profilierung
des
Produktführers
im
Pharmagrosshandel ............................................................. 185
Abbildung 4.21:
Zweistufige
Profilierung
des
Problemlösers
im
Pharmagrosshandel ............................................................. 187
Abbildung 4.22: Dynamik der Geschäftsmodelle........................................... 189
Abbildung 4.23: Zweistufige Wertschöpfung des Vorgrossisten ................... 191
IX
Abbildung 5.1:
Modell der Wertkette und drei Bündel der primären
wertschöpfenden Aktivitäten im Grosshandel ..................... 207
Abbildung 5.2:
Vorgehen der Profilierung im Grosshandel.......................... 208
Abbildung 5.3:
Beispiel für die Beziehung zwischen den Bedürfnissen und
den Wertaktivitäten............................................................... 213
Abbildung 5.4:
Organisationsstruktur Voigt AG........................................... 217
Abbildung 5.5:
Fachhandel und Weiterverkäufer als Kunden von Voigt AG ....
.............................................................................................. 219
Abbildung 5.6:
Berührungspunkte zwischen der Wertkette des Grosshändlers
und den Wertketten der vor- und nachgelagerten Kunden im
Bereich der logistischen Dienstleistungen............................ 221
Abbildung 5.7:
Berührungspunkte zwischen der Wertkette des Grosshändlers
und den Wertketten der vor- und nachgelagerten Abnehmer im
Bereich der Marketingdienstleistungen................................ 223
Abbildung 5.8:
Verknüpfungen zwischen den primären logistischen
Aktivitäten zugunsten der Pharmaindustrie und des
Fachhandels .......................................................................... 233
Abbildung 5.9:
Vergleich der Ist-Profilierung von Voigt und der SollProfilierung eines Problemlösers im Pharmagrosshandel .... 238
Abbildung 5.10: Positionierung der Voigt AG gegenüber der Konkurrenz ... 239
X
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1.1: Fallpopulation für die Analyse des Geschäftsfeldes Grosshandel. 34
Tabelle 1.2: Beispiele für die Analyse von Grosshändlern mit mehreren
Geschäftsfeldern............................................................................. 34
Tabelle 2.1:
Analyse des Grosshandelsumfeldes aus zwei Perspektiven ........ 38
Tabelle 2.2: Faktoren der Branchenentwicklung und der Veränderung des
Marketingkanals sowie ihre Gewichtung in Bezug auf die
Handelsentwicklung....................................................................... 45
Tabelle 2.3:
Abgabekategorien der Arzneimittel ............................................. 49
Tabelle 2.4:
Ranking der Top-10-Pharmaproduzenten weltweit ..................... 71
Tabelle 2.5: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der staatlichen
Regulierung und Deregulierung..................................................... 82
Tabelle 2.6: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der Veränderungen
im Konsumentenverhalten ............................................................. 83
Tabelle 2.7: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der neuen
Informations- und Kommuniktaionstechnologien ......................... 84
Tabelle 3.1:
Übersicht der Vorteilhaftigkeitskriterien ..................................... 92
Tabelle 3.2:
Faktoren der Nachfrage nach Grosshandelsfunktionen ............... 96
Tabelle 3.3: Überbrückungsdimensionen und Grosshandelsfunktionen nach
Seÿffert........................................................................................... 99
Tabelle 3.4:
Transpositorische Funktionen des Handels nach Sundhoff ....... 100
Tabelle 3.5
Komponenten der physischen Distribution ................................. 106
Tabelle 3.6:
Synoptische Zusammenstellung der Handelsaufgaben.............. 118
Tabelle 4.1:
Elemente der Geschäftsmodelle................................................. 134
Tabelle 4.2: Theoretische
Analyse
der
Profilierungsaktivitäten
des
Kostenführers ............................................................................... 137
Tabelle 4.3: Theoretische
Analyse
der
Profilierungsaktivitäten
des
Produktführers.............................................................................. 142
Tabelle 4.4: Theoretische
Analyse
der
Profilierungsaktivitäten
des
Problemlösers............................................................................... 148
Tabelle 4.5:
Übersicht der analysierten Fallbeispiele, Daten 2005................ 152
XI
Tabelle 4.6:
Beispielhaftes Dienstleistungskatalog eines Vorgrossisten ....... 192
Tabelle 4.7:
Drei Prewholesale-Geschäftsmodelle im Vergleich .................. 194
Tabelle 4.8: Mögliche materielle Verflechtungen zwischen Pharmagrosshandel
und Prewholesale.......................................................................... 197
Tabelle 5.1: Phasen und Schritte der strategischen Marketingplanung in der
Literatur ........................................................................................ 204
Tabelle 5.2: Ausgewählte strategische Fragestellungen mit Einsatz der
Wertkettenanalyse ........................................................................ 205
Tabelle 5.3:
Mögliche Bedürfnisse der Grosshandelskunden ........................ 212
Tabelle 5.4: Bedürfnisse der Herstellerkunden aus Sicht der Hersteller und der
Voigt AG ...................................................................................... 225
Tabelle 5.5: Bedürfnisse der Apotheken aus Sicht der Apotheken und der Voigt
AG ................................................................................................ 227
Tabelle 5.6:
Profilierungspotenziale gegenüber der Pharmaindustrie............ 230
Tabelle 5.7:
Profilierungspotenziale gegenüber dem Fachhandel.................. 232
Tabelle 5.8:
Beispiele für Standard Operating Procedures ............................ 235
Tabelle 5.9:
Profilierungspotenziale bei Voigt AG .................................. 237
Tabelle 5.10:
Basis- und Zusatzbedürfnisse der Grosshandelskunden ...... 243
1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.1.1 Das Hauptproblem der zweiseitigen Profilierung
Makroökonomische Trends und branchenspezifische treibende Kräfte führen
zum Umbruch bestehender Wertschöpfungsketten und Marktstrukturen. Die
Industrie und der Einzelhandel verändern ihre Angebots- und Nachfrageprofile
und fordern die traditionelle Überbrückungsrolle der Grosshandelsunternehmen
heraus. Die Dynamik im Umfeld erfordert eine beschleunigte Reaktion, um die
sich eröffnenden Wertschöpfungssteigerungspotenziale zu erschliessen.1 Die
Potenziale ergeben sich sowohl am Beschaffungsmarkt als auch am Absatzmarkt,
so dass die Grosshandelsunternehmen eine unverwechselbare Position zwischen
der Industrie und dem Einzelhandel definieren und kommunizieren müssen. Im
Rahmen dieser Transformationsprozesse werden die Grosshändler einem erheblichen strategischen Anpassungsdruck ausgesetzt:2 sie sehen sich verstärkt mit
der Herausforderung einer klaren Positionierung und einer zweiseitigen Profilierung konfrontiert. Einerseits können sich die Grosshändler wie die Einzelhändler z.B. gegenüber der Absatzseite profilieren und in einem zweiten Schritt
die Lieferanten bündeln. Andererseits ist der Aufbau einer Brückenposition
möglich, wobei die Profilierung gleichzeitig gegenüber den Lieferanten und den
Abnehmern stattfindet. Wenn jedoch Profilierungsmassnahmen getroffen
werden, welche die gewählte Positionierung nicht berücksichtigen, besteht die
Gefahr, das Unternehmensprofil zu schwächen und gar zu verlieren. Daraus
ergeben sich die Substituierbarkeit der Angebote und eine zunehmende
Umgehung. Anschliessend werden zurückgehende Handelsspannen betrachtet.
Diese Indikatoren werden in zahlreichen Grosshandelsbranchen festgestellt, unter
anderem auch im Pharmagrosshandel.
Das Hauptproblem der zweiseitigen Profilierung der Grosshandelsunternehmen
am Pharmamarkt wird durch Nebenprobleme begleitet, wie eine erhöhte Dynamik der Rahmenbedingungen, einen ruinösen Preiskampf auf der Grosshandels-
1
Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 24.
2
Vgl. Fuchs, 1999, S. 518.
1.1 Problemstellung
13
stufe sowie den einseitigen Managementfokus auf Aktivitäten zur Steigerung der
operativen Effizienz und auf Wachstums- und Diversifikationsstrategien.
Die Pharmagrosshändler und ihre Kunden sind mit dynamischen Veränderungen
in den Rahmenbedingungen konfrontiert. Drei treibende Kräfte führen dazu, dass
der Markt seit Jahren im Umbruch ist. Erstens ist es der technologische Fortschritt in der Medikamentenforschung, der die Produktion von hochwirksamen
Medikamenten erlaubt. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere das Internet, führen zu einer Vernetzung aller Teilnehmer
im Gesundheitswesen und zur erhöhten lokalen, aber auch zur grenzüberschreitenden Markttransparenz.3 Zweitens stellt die demografische Alterung der
Bevölkerung eine der grössten Herausforderungen der Gegenwart dar. Für alle
Teilnehmer im Gesundheitswesen bedeutet das eine wachsende Nachfrage nach
medizinischen und pharmazeutischen Leistungen, das Bedürfnis nach mehr und
sicheren Informationen und höhere Anforderungen an die Lieferbereitschaft und
-qualität. Drittens sind es die gesetzlichen Massnahmen zur Regulierung und
Deregulierung auf allen Wertschöpfungsstufen, welche das Gesundheitswesen zu
einem der am stärksten regulierten Sektoren der Wirtschaft machen.
Die Trends in der Pharmaindustrie bieten den Grosshändlern wachsende
Möglichkeiten, industrieeigene Prozesse zu integrieren und neue Kundengruppen
zu erschliessen. Die Pharmaproduzenten spezialisieren sich auf einige wenige
Forschungsbereiche und konzentrieren sich auf den Aufbau einer starken Marketingorganisation.4 Es besteht der Trend, alle anderen Aktivitäten wie Produktion
und Vertrieb an Drittunternehmen5 auszugliedern. Der gesellschaftliche Druck
zur Senkung der Gesundheitskosten bietet Anbietern von Nischenmedikamenten6
und Generika wachsende Möglichkeiten.7 In ihrer Vielzahl sind sie kleine und
mittlere Unternehmen mit einer hohen organisationellen Flexibilität, welche
3
Hohe Popularität geniessen Internetseiten und -portale mit Gesundheitsinformationen. Mit der gesetzlichen Deregulierung in der Medikamentenabgabe in benachbarten Ländern wie Deutschland wurden zahlreiche Online-Apotheken eröffnet. Dies führt zu direkten grenzüberschreitenden Preisvergleichen per Mausklick (vgl.
www.netdocotor.de, 10.02.04).
4
Die Marketingorganisation wird neben der Forschung und Entwicklung als der zweite zentrale Erfolgsfaktor der
Pharmaproduzenten betrachtet (vgl. Cabral, 2000, S. 2).
5
Beispielsweise Produktion, Darreichungsform und Logistik werden vermehrt an Organisationen unter Vertrag, unter
anderem auch an den Grosshandel, ausgegliedert (Reuters Business Insight, 1999).
6
Unter Nischenmedikamenten werden Medikamente verstanden, welche kein Blockbuster-Potenzial besitzen, wie
z.B. Vitamine und Mineralstoffe (vgl. Geschäftsbericht Galenica, 2003).
7
Aufgrund der steigenden Kosten im Gesundheitswesen ist die Gesundheit seit Jahren zum Gesellschaftsthema Nr. 1
in der Schweiz geworden (vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003). Die Substitution durch Generika und
Nachahmerprodukte an den Abgabestellen übt einen erheblichen Preisdruck auf die Produzenten von patentgeschützten Medikamenten aus und wird gesetzlich verankert. So wuchs der Generikamarkt in der Schweiz z.B. im
2002 um 15%, im ersten Halbjahr 2003 um mehr als 38% (vgl. Der Pharmamarkt 2002, www.interpharma.ch und
http://emagazine.credit-suisse.com, 12.10.2003).
14
1 Einführung
begrenzt oder keine eigene Forschung und Entwicklung betreiben. Um
wettbewerbsfähig zu bleiben, streben sie niedrige Kosten sowohl in der
Produktion als auch im Vertrieb an und stellen differenzierte Anforderungen an
die Grosshandelsleistung.
Am Absatzmarkt verändern sich die traditionellen Kundenstrukturen des Grosshandels. Aufgrund des starken finanziellen Drucks und der sinkenden Margen
nimmt die Anzahl der unabhängigen Apotheken und Drogerien stetig ab. Dieser
Trend begünstigt den Wachstum der Apotheken- und Drogeriegruppierungen.8
Gemeinsamer Einkauf, Schulung des Personals bis hin zu Planung und
Umsetzung von Marketingstrategien sind Hauptfunktionen der Verbundgruppenzentrale, welche auch gleichzeitig von den Pharmagrossisten angeboten werden.
Die selbstdispensierenden Ärzte übernehmen immer mehr Marktanteile von den
Apotheken bei der Abgabe der Medikamente und stellen ein attraktives Segment
für die Pharmagrossisten dar.9 Ihre Beschaffung erfolgt durch spezialisierte
Ärztelieferanten, welche durch den Aufbau eigener Logistikkapazitäten von
Grosshandelskunden zu Konkurrenten werden. Als alternative Vertriebswege für
Medikamente versuchen sich auch der Versandhandel, der Verkauf über das
Internet, der Lebensmittelhandel und diverse Wellness-Anbieter zu behaupten.
Die Erfahrungen aus Ländern wie den USA und Deutschland weisen auf ein
grosses Potenzial z.B. des Verkaufs über das Internet hin.10 In der Schweiz haben
diese Absatzwege aufgrund gesetzlicher Beschränkungen immer noch eher
begrenzte Erfolgsmöglichkeiten, aber andauernde Deregulierungsbemühungen
werden den Gesundheitsmarkt vor eine weitere Umbruchsituation stellen.
Trotz einem gestiegenen Medikamentenkonsum, immer höheren Preisniveaus
und wachsenden Umsätzen weist der Pharmagrosshandel seit Jahren ein langsameres Wachstum im Vergleich zur Pharmaindustrie und zum Fachhandel auf.11
Zum einen wird der Margendruck dem kostenorientierten Einkauf des Einzelhandels zugeschrieben, welcher den Kostendruck der Endkonsumenten und
seitens des Staates in vollem Umfang an die Grossisten weitergibt.12 Zum
Zweiten werden die logistischen Grundleistungen der Grosshändler immer mehr
als substituierbar betrachtet und stellen keine Quelle für dauerhafte Wettbewerbs8
Dieser Trend ist am stärksten in der Westschweiz zu verzeichnen (vgl. Experteninterview Hofer, 2002).
9
Die selbstdispensierenden Ärzte sind Ärzte mit einer eigenen Apotheke. Dieses Geschäftsmodell ist für die
Ostschweiz charakteristisch (vgl. Pharmamarkt Schweiz 2004).
10
Beispiele für Online-Apotheken werden im Kapitel 2 dieser Arbeit erwähnt.
11
Vgl. Grosshandelsumsätze und die Wertschöpfung der einzelnen Marktteilnehmer im Kapitel 2 dieser Arbeit.
12
Unter Fachhandel oder Abgabeorten werden Apotheken, Drogerien, selbstdispensierende Ärzte, Spitäler u.a.
verstanden (vgl. Der Pharmamarkt 2003, www.interpharma.ch).
1.1 Problemstellung
15
vorteile dar. Zum Dritten werden die Pharmagrossisten zunehmend durch die
Produzenten und den Fachhandel umgangen.13 Die Grosshändler sehen sich
gezwungen, auf den Preis zu fokussieren, und nur wenige streben nach
Differenzierung.
Wachstumspotenziale suchen die Grossisten vor allem durch Unternehmensakquisitionen im In- und Ausland14 und durch Eindringen in die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. Um den immer höher werdenden Investitionsbedarf zu verkraften, sind eine grosse Finanzkraft und somit eine bestimmte
Unternehmensgrösse notwendig. In den letzten zehn Jahren ist eine Konsolidierungswelle unter den Pharmagrossisten in der Schweiz zu verzeichnen.15
Europa- und weltweit ist auch der Trend zur vertikalen Integration zu
beobachten.16 Die Pharmagrossisten produzieren patentfreie Medikamente oder
Nischenprodukte und gründen eigene Apothekenketten. Dabei verlagert sich der
Fokus von der Grosshandelstätigkeit auf die Produktion und den Einzelhandel,
die eine höhere Gewinnmarge generieren. Das Interesse an der Grosshandelstätigkeit nimmt ab. Sie wird als die notwendige Gundlage für die ertragsträchtigeren Aktivitäten betrachtet.17
1.1.2 Die Marketingstrategie als kritischer Erfolgsfaktor
Die Theorie und empirische Untersuchungen zu Erfolgsfaktoren im Grosshandel18 zeigen einen anderen Weg auf, die Effektivität zu erhöhen: Nämlich den
Fokus auf die Marketingstrategie zu richten.19 So z.B. kann die Mehrheit der
festgestellten Erfolgsfaktoren nur im Rahmen einer durchdachten und fundierten
Positionierungsentscheidung wirksam werden.20 “The positioning decision is
often the crucial strategic decision for a company [...] because the position can be
central to customers’ perception and choice decisions [...].”21 “There is a positive
13
Vgl. Geschäftsbericht Phoenix AG 2002, Deutschland und Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003.
14
Übernahme von Amedis-UE durch Phoenix Pharmahandel GmbH.
15
Vgl. Branchenanalyse des Pharmagrosshandels der Schweiz im Kapitel 2 dieser Arbeit.
16
In den USA – AmerisourceBergen, in Europa – Alliance UniChem und CelesioGehe, in der Schweiz – die
Galenica-Gruppe.
17
ebenda.
18
Vgl. Lusch/Zizzo/Kenderine, 1993, zitiert in Kotler/Bliemel, 2001; Fein, 1993¸ Das/Tyagi, 1994; Stern et al., 1996;
Rudolph/Maag, 1999; Rovit/Sweeder/Buchanan, 2002.
19
Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 476f.
20
Rudolph/Busch (2002, S. 110ff.) bezeichnen die klare Positionierung als einen der zentralen Erfolgsfaktoren im
Grosshandel.
21
Aaker/Shansby, 1982, S. 56.
16
1 Einführung
relationship between company performance and well-formulated and clearly
defined positioning activities.”22
Trotz der grossen Bedeutung der Marketingstrategien im Grosshandel werden sie
oft zugunsten des operativen Geschäfts vernachlässigt. “In fact, wholesale firms
are, in general, much more preoccupied with logistics and credit and collection
functions than they are with market strategy.”23 Die Automatisierung und der
Einsatz der Informationstechnologie (IT) in der Logistik haben zu erheblichen
Effizienzsteigerungen beigetragen. Die IT-Lösungen werden schnell von allen
Grosshändlern implementiert und sind zum Branchenstandard geworden. Die
Kostensenkungspotenziale werden weitgehend ausgeschöpft. Somit stellt der
Wettbewerb auf der Stufe des Pharmagrosshandels einen Preiskampf dar und
dieser Trend wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen..24
Operative Effizienz bedeutet, die gleichen Aktivitäten besser als die Konkurrenz
auszuführen. Sie ist aber für den Erfolg des Unternehmens nicht allein massgebend. “A company can outperform rivals only if it can establish a difference
that it can preserve [...] Strategic positioning means performing different
activities from rivals’ or performing similar activities in different ways.”25 Um
die Wertschöpfung der Grosshandelsaktivitäten zu erhöhen, ist deshalb eine
strategische Planung auf der Branchenebene und auf der Ebene des einzelnen
Grosshändlers erforderlich26: “The wholesalers are not engaged in the necessary
strategic planning to enhance their performance of the marketing functions.
Increased emphasis on strategic planning at the industry, commodity line
association and individual wholesale distributor levels is required.”27
1.1.3 Anpassungsbedarf in der allgemeinen Marketingliteratur
Im Vergleich zur Industrie und sogar zum Einzelhandel ist die theoretische
Durchdringung der betriebswirtschaftlichen Probleme des Grosshandels als
mangelhaft einzustufen.28 Das/Tyagi (1994) stellen fest, dass “the literature does
not reveal any research aimed at systemizing the wholesaler’s decision
22
Porter, 1985.
23
Stern/El-Ansary, 1992, S. 127.
24
Vgl. Geschäftsbericht Galenica, 2002, 2003, 2004.
25
Porter, 1996, S. 62.
26
Vgl. Stern/El-Ansary, 1992, S. 127, Rosenbloom, 1987, S. 61.
27
Rosenbloom, 1987, S. 61.
28
In der Wissenschaft sind eine Reihe volkswirtschaftliche Studien über den Grosshandel zu finden, vgl.
Anderson/Betancourt, 1999, Asplund/Friberg, 1999, Van Dalen, 1992.
1.1 Problemstellung
17
process”.29 Müller-Hagedorn bestätigt, dass „trotz der wirtschaftlichen Bedeutung
des Grosshandels [...] die theoretische Auseinandersetzung mit Marketingaspekten dieses Wirtschaftszweiges nicht sehr umfangreich ist“.30 Dies kann zum
einen darauf zurückgeführt werden, dass die Grosshandelsproblematik durch eine
hohe Komplexität gekennzeichnet ist und sich nur durch eine interdisziplinäre
Betrachtung analysieren lässt. Zum anderen weisen die Erscheinungsformen des
Grosshandels eine sehr grosse Vielfalt auf, was eine sehr differenzierte und
situative Vorgehensweise erfordert. Die Lücken in Bezug auf Themen wie die
Positionierung und Profilierung können mit der Hilfe der allgemeinen
Marketingliteratur unter Berücksichtigung situativer Spezifika geschlossen
werden.
Die allgemeine Literatur zur Positionierung und Profilierung enthält mehrere
Vorschläge für mögliche Strategien und Vorgehensweisen zur Formulierung und
Umsetzung von Positionierungsstrategien.31 Vorgehenskonzepte basierend auf
der strategischen Marketingplanung finden sich in jedem Marketing-Nachschlagewerk. Die einzelnen Schritte werden entweder auf einem allgemeinen
Niveau definiert oder richten sich explizit an die Situation in der Industrie und im
Einzelhandel. In Hinsicht auf die spezifischen Merkmale und Probleme im
Grosshandel ist eine Anpassung dieser Konzepte erforderlich. Fünf Schritte
haben spezifische Ausprägungen im Grosshandel und erfordern eine nähere
Untersuchung (siehe Abbildung 1.1).
29
Vgl. Das/Tyagi, 1994, S. 4.
30
Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 475.
31
Eine Übersicht der relevanten Literaturbeiträge finden sich in den Kapiteln 4 und 5 dieser Arbeit.
18
1 Einführung
Schritte in einem allgemeinen
Vorgehenskonzept der
Marketingplanung
Schritte mit
Anpassungsbedarf
im Grosshandel
Vorgaben und
Rahmenbedingungen
1
Vorgaben und
Rahmenbedingungen
1
Unternehmensanalyse
2
Analyse der Überbrückungsfunktionen
2
Markt- und Konkurrenzanalyse
3
Branchenanalyse und
lokale Gegebenheiten
3
Zielmarkt/
Zielgruppen
4
Zielmarkt/-gruppen:
Industrie und Einzelhandel
4
Alternative Positionierung/strat. Ziele
5
Mehrdimensionale
Strategien
5
Marketing-Mix/
Profilierung
6
Zweiseitige Profilierung
6
Infrastruktur
7
Infrastruktur
7
Realisierung
8
Realisierung
8
Kontrolle
9
Kontrolle
9
Abbildung 1.1: Anpassungsbedarf in bestehenden Vorgehenskonzepten der
strategischen Marketingplanung
Quelle:
eigene Darstellung
Die Grosshändler sind ständig in Gefahr, „als Kaufmann zwischen Kaufleuten“
oder „Kaufmann zwischen Herstellern“32 umgangen zu werden. Deshalb sind die
Markt- und die Branchenanalyse ständig zu betreiben und im Unternehmen zu
institutionalisieren (Schritt 2).33 Die Kernkompetenzen des Grosshandels liegen
in der Überbrückung der Unterschiede zwischen dem Nachfrageprofil des
Einzelhandels und dem Angebotsprofil der Industrie.34 Die zweiseitige Ausrichtung an diese zeitlichen, räumlichen, mengenmässigen und qualitätsmässigen
Unterschiede und somit die Gestaltung der Grosshandelsfunktionen stehen im
Zentrum der Unternehmensanalyse (Schritt 3). Die Grosshandelstätigkeit als
32
Vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 1164.
33
Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 24.
34
ebenda.
1.1 Problemstellung
19
Intermediär richtet sich an zwei voneinander abhängige Segmente der Industrie
und des Einzelhandels35, deren Selektion untereinander zu koordinieren ist. Kein
anderer Wirtschaftszweig ist mit so differenzierten Bedürfnissen und Anforderungen konfrontiert wie der Grosshandel (Schritt 4).36 Im Gegensatz zum Grosshandel wenden sich der Hersteller und der Einzelhändler an klar definierte und in
ihren Bedürfnissen voneinander unabhängige Segmente von Endkonsumenten,
wobei nur ihr Nachfrageprofil als Ausgangspunkt der Positionierungsentscheidung dient. Diese Tatsache schlägt sich in den verfolgten Positionierungsstrategien nieder (Schritt 5). Für den Grosshandel heisst es, gleichzeitig Absatzmarketing für den Hersteller und Beschaffungsmarketing für den Detailhandel zu
betreiben37, was zu einer zweiseitigen Profilierung führt (Schritt 6).
Trotz der hohen Relevanz dieses Themas haben sich nur einige wenige Autoren
explizit mit der Positionierung und Profilierung von Grosshandelsunternehmen
oder mit Teilaspekten dieses Themenbereichs beschäftigt. Die Beiträge
orientieren sich an den vorstehenden Schritten 5 und 6 und lassen sich in zwei
Gruppen aufteilen: Die erste Gruppe beschäftigt sich mit der Frage, welche
Positionierungsstrategien und Marketing-Mix-Entscheidungen möglich sind, und
die zweite, wie bei der Positionierung vorzugehen ist (siehe Abbildung 1.2).
Müller-Hagedorn (2001) beschreibt vier Betriebsformen, in denen bestimmte
Profilierungsansätze zu finden seien: Sortimenter, logistischer Dienstleister,
Anarbeiter und Systemführer.38 Diese Positionierungsstrategien sind nicht
branchenbezogen, sondern basieren auf den allgemeinen Grosshandelsfunktionen. Neben Hinweisen betreffend die absatz- und beschaffungspolitischen
Instrumente, die Segmentierung der Kunden und die Chancen bei horizontalen
und vertikalen Kooperationen stellt er im Fazit fest, dass die Positionierung und
Profilierung der Grosshändler die Bedürfnisse sowohl der Abnehmer als auch der
Lieferanten im Auge behalten sollten.
Im Rahmen einer qualitativen empirischen Studie der Grosshändlerstrategien in
den USA stellen Rovit/Sweeder/Buchanan (2002) fest, dass der Erfolg in einer
Grosshandelsbranche äusserst schwierig zu erreichen ist. Um Erfolg zu haben,
sind die Unternehmen gezwungen, “simultaneously multiple facets of strategy”39
zu verfolgen. Eine Strategie basierend nur auf Kosten oder Kundenservice macht
35
Vgl. Das/Tyagi, 1994, S. 5.
36
Vgl. Fuchs, 1999, S. 518.
37
Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 492.
38
Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 476ff.
39
Rovit/Sweeder/Buchanan, 2002, S. 33.
20
1 Einführung
noch nicht wettbewerbsfähig. Die Autoren isolieren drei Dimensionen, aus deren
Kombination sich Erfolg versprechende strategische Alternativen ableiten lassen:
relativer Marktanteil, effiziente Abläufe und Marge. Diese Alternativen stellen
eine Mischung aus Unternehmens- und Wettbewerbsstrategien dar und geben nur
einige wenige Hinweise zur Positionierung und Profilierung.
Welche Positionierungsstrategien können
betrachtet werden?
Müller-Hagedorn, 2001
Rudolph/Busch, 2002
Rovit/Sweeder/Buchanan, 2002
Positionierung und
Profilierung im Grosshandel
Wie gehe ich bei der
Positionierung vor?
Hochuli, 1994
Das/Tyagi, 1994
Rudolph/Maag, 1999
Müller-Hagedorn, 2000a
Tietz, 2002
Abbildung 1.2: Literaturbeiträge zum Thema der Positionierung und
Profilierung im Grosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
Nach Rudolph/Busch (2002) hängt der Erfolg eines Grosshändlers vom
Verfolgen einer klaren Nutzenstrategie ab: Kostenführerschaft, Produktführerschaft und Problemlösung.40 Am Beispiel des Internet-Einsatzes im Grosshandel
werden generell zweiseitige Profilierungsmöglichkeiten jeder Nutzenstrategie
aufgezeigt.
Das/Tyagi (1994) analysieren den Entscheidungsprozess der Grosshandelsunternehmen im Allgemeinen. Sie stellen eine Verlagerung der Grosshandelsrolle vom Distributor zum Dienstleister fest. Um Dienstleistungsstrategien für
Hersteller und Einzelhändler zu entwickeln und zu implementieren, definieren
die Autoren drei Hauptelemente im Entscheidungsprozess: “... selecting
products, markets and services, matching manufacturers and retailers with
appropriate service packages and designing a logistic system that provides the
40
Vgl. Rudolph/Busch, 2002, S. 110ff.
1.1 Problemstellung
21
best trade-off between service and cost.”41 Die Abhängigkeit zwischen den
Hersteller- und den Einzelhandelssegmenten sowie die Notwendigkeit, sie
gleichzeitig im Entscheidungsprozess einzubeziehen, werden betont. “Success in
wholesaling depends on how these interdependent selections (manufacturers and
retailers) are matched, and appropriate service packages developed.”42
Konzeptionelle und praxisrelevante Hinweise für die Positionierung und
Profilierung der Grosshändler in Zeiten des Wandels geben Rudolph/Maag
(1999). Sie schlagen eine Neuausrichtung der Grosshandelstätigkeit vor, indem
sie vier Leitideen formulieren.43 Die Grosshändler sollten sich auf ihre
traditionellen Stärken konzentrieren (1), Differenzen zwischen der Nachfrage
und dem Angebot überbrücken (2) und entlang der Wertschöpfungskette nach
Potenzialen (3) suchen. Die Autoren betonen die Notwendigkeit, ein proaktives
Grosshandelsmanagement zu betreiben und die zukünftigen Entwicklungen
frühzeitig zu antizipieren. Als vierter Schritt ist die Positionierung festzulegen
und das Profil zu stärken (4).
Müller-Hagedorn (2000) definiert vier Aspekte eines strategischen Konzeptes der
Positionierung im Grosshandel:44 Der richtige Service für die richtigen Kunden,
Verbesserungspotenziale durch vertikale Kooperation, horizontale Kooperation
als Alternative zum Grossunternehmen, Profilierung durch einen klaren
Wettbewerbsvorteil. Um einen Wettbewerbsvorteil zu haben, muss das Unternehmen sämtliche wertschöpfende Aktivitäten auf die Erbringung eines
überlegenen Kundennutzens ausrichten. „Ein Wettbewerbsvorteil kann dann z.B.
in der Sortimentsbildung, in der logistischen Leistungsfähigkeit oder in der
Systemführerschaft für das Handwerk oder den Einzelhandel liegen. Dem Erhalt
und Ausbau dieses Wettbewerbsvorteils sollte die ganze Aufmerksamkeit des
Grosshändlers gewidmet sein.“45
Eine branchenspezifische Betrachtung des Vorgehens bei einer Positionierung
liefert Hochuli (1994). Am Beispiel des Produktionsverbindungshandels mit
Ersatzstoffen entwickelt er eine fünfstufige Heuristik zur Angebotspositionierung.46 Der Autor stellt fest, dass bei der Positionierung im Grosshandel
spezielle Ansätze verwendet werden sollten. Zum Beispiel schlägt er eine zwei41
Vgl. Das/Tyagi, 1994, S. 5–6.
42
ebenda.
43
Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 24ff.
44
Vgl. Müller-Hagedorn, 2000, S. 6.
45
Müller-Hagedorn, 2000, S. 7.
46
Vgl. Hochuli, 1994, S. 215.
22
1 Einführung
stufige Positionierung vor: jene der Unternehmung und jene des angebotenen
Produktes. In der Arbeit wird Positionierung einseitig auf dem Absatzmarkt
betrachtet und das dem Grosshändler zur Verfügung stehende Marketinginstrumentarium nur angedeutet.
Einen wichtigen Teilaspekt der Positionierung und Profilierung behandelt Tietz
(2002) in seiner Arbeit über Kundenbindung im Grosshandel. Anhand mehrerer
empirischer Studien identifiziert er eine Vielzahl Instrumente, Möglichkeiten und
Grundsätze der Kundenbindung und -integration.47 Wie diese situativ in die
Marketingplanung eines Grosshändlers einfliessen, wird nicht behandelt.
1.1.4 Die Problemstellung auf einen Blick
Die Positionierung und die zweiseitige Profilierung sind eine grosse Herausforderung für die Grosshandelsunternehmen vor dem Hintergrund dynamischer
Rahmenbedingungen.
Die Positionierung und die Profilierung sind kritische Erfolgsfaktoren für die
Grosshandelsunternehmen. Sie finden aber zu wenig Einsatz und Akzeptanz in
der Grosshandelspraxis.
Die allgemeine Marketingliteratur enthält eine Vielzahl von Konzepten zur
Formulierung und Umsetzung von Positionierungs- und Profilierungsstrategien.
Es besteht aber ein erheblicher Anpassungsbedarf an die Besonderheiten im
Grosshandel. Dieser bezieht sich auf die Analyse der Branche und der lokalen
Gegebenheiten, auf die Zweiseitigkeit der Überbrückungsfunktionen, auf die
Zielgruppen in der Industrie und im Einzelhandel, auf die mehrdimensionalen
Positionierungsstrategien und auf die zweiseitigen Profilierungsmassnahmen.
In den wenigen der Positionierung und Profilierung im Grosshandel gewidmeten
Literaturbeiträgen wird das spezifische Merkmal – die zweiseitige Ausrichtung
gegenüber dem Einzelhandel und der Industrie – nur angedeutet, aber nicht
weiterentwickelt. Die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzeptes ist
erforderlich.
Diese Arbeit stellt sich die Aufgabe, einen Beitrag zur Schliessung dieser
theoretischen Lücke und zur Lösung der damit verbundenen Praxisprobleme zu
leisten.
47
Vgl. Tietz W., 2002. Auf die Vielfalt der Kundenbindungsinstrumente im Grosshandel wird in dieser Arbeit nicht
eingegangen.
1.2 Zielsetzung
23
1.2 Zielsetzung
Entsprechend der in der Problemstellung angesprochenen Problembereiche ist
das Hauptziel dieser Dissertation, ein Konzept der Positionierung und zweiseitigen Profilierung im Grosshandel zu entwickeln. Um das Hauptziel zu
erreichen, werden folgende vier Subziele gesetzt (siehe Abbildung 1.3):
1. Die Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld, für diese Arbeit im
Pharmamarkt der Schweiz, als Voraussetzungen für die Entwicklung von
Positionierungs- und Profilierungsstrategien, sind zu analysieren.
2. Die Besonderheiten der Wertschöpfung des Grosshandels, insbesondere deren
Zweiseitigkeit, sind theoretisch herauszuarbeiten.
3. Strategische Positionierungsoptionen und ihre Umsetzung durch zweiseitige
Profilierungsmassnahmen sind aufzuzeigen und anhand von Beispielen zu
beschreiben.
4. Ein Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung ist auszuarbeiten.
Hauptziel:
Konzept der Positionierung und der zweiseitigen
Profilierung im Grosshandel
Subziel 1:
Analyse der Veränderungsprozesse im
Grosshandelsumfeld
Subziel 2:
Zweiseitige Wertschöpfung im Grosshandel
Subziel 3:
Positionierung und zweiseitige Profilierung
Subziel 4:
Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung
Abbildung 1.3:
Zielsetzung der Dissertation
Quelle:
eigene Darstellung
Das erste Subziel beschreibt die Komplexität der Veränderungsprozesse im
Pharmagrosshandelsumfeld. Die Betrachtung umfasst die Marketingkanal- und
Branchenstrukturen, wobei die Konkurrenzverhältnisse und Wechselbeziehungen
24
1 Einführung
unter den Marktteilnehmern im Zentrum stehen. Treibende Kräfte der
Veränderung werden aus der vertieften Strukturanalyse eruiert und Chancen und
Gefahren aus Sicht der Grosshändler identifiziert. Insbesondere die gesetzlichen
Massnahmen zur Regulierung und Deregulierung und die Entwicklungen in den
Nachbarländern der Schweiz geben Hinweise für zukünftige Strukturveränderungen.
Die zentrale Besonderheit des Grosshandels liegt in der Zweiseitigkeit seiner
Wertschöpfung. Die Arbeit zielt auf eine Sammlung der theoretischen Hinweise
und auf deren konzeptionelle Strukturierung. Die Entstehung des Mehrwerts im
Grosshandel und die Kernkompetenzen werden erläutert.
Die zweiseitige Wertschöpfung bedingt auch eine zweiseitige Betrachtung der
Positionierung und insbesondere der Profilierung. Bestehende allgemeine
Konzepte der Positionierung und Profilierung bieten ein Analyseraster. Das dritte
Subziel beschäftigt sich mit Beschreibung der Ausprägungen einzelner strategischer Optionen und zweiseitiger Profilierungamassnahmen im Pharmagrosshandel.
Anschliessend wird ein Vorgehensmodell als Orientierungsraster bei der Suche
nach neuen attraktiven Marktpositionen und bei der Stärkung der bestehenden
Marktpositionen entwickelt. Das Ziel besteht darin, die Entscheidungen und
kritischen Fragen bei einer Positionierungs- und Profilierungsentscheidung im
Grosshandel aufzuzeigen.
1.3 Theoretische Einordnung und begriffliche Abgrenzung
Strategisches Marketing und der nachhaltige Wettbewerbsvorteil
Die Positionierung und Profilierung im Grosshandel hat einen interdisziplinären
Charakter. Die Grosshandelstheorie wird mit dem strategischen Marketingmanagement, der Theorie der Marketingkanäle, dem Beziehungsmarketing, Businessto-Business-Marketing, Change Management, der Industrieökonomie etc.
verbunden. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf den wettbewerbsorientierten Forschungsansätzen und insbesondere auf dem strategischen Marketingmanagement.
In den 60er Jahren liegt der Fokus auf der Marketingplanung und in den 70er
Jahren auf den strategischen Geschäftseinheiten und der Portfoliologik zur
Allokation der unternehmenseigenen Ressourcen. Seit Anfang der 80er Jahre
sprechen Day/Wensley (1983) von einem Paradigmawechsel in der Marketing-
1.3 Theoretische Einordnung und begriffliche Abgrenzung
25
literatur.48 Der dauerhafte Wettbewerbsvorteil (sustainable competitive
advantage) rückt in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses, was zu
einem Revival des strategischen Marketings führt. Das strategische Marketing
beschäftigt sich mit “[...] securing and sustaining a competitive advantage within
the markets served by individual business units”.49 Zwei relevante Forschungsrichtungen versprechen dabei einen wissenschaftlichen Fortschritt: research on
the outcomes und research on the process.50 Die Forschung der „Ergebnisse“
(research on the outcomes) behandelt die Typen von Wettbewerbsvorteilen als
Quelle des Unternehmenserfolgs. Die Forschung des „Prozesses“ (research on
the process) konzentriert sich auf den Entscheidungsprozess im Unternehmen,
z.B. welche Entscheidungen und wie sie getroffen werden. Die zwei Forschungsrichtungen bauen auf einer grundlegenden Kenntnis der Markt- und Branchenevolution auf. So wird das Thema der Positionierung und Profilierung aus zwei
Gesichtspunkten betrachtet – als strategische Optionen und als Schritte in einem
Entscheidungsprozess. Beide Perspektiven werden in der vorliegenden Arbeit
aufgegriffen.
Die Rolle der Positionierung und Profilierung im strategischen Marketing wird
von Varadarajan/Jayachandran (1999) beschrieben (siehe Abbildung 1.4).
Je nach Entscheidungsniveau im Unternehmen sind die strategischen Fragen auf
Unternehmens- (4A) und Geschäftsfeldebene (4B) und die Implikationen für den
Einsatz des Marketing-Mix (4C) festzulegen. Die Positionierung und die Profilierung befinden sich entsprechend auf der Ebene der Geschäftsfeld- und der
Marketingstrategie. Sie werden durch externe Kräfte aus der makroökonomischen (1) und branchenspezifischen Umwelt (2) sowie durch die unternehmenseigenen Ressourcen (3) beeinflusst.
48
Vgl. Day/Wensley, 1983, S. 82.
49
Day/Wensley, 1983, S. 80.
50
Vgl. Day/Wensley, 1983, S. 87.
26
1 Einführung
Makroökonomische
Umwelt (1)
Unternehmensstrategie (4A)
Positionierung
(4B)
BranchenUmwelt (2)
Wettbewerbsvorteile
SGE* „I“ (5)
Marktperformance
SGE „I“* (6)
Finanzielle
Performance
SGE „I“ (7)
Profilierung
(4C)
Unternehmensumwelt und
-ressourcen (3)
Abbildung 1.4: Stellung der Positionierung und Profilierung im strategischen
Marketing
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Varadarajan/Jayachandran,
1999, S. 122
Der Einfluss der Branchenstruktur auf die Positionierung (2 −> 4B) wird durch
das Fünf-Kräfte-Modell beschrieben.51 Die Basis für eine langfristige überdurchschnittliche Performance ist der dauerhafte Wettbewerbsvorteil (4B −> 5 −> 6).
Die Wettbewerbs-(Positions-)Vorteile resultieren aus der Wahl der Geschäftsaktivitäten und aus der Art und Weise, wie sie ausgeführt werden (4B −> 5).52 Die
Positionierung gibt die Richtung für die Profilierungsmassnahmen vor, d.h. wie
der Wettbewerbsvorteil aufzubauen und zu erhalten ist (4C −> 5). Ob das
Unternehmen zu einem niedrigeren Preis oder qualitativ besser als die Konkurrenz die erfolgreichen Marktpositionen erhalten kann, entscheiden seine
Fähigkeiten, diese vorteilhaften Positionen zu gewinnen und zu verteidigen (3 −>
4B + 4C). “The positioning perspective recognizes that for resources to be
leveraged for economic benefit, it requires their application on the market
place.”53 Unternehmen haben auch höhere Profite, wenn sie bessere Ressourcen
51
Vgl. Porter, 1980, 1999 und Abschnitt. 2.1.2 dieser Arbeit.
52
Vgl. Porter, 1985, 2000.
53
Hooley/Broderick/Möller, 1998, S. 98.
1.3 Theoretische Einordnung und begriffliche Abgrenzung
27
besitzen und/oder diese Ressourcen besser als ihre Konkurrenten zu nutzen
wissen (3 −> 4B + 4C −> 5 −> 6 −> 7).
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss des
Grosshandelsumfeldes auf die strategischen Optionen (1 + 2 −> 4B). Dabei
werden auch die spezifischen Ressourcen und Kompetenzen analysiert (3 −> 4B
+ 4C). Im Weiteren werden die Positionierungsstrategien und die möglichen
Profilierungsinstrumente dargestellt, welche einen Wettbewerbsvorteil
versprechen (4B + 4C −> 5). Zu den Zielen der Arbeit gehört nicht die
Identifikation von besonders erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Unternehmen, sondern die Aufdeckung der Besonderheiten der Positionierung, Profilierung und des Wettbewerbsvorteils im Grosshandel. Unternehmensstrategien
(4A) werden nur am Rande diskutiert, und zwar in Verbindung mit den
Positionierungsoptionen (4A −> 4B).
Jede Strategie hat drei Aspekte: Strategieinhalt (“strategy content”), Strategieformulierung (“strategy formulation”) und Strategieumsetzung (“strategy
implementation”).54 Aus Sicht einer Positionierungsstrategie bedeutet der
Strategieinhalt die Wahl einer generischen Strategie, z.B. Kostenführerschaft
oder Differenzierung.55 Die Strategieformulierung beinhaltet die Aktivitäten zur
Festlegung des Strategieinhaltes und ist mit dem Einsatz von Techniken wie
Branchen- und Wettbewerbsanalysen verbunden. Die Strategieumsetzung bezieht
sich auf erforderliche Massnahmen auf der organisationellen Ebene (z.B.
Anpassung der Organisationsstruktur, Festlegung von Koordinations- und
Kontrollmechanismen).
Der theoretische Beitrag dieser Arbeit beschäftigt sich vor allem mit dem
Strategieinhalt und der Strategieformulierung und am Rande mit der Strategieumsetzung in einem klar abgegrenzten situativen Umfeld – in der Pharmagrosshandelsbranche. Die Strategieumsetzung weist keine wesentlichen situativen
Merkmale des Grosshandels im Vergleich zu anderen Branchen auf, sondern
folgt den allgemeinen Grundsätzen des Change Managements.56 So kann die
Arbeit zur Forschungsrichtung der strategischen Marketingplanung gezählt
werden. In diesem Rahmen zielt die Arbeit darauf ab, das Verständnis der Marktund Wettbewerbsevolution zu verbessern sowie die Forschung der Art und Weise
zu ermöglichen, wie die Unternehmen diese Positionen finden und besetzen.57
54
Vgl. Varadarajan/Jayachandran, 1999, S. 121.
55
Vgl. Montgomery et al., 1989 für kritische Fragestellungen bei der Forschung des Strategieinhaltes.
56
Vgl. Experteninterview Zeller, 2003.
57
Vgl. Varadarajan/Jayachandran, 1999, S. 137.
28
1 Einführung
Begriffliche Abgrenzung des Grosshandels
In dieser Arbeit werden als Grosshandelsbetriebe alle Institutionen bezeichnet,
die ausschliesslich oder überwiegend funktionellen Grosshandel im eigenen
Namen und auf eigene Rechnung betreiben, wobei sie ihre geschäftspolitischen
Entscheidungen autonom treffen.58 Die Grosshandelstätigkeit muss mehr als 50%
der erwirtschafteten Wertschöpfung beitragen.
Diese Definition entspricht dem Begriff der “merchant wholesalers”, der in der
englischsprachigen Literatur verwendet wird. Sie sind “independently owned
firms that purchase goods from suppliers for their own account, operate one or
more warehouses in which they receive and take title to goods, store them, and
later reship them.”59
1.4 Forschungsmethodik
1.4.1 Der qualitative Forschungsansatz
Die im Abschnitt 1.2 definierten Ziele der Dissertation drücken den deskriptiven
und theoriebildenden Charakter dieser Dissertation aus. Im Fokus steht die
Beschreibung eines wenig erforschten Phänomens der Positionierung und der
zweiseitigen Profilierung im Grosshandel vor dem Hintergrund dynamischer
Rahmenbedingungen aus zwei Perspektiven. Die erste Perspektive behandelt den
Begriff der zweiseitigen Profilierung und die Identifizierung und Klassifizierung
von Positionierungs- und Profilierungsoptionen. Die zweite Perspektive bezieht
sich auf das Vorgehen, wie der Grosshändler vorteilhafte Positionen am Markt
finden und nachhaltig besetzen kann. “Until a phenomenon has been described, it
cannot be adequately classified nor can operational measures be defined [...]
Studies towards the description end of the continuum might be associated
frequently with theory building [...] theory building is more connected to the
tasks of description, classification and comparison [...].”60 Das in dieser Arbeit
entwickelte Konzept ist in anderen Grosshandelsbranchen zu testen und bietet
Grundlagen für die Entwicklung von Messkriterien für die zukünftige
quantitative Forschung an.
Die Arbeit geht von einem gegenwärtigen Praxisproblem aus, das im Rahmen
seines realen Kontextes untersucht wird. Einerseits sind die Positionierung und
58
Weitere Charakteristika des Grosshandels werden in den Kapiteln 2 und 3 erläutert.
59
Vgl. Stern et al., 1996, S. 107f.
60
Bonoma, 1985, S. 201.
1.4 Forschungsmethodik
29
die Profilierung Themen, bei denen das Unternehmen in einen Bezug zu seiner
Umwelt, Konkurrenten und Kunden, gestellt wird. Andererseits sind Marketingsituationen im Bereich Business-to-Business (B2B) wie im Grosshandel sehr
komplex und lassen sich nicht auf einige wenige Variablen reduzieren. “B2B
firms live with complexity, ambiguity, chaos, uncertainty, fuzzy boundaries and
continuous change in both technology and the marketplace.”61
Wertvolle Hinweise und Unterstützung für die gewählte Methode bietet Porter
(1991) in seinem Konzept der Theoriebildung durch Fallstudien.62 Demgemäss
fassen theoretische Konzepte (frameworks) alle relevanten Variablen zusammen
und dadurch wird versucht, die Komplexität der Wettbewerbssituation zu
erfassen. “The theory embodied in frameworks is contained in the choice of
included variables, the way variables are organized, the interactions among the
variables, and the way in which alternative patterns of variables and company
choices affect outcomes.”63 Die “frameworks” helfen dem Analysten innerhalb
oder ausserhalb eines Unternehmens, ein Problem besser zu strukturieren, indem
er das Unternehmen und seine Umwelt besser verstehen kann und verschiedene
Alternativen definieren und auswählen kann, unabhängig von der Startposition.
Porter (1991) empfiehlt für die Theoriebildung die Durchführung von vertieften
Fallstudien. Nur so können relevante Variablen identifiziert werden, die
Beziehung zwischen ihnen analysiert werden, und gleichzeitig wird der situative
Charakter einzelner Unternehmen und ihrer Managemententscheidungen
berücksichtigt.64 “Academic journals have traditionally not accepted or
encouraged the deep examination of case studies, but the nature of strategy
requires it.”65
1.4.2 Der qualitative Forschungsprozess
In der vorliegenden Dissertation werden drei Hauptelemente der qualitativen
Forschung kombiniert eingesetzt66: Fallstudien, induktive Forschung (grounded
theory) und Marketinganthropologie. Die Fallstudienforschung hat die führende
Rolle inne. Durch einzelne oder mehrere Fallbeispiele und -studien werden reale
soziale Phänomene beschrieben, welche zur Theoriebildung oder Theorievali-
61
Gummesson, 2003, S. 483.
62
Vgl. Porter, 1991.
63
Porter, 1991, S. 98.
64
Vgl. Porter, 1991, S. 99.
65
ebenda.
66
Vgl. Gummesson, 2005, S. 322f.
30
1 Einführung
dierung eingesetzt werden. Bei der induktiven Forschung werden neue Phänomene identifiziert und Konzepte entwickelt ohne Rücksicht auf bestehende
Theorien, sondern nur aufgrund der beobachtbaren Realität.67 Die Daten im
Bereich der Marketinganthropologie werden bei Interviews, persönlichen Kontakten und teilnehmender Beobachtung gesammelt. Der Einsatz der qualitativen
Forschungsmethodik in der Form von Fallstudien und -beispielen erfolgt in fünf
Schritten (siehe Abbildung 1.5).
DESIGN
LITERATURE
OVERVIEW
CONDUCT
ANALYSE
Definition of
research designs
Case study
protocol
Choose strategy
for analysis
Select single vs.
multiple cases
Pilot case study
Modes of analysis
Number of cases
Pilot interviews
Additional modes
of analysis
Number of
interviews
Sources of evidence
and data collection
Interview questions
Interview protocols
WRITE A CASE
STUDY REPORT
Abbildung 1.5: Mögliche Prozessschritte beim Einsatz der FallstudienMethodik
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Yin, 1994, Eisenhardt,
1989, Perry, 1998, Gummesson, 2005
Wichtige Merkmale des Forschungsprozesses sind:
– Bei den Fallbeispielen und -studien hängt die Qualität der Ergebnisse vom
theoretischen Vorverständnis ab, wie theoretischen Konstrukten, Modellen und Annahmen (propositions). “The process benefits from prior
development of theoretical propositions to guide data collection and
analysis.”68 Gleichzeitig sollten die theoretischen Konzepte die Offenheit
und Flexibilität des Forschers nicht hemmen, um neue Phänomene zu
entdecken und zu formulieren;
67
Die Methodik der induktiven Forschung wird zum grössten Teil mit den Arbeiten von Glaser/Strauss verbunden.
Vgl. Strauss/Corbin, 1998, S. 9.
68
Yin, 1994, S. 13.
1.4 Forschungsmethodik
31
–
Offenheit, Flexibilität und Iterativität69 charakterisieren den Prozess in
jedem Schritt. Dies drückt sich nicht nur im variablen Einsatz unterschiedlicher Forschungsmethoden aus, sondern auch in der Möglichkeit, jederzeit
den Rahmen der Untersuchung zu erweitern bzw. einzuengen. “Qualitative
research is characterised by data collection, analysis and interpretation in
part taking place simultaneously [...] .”70 Der Forscher ist in einem
ständigen Kontakt mit dem Untersuchungsobjekt und passt dementsprechend den weiteren Verlauf der Forschung an. Oder wie Eisenhardt
(1989) bemerkt: “Is it legitimate to alter and even add data collection
methods during a study? For theory-building research, the answer is ‘yes’,
because investigators are trying to understand each case individually and in
as much depth as is feasible.”71
–
Da der Prozess mit grossem zeitlichem und finanziellem Aufwand
verbunden ist, bedarf er einer guten Planung.72
–
Die Gütekriterien für den qualitativen Forschungsprozess unterscheiden
sich von den Gütekriterien, welche in der quantitativen Forschung angewendet werden. Traditionelle Kriterien wie Signifikanz, Generalisierbarkeit, Konsistenz, Reproduzierbarkeit, Präzision sowie Verifikation sollten
an die Realität in der qualitativen Forschung und die Komplexität der
sozialen Phänomene angepasst werden.73 Gummesson definiert acht Gütekriterien für die Fallstudienforschung, welche auch in der vorliegenden
Arbeit angestrebt werden:74
–
Der Forschungsprozess sollte verfolgbar sein und der Leser sollte seine
eigenen Schlussfolgerungen ziehen können.
–
Der Forscher sollte sein Vorverständnis theoretischer Konzepte und die
Wahl seiner Paradigma vorstellen.
–
Die Forschung sollte glaubwürdig sein.
–
Der Forscher sollte einen angemessenen und geeigneten Zugang zum
Erkenntnisobjekt haben.
69
Vgl. Tomczak, 1992, S. 83f.
70
Gummesson, 2005, S. 312.
71
Eisenhardt, 1989, S. 539.
72
Vgl. Bonoma, 1985, S. 206.
73
Vgl. Strauss/Corbin, 1998, S. 266f.
74
Vgl. Gummesson, 2000, S. 186f.
32
1 Einführung
–
Eine Beurteilung der Generalisierbarkeit und Validität der Forschung sollte
vorhanden sein.
–
Der Forscher sollte einen Beitrag zum Erkenntnisfortschritt leisten.
–
Der Forschungsprozess sollte dynamisch sein.
1.4.3 Das Untersuchungsdesign
Abbildung 1.6 veranschaulicht das Untersuchungsdesign und die eingesetzten
Methoden in drei Phasen:
Phase 1
Untersuchungsobjekt
Phase 2
Phase 3
Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld:
Branchenanalyse
und Analyse des
Marketingkanals
Besonderheiten der Wertschöpfung im
Grosshandel im Spiegel der Literatur
Fallstudie mit
Dokumentenanalyse
Experteninterviews
3 ausführliche Fallbeispiele und
6 kurze Fallbeispiele mit
Dokumentenanalyse und Experteninterviews
Fallstudie mit
Dokumentenanalyse
und Experteninterviews
Untersuchungsmethodik
Qualitative
Auswertung
Qualitative Auswertung
Qualitative
Auswertung
Darlegung der
Befunde
Kapitel 2
Kapitel 3 und 4
Kapitel 5
Methoden
Ableitung von Positionierungs- und
Profilierungsoptionen am Beispiel von
Pharmagrosshandelsunternehmen
Vorgehenskonzept
der zweiseitigen
Profilierung am
Beispiel eines
Pharmagrosshändlers
Abbildung 1.6: Untersuchungsdesign in drei Phasen
Quelle:
eigene Darstellung
1.4.3.1 Phase 1: Fallstudie Pharmamarkt Schweiz (2000–2005)
Im Rahmen der Einzelfallstudie werden die Strukturen und die Teilnehmer am
Pharmamarkt in der Schweiz beschrieben. D.h. Subeinheiten wie Pharmahersteller, Apotheken, Drogerien, selbstdispensierende Ärzte, Online-Apotheken
etc. und Subthemen wie gesetzliche Regulierung in der Schweiz und in der EU
werden analysiert und in einem zweiten Schritt nach einem theoretischen Raster
zusammengefügt. So handelt es sich mehr um eine “embedded single case study”
als um eine holistische Fallstudie.75 Die Fallstudie dient gleichzeitig als Pilotfallstudie für die folgenden Fallbeispiele und Fallstudien. Sie hat eine erste
75
Das so genannte “embedded case study design” betrifft die Analyse von komplexen Strukturen mit zahlreichen
Subeinheiten. Im Vergleich dazu behandelt das holistische Fallstudiendesign einzelne Konzepte oder
Organisationen (vgl. Yin, 1994, S. 42).
1.4 Forschungsmethodik
33
Analyse der strategischen Positionierung der Pharmagrosshändler erlaubt und die
Möglichkeiten für eine weitere Zusammenarbeit wurden geprüft.
Durch umfassenden Desk Research werden Informationen über die Marktentwicklung sowie über die Marktteilnehmer dargestellt. Marktanalysen, Trends in
der Gegenwart und Zukunft sind die Themen von Experteninterviews mit
Grosshandelsunternehmern. Triangulation wird erreicht durch Interviews zu
diesem Thema mit Vertretern von Fachverbänden wie Apotheker-, Pharmagrossisten- und Herstellerverbänden.
1.4.3.2 Phase 2: Fallbeispiele
Die Positionierungsoptionen und die zweiseitigen Profilierungsmassnahmen
werden mit der Hilfe von “Multiple Case Studies” mit holistischem Charakter
dargestellt. Im ersten Schritt werden Pharmagrosshandelsunternehmen aus der
Schweiz, aus Deutschland und Grossbritannien mittels des Rasters zur Identifizierung von Geschäftsmodellen nach Treacy/Wiersema (1995) analysiert und die
Fallpopulationen gebildet. Dabei werden zahlreiche Datenquellen verwendet:
Internetseiten, Geschäftsberichte und andere Finanzberichte, Analyseberichte
von Dritten (Beratungsunternehmen, Verbände etc.), andere Unternehmensunterlagen etc. Der Fokus wird auf die zweiseitige Ausrichtung der Wertkette der
einzelnen Grosshändler gesetzt sowie auf die Konsequenzen für die Positionierungsstrategie und für die Profilierungsmassnahmen. Im zweiten Schritt werden
geschlossene Fragen von den Pharmagrosshändlern beantwortet, um die
strukturierten Ausprägungen pro Geschäftsmodell zu bestätigen.
Die Selektion der Fallbeispiele und somit die Auswahl der Interviewpartner
basieren auf der Desk-Research-Analyse. Zunächst werden die Positionierung
und die zweiseitige Profilierung des Geschäftsfelds Grosshandel analysiert. In
der Tabelle 1.1 wird die Population von Unternehmen veranschaulicht, aus der
die Fallbeispiele gewählt werden. Dazu zählen alle Pharmagrosshändler in der
Schweiz sowie die führenden Pharmagrosshändler in Deutschland und England,
welche gleichzeitig zu den führenden und erfolgreichsten Grosshandelsunternehmen in Europa gehören.
34
1 Einführung
Problemlöser
Produktführer
Galexis AG (Galenica) CH Zur Rose CH
(Apotheke „Zur Rose“)
GEHE Celesio D
Voigt AG CH
Alliance UniChem GB
Sanacorp AG D
Anzag AG D
Noweda D
Kostenführer
Amedis-UE CH
Phoenix AG D
Tabelle 1.1:
Fallpopulation für die Analyse des Geschäftsfeldes Grosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
Anschliessend wird die Beziehung zwischen dem Geschäftsfeld “Prewholesale”
(Dienstleistungen für die Hersteller) und dem Geschäftsfeld Grosshandel näher
untersucht. Die Positionierung und die Profilierung in beiden Geschäftsfeldern
werden verglichen und die Chancen und Gefahren bei Übereinstimmung und
Unterschieden werden analysiert. Die Schlussfolgerungen werden mit Beispielen
aus der Praxis illustriert. Mögliche Beispiele bieten die Unternehmen in der
Tabelle 1.2.
Produktführer im
Geschäftsfeld
Grosshandel
Galenica (Produktion,
Prewholesale, Retail,
Services, International)
GEHE (Prewholesale,
Retail, Services,
International)
Alliance UniChem
(Prewholesale, Retail,
International)
Problemlöser im
Geschäftsfeld
Grosshandel
Voigt AG (Prewholesale)
Kostenführer im
Geschäftsfeld
Grosshandel
Amedis-UE
(Prewholesale im
Aufbau, Retail)
Phoenix (Prewholesale)
Tabelle 1.2:
Beispiele für die Analyse von Grosshändlern mit mehreren
Geschäftsfeldern
Quelle:
eigene Darstellung
1.4.3.3 Phase 3: Fallstudie Vorgehenskonzept
In der Phase 3 des Forschungsprozesses werden zwei Einzelfallstudien
durchgeführt. Es handelt sich dabei um den so genannten “revelatory case”, wo
der Forscher die Möglichkeit bekommt, Phänomene und Zusammenhänge zu
1.5 Vorgehen und Gliederung
35
beobachten und zu analysieren, welche schwierig zugänglich sind.76 Das
theoretisch abgeleitete Vorgehenskonzept wird am Beispiel eines Pharmagrosshändlers, der Voigt AG, angewendet. Basierend auf Unternehmensunterlagen
wird ein ausführliches Porträt des Unternehmens dargestellt. Um die Zweiseitigkeit auf der strategischen und auf der taktischen Ebene zu untersuchen, werden
Interviews mit den Leitern Verkauf und Einkauf durchgeführt.
1.5 Vorgehen und Gliederung
Die insgesamt sechs Kapitel dieser Arbeit sollen zur Erreichung der definierten
Zielsetzung beitragen (siehe Abbildung 1.7).
Nach der Einführung im Kapitel 1 werden im Kapitel 2 die Veränderungsprozesse im Umfeld des Pharmagrosshandels analysiert. Einerseits beeinflussen
die Brancheneffekte nach McGahan/Porter (1997) die Profitabilität der Grosshandelsunternehmen mehr als in jeder anderen Branche. Andererseits ist die
Analyse der Marktsituation und -evolution die Voraussetzung für die
Marketingforschung mit Fokus auf die Positionierungsentscheidungen. Basierend
auf den Arbeiten von Porter (1980, 1999), aber auch auf der MarketingChannels-Theorie, wird ein Raster zur Analyse der Grosshandelsbranche und des
Marketingkanals aus Sicht des Grosshändlers entwickelt.
Im Kapitel 3 wird die zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels behandelt.
Im ersten Unterkapitel 3.1 werden die Theorien der Einschaltung der Grosshandelsbetriebe vorgestellt. Dann wird die Wertschöpfung unter die Lupe
genommen. Die Zweiseitigkeit wird anhand von drei theoretisch abgeleiteten
Bündeln aus wertschöpfenden Aktivitäten gegenüber dem Hersteller und Einzelhändler beschrieben – logistische Dienstleistungen, Marketingdienstleistungen,
Finanzdienstleistungen. Verknüpfungen innerhalb der Wertkette und auch zu den
Wertketten der benachbarten Wirtschaftsstufen werden analysiert.
76
Vgl. Yin, 1994, S. 41.
36
1 Einführung
Kapitel-Nr. 1
Einleitung: Problemstellung, Zielsetzung,
theoretische Einordnung, Forschungsmethodik, Vorgehen und Gliederung
Kapitel-Nr. 2
Veränderungsprozesse im Umfeld
des Pharmagrosshandels in der Schweiz
(Fallstudie)
Kapitel-Nr. 3
Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
(theoretische Analyse)
Kapitel-Nr. 4
Positionierungsstrategien und zweiseitige
Profilierungsmassnahmen am Beispiel des
Pharmagrosshandels (Fallbeispiele)
Kapitel-Nr. 5
Vorgehenskonzept der zweiseitigen
Profilierung am Beispiel des
Pharmagrosshandels (Fallstudie)
Kapitel-Nr. 6
Zusammenfassung und
Ausblick für Forschung und Praxis
Abbildung 1.7: Vorgehen und Gliederung der Arbeit
Quelle:
eigene Darstellung
Im Kapitel 4 werden die Begriffe der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel abgeleitet. Die Basisthese ist, dass sich die festgestellte
Zweiseitigkeit der Wertschöpfungskette des Grosshändlers auf seine Positionierung und insbesondere seine Profilierung auswirkt. Demzufolge haben die
zweiseitigen Dienstleistungsbündel Ausprägungen je nach der verfolgten
Positionierungsstrategie. Als Strukturierungsraster wird der Geschäftsmodellansatz nach Treacy/Wiersema (1995) und nach Rudolph (2000) eingesetzt.77 Im
Rahmen von detaillierten Fallbeispielen werden Geschäftsmodelle im Schweizer
Pharmagrosshandel vorgestellt. Angesichts der Dynamik der Rahmenbedingungen und der Europäisierung vervollständigen kurze Fallbeispiele aus dem
europäischen Pharmagrosshandel das Bild der Positionierungsstrategien.
Anschliessend wird das Geschäftsfeld „Prewholesale“ und seine Auswirkungen
auf die zweiseitige Profilierung im Geschäftsmodell Grosshandel diskutiert.
77
Die Analyse erfolgreicher Geschäftsmodelle im Einzelhandel von Rudolph, 2000 wird berücksichtigt.
1.5 Vorgehen und Gliederung
37
Im Kapitel 5 werden die Erkenntnisse aus der qualitativen Forschung aus den
Kapiteln 2, 3 und 4 im Rahmen von einem Vorgehenskonzept der zweiseitigen
Profilierung angewendet. Nach einem theoretischen Raster wird eine
ausführliche Fallstudie mit einem Pharmagrosshändler durchgeführt. Erste
Erkenntnisse über das Vorgehen der Positionierung und Profilierung im
Pharmnagrosshandel werden festgehalten.
Die Zusammenfassung und der Ausblick für weitere Forschung und für die
Praxis erfolgen im Kapitel 6.
38
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld –
strategische Chancen und Gefahren
Im Fokus des zweiten Kapitels steht die Analyse des Grosshandelsumfeldes, der
stattfindenden Veränderungsprozesse und der sich abzeichnenden Trends. Die
hier analysierten externen Faktoren dienen als Basis für die Bewertung Erfolg
versprechender Positionierungs- und Profilierungsoptionen auf der Ebene des
einzelnen Unternehmens. Das Grosshandelsumfeld wird aus zwei Perspektiven
analysiert, die unterschiedliche Einblicke in die Strukturen und Wechselbeziehungen gewähren (Tabelle 2.1). Die Marketingkanalperspektive betrachtet
die Rolle der Grosshandelsunternehmen im Rahmen der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette, des Marketingkanals. Die Branchenperspektive
behandelt die Wettbewerbsstruktur der Grosshandelsbranche und ihre
Determinanten.
Ziele
Erste Perspektive: Analyse
des Marketingkanals als
unternehmensübergreifende
Wertschöpfungskette
Zweite Perspektive:
Analyse der
Pharmagrosshandelsbranche
− Kenntnis der Unternehmensaktivitäten aller Mitglieder der
Wertschöpfungskette und der
Koordinationspotenziale;
− Entwicklung von wettbewerbsfähigen Wertschöpfungsketten
und neue strategische Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit
Lieferanten und Abnehmern zum
Ziel einer optimalen
Endkundenorientierung.
− Attraktivität der Grosshandelsbranche durch Analyse
der Wettbewerbskräfte: Verhandlungsstärke der Lieferanten und Abnehmer, Gefahr
des Markteintritts und der
Substitution, Einfluss des
Staates;
− Brancheneigene Chancen
und Gefahren analysieren zur
effektiven Entwicklung von
Positionierungsstrategien.
Theoretische Siehe Abschnitt 2.1
Grundlagen
und Methodik
Siehe Abschnitt 2.2
Tabelle 2.1:
Analyse des Grosshandelsumfeldes aus zwei Perspektiven
Quelle:
eigene Darstellung
2.1 Theoretische Grundlagen
39
Für eine detaillierte Aufstellung und Analyse der Chancen und Risiken aus Sicht
des Grosshändlers wird das Modell zur Analyse von Trendveränderungen von
Rudolph (1999) eingesetzt (siehe Punkt 2.3).
Im Rahmen einer explorativen Fallstudie werden die theoretischen Modelle auf
dem Pharmamarkt der Schweiz angewendet. Der Aufbau lässt sich in drei
Abschnitte aufteilen. Der erste Abschnitt betrachtet die unternehmensüberreifende Wertschöpfungskette am Pharmamarkt und schliesst auf Hauptrends im
Pharmamarkt. Im zweiten Abschnitt wird die Pharmagrosshandelsbranche
analysiert und branchenspezifische Trendausprägungen werden abgeleitet. Im
dritten Abschnitt werden die strategischen Chancen und die Risiken für die
Pharmagrosshändler zusammengestellt.
2.1 Theoretische Grundlagen
2.1.1 Der Marketingkanal als Wertschöpfungskette
Jedes Grosshandelsunternehmen stellt einen Teil einer unternehmensüberreifenden Wertschöpfungskette, eines Marketingkanals, dar. Nach Stern
et al. (1996) ist der Marketingkanal “a set of interdependent organizations
involved in the process of making a product or service available for use or
consumption”78 oder mit anderen Worten “an orchestrated network that creates
value for the user or consumer through the generation of form, possession, time,
and place utilities”79. Als System interdependenter Institutionen transformiert der
Marketingkanal Inputs aus anderen Systemen in bestimmte Service Outputs.
Zwei Subsysteme bilden das Gefüge des Marketingkanals: der Handelssektor
(Produzenten, Grosshändler und Einzelhändler) und der Konsumentensektor
(Endkonsumenten und Industriebenutzer).
Bei der Entwicklung von Marketingstrategien gewinnt eine erweiterte Sicht auf
den Marketingkanal immer mehr an Bedeutung. So legt Porter (1985) fest: “A
channel value chain is formed by the linkages between the value chains of
channel members called vertical linkages. These linkages provide opportunities
for competitive advantage […]”80. Er weist darauf hin, dass die Quellen für
Wettbewerbsvorteile nicht nur in der internen Wertschöpfungskette der
Marketingkanalmitglieder, sondern auch in der Gestaltung der vertikalen
78
Stern et al., 1996, S. 1.
79
ebenda.
80
Vgl. Porter, 1985, S. 33−53.
40
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Beziehungen zu vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen liegen.81 Der
Marketingkanal ist das Wertsystem, in dem die Wertkette der Grosshandelsunternehmen eingebettet ist.82 Der Marketingkanal bzw. das Wertsystem des Grosshandels funktionieren in einer dynamischen Umwelt (siehe Abbildung 2.1).83
Wirtschaft
Umwelt im Land A
Physische
Geographie
Distributionsstruktur
Wertsystem des Grosshandelsunternehmens
Distributionskanal
Wertkette
des Herstellers
Handelssektor
Konsumentensektor
Grosshandel
Soziale Struktur
Technologie
Hersteller
Wertkette
des Grosshandels
Einzelhandel
Wertkette des
Einzelhandels/
der Industrie
Konsument
Wertkette des
Konsumenten
Kanalstrukturen im Wettbewerb
Kultur
Politisch-rechtlich
Abbildung 2.1: Der Marketingkanal als das offene Wertsystem des
Grosshandels
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Stern et al., 1996, S. 17,
Porter, 2000, S. 64
“The evolution of channel systems is an ongoing adaptation of organizations to
economic and sociopolitical forces both within the channel and in the external
environment”.84 Diese treibenden Kräfte sind wirtschaftlicher, sozio-kultureller,
81
Eine Analyse der Verknüpfungen zwischen der Wertkette des Grosshandelsunternehmens und jenen seiner
Lieferanten und Abnehmer wird im Kapitel 3 dieser Arbeit vorgenommen.
82
Vgl. Porter, 2000, S. 63f.
83
Vgl. Stern/Reve, 1980, S. 52−64.
84
Morris/Sirgy, 1985, S. 336−338, zitiert in Stern et al., 1996, S. 18.
2.1 Theoretische Grundlagen
41
politisch-rechtlicher und technologischer Natur. Der Marketingkanal wird auch
durch die lokalen, nationalen oder internationalen Gegebenheiten beeinflusst.
Die Analyse des Marketingkanals als unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette berücksichtigt die Wertketten der einzelnen Marktteilnehmer,
die Verknüpfungen zwischen ihnen und erfolgt in drei Schritten.85 In einem
ersten Schritt wird die Struktur des Marketingkanals dargestellt und werden die
Unternehmen identifiziert, welche auf jeder Stufe tätig sind. Jedes Mitglied des
Marketingkanals führt bestimmte Funktionen im Rahmen seiner eigenen Wertschöpfungskette aus und schafft unmittelbaren Mehrwert für die nächste
Wertschöpfungsstufe. In der unternehmenseigenen Wertschöpfungskette erfolgt
dies durch das Zusammenspiel primärer und unterstützender Aktivitäten sowie
durch die Verknüpfungen zu Lieferanten und Abnehmern.86 Im zweiten Schritt
werden die Aufgaben beschrieben, welche die Unternehmen auf jeder Wertschöpfungsstufe ausführen. In einem dritten Schritt werden die Marketingflüsse
analysiert, deren Kontrolle und Zugänglichkeit von den Marktteilnehmern
angestrebt werden. Die Aktivitäten entlang dem Marketingkanal sind zahlreich
und sehr komplex. Sie lassen sich durch das Konzept der Marketingflüsse
(“Marketing Flows”) strukturieren.87
2.1.2 Die Branchenanalyse − Begriff und Methodik
Die Branche, wo ein Unternehmen konkurriert, ist der Kern seines
Unternehmensumfeldes.88 Nach McGahan/Porter (1997) beeinflussen die
Brancheneffekte die Profitabilität des Grosshandels mehr als die jeder anderen
Branche.89 Die gute Kenntnis der Branchenstruktur und -dynamik ist deshalb für
den Grosshandel entscheidend, um die Chancen und Risiken durch externe
Kräfte zu verstehen und entsprechende Managementmassnahmen für die
Positionierung und Profilierung zu bestimmen.
Die Analyse der Branchenstruktur schliesst die Identifizierung der Determinanten der Branchenstruktur und die Analyse der treibenden Kräfte für die
85
Vgl. Burns et al., 2002, S. 17 (The Wharton School Study on the Health Care Value Chain).
86
Vgl. Porter, 2000, S. 77f., das Konzept der Wertschöpfungskette wird in den Kapiteln 3 und 5 erläutert und ist
einer der grundlegenden Bestandteile des Konzeptes, vorgestellt in dieser Arbeit.
87
Vgl. Stern/El-Ansary, 1992, S. 12, adaptiert von Vaile/Grether/Cox, 1952, S. 113, in der deutschsprachigen
Literatur bekannt als Leistungsströme (vgl. Algermissen, 1981).
88
Vgl. Porter, 1999, S. 33.
89
McGahan/Porter, 1997, S. 16, auf Basis repräsentativer Daten aus Compustat Business Segment Reports in der
Periode 1981−1994 stellen sie fest, dass die Brancheneffekte mehr als 40% der Varianz in der Grosshandelsbranche erklären unabhängig der Phasen der Konjunkturzyklen.
42
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Branchenentwicklung ein, um anschliessend die möglichen Wettbewerbsstrategien zur Abwehr gegenüber den Wettbewerbskräften abzuleiten. Porter
(1978, 1980) definiert fünf Kräfte, welche die Wettbewerbsintensität und die
Branchenrentabilität bestimmen: Rivalität unter den bestehenden Unternehmen
einer Branche, Gefahr des Markteintritts, Gefahr durch Ersatzprodukte (Substituten), Verhandlungsstärke der Abnehmer und Verhandlungsstärke der Lieferanten.90 Die Faktoren, welche die Wirkung der einzelnen Kräfte beeinflussen,
sind in der Abbildung 2.2 veranschaulicht.
Einflussfaktoren:
– Eintrittsbarrieren
– Erwartete Vergeltung
– Kritischer Eintrittspreis
– Austrittsbarrieren
2
Einflussfaktoren:
– Anzahl der Wettbewerber
– Branchenwachstum
– Fixkosten
– Differenzierung der Produkte/ Umstellungskosten
– Kapazitätserweiterung
– Heterogene bzw. homogene Wettbewerber
– Strategische Einsätze
– Austrittsbarrieren
Verhandlungsmacht der
Lieferanten
5
Bedrohung durch
Markteintritt
1
Rivalität unter den
bestehenden
Unternehmen
Einflussfaktoren:
– Konzentration und Grösse der Einkäufe
– Bedeutung des Produktes
– Standardisierung
– Umstellungskosten
– Preisempfindlichkeit
– Rückwärtsintegration
– Informationstransparenz über die Produkte
2
4
3
Bedrohung durch
Substituten
Einflussfaktoren:
– Relativer Wert/Preis des Substitutionsproduktes
– Umstellungskosten
– Umstellungsneigung des Abnehmers
Verhandlungsmacht der
Abnehmer
Einflussfaktoren:
– Konzentration und Grösse der
Einkäufe
– Bedeutung des Produktes
– Standardisierung
– Umstellungskosten
– Preisempfindlichkeit
– Rückwärtsintegration
– Informationstransparenz über
die Produkte
Abbildung 2.2: Das Modell der fünf Wettbewerbskräfte
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1980, 1995, 1999
Als bedeutendste Weiterentwicklung des Porter’schen Modells der
Branchenanalyse wird in der Literatur das Modell von Nalebuff/Brandenburger
(1996) bezeichnet. Demgemäss beeinflussen vier Kräfte den Wertschöpfungsprozess in einer Branche: “customers, suppliers, competitors and complementators”91. Die Autoren begründen die gleichwertige Bedeutung der Konkurrenten
und der komplementären Anbieter mit der wachsenden Bedeutung der
90
Vgl. Porter, 1999, S. 36.
91
Vgl. Nalebuff/Brandenburger, 1996, S. 15ff.
2.1 Theoretische Grundlagen
43
Kooperationen und Allianzen. Diese Weiterentwicklung integriert Porter (1999,
2000a) in seinen neueren Beiträgen. Dabei fügt er auch die Rolle des Staates und
der Endkonsumenten als Strukturdeterminanten der Wettbewerbsattraktivität
hinzu. Diese Weiterentwicklungen werden in der Abbildung 2.3 veranschaulicht.
Einflussfaktoren:
– Gesetzliche Vorschriften
– Staatliche Subventionen
– Der Staat als Abnehmer
Einflussfaktoren:
Trends bei Kosten, Qualität und
Verfügbarkeit
Bedrohung durch
Markteintritt
Rolle des Staates
7
Rivalität unter den
bestehenden
Unternehmen
Verhandlungsmacht
der Lieferanten
5
Bedrohung durch
Substituten
1
2
Komplementäre
Produkte
6
Verhandlungsmacht
der Abnehmer
4
Verhandlungsmacht
der
Endkonsumenten 8
3
Abbildung 2.3: Weiterentwicklung des Porter’schen Modells der Branchenanalyse
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Nalebuff/Brandenburger,
1996, Porter, 1999, 2000a
2.1.3 Treibende Kräfte der Veränderungsprozesse
Die Veränderungen in der Branchenstruktur sind nach Porter (1999) evolutionäre
Prozesse.92 Um die Branchenentwicklung zu analysieren, empfiehlt Porter (1999)
die Suche nach treibenden Kräften, die dem Transformationsprozess zugrunde
liegen.93 Er ist der Meinung, dass einzelne Entwicklungsmuster wie z.B. der
Produktlebenszyklus keine fruchtbaren Informationen auf Branchenebene liefern
können. Der ursprüngliche Zustand wird durch die zugrunde liegenden technisch-ökonomischen Merkmale der Branche, die „anfänglichen Restriktionen
durch unzureichende Branchengrösse sowie Fähigkeiten und Mittel der
92
Obwohl die Evolutionsprozesse jeder Branche sehr spezifisch und deshalb situativ zu analysieren sind, beschreibt
Porter einige Prozesse und ihre Bestimmungsfaktoren, die sich verallgemeinern lassen (vgl. Porter, 1999,
S. 222−251).
93
Vgl. Porter, 1999, S. 221.
44
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Pionierunternehmen” beschrieben.94 Die treibenden Kräfte verändern ein oder
mehrere Strukturelemente der Branche nachhaltend. Sie ziehen weitere Veränderungen nach sich, „da eine Branche ein vernetztes System ist“.95 „Die evolutionären Prozesse treiben die Branche auf ihre potenzielle Struktur zu [...]“.96
Die Branchenstruktur ist eng mit dem Marketingkanal verbunden. Nach Porter
(1999a) bestimmt die Branchenstruktur, wie „das Machtgefüge zwischen dem
Unternehmen, seinen Abnehmern und Lieferanten aussieht, was sowohl im
Aufbau der Wertkette eines Unternehmens als auch in der Verteilung der
Gewinnspannen zwischen Abnehmern, Lieferanten und Koalitionspartnern zum
Tragen kommt“.97 Bei einem Vergleich der Faktoren der Branchenentwicklung
mit den treibenden Kräften der Veränderung des Marketingkanals kann
festgestellt werden, dass sie mit Ausnahme der strukturellen Veränderungen in
benachbarten Branchen und des Produktlebenszyklus identisch sind. Rudolph
(1999) definiert drei Haupteinflussfaktoren der dynamischen Handelsentwicklung nach Auswertung der Ergebnisse aus der Trendforschung und aus
qualitativen Interviews mit Handelsexperten, die eine Gewichtung der schon
bekannten Faktoren aufzeigen (siehe Tabelle 2.2).
Evolutionäre Kräfte der
Branchenentwicklung
Veränderung der
Unternehmensgrösse
Verhalten der Konkurrenz
Evolutionäre Kräfte der Gewichtung in
Bezug auf die
Entwicklung des
dynamische
Marketingkanals
Handelsentwicklung
Konsolidierungsprozesse
Verhalten der
Wettbewerber
Technologischer Wandel und Niveau der Technologie
Innovationsdynamik
Makroökonomische
Indikatoren
Staatliche Massnahmen
94
Vgl. Porter, 1999, S. 247.
95
ebenda.
96
Porter, 1999, S. 221.
97
Vgl. Porter, 2000, S. 93.
Makroökonomische
Indikatoren
Gesetzliche Regulierung
und Deregulierung
Neue Informationsund Kommunikationstechnologien
Liberalisierung der
Märkte
2.1 Theoretische Grundlagen
Evolutionäre Kräfte der
Branchenentwicklung
Eintritte und Austritte
(neue Wettbewerber)
Konsumentenverhalten
Wechsel der bedienten
Abnehmersegmente
45
Evolutionäre Kräfte der Gewichtung in
Bezug auf die
Entwicklung des
dynamische
Marketingkanals
Handelsentwicklung
Eintrittsbarrieren
Stärke der Konsumenten- Veränderungen im
loyalität
KonsumentenGeografische Dispersion verhalten
der Endkonsumenten
Strukturelle Veränderungen
in benachbarten Branchen
Phase im
Produktlebenszyklus
Tabelle 2.2:
Faktoren der Branchenentwicklung und der Veränderung des
Marketingkanals sowie ihre Gewichtung in Bezug auf die
Handelsentwicklung
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 2000,
Stern/El-Ansary, 1992, Lambkin/Day, 1989 und
Rudolph, 1999, S. 62
Die Analyse der Veränderungsprozesse berücksichtigt die Langfristtrends, die
Trendausprägungen bei den Lieferanten und Abnehmern des Grosshandels sowie
bei den Grosshändlern selbst und die Beschleunigungskräfte dieser Veränderungen.98 Sie bildet das Strukturierungsraster für die Analyse der Grosshandelsentwicklung im Allgemeinen und der Entwicklung des Pharmagrosshandels in
der Schweiz im Speziellen. Die Analyse erfolgt in drei Schritten:
1. Wichtigste treibende Kräfte herausfiltern
Die Langfristtrends, identifiziert im Rahmen der Analyse des Marketingkanals,
werden mit den branchenspezifischen Trendausprägungen in Zusammenhang
gebracht und ihre gemeinsame Wirkung analysiert. Abbildung 2.4 veranschaulicht mögliche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen treibenden
Kräften, welche sich an die Ausführungen von Porter (1999) anlehnen.
98
In seinem Modell zur Analyse von Trendveränderungen stellt Rudolph differenziert die Haupteinflussfaktoren, die
Langfristtrends, die daraus abzuleitenden kurzfristigen Trendveränderungen und die Akzeleratoren oder die
Beschleunigungskräfte für die Veränderungen dar (vgl. Rudolph, 1999, S. 100ff.).
46
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Branchenspezifische treibende Kräfte
Haupteinflussfaktoren
Technologischer Wandel
Produktivitätssteigerung
Konsumentenverhalten
Effizienzsteigerung
Kostendynamik
Branchenwachstum
Veränderungen
in den Abnehmer-/
Lieferantenbranchen
Substitutionsprodukte
Verhalten der
Konkurrenz
Eintritte/
Austritte
Branchenkonsolidierung
Staatliche Regulierung/
Deregulierung
Abbildung 2.4: Wechselwirkung zwischen den treibenden Kräften
Quelle:
eigene Darstellung
Rudolph, 1999
in
Anlehnung
an
Porter,
1999,
Die Bedeutung der einzelnen treibenden Kräfte ist in jeder Grosshandelsbranche
bzw. in jedem Marketingkanal unterschiedlich. Deshalb ist ein situatives
Vorgehen erforderlich.99 Nach Rudolph (1999) sind zwei zentrale Herausforderungen bei der Identifizierung und Analyse treibender Kräfte zu meistern. Zum
einen sind die wichtigsten treibenden Kräfte herauszufiltern und aus ihnen
„unternehmungsspezifische Trendausprägungen abzuleiten“100. Zum anderen ist
es notwendig, „den Wirkungszusammenhang von Trendveränderungen zu
verstehen“101.
Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wirken sich sowohl
direkt auf die Grosshandelsbranche als auch mittelbar durch den Einfluss auf die
Lieferanten- und Abnehmerbranchen aus. Sie führen zu Langfristtrends wie
Produktivitätssteigerungen oder Effizienzsteigerungen. Sie bieten neue Möglich99
Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 24.
100
Rudolph, 1999, S. 61.
101
ebenda.
2.1 Theoretische Grundlagen
47
keiten für die Endkonsumenten, die Produkte und die damit verbundenen
Informationen in Anspruch zu nehmen, und führen zu Veränderungen im
Endkonsumentenverhalten. Die Trends im Endkonsumentenverhalten haben nur
einen indirekten Einfluss auf das Wachstum der Grosshandelsbranche, so dass
zuerst Trends in den Lieferanten- und Abnehmerbranchen zu ermitteln sind. Die
Endkonsumenten können auch Druck auf die staatliche Regulierung ausüben,
wenn sie die Produkte zu gesellschaftswichtigen Themen machen. Die staatliche
Regulierung und Deregulierung beeinflusst wiederum direkt die Ein- und
Austritte in der Grosshandelsbranche und führt somit zu Konsolidierungsprozessen. Eine Konsolidierung im Grosshandel kann aber auch durch
Konsolidierungsprozesse in den Lieferanten- und Abnehmerbranchen erfolgen.
2. Strategische Chancen und Risiken für den Grosshandel
Die für den Grosshandel wichtigen Beschleunigungskräfte und die Trendausprägungen, welche strategische Chancen und Risiken bergen, werden
zusammengefasst. Als relevant für den Grosshandel sind jene Akzeleratoren
(Beschleunigungskräfte) einzubeziehen, welche die Funktionenentstehung und –
substitution auslösen.102 Anders formuliert, sind das die Kräfte, welche die
Bedürfnisse der Lieferanten und der Abnehmer nach Grosshandelsleistungen
beeinflussen und verändern.
102
Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 26.
48
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im
Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
2.2.1 Das Medikament
Das Medikament ist ein Mittel zur Behandlung von Krankheitserscheinungen und
Beschwerden beim Menschen (Humanpräparate) oder beim Tier.103 Es kann
Krankheiten heilen (kurative Arzneimittel), lindern (palliative Arzneimittel) oder
verhüten (präventive Arzneimittel). Ein Medikament kann auch vom Körper
selbst erzeugte Stoffe oder Flüssigkeiten ersetzen oder Mikroerreger, Parasiten
und andere körperfremde Stoffe, welche eine Krankheit verursachen, unschädlich
machen.104
Die Medikamente können in Originalpräparaten und Generika aufgeteilt werden.
Die Entwicklung eines neuen Originalpräparates ist heutzutage mit erheblichen
Investitionen verbunden.105 Deshalb wird der Wirkstoff oder die Darreichungsform durch ein Erfindungspatent oder eine entsprechende Lizenz geschützt. Nach
Patentablauf können andere Hersteller Medikamente mit demselben Wirkstoff,
aber mit anderen Hilfsstoffen, herstellen und verkaufen. Es handelt sich dabei um
ein so genanntes Generikum.
Eine zweite Klassifikation wird durch das Schweizerische Heilmittelinstitut,
Swissmedic, vorgenommen. Aufgrund des jeweiligen Nutzen-Risiko-Verhältnisses werden die Humanpräparate in unterschiedliche Listen aufgeteilt, welche
Auskunft über die Abgabeberechtigung des Präparates geben (Tabelle 2.3). Die
Präparate aus den Listen A und B zählen zur Gruppe der so genannten
rezeptpflichtigen Medikamente. Die Medikamente aus den Listen C, D und E
werden ohne ärztliche Verschreibung verkauft, deshalb werden sie auch OTCMedikamente – over-the-counter (über den Ladentisch) – genannt. Sie dienen der
eigenverantwortlichen Behandlung seitens der Patienten.
103
Im Fokus dieser Arbeit sind die Humanpräparate.
104
Pharmamarkt Schweiz 2003, www.interpharma.ch.
105
Die Forschung und Entwicklung eines neuen Medikamentes kostet rund 1 Mrd. CHF (vgl. Pharmamarkt Schweiz,
2003).
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
Liste
Erläuterung
Liste A
einmalige Abgabe auf eine ärztliche Verschreibung hin
Liste B
mehrmalige Abgabe auf eine ärztliche Verschreibung hin
Liste C
rezeptfreie Abgabe nach Fachberatung, beschränkt auf
Apotheken
Liste D
rezeptfreie Abgabe nach Fachberatung, beschränkt auf
Apotheken und Drogerien
Liste E
rezeptfreie Abgabe ohne Fachberatung in allen Geschäften
Tabelle 2.3:
Abgabekategorien der Arzneimittel
Quelle:
Pharmamarkt Schweiz 2005
49
2.2.2 Der Marketingkanal für Medikamente
2.2.2.1 Abgrenzung des Pharmamarktes
Der Pharmamarkt oder der Markt für pharmazeutische Produkte stellt einen Teil
des Gesundheitsmarktes dar. Zum Gesundheitsmarkt zählen alle Produkte,
Verfahren und Methoden, die durch Prävention, Diagnose, Therapie und
Nachsorge der Gesundheit förderlich sind.106 Zum Pharmamarkt zählen alle
Institutionen, welche mit der Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing, Vertrieb, Abgabe und Finanzierung von Medikamenten im Sinne der im
Abschnitt 2.2.1 vorgestellten Definitionen beschäftigt sind. Die Abbildung 2.5
veranschaulicht die einzelnen Wertschöpfungsstufen und eine beispielhafte
Zuordnung der Institutionen am Pharmamarkt der Schweiz. Einzelne Institutionen können mehrere Prozesse integrieren.
Die Regelung der Abgabeorte für Medikamente durch das Schweizerische
Heilmittelinstitut (Tabelle 2.3) beeinflusst massgeblich die Struktur der
Marketingkanäle und die Gestaltung der Produkt-, Finanzierungs- und
Informationsströme. Je nachdem, ob es sich um rezeptpflichtige oder rezeptfreie
Medikamente handelt, weisen die Marketingkanäle einige wesentliche Unterschiede auf. Sie werden in den Abschnitten 2.2.2.2 und 2.2.2.3 erläutert.
106
Vgl. Kunz, 2001, S. 38.
50
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Krankenkassen
Health
Maintenance
Organizations
(HMO)
Prewholesalers
Prewholesale
Rohmaterialen
Produzenten
chemischer
Substanzen
Forschung
&
Entwicklung
Biotechnologieunternehmen
Universitäten
Produktion
Marketing
Spezialisierte
ProduktionsUnternehmen
unter Vertrag
Pharmaunternehmen
Pharmaunternehmen
Generikaproduzenten
Generikaproduzenten
Finanzierung
Abgabe
Zahler
Vertrieb
Staat
Pharmagrosshandel
Arbeitnehmer
Ärztelieferanten
Individuen
Handelsvertreter
Abbildung 2.5: Wertschöpfende Prozesse und beispielhafte Zuordnung der
Institutionen am Pharmamarkt der Schweiz
Quelle:
eigene Darstellung
2.2.2.2 Der Marketingkanal für rezeptpflichtige Medikamente
Die Struktur des Marketingkanals für rezeptpflichtige Medikamente in der
Schweiz ist mindestens vierstufig (siehe Abbildung 2.6).107 Grundsätzlich kann
man zwischen einer Hersteller-, einer Grosshandels- und einer Abgabestufe
unterscheiden. Auf der Herstellerstufe sind alle Anbieter von rezeptpflichtigen
Medikamenten situiert – schweizerische Pharma- und Generikaproduzenten,
Vertretungen ausländischer Pharmaproduzenten, Importeure ausländischer
Medikamente. Die Vertriebsstufe schliesst die Pharmagrossisten und Agenten
wie Ärztelieferanten und Vertretungen ausländischer Pharmaproduzenten ein.
Zwischen der Hersteller- und der Vertriebsstufe können auch die so genannten
Prewholesalers eingeschaltet werden, welche die ausgelagerte Vertriebs- und
Logistikabteilung der Pharmahersteller darstellen. Die Abgabe der Medikamente
ist zweistufig. Die erste Stufe bilden die zur Direktabgabe berechtigten Ärzte mit
eigener Apotheke (so genannte selbstdispensierende Ärzte), die Ärzte ohne
Medikamentenabgabe und die Spitalärzte mit Spitalapotheke. Die zweite Stufe
107
Der Marketingkanal hat eine vierstufige Struktur, wenn er aus vier Gruppen von Teilnehmern besteht: Herstellern,
Grosshändlern, Einzelhändlern, Konsumenten (vgl. Rosenbloom, 1999, S. 23).
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
51
bilden die stationären Apotheken und die Versand- bzw. Online-Apotheken,
welche nur gegen die Vorlage eines Rezeptes das Medikament abgeben dürfen.
Ein grosser Teil der rezeptpflichtigen Medikamente ist erstattungsfähig, d.h. der
Preis wird vom Bundesamt für Sozialversicherungen festgelegt108 und der Betrag
wird von der Krankenversicherung beglichen.
Pharmahersteller
Importeure
Hersteller
Prewholesale
Grosshandel
Ärztelieferant/
-grossist
Grosshandel
Abgabe
(Fachhandel)
Apotheken
SD-Ärzte
Spitäler/Heime
Versand-/Onlineapotheken
Patienten
Arzt
Endkonsument
Krankenkasse
Abbildung 2.6: Struktur des Marketingkanals für rezeptpflichtige Medikamente
Quelle:
eigene Darstellung
Die Produktion eines Originalpräparates durchläuft drei Phasen: Grundlagenforschung und Entdeckung eines neuen Wirkstoffes, die Entwicklung und
Produktherstellung sowie die Markteinführung.109 Alle drei Phasen werden durch
die Pharmafirmen im Rahmen eines umfassenden Projektmanagements durchgeführt. Dabei werden alle Phasen zunehmend an spezialisierte Sublieferanten
108
Die Preise der Medikamente aus der so genannten Spezialitätenliste werden öffentlich publiziert –
www.sl-preise.ch.
109
Vgl. Gassmann et al., 2004, S. 88.
52
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
ausgegliedert.110 In den ersten zwei Phasen sind vorwiegend BiotechUnternehmen und Universitäten tätig. Nachdem das Medikament vom
Heilmittelinstitut zugelassen worden ist, beginnt seine tatsächliche Herstellung.
Zunächst wird der Wirkstoff isoliert und synthetisiert. Dann wird mittels des
Hilfsstoffes eine Darreichungsform (z.B. Tablette) hergestellt und in einer
entsprechenden Verpackung konfektioniert. Jedes Los von Medikamenten erhält
eine Kontrollnummer, nach der die Verpackung zurückverfolgt werden kann. Die
Produktion findet zunehmend in spezialisierten Produktionsstätten unter Vertrag
statt.
Sämtliche Marketing- und Werbeaktivitäten bei den rezeptpflichtigen Medikamenten werden von den Pharmafirmen selbst ausgeführt. Heutzutage sind sie viel
mehr Marketing- und Verkaufsspezialisten als Produzenten.111 Die Handelsvertretungen der ausländischen Produzenten sind auch im Bereich des
Marketings und des Verkaufs tätig.
Die Lagerung der Fertigprodukte und ihr Vertrieb finden mit Hilfe von
Prewholesalern oder direkt mittels Pharmagrossisten statt. Die Prewholesaler
beliefern andere Grossisten sowie Ärzte, Apotheken und Spitäler. Neben der
Lagerung und dem Vertrieb übernehmen sie für ihren Auftraggeber die
Bestellabwicklung, die Kontrolle der Kreditwürdigkeit der Abnehmer, die
Rechnungsstellung und das Inkasso.
Die Pharmagrosshändler erfüllen drei Hauptaufgaben sowohl zugunsten der
Pharmahersteller als auch zugunsten der abgabeberechtigten Institutionen
(Apotheken, SD-Ärzte, Spitäler, Heime). Die erste Hauptaufgabe schliesst die
logistische Leistung ein – die Marktabdeckung, die Lagerhaltung, Bestellabwicklung, die Organisation von Entsorgung und Retouren, die Sicherung einer
hohen Produktverfügbarkeit und die Feinverteilung der Fertigprodukte an den
berechtigten Abgabeorten. Zur zweiten Hauptaufgabe zählen die Marketingleistungen wie Abdeckung des Marktverhaltens, Vertriebskontakt, Sammlung
von Marktinformationen, Sortimentsbildung, Marketingunterstützung und
Schulung. Die letzte dritte Hauptaufgabe enthaltet Finanzierungsdienstleistungen, welche durch die Lagerhaltung einerseits und durch vorzeitige
Eigentums- und Risikoübertragung sowie durch Kreditierung andererseits
erbracht werden.
110
20 bis 60% beträgt der ausgegliederte Teil der Aktivitäten (vgl. Geschäftsbericht Lonza 2004, S. 53).
111
Vgl. Experteninterview Gisler, 2004.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
53
Die Ärztelieferanten sind spezialisierte Unternehmen, welche einige Grosshandelsfunktionen zugunsten der Ärzte erbringen. Sie unterstützen den Arzt bei
der Bestellung, Sortimentsbildung, Lagerhaltung und Kontrolle sowie der
Praxiseröffnung. Die Belieferung der Arztpraxen organisieren sie selbst oder
mittels eines Pharmagrosshändlers bzw. spezialisierten Transportunternehmens.
Die Kernprozesse einer Apotheke sind mit der Abgabe der Medikamente gegen
Rezept verbunden. Nach der Bestellung bei einem Grossisten oder Hersteller
folgen die Prozesse Wareneingang, Lagerhaltung, Kontrolle der gelieferte Medikamenten und Revision der Lagerbestände. Entsprechende Kundenzufriedenheitsmessung und Erledigung von Reklamationen werden auch getätigt.112 Der
Ablauf weist bei den SD-Ärzten keine Unterschiede auf.
Verschiedene Marketingkanäle für rezeptpflichtige Medikamente stehen
zueinander im Wettbewerb. Dieser Wettbewerb kann auf der Stufe Grosshandel
betrachtet werden. Der Weg des Produktstroms wird zum Beispiel durch die Art
und den Wert des Medikaments bestimmt. Wenn es um sehr teure Originalpräparate mit komplexen Spezifikationen geht, wird das Medikament vom
Hersteller direkt vertrieben.113 Dafür gibt es drei Gründe. Erstens möchten die
Pharmafirmen den direkten Kontakt zu den Ärzten und Apotheken und somit zu
den Endkonsumenten behalten. Zweitens besitzt nur der Produzent das kritische
Wissen über die Produktmerkmale und -anwendungen, um die Patientenbedürfnisse optimal zu befriedigen. Drittens besteht oft eine unzureichende Nachfrage nach teuren Medikamenten, was die Einschaltung der Pharmagrossisten
nicht notwendig macht.114 Diese Medikamente werden dann durch das
Prewholesale-Lager direkt an Ärzte, Ärztegrossisten und -lieferanten, Apotheken
und Spitäler ausgeliefert oder im Spezialfall werden Kurierdienste eingesetzt.
Wenn es um alle anderen Medikamente geht, welche durch einmal festgelegte
Spezifikationen und/oder einen niedrigeren Preis charakterisiert sind, dann
werden sie durch den Pharmagrossisten vertrieben. Die Grossisten kaufen in
grossen Mengen ein und übernehmen das Eigentum und die Risiken über die
Lagerbestände, welche in grossflächigen regionalen Lagerhäusern aufbewahrt
werden. Die Bestellungen der Apotheken, Ärzte, Spitäler etc. werden auf elektronischem Wege abgewickelt. Die einzelnen Lieferungen werden auch vollautomatisiert in Mehrwegbehältern kommissioniert und in Fahrzeuge geladen. Die
112
Vgl. www.sycat.de, Zugriff: 2004.
113
Vgl. Experteninterviews Gremlich/Kleine, 2002, Gisler, 2004, Hölzle, 2004, Molnar, 2004.
114
Vgl. Burns et al., 2002, S. 45.
54
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Pharmagrossisten besitzen eigene Fahrzeuge oder arbeiten mit spezialisierten
Transportunternehmen zusammen.
Der Wettbewerb findet auch auf der Stufe der Abgabe der rezeptpflichtigen
Medikamente statt. Die Apotheken verkaufen die Medikamente gegen Vorlage
eines Rezeptes und die SD-Ärzte können direkt die Medikamente abgeben. Dabei
arbeiten die SD-Ärzte mit Online- und Versandapotheken zusammen und die
Medikamente werden bis nach Hause zum Patienten geliefert. Die Versand- und
Online-Apotheken organisieren die physische Belieferung mit Hilfe der
Ärztelieferanten und -grossisten. Dabei wird die stationäre Apotheke ganz
umgangen.
Ein Finanzierungsfluss betrifft vorwiegend die privaten Haushalte und die
Sozial- und Privatversicherungen.115 Weitere Finanzierungsströme sind mit der
Preisbildung und den Abgeltungsmodellen verbunden und werden im Rahmen
der Verträge zwischen den einzelnen Marktteilnehmern vereinbart.
Der Informationsfluss fliesst in beide Richtungen entlang dem Marketingkanal.
Ein Teil der wichtigen Informationen betrifft die vereinbarten Konditionen
zwischen den Pharmafirmen und den Apotheken und Ärzten, welche auch im
Informationssystem des Grosshändlers aufgenommen werden. Andere Informationen fliessen zusammen mit den Marketingaktivitäten der Pharmafirmen zu den
Apotheken und Ärzten und nur bei einer Zusammenarbeit auch zum
Pharmagrossisten.
Der tatsächliche Bestellungsprozess ist ein weiterer wichtiger Informationsstrom.
Üblicherweise wird er vom Fachhandel initiiert, der einen „Pull“-Prozess
auslöst.116 Der Arzt kann ein Originalpräparat verschreiben, die Apotheke jedoch
hat das Recht, es mit einem Generikum zu ersetzen und dieses bei dem
Grossisten zu bestellen. Die Bestellungen erfolgen vorwiegend via EDI und
vermehrt online im Internet, aber auch telefonisch und per Fax. Die Bestellungen
des Fachhandels werden vom Grosshändler überarbeitet und entsprechend den
vereinbarten Konditionen auch elektronisch an den Hersteller weitergeleitet.
2.2.2.3 Der Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente
Der Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente ist vier- bis mehrstufig. Seine
charakteristischen Merkmale sind die grosse Anzahl Abgabeorte und die
fehlende Finanzierung seitens des Gesundheitssystems (siehe Abbildung 2.7).
115
Siehe Abschnitt 2.2.3.1 dieses Kapitels.
116
Vgl. Experteninterview Molnar, 2004.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
Pharmahersteller
55
Hersteller
Importeure
Prewholesale
Grosshandel
Grosshandel
Apotheken
SD-Ärzte
Ärztelieferanten
Spitäler/Heime
Drogerien
Andere*
Fachhandel
Versand-/OnlineApotheken
Patienten
Endkonsument
*Andere – Lebensmitteleinzelhandel, Reformhäuser, Wellness- und
Tourismusstätten etc. bei freiverkäuflichen Medikamenten der Abgabekategorie E
Abbildung 2.7: Struktur des Marketingkanals für rezeptfreie Medikamente
Quelle:
eigene Darstellung
Die Produktion und Vermarktung rezeptfreier und rezeptpflichtiger Medikamente
unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. Man unterscheidet wiederum
zwischen Markenprodukten und Generika. Charakteristisch ist die grosse Anzahl
Generika, Heilmittel, alternative Arzneimittel, Vitaminpräparate etc. Wiederum
erfolgt der Vertrieb und die Distribution über die Pharma- oder Ärztegrossisten,
aber auch durch den Prewholesaler.
Im Gegensatz zu den rezeptpflichtigen Medikamenten können die rezeptfreien
Medikamente von den Apotheken direkt verkauft werden. Zur Abgabe sind noch
die Drogerien, die SD-Ärzte, Spitäler, Reformhäuser und andere Fachhändler
berechtigt. Rezeptfreie Medikamente können auch per Internet- oder Versandhandel bestellt werden. Wichtig dabei ist die Verantwortung der Abgabestelle,
ausreichende Informationen dem Patienten zu seiner Selbstmedikation bereitzustellen. So zählen zu den Kernprozessen einer Apotheke und der Drogerie in
diesem Fall auch die umfassende Beratung, die Herstellung eigener Mischungen
und die Kontrolle der Fertigprodukte.
Der Produktfluss gestaltet sich gleich wie bei den rezeptpflichtigen Medikamenten. In Bezug auf den Finanzierungsfluss besteht die Besonderheit des
56
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
rezeptfreien Marktes darin, dass sie nicht erstattungspflichtig sind. So trägt der
Patient die Kosten und die Verantwortung bei der Selbstmedikation. Dies
vereinfacht die Geldflüsse, welche rückwärts zum Hersteller fliessen. Eine
andere Besonderheit ist die freie Preisbildung. Preisabschläge können vom
Hersteller oder von der Apotheke initiiert und in Zusammenarbeit mit dem
Grossisten an den Patienten weitergegeben werden.
Die Informationsflüsse weisen auch eher kleine Unterschiede zur Information im
Rahmen der rezeptpflichtigen Medikamente auf. Sie sind vor allem mit dem
grösseren Spielraum der Grossisten und der Apotheken und Drogerien bei der
Sortimentsgestaltung und der Werbung verbunden. Der Verkauf ist auch mit
intensiver Beratung begleitet.
2.2.3 Dynamik im Marketingkanal und Trends
2.2.3.1 Ausgaben der privaten Haushalte
Die Gesamtkosten des Gesundheitswesens in der Schweiz verzeichnen ein
Wachstum von fast einem Drittel von 36,2 Mrd. CHF auf 50,0 Mrd. CHF in der
Periode 1995–2003.117 Der grösste Teil entfällt stets (gerechnet ab 1960) auf die
stationäre Behandlung mit Medikamenten, welche 2002 den höchsten Stand,
rund 48% der Gesamtkosten, erreicht. Relativ stabil bleiben die Ausgaben für
ambulante Behandlung – ca. 30%. Im Zeitraum 1960–2002 fallen die Ausgaben
für Gesundheitsgüter, hauptsächlich Medikamente, von 24,2% auf 10,3%. Diese
Entwicklung ist einerseits auf das Vorhandensein effektiver Medikamente und
neuerer Behandlungsmethoden, andererseits auf den Anstieg der Ausgaben für
Prävention (von ca. 2% auf fast 10%) zurückzuführen, welche u.a. auf den
Langfristtrend „Wellness und Gesundheit“ zurückzuführen sind.
Die Gesundheitskosten werden über verschiedene Kanäle finanziert und bezahlt.
Die privaten Haushalte finanzieren rund zwei Drittel in Form von Prämien,
Steuern und Direktzahlungen (2003: 64,7%) und zahlen direkt rund ein Drittel
(2003: 31,6%). Die Hälfte der Kosten werden über die Sozial- und
Krankenversicherungen (2003: 40,5%) und die Privatversicherungen (2002:
9,0%) abgegolten.
117
Diese und die weiteren Zahlen in Punkt 3.3 werden von den Reihen Pharmamarkt Schweiz aus der Periode 1999–
2006 und Gesundheitsmarkt Schweiz 1999–2005 bezogen. Sie beruhen auf statistischen Informationen der IHAIMS, Hergriswil, des Bundesamtes für Statistik, Bern, und auf eigenen Informationen der Vereinigung der
Schweizer Pharmafirmen (vgl. www.interpharma.ch, www.iha-ims.ch, www.admin.ch). Alle weiteren Quellen
werden explizit aufgelistet.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
57
Die privaten Haushalte geben relativ wenig aus für Medikamente (2003: 1,6%)
im Vergleich zu anderen Ausgabeposten wie Wohnungsmiete (15,1%), Steuern
(12,2%), Nahrungsmittel (6,6%).118 So wird in der Schweiz im internationalen
Vergleich viel weniger Geld für Medikamente ausgegeben.
Eine Befragung des GfS-Forschungsinstitutes ergab eine positive Beurteilung des
schweizerischen Gesundheitswesens.119 Bei einer stabilen Preisentwicklung
steigen jährlich die Versicherungsprämien, was zum Hauptproblem im Gesundheitswesen wird. Der zweite Langfristtrend ist zu umschreiben mit dem
Bedürfnis der Endkonsumenten nach Kostensenkungen, aber wenn möglich ohne
persönliche Einschränkung der bezogenen Leistungen. Trotz der hohen Prämienbelastung bekennen sich die Konsumenten zu einem qualitativ hoch stehenden
Gesundheitswesen.
2.2.3.2 Entwicklung des Medikamentenmarkts
Abbildung 2.8 veranschaulicht die Entwicklung der Umsätze und der verkauften
Anzahl Packungen Medikamente in der Periode 1999–2005.
Medikamentenmarkt Schweiz 1999-2005
171
2005
4194
174
2003
3877
186
2001
3385
185
1999
2895
0
1000 in Mio.2000
Gesamtumsatz
CHF
3000
4000
Anzahl
Packungen in
Mio.
5000
Abbildung 2.8: Medikamentenmarkt Schweiz in Mio. CHF und Anzahl
verkaufter Packungen
Quelle:
Pharmamarkt 1999–2006
118
Vgl. Pharmamarkt Schweiz, 2006, S. 7, www.interpharma.ch. Die Ausgaben für Medikamente enthalten die
Selbstmedikation und die von den Krankenkassen vergüteten Medikamente. Alle Prozentzahlen wurden von
Interpharma auf Basis der Einkommens- und Verbrauchserhebung des Bundenamts für Statistik 2003 berechnet.
119
Vgl. Gesundheitsmonitor Schweiz 2004, Anzahl Befragte N=1251, zitiert im Gesundheitsmarkt Schweiz 2004,
S. 30f.
58
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Das Wachstum des Pharmamarktes wird durch die innovativen Arzneimittel und
die neuen Therapien positiv beeinflusst. Die deutliche Verlangsamung des
Wachstums seit 2001 ist dem massiven Anstieg der Generikaumsätze, den leicht
rückläufigen Mengen und den stabilen Arzneimittelpreisen zu verdanken.
2.2.3.3 Entwicklung des Markts für rezeptpflichtige Medikamente
Die Marktentwicklung in der Periode 1990–2000 begünstigte die rezeptpflichtigen Medikamente120, indem sich der Markt rezeptpflichtiger Medikamente
in dieser Zeitspanne verdoppelt hat – von 937 auf 1’879 Mio. CHF (siehe
Abbildung 2.9). Das Wachstum des Marktes rezeptpflichtiger Medikamente ist
eng mit dem Wachstum des Marktes kassenzulässiger Medikamente
verbunden.121 Der Markt kassenzulässiger Medikamente hat in der Periode 1990–
2005 fast vierfach zugelegt – von 843 auf 3’291 Mio. CHF. Dies ist mit der
Aufnahme innovativer und teurer Medikamente in der Spezialitätenliste
verbunden, welche sowohl Einsparungen in Kosten und Aufwand in anderen
Bereichen als auch eine höhere Wirksamkeit der Behandlung versprechen.
Rezeptpflichtiger Medikamentenmarkt nach
Abgabekanälen in Mio. CHF
1810
1501
1413
1207
892
664
733
498
Apotheken
436
SD-Ärzte
1999
2001
2002
534
636 589
Spitäler
2005
Abbildung 2.9: Markt für rezeptpflichtige und kassenpflichtige Medikamente
Quelle:
Pharmamarkt 1999–2006
120
Die rezeptpflichtigen Medikamente werden in den Abgabekategorien A und B eingeordnet und werden durch
Apotheken, Spitäler und selbstdispensierende Ärzte abgegeben.
121
Die kassenpflichtigen Arzneimittel sind in der so genannten Spezialitätenliste (SL) des Bundesamtes für
Sozialversicherung (BSV) aufgeführt.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
59
Die meisten rezeptpflichtigen und kassenpflichtigen Medikamente werden von
den Apotheken abgegeben, obwohl die Apothekerbranche ein unterdurchschnittliches Wachstum aufweist. Ein stärkeres Wachstum in beiden Kategorien
verzeichnen die selbstdispensierenden Ärzte (siehe Abbildung 2.9). Im Spitalsektor wirken sich die innovativen und teuren Therapien in den Bereichen Krebs,
Aids, Infektionen und Transplantationen auch wachstumsfördernd aus.
2.2.3.4 Entwicklung des Generika-Marktes
Eine rasante Entwicklung erfährt der Markt für Generika. Der Umsatz hat sich im
Zeitraum 1999–2005 mehr als vervierfacht von 55 auf 257 Mio. CHF zu
Herstellerabgabepreisen (siehe Abbildung 2.10).
Generika-Markt in Mio. CHF und Wachstum in %
60,0%
300
49,8%
250
257
200
40,0%
39,6%
27,4%
30,0%
150
100
20,0%
142
55
50
50,0%
10,0%
79
-0,8%
0,0%
0
-10,0%
1999
2001
Umsätze in M io.CHF
2003
2005
Wachstum in %
Abbildung 2.10: Wachstum des Generikamarkts in der Schweiz in Mio. CHF
Quelle:
Pharmamarkt 1999–2006
Der Markt kassenpflichtiger Generika hat in 2003 um 50% zugelegt und in 2005
– um 40%. Das Potenzial der Generika hängt von der Entwicklung am
patentgeschützten Markt und von der Einführung eines Generikums zu einem
Original. Zwei Trends wirken sich zugunsten eines weiteren Wachstums des
Generikamarktes aus. Erstens verlieren umsatzstarke Originalpräparate ihren
Patentschutz und werden durch Generika gleich ersetzt. Bis 2010 läuft der
Patentschutz von über 30 umsatzstarken Originalprodukten ab.122 Immer weniger
zahlreich sind die am Markt eingeführten neuen Originalmedikamente. Die
forschenden Pharmaunternehmen zeigen Innovationsschwächen und zahlreiche
122
Vgl. Pharmamarkt 2004.
60
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Medikamente verlieren ihren Patentschutz ohne dass ein Nachfolgepräparat
eingeführt wird.123 Zweitens macht der Langfristtrend zum Kostendruck im
Gesundheitswesen die kostengünstigen Medikamente immer wichtiger. Als
Resultat werden immer mehr Generika statt Originalpräparate vom Arzt
verschrieben oder in den Apotheken eingesetzt.
2.2.3.5 Entwicklung des Markts für rezeptfreie Medikamente
Der Marktanteil der rezeptfreien Medikamente weist eine sinkende Tendenz auf
(siehe Abbildung 2.11).
Rezeptfreier Medikamentenmarkt
nach Abgabekanälen in Mio. CHF
600
510 524
500
471 463
400
300
200
153 145
100
115 97
62 72 75 77
29 32 26 24
0
Apotheken
Drogerien
1999 2001
SD-Ärzte
2003 2005
Spitäler
Abbildung 2.11: Markt rezeptfreier Medikamente nach Abgabekanälen
in Mio. CHF
Quelle:
Pharmamarkt 1999–2006
In der Periode 1995–2005 nimmt der Umsatz mehr als doppelt ab – von 37,7 auf
16,3%. Besonders betroffen von diesem Markteinbruch sind die Drogerien,
welche einen ständigen Rückgang der Umsätze verzeichnen. Die Apotheken
schreiben auch ihr niedriges Umsatzwachstum dieser ungünstigen Marktsituation
zu.
2.2.3.6 Zusammenfassung der Trends im Marketingkanal
1. Die Endkonsumenten geben relativ wenig Geld für Medikamente aus. Es
zeichnet sich ein Langfristtrend zum Kostenbewusstsein und Kostendruck, ohne
den Umfang der beanspruchten Leistungen einzuschränken. Dies ist ein Signal
123
Vgl. Strohm, 2005, S. 16 in „Stocks“, Nr. 6, 11.–23.03.05.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
61
für alle Mitglieder des Marketingkanals, die Effizienz bei gleichbleibender
Qualität zu steigern. Der Grosshandel wird mit niedrigeren Handelsspannen
rechnen müssen.
2. Innovative und teure Medikamente werden andauernd in die Spezialitätenliste
aufgenommen. Bei deren Vertrieb wird der Grosshandel zunehmend umgangen.
3. Das verlangsamte Wachstum des Pharmamarkts deutet auf die steigende
Wichtigkeit der Generika und auf ein stabiles Preisniveau hin.
4. Das stetige Wachstum des Marktes rezept- und kassenpflichtiger Medikamente
bestätigt die stabile Position der berechtigten Abgabeorte: Apotheken, SD-Ärzte
und Spitäler. Ein stagnierendes Wachstum bei den Apotheken wird durch
Umsatzzuwäche bei den SD-Ärzte begleitet.
5. Der Generika-Markt verzeichnet ein zweistelliges Wachstum aufgrund immer
weniger Originalmedikamente und zunehmender Substitution bei der Abgabe
durch Ärzte und Apotheken. Ein grosser Teil der Generika ist kassenpflichtig.
Die Distribution zeichnet sich aus Sicht des Grossisten durch eine geringere
Wertschöpfung und grössere Konkurrenz seitens spezialisierten Logistikunternehmen im Vergleich zu den Originalpräparaten ab.
6. Der Langfristtrend zur Steigung der Ausgaben für Prävention bestätigt die
Gesundheits- und Wellnesstrends. Kosmetika und hochwertige Stoffe,
“functional food” sowie Wellness-Therapien erweitern das Angebot in den Abgabeorten, ziehen aber auch Konkurrenz wie Wellness-Anbieter, den Lebensmittelhandel und die Gastronomie an. Der Markt rezeptfreier Medikamente schrumpft.
Der Spielraum der Grossisten wird somit in einem Bereich eingeengt, wo sie
Marketingstrategien mit den Herstellern und dem Fachhandel entwickeln können.
2.2.4 Branchenanalyse des Pharmagrosshandels der Schweiz
In der Abbildung 2.12 sind die Determinanten der Branchenstruktur der
Pharmagrosshandelsbranche dargestellt.
62
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Softwareanbieter
Gesetzliche Vorschriften CH
Bilaterale Verhandlungen
Andere GH
Back Office Insourcing
Gesetzliche Vorschriften EU
Ärztelieferanten
Universitäten und Hochschulen
Bedrohung durch
Markteintritt
Komplementäre
Produkte
Rolle des Staates
6
Verhandlungsmacht
der Lieferanten
5
1
Rivalität unter den
Pharmagrosshändlern
2
Verhandlungsmacht
der Abnehmer
4
Pharmahersteller
Apotheken:
Generikahersteller
Publikumsapotheken
OTC-Hersteller
CH-Importeure
Handelsvertretungen
7
Verhandlungsmacht
der
Endkonsumenten 8
Versandapotheken
Bedrohung durch
Substituten
Online-Apotheken
3
Direktverkauf
Direkteinkauf
Logistik- und Transportunternehmen
Kurierdienste
Apothekenketten und
-gruppierungen
Drogerien
Drogerienketten und
-gruppierungen
Ärzteliferanten (indirekt SD-Ärzte)
SD-Ärzte
Abbildung 2.12: Faktoren der Attraktivität der Pharmagrosshandelsbranche in
der Schweiz
Quelle:
eigene Darstellung
2.2.4.1 Hohe Markteintrittsbarrieren
Die bestehenden Eintritts- und Austrittsbarrieren sind einerseits gesetzlich und
andererseits wirtschaftlich. Die gesetzlichen Einschränkungen werden im
Abschnitt 2.2.4.6 dieses Kapitels erläutert.
Das Know-how, die langfristigen Beziehungen zu Kunden und Lieferanten sowie
die sehr hohen Fixkosten erhöhen die wirtschaftlichen Austrittsbarrieren und
verstärken den Überlebenskampf und den Konsolidierungsprozess unter den
Vollgrossisten. Die führende Position von Galenica betreffend verfügbare
Finanzmittel, Einsatz neuer Technologien, Marketinginnovationen und Beziehungen zu den Teilnehmern im Gesundheitswesen stellt eine erhebliche Hürde
für neu eintretende Vollgrossisten dar.124 So sind eine bestimmte kritische Unternehmensgrösse und Erfahrung notwendig, um diesen Markt zu betreten. Das
Beispiel der Phoenix Pharmahandel AG, die sich an einem einheimischen
Unternehmen beteiligte und so den schweizerischen Pharmamarkt betreten hat,
124
Der Begriff des Vorgrossisten wird im nächsten Abschnitt 2.2.4.2 erläutert.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
63
ist eine Bestätigung dafür. Jedoch als relativ niedrig erweisen sich die Eintrittsbarrieren für Spezialgrossisten, so genannte Shortliner125, die sich im Vertrieb
von sehr teuren Originalpräparaten und Generika spezialisieren. Sie kommen aus
Apothekerkreisen, also aus den Abnehmerbranchen des Grosshandels. Auf dem
Markt sind rund 800 Grosshandelszulassungen registriert.126
2.2.4.2 Hohe Rivalität unter den Pharmagrosshändlern
Eine hohe Rivalität ist durch häufige Preisreduktionen und Wettbewerbsaktionen
und -reaktionen in einer Branche gekennzeichnet, was zur Immitation und Angleichung der Angebote führt.127 Diese Merkmale sind für den Pharmagrosshandel in der Schweiz charakteristisch.
Die Grosshandelsbranche setzt sich aus einer kleinen Anzahl Vollgrossisten und
zahlreiche Spezialgrossisten zusammen, welche einen begrenzten Teil der Grosshandelsfunktionen übernehmen. Über die Vollgrossisten wird der grössere Teil
der pharmazeutischen Distribution erledigt. Sie stehen auch im Fokus dieser
Branchenanalyse (und dieser Arbeit).
Die am Markt tätigen Vollgrossisten sind das Ergebnis eines Konsolidierungsprozesses. Bis heute ist die Galenica Gruppe, vertreten durch Galexis AG, die
Marktführerin, wobei sie an Marktanteilen eingebüsst hat (von 56% im Jahr 1999
auf ca. 50% im Jahr 2004). Die Apothekereinkaufsgesellschaften EVZA und
Hageba (1991 mit einem Marktanteil von 18%) haben im Jahre 1997 das
gemeinsame Unternehmen Amedis gegründet, an dem sich im Jahr 2000 der
grösste deutsche Pharmagrossist Phoenix AG mit 49% beteiligte. 2002 wird auch
die am Westschweizer Markt tätige Firma Uhlman Eyraud (UE) übernommen.
Die neue Gruppe Amedis-UE bestätigt ihre Position als starke Nr. 2 mit einem
Marktanteil von 32% (2004). Zur Nr. 3 am Markt entwickelt sich in derselben
Periode das unabhängige Familienunternehmen Voigt AG. Sein Marktanteil
wächst von 10% auf mehr als 15% mit Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit in der
Ostschweiz. Einen rasanten Aufstieg kann das jüngste Unternehmen der Branche
verzeichnen – die Zur Rose, der standeseigene Ärztegrossist mit Marktführerposition im Ärztesegment.128 Diese positive Entwicklung wurde auch durch die
wachsenden Medikamentenumsätze im Kanal der selbstdispensierenden Ärzte
125
Vgl. Experteninterview Jenny, 2005.
126
Vgl. IKS-Statistik, 2000.
127
Vgl. Porter, 1999, S. 50f.
128
Vgl. Informationen auf www.zur-rose.ch, 2005.
64
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
unterstützt.129 Mit einem ständigen Marktanteil von rund 7% ist die Unione AG
der führende Grossist im Kanton Tessin. Seit 2000 hält die Galenica eine
Beteiligung von 20%.130
Die Pharmagrosshändler sind betreffend ihrer Grösse und Finanzmöglichkeiten
sehr unterschiedlich und der Konsolidierungsprozess wird weiter andauern.131
Galenica und Amedis-UE verfügen über die Finanzstärke, weiterhin am Markt
Konsolidator bzw. selbständig zu sein .132 Im Gegensatz dazu gelten die Voigt
AG und die Unione bei den Branchenspezialisten als potenzielle Übernahmekandidaten.133
Obwohl der Pharmamarkt wertmässig wächst, verzeichnet der Pharmagrosshandel ein niedriges Wachstum. Die Wachstumsschwierigkeiten werden durch
den begrenzten und relativ kleinen Schweizer Markt verstärkt. Die Erhöhung des
eigenen Marktanteils ist nur auf Kosten der Konkurrenz zu erzielen. So sind die
Grosshändler gezwungen, Wachstum in weiteren Betätigungsfeldern und Ländern zu suchen. Die meisten Vollgrossisten sind als Holding organisiert, wo sie
unter demselben Dach weitere Geschäftsfelder wie Medikamentenproduktion,
Einzelhandel, Dienstleistungen und Prewholesale134 entwickeln. Zum Beispiel
zeichnet sich Galenica durch die stärkste Diversifizierung am Markt aus. Das
Unternehmen ist in allen erwähnten Geschäftsfeldern tätig.135
Die Angebote der Vollgrossisten gleichen sich ständig an. Im Logistikbereich
bieten alle eine hochmoderne, voll- oder teilweise automatisierte Logistikdienstleistung an, welche aus Sicht der Lieferanten und Kunden immer mehr
austauschbar ist. Differenzierung wird im Angebot einzelner Marketingdienstleistungen gesucht, welche schnell von den Wettbewerbern nachgeahmt
werden.136 Die Grossisten sind mit einer intensiven Preiskonkurrenz konfrontiert,
die zu einer weiteren Erodierung der Margen führt. Dieser Trend wird auch durch
129
Vgl. Abschnitt 2.2.3.3 dieses Kapitels.
130
Vgl. Pressemitteilung vom 12.09.2000, www.pharmavista.ch.
131
Vgl. Geschäftsbericht Galenica 2002, S. 43.
132
Vgl. Experteninterview Eberle, 2003.
133
Vgl. Brancheninformation Interpharma, 2004 und Interview Hölzle, 2004.
134
Das Prewholesale-Geschäft als neues Geschäftsfeld bei den Grosshandelsunternehmen wird im Abschnitt 4.5 des
Kapitels 4 analysiert.
135
Im Geschäftsfeld Prewholesale war Galenica bis Anfang 2005 durch das Unternehmen Alloga auch international
tätig. Im Februar 2005 verkündet Galenica den Verkauf ihres 80%-Anteils an Alloga International an Alliance
UniChem, wobei sie ein 100%-Anteil an Alloga Schweiz behält. Mit diesem Schritt setzt die Galenica-Gruppe neu
den Fokus auf den Schweizer Markt (vgl. Pressemitteilung Galenica, 05.02.05).
136
Vgl. Experteninterviews Gisler, Gremlich/Kleine, Molnar, 2004.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
65
die niedrigen Umstellungskosten für Hersteller- und Fachhandelskunden
verstärkt. Sowohl am Beschaffungsmarkt als auch am Absatzmarkt sind die
Grossisten mit einem Käufermarkt konfrontiert und werden gegeneinander
ausgespielt.137
Im Grosshandel übersteigen die Fixkosten oft den erwirtschafteten Mehrwert,
obwohl im Vergleich zu anderen Branchen die Pharmagrosshändler den grössten
Teil ihrer Gewinne durch den Einsatz von Fremdkapital erwirtschaften. Die
Grossisten setzen auf eine ständige Erweiterung und Erneuerung ihrer Kapazitäten. Neue moderne Verteilzentren sind entstanden (Zur Rose, Voigt, AmedisUE), weitere werden renoviert (Galexis) und der Bau von weiteren wird angekündigt (Amedis-UE). Die Logistikkapazitäten sind Gegenstand von laufenden
und aufwändigen Umstrukturierungen wie z.B. die Konzentration der Kräfte von
Galexis auf drei Verteilzentren. Die Branche leidet unter Überkapazitäten.138
Die strategischen Einsätze der einzelnen Unternehmen lassen sich nach einer
Strukturierung nach den Dimensionen der strategischen Gruppen beschreiben. In
einem vierdimensionalen Raum können die Grossisten anhand von Kriterien wie
Anzahl angesprochener Zielgruppen, Breite und Tiefe der angebotenen
Sortimente, Anzahl und Art der strategischen Geschäftsfelder positioniert werden
(siehe Abbildung 2.13). Bei der Anzahl der angesprochenen Zielgruppen führt
Galexis AG mit der Ansprache sämtlicher Zielsegmente, dann folgen Voigt,
spezialisiert auf Apotheken, Drogerien, Ärztelieferanten und Amedis und
Unione, vorwiegend auf Apotheken und Drogerien. Die Zur Rose positioniert
sich als ein nur auf Ärzte fokussierter Grossist. Dieselbe Aufteilung wiederholt
sich bei der Anwendung des Kriteriums Breite und Tiefe der Sortimente. Galexis
ist wiederum führend bei dem Grad der vertikalen Integration. Am wenigsten
diversifiziert ist Unione.
Ein weiteres Kriterium, nach dem eine erste Gruppierung erfolgen kann, sind die
belieferten geografischen Gebiete: Galexis – Ost- und Zentralschweiz, AmedisUE – West- und Zentralschweiz, Voigt – Ost- und Zentralschweiz, Unione –
Tessin, Apotheke „Zur Rose“ – Ost- und Zentralschweiz.139
137
Vgl. Experteninterview Jenny, 2005.
138
Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003.
139
Vgl. Experteninterview Molnar, 2004.
66
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
nur Grosshändler
Unione
Voigt
Spezialist
Generalist
Apotheke
„Zur Rose“
Amedis-UE
Diversifiziert (vertikale Integration)
Galenica
Abbildung 2.13: Strategische Einsätze der Pharmagrosshändler
Quelle:
eigene Darstellung
Ohne eine vertiefende Analyse der einzelnen Grosshandelsangebote ist es
schwierig, eine Beurteilung nach den restlichen von Porter erwähnten Kriterien
vorzunehmen, wie: Qualität der angebotenen Dienstleistungen, Kostenvorsprung,
Dienstleistungen, Preispolitik140, Teil von einem modernen Konzern und Marktmacht. Eine ausführliche Analyse ausgewählter Unternehmen wird im Kapitel 4
dieser Arbeit vorgenommen.
2.2.4.3 Substitutionsdienstleistungen / Komplementäre Dienstleistungen
Die Substitutionsgefahr für die Grosshandelsleistung ist als relativ klein
einzuschätzen, obwohl sie dynamischen Veränderungen obliegt. Der grössere
Teil der im Fachhandel erhältlichen Medikamente wird durch die Pharmagrossisten vertrieben. Laut Branchenspezialisten beträgt dieser Anteil zwischen
60 und 70%.141 Die restlichen 30 bis 40% werden dem so genannten Direktgeschäft zugeschrieben. Das Direktgeschäft umfasst den Direkteinkauf der
Apotheken, Drogerien, Ärzte und Spitäler bei den Herstellern. Direkt eingekauft
werden zum einen hochpreisige rezeptpflichtige Medikamente, bei denen der
140
äusserst unterschiedliche Konditionensysteme mit Betonung auf günstig und transparent (vgl. Experteninterview
Jenny, 2005).
141
Vgl. Experteninterviews Gisler, 2004, Hölzle, 2004, Molnar, 2004.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
67
Vertrieb über den Grosshandel teurer ausfällt. Zum anderen werden Medikamente, Kosmetikartikel und Konsumgüter in grösseren Mengen eingekauft,
welche palettenweise transportiert werden können. Dies ist der Fall beim Einkauf
seitens grosser Apotheken- und Drogeriengruppierungen, welche die Nachfrage
ihrer Mitglieder und weiterer Unternehmen in ihrem Einflussbereich bündeln
können. Im Spitalbereich ist auch ein grosser Teil Direktgeschäft. Die Logistik
wird durch Prewholesaler oder spezialisierte Logistikunternehmen erledigt.142 In
allen anderen Fällen, wie bei der Feinverteilung für kleinere Apotheken,
Pflegeheime und kleinere Spitäler, aber auch im alltäglichen Geschäft, wo die
Lieferung einzelner Medikamente notwendig ist, wird der Grosshandel
eingeschaltet.
Der Einsatz von weiteren Alternativen wie der Post und von Kurierdiensten ist
nicht sehr verbreitet. Viele Medikamente brauchen eine Kühlkette, so dass ein
stabiles und etabliertes Logistiksystem erforderlich ist. Dazu kommen auch die
Anforderungen an fachlichem Wissen der Distributionsfirmen. Aus Einzelhandelssicht sind zahlreiche Beschaffungskanäle nicht rentabel, da sich die
Konditionen jedes einzelnen Beschaffungspartners mit einem steigenden Volumen verbessern. Die Post sowie spezialisierte Transportunternehmen haben
versucht, logistische Dienstleistungen für Medikamente anzubieten, aber konnten
nicht Fuss fassen.143
Die Kurierdienste werden in Notfällen durch die Grossisten selbst oder durch die
Apotheken und Hersteller eingesetzt. Die Logistikkosten sind aber zu hoch, um
sie als eine drohende Substitution der Grosshandelsleistung zu betrachten.
Eine neue Gefahr ist die Rückwärtsintegration der Apotheken. Sie drückt sich im
Aufbau von Teilgrossisten aus, welche zu einem sehr niedrigen Preis die
Apotheken beliefern. Beispiele sind PharmaFocus, apothektereigener Grossist,
und die Apotheke „Zur Rose“, die sich vom Ärztelieferanten zum standeseigenen
Ärztegrossisten gewandelt hat.144
Die Anbieter komplementärer Dienstleistungen haben bis jetzt eine eher kleinere
Bedeutung. Dazu zählen Software-Anbieter wie SAP, Verrechnungskassen
(insbesondere Einsatz bei den Ärzten), auf die Rechnungslegung und Datenbewirtschaftung spezialisierte Unternehmen etc.
142
Beispiel ist der Prewholesaler Globopharm, der in Zusammenarbeit mit dem Logistikunternehmen Galliker und
der Post eine führende Rolle bei der Spitalversorgung spielt. Das Unternehmen spezialisiert sich auch in der LowCost-Distribution von innovativen High-Tech-Präparaten aus dem Hochpreissegment (vgl. www.globopharm.ch,
Zugriff Oktober 2005).
143
Vgl. Experteninterview Hölzle, 2004.
144
Vgl. www.pharmafocus.ch und www.zur-rose.ch.
68
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
2.2.4.4 Dynamik in der Verhandlungsmacht der Abnehmer
Man kann zwischen vier Abnehmersegmenten unterscheiden, die durch
spezifische Branchenstruktur und Bedürfnisse gekennzeichnet sind: Apotheken,
Ärzte, Spitäler, Drogerien. Diese Heterogenität ist ein einzigartiges Merkmal für
die Schweiz.145 In dieser Arbeit wird der Fokus auf die Apotheken, Ärzte und
Drogerien gesetzt. Die Spitäler haben eine eigene komplexe Struktur und sind
durch mangelnde Transparenz zwischen Krankenhaus- und Medikamentenkosten
charakterisiert. Deshalb werden sie in dieser Arbeit nicht berücksichtigt.
Die meisten rezeptpflichtigen und rezeptfreien Medikamente werden durch die
Apotheken abgegeben. Sie weisen einen niedrigen Konzentrationsgrad auf. Die
Apotheken unterliegen jedoch grundlegenden strukturellen Veränderungen, wie
der andauernde Konsolidierungsprozess und die wachsende Anzahl Konkurse
beweisen. Vor allem die unabhängigen Apotheken haben Schwierigkeiten in
Bezug auf Liquidität und Rentabilität.146 Ein niedriges Wachstum, die stagnierende Anzahl Unternehmen und Überkapazitäten sind die Merkmale der
gesättigten Apothekenbranche.
Zahlreiche unabhängige Apotheken bilden Gruppierungen, um im schwierigen
Umfeld überlebensfähig zu bleiben. Mehr als 50% der Apothekerbranche sind
gruppiert oder im Einflussbereich einer Gruppierung.147 Ein weiterer Treiber der
Konsolidierung sind die Apothekenketten, die gesetzlich zugelassen sind. Die
grösste Apothekenkette, GaleniCare, zählt 90 Apotheken in der deutschen und
französischen Schweiz, die ganz oder teilweise im Besitz der Galenica-Gruppe
sind.148 Die Apothekenketten führen zu Preiskriegen und zu einer stärkeren
Segmentierung des Arzneimittelmarktes. Ein relativ neuer Abgabekanal von
Medikamenten ist das Gemeinschaftsprojekt von Coop Schweiz und Galenica
„Coop Vitality“. Die Anzahl und die Grösse der Apothekengruppierungen und ketten in der Westschweiz ist deutlich höher als in der Ostschweiz.149
Im Bereich der rezeptpflichtigen Medikamente sind die selbstdispensierenden
Ärzte (SD-Ärzte) die zweitwichtigste Abnehmergruppe. Sie sind Ärzte mit
eigener Praxisapotheke oder direkter Medikamentenabgabe. Die Abgabe von
rezeptpflichtigen Medikamenten durch SD-Ärzte wächst stark und somit wird
145
ebenda.
146
Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003.
147
Eine offizielle Statistik der Apothekengruppierungen ist nicht vorhanden (vgl. Experteninterview
Gremlich/Kleine, 2004).
148
Vgl. Geschäftsbericht 2002 der Galenica-Gruppe, S. 51.
149
Vgl. Experteninterview Hofer, 2002.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
69
dieser Kanal zum Hauptkonkurrenten der Apotheken in der Deutschschweiz. 150
Die Belieferung der Ärzte erfolgt direkt oder durch Ärztelieferanten, welche
ihrerseits beim Grosshandel einkaufen.
Die Drogerien sind der zweitwichtigste Abgabekanal für rezeptfreie Medikamente. Ihr Anteil am Gesamtumsatz nimmt ständig ab. Ähnlich wie bei den
Apotheken findet ein Konsolidierungsprozess statt und Drogeriengruppierungen
werden gebildet. Ein Indikator für die Neuorientierung aus der schwierigen
Situation ist die vermehrte Eröffnung eines neuen Geschäftsmodells – einer
Mischform zwischen Drogerie und Apotheke mit einem breiten Medikamentenund Kosmetiksortiment.
Der traditionelle Fachhandel mit Medikamenten hat bisher keine Konkurrenz
seitens des alternativen Einzelhandels erfahren. Gesetzliche Verbote, der grosse
Einfluss der traditionellen Apotheken sowie die unterschiedlichen Rückerstattungssysteme in einzelnen Ländern haben den Versand- und Internethandel
(insbesondere grenzüberschreitend) verhindert. Im Unterschied zu den USA und
nunmehr auch zu Deutschland sind diese Formen in der Schweiz grundsätzlich
untersagt.151 Eine Ausnahme stellt das Vorhandensein einer kantonalen
Bewilligung für eine Apotheke dar, die auch über eine kantonale Einzelhandelsbewilligung verfügen muss. Voraussetzung für den Versandhandel ist, dass für
jedes Präparat eine Verschreibung durch einen Arzt vorliegt; d.h. auch für
Medikamente, die in einer Apotheke rezeptfrei erhältlich sind (d.h. Abgabekategorien C, D oder E). Diese Möglichkeit hat die Zur Rose AG durch die
Entwicklung des Versandhandels direkt an Endpatienten erfolgreich genutzt und
ist zur führenden Versandapotheke der Schweiz geworden. Als standeseigener
Ärztegrossist hat sie die logistische Kompetenz und gleichzeitig die Nähe zum
Arzt. Das erfolgreiche Modell wird auch nach Deutschland exportiert.
Die wachsende Konzentration unter den Apotheken und Drogerien erhöht ihre
Verhandlungsstärke gegenüber den Pharmagrossisten. Einerseits fördern die entstehenden Gruppierungen den Direkteinkauf unter Umgehung des Pharmagrossisten. Andererseits übernehmen sie zahlreiche Funktionen wie z.B. Marketingund Managementdienstleistungen für ihre Mitglieder. Die Gruppierungen haben
eine höhere Preisempfindlichkeit und können schnell den Grossisten auswechseln. Die durch alle Grossisten angebotenen logistischen Dienstleistungen
sind standardisiert und so können sie gegeneinander ausgespielt werden.
150
Vgl. Pharmamarkt Schweiz 2004, www.interpharma.ch.
151
Vgl. Art. 27, HMG.
70
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Die unabhängigen Apotheken sind eher weniger preisempfindlich. Obwohl sie
oft nicht vertraglich gebunden sind, ist es für sie schwieriger, aus logistischen
Gründen den Grossisten zu wechseln. Deshalb streben sie eine langfristige
Zusammenarbeit an.
Die Einkäufe der Apotheken, Drogerien und Ärzte bilden immer noch den
grössten Anteil an den Verkäufen des Grosshandels. Insbesondere nach der
Aufhebung des Margenschutzes152 ist die Marge des Einzelhandels unter Druck
geraten und dieser Preisdruck wird an den Grossisten weitergegeben153. Die Apotheken und Drogerien drohen noch nicht mit Rückwärtsintegration, aber dieser
Trend sollte sich in den nächsten Jahren verstärken.154
Die Medikamentenverfügbarkeit, pünktliche und produktgerechte Lieferung
mehrmals pro Tag in beliebigen Kleinmengen sind entscheidend für die Qualität
der Apothekerdienstleistung. Eine Out-of-Stock-Situation ist für den Apotheker
undenkbar. Die Lagervorräte einer Apotheke sind nicht älter als drei bis vier
Monate, so dass die Lagerhaltung und die Bestellabwicklung sehr wichtig für
eine reibungslose Abgabe von Medikamenten sind. Dementsprechend ist die
Qualität der logistischen Leistung der Grossisten von grosser Bedeutung. Wenn
die Apotheke bzw. Drogerie sämtliche Bestellungen über den Grosshandel
abwickelt, bekommt sie gute Konditionen und kann zahlreiche Medikamente im
Vergleich zum Direkteinkauf kostengünstiger beziehen. Deshalb decken sogar
grosse Gruppierungen ihren täglichen Bedarf über den Grosshandel und einzelne
Bestellungen werden direkt zum Hersteller geschickt.
Die Brancheninformationen auf Produktebene sind durch den vermehrten Einsatz
des Internets transparent.155 Spezialisierte Forschungsunternehmen wie IHA-IMS
stellen Auswertungen und Zahlen über Umsätze zur Verfügung.
2.2.4.5 Verhandlungsmacht der Lieferanten
Die Lieferanten können ihre Verhandlungsmacht ausspielen, wenn sie drohen,
die Preise der gelieferten Produkte zu erhöhen oder deren Qualität zu senken.156
Die Pharmaindustrie in der Schweiz zeichnet sich durch eine hohe Verhandlungsmacht aus, welche ihr erlaubt, die Margen auf den hergestellten
Medikamente traditionell hoch zu halten und die Preise zu erhöhen.
152
siehe mehr unter Abschnitt 2.2.4.6 in diesem Kapitel.
153
Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003.
154
Siehe Abschnitt. 2.2.4.3 in diesem Kapitel.
155
Vgl. Experteninterviews Gremlich/Kleine, 2003 und Eberle, 2003.
156
Vgl. Porter, 1999, S. 61.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
71
Die Struktur der Lieferanten ist in der Schweiz äusserst heterogen und zählt 790
Unternehmen.157 Man unterscheidet zwischen Produzenten von Originalpräparaten und Generika, zwischen ausländischen Vertretungen und einheimischen
Unternehmen und zwischen Grosskonzernen und kleinen und mittleren
Unternehmen.
Die Originalpräparate werden von der forschenden Pharmaindustrie hergestellt.
Sie weist weltweit einen hohen Konzentrationsgrad auf. Megafusionen haben
dazu beigetragen, dass der Anteil der Top 5 am Weltpharmamarkt in der Periode
1999–2005 von 21.1% auf 30.6% gestiegen ist (siehe Tabelle 2.4).
Top 10 1999
Umsatz in
Mrd. $
Merck & Co. USA
AstraZeneca GB
Glaxo Wellcome GB
Pfizer USA
Bristol-Myers Squibb USA
Novartis CH
Aventis F
Johnson & Johnson USA
American Home USA
Roche CH
13
12
11
11
11
11
11
11
9
8
Top 10 2005
Pfizer + Pharmacia USA
GlaxoSmithKline GB
Sanofi-Aventis F
Novartis CH
Johnson & Johnson USA
AstraZeneca GB
Merck & Co. USA
Roche CH
Abbott USA
Wyeth USA
Umsatz in
Mrd. $
47
35
30
29
25
24
24
20
16
15
Tabelle 2.4:
Ranking der Top-10-Pharmaproduzenten weltweit
Quelle:
Pharmamarkt Schweiz 1999–2006
Das ständig hohe Wachstum des weltweiten Pharmamarkts, die steigenden
Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die begrenzte Dauer des
Patentschutzes haben zu mehreren Wellen von Megafusionen und Kooperationen
unter den Pharmaproduzenten geführt.158 Der Konsolidierungsprozess wird durch
einen Trend der Spezialisierung des therapeutischen Fokus begleitet. Die grossen
Pharmaproduzenten konzentrieren sich auf die Entwicklung und Produktion einer
kleinen Anzahl von Medikamenten, die einen Fortschritt bei der Bekämpfung
von Krankheiten versprechen und somit einen hohen Mehrwert anbieten (so
genannte “Blockbuster”). Durch diese Konzentration der Kräfte wird neben
Kosteneinsparungen eine weltweit dominante Position in einem bestimmten
157
158
Vgl. Gassmann et al., 2004, S. 40.
Über frühere Konzentrationswellen in der Pharmaindustrie vgl. McGahan, 1994, S. 116 und Pursche, 1996,
S. 110–119.
72
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
therapeutischen Gebiet angestrebt.159 Zum einen bieten die Blockbuster eine
höhere Rendite auf die investierte Zeit, das Kapital und die übernommenen
hohen Risiken im Vergleich zu Medikamenten mit niedrigerem Wert. Zum
anderen stellt die Entwicklung von Medikamenten mit Blockbuster-Potenzial
eine nachhaltige Wachstumsstrategie dar.160
Die hohen Entwicklungskosten und die staatlichen Einschränkungen z.B.
bezüglich Preis und Mengen schlagen sich auch in einem steigenden
Outsourcing-Trend nieder. Die Pharmaproduzenten fokussieren sich auf den
Aufbau einer starken Marketingorganisation, welche die ausgegliederten Bereiche koordiniert und die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette im
Rahmen eines umfassenden Portfolio- und Projektmanagements anstrebt. Die
Forschung und Entwicklung werden an Forschungsorganisationen unter Vertrag
wie Biotech-Firmen und Universitäten vergeben. Diese bieten sämtliche Aktivitäten von den vorklinischen Versuchen bis zur Registrierung und Zulassung an.
Studien zeigen, dass Outsourcing mittels der neuen Informationstechnologien
effektive Methoden zum Controlling der Kosten für Forschung und Entwicklung
darstellt. Das Know-how bei der Produktion von Medikamenten wird immer
weniger als Differenzierungsfaktor angesehen und die Produktion wird an auf
einzelne Schritte des Produktionsprozesses spezialisierte Unternehmen ausgegliedert. Die logistischen Aktivitäten von den Produktionsstrassen sowie der
Transport der klinischen Studien und Forschungsdokumentationen werden an
Prewholesale-Unternehmen (Vorgrossisten) ausgegliedert. Sie sind die Schnittstelle zwischen der Industrie und dem Pharmagrosshandel. Diese Rolle wird
sowohl von separaten Geschäftsfeldern des traditionellen Pharmagrosshandels als
auch von spezialisierten Logistikunternehmen übernommen.161
Eine wachsende Bedeutung erhalten die Generikaproduzenten und Nischenanbieter im OTC-Bereich. Mehrheitlich sind sie kleine und mittlere Unternehmen, welche einen tiefen Konzentrationsgrad aufweisen. Die steigenden
Umsätze im Generikabereich ziehen aber immer mehr neue Wettbewerber in
dieser Branche an und der Wettbewerb verschärft sich.162 Eine Konsolidierungswelle und eine weitere Spezialisierung sind auch hier zu erwarten. So
159
Vgl. Reuters Business Insight 1999.
160
Vgl. Gassmann et al., 2004.
161
Das Prewholesale-Geschäft wird im Kapitel 4 erläutert.
162
Novartis hat 2004 den grössten deutschen Generikaproduzenten Hexal übernommen und sich als der führende
Generikaproduzent positioniert. Weitere Unternehmen werden auch als Übernahmekandidaten gehandelt (vgl.
Strom V., 2005, S. 16).
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
73
zählt die Generikabranche weltweit ca. 200 Unternehmen. Nach Prognosen wird
diese Zahl in den nächsten zehn Jahren auf 30 bis 40 zurückgehen.163
28% aller Medikamente, die in der Schweiz auf dem Markt erhältlich sind,
werden von einheimischen Produzenten hergestellt.164 Die drei grössten
Schweizer Produzenten Novartis, Roche und Serono haben einen Marktanteil
von 15.4% am Schweizer Pharmamarkt. Die anderen Pharmaproduzenten sind
kleine und mittlere Unternehmen, die regional verteilt sind. Der grössere Teil
(74.5%) der pharmazeutischen Produkte wird importiert. Der Import erfolgt
durch Tochtergesellschaften ausländischer forschender Unternehmen und durch
schweizerische Pharmaimporteure.165
Die Pharmaproduzenten haben gegenüber dem Grosshandel eine hohe Verhandlungsmacht. Diese Tatsache kommt in der Margenentwicklung zum Ausdruck –
stabil hohe oder wachsende Margen charakterisieren die Industriestufe. Obwohl
die Pharmaindustrie im Vergleich zur Grosshandelsbranche weniger konsolidiert
ist, finden sich für die Erzeugnisse der Pharmaindustrie keine gleichwertige
Substitute. Diese Rolle könnten nur teilweise günstige Parallelimporte oder alternative Behandlungsmethoden in der Medizin wie Homöopathie, chirurgische
Eingriffe etc. spielen. Die Medikamente sind der Kern im Sortiment der
Apotheken und Ärzte und somit die entscheidende Ressource für die Tätigkeit
der Grossisten.166 Den hohen Einfluss und die stabile Position der Pharmagrossisten bei der Distribution versucht die Industrie durch die Förderung des
Direkteinkaufs zu minimieren. Durch den Einsatz von Prewholesalers droht die
Pharmaindustrie glaubwürdig mit der Vorwärtsintegration.
2.2.4.6 Rolle des Staates
Die wichtigsten Säulen der gesetzlichen Regulierung des Pharmamarktes sind
das Heilmittelgesetz, das Wettbewerbsgesetz, das Gesetz für die Sozialversicherungen, die Verordnungen betreffend Parallelimporte und die Harmonisierungsbemühungen zwischen der Schweiz und der EU sowie den USA.
Heilmittelgesetz
Im Rahmen des 2001 in Kraft getretenen Heilmittelgesetzes werden die Zulassung, die Herstellung, der Grosshandel, die Abgabe, der Export und Import,
163
ebenda.
164
Vgl. Pharmamarkt Schweiz, 2002–2005.
165
www.vips.ch, 2001–2004.
166
Vgl. Experteninterview Eberle, 2003.
74
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
die Erstattung, die Werbung und der Patientenschutz durch das Schweizerische
Heilmittelinstitut, Swissmedic, reguliert.167 Für den Pharmagrosshandel sind zwei
Artikel von zentraler Bedeutung: Art. 18 und 19. Gemäss Art. 18 ist die
Grosshandelstätigkeit in der Schweiz bewilligungspflichtig. Gemäss Art. 19
erhält jedes Unternehmen eine Grosshandelsbewilligung, welches alle „erforderlichen fachlichen und betrieblichen Voraussetzungen“ und die Richtlinien der
„guten Distributionspraxis“ erfüllt.168 Die Richtlinien der guten Distributionspraxis sind ein Qualitätsmanagementsystem, das jeder Grosshändler einführen
soll.169 Das System umfasst neben der Dokumentation sämtlicher logistischer
Prozesse auch Anforderungen an die Lagereinrichtungen und das Fachpersonal
sowie detaillierte Richtlinien betreffend Bestellabwicklung, Lagerung, Lieferungen, Retouren und Reklamationen. Das System wird vom Schweizerischen
Heilmittelinstitut, Swissmedic, jährlich kontrolliert.
Im Heilmittelgesetz wird zwischen Publikums- und Fachwerbung unterschieden.
Die Erste ist grundsätzlich nur für rezeptfreie Medikamente erlaubt. Die Zweite
betrifft die Werbung an Personen, die zur Abgabe berechtigt sind, d.h. Ärzte,
Apotheker und Drogisten, und wird ausschliesslich durch die Pharmaproduzenten
betrieben. Die Schranken werden vom Heilmittelgesetz und der ArzneimittelWerbeverordnung gegeben (AWV).170 Bei der Fachwerbung sind auch die
Bestimmungen des Pharma-Fachwerbungskodex in Kraft.171
Wettbewerbsgesetz
Per Ende 2000 wurde das einheitliche Margensystem, die so genannte SanpharMargenordnung, das limitiert Rabatte zugelassen hat, aufgelöst.172 Die Wettbewerbskommission hat die Bestimmungen der Margen- und Rabattordnung und
die Grossistenbedingungen des Verbands Sanphar nach Massgabe des Kartellgesetzes (Art. 5, Abs. 1) als unzulässig erklärt und deren weitere Praktizierung verboten.173 Der Endpreis der Medikamente kann seitdem flexibel
festgelegt werden.
167
Vgl. HMG, Abschnitte 3 und 4.
168
Vgl. Guidelines on Good Distribution Practice of Medical Products for Human Use (Direktive der EU 94/C 6303
und Art. 10 der Direktive der EU 92/95/EEC vom 31.12.1992).
169
Vgl. HMG, Abschnitt 3, Art. 19a.
170
Vgl. Verordnung für die Arzneimittelwerbung, 17.10.2001.
171
Vgl. Verhaltenskodex der pharmazeutischen Industrie in der Schweiz (Pharmakodex), 4.12.2003 Jahresbericht,
http://www.sgci.ch/plugin/template/sgci/*/17284.
172
Vgl. Medienmitteilung, 26.06.2000, Vereinigung der Importeure pharmazeutischer Spezialitäten, www.vips.ch.
173
Vgl. IKS-Jahresbericht 2000, S. 12.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
75
Ein neues Abgeltungsmodell für die Abgabe von kassenpflichtigen Medikamenten wurde ab 01.01.2003 eingeführt. Demgemäss werden eine untere und
eine obere Preisgrenze festgelegt. Die untere Grenze ist der Herstellerabgabepreis, der dem europäischen Durchschnitt angepasst wird. Die obere Grenze stellt
den vom Bundesamt für Sozialversicherung festgelegten Publikumspreis dar. Die
Differenz schliesst die Vertriebskosten wie Transport, Lagerhaltung, Abgabe,
Inkasso, Pauschalzuschlag pro Packung ein und hängt vom Herstellerpreis ab.
Die Apotheken-Taxen für Beratung und Dossierführung werden unabhängig vom
Medikamentenpreis vergütet. Diese Preise sowie die Differenz, welche zu
Gunsten der Grosshändler entfällt, sind seit September 2001 öffentlich
zugänglich.174 Ein Vergleich des neuen und alten Preisbildungssystems ist aus
der Abbildung 2.14 ersichtlich.
Altes System
Neues System
Publikumspreis (gem. SL)
Fachhandelsmarge
Sanphar Grossistenmarge
Herstellerabgabepreis
inkl. Vertrieb
(festgesetzt durch
den Hersteller)
Publikumspreis
(gem. SL)
Fachleistungen
der Apotheke
Vertriebskosten
(Logistik, Transport,
Kapital)
Herstellerabgabepreis
Ex-factory-Preis
Abbildung 2.14: Vergleich zwischen dem alten und dem neuen Preisbildungsmodell für kassenpflichtige Medikamente
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an „Recht und Politik des
Wettbewerbs“ 3/2000, Wettbewerbskommission, S. 325
Im neuen System ist keine Grosshandelsmarge festgelegt und gesichert, was die
Situation in der Schweiz einzigartig für Europa macht. Aus dem neuen Handels-
174
Siehe vollständige Liste der Hersteller- und Publikumspreise sowie Anteile für Hersteller und Verteiler je
Medikamente aus der Spezialitätenliste auf www.sl-preise.ch.
76
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
margebereich ergeben sich aber nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen für
den Grossisten durch die Entwicklung von Marketingstrategien.175
Gesetz für die Sozialversicherungen
In der Schweiz sind ca. 77.5% der Medikamente kassenpflichtig. Sie sind in der
Spezialitätenliste des Bundesamts für Sozialversicherungen aufgeführt. Die
Aufnahme in die Spezialitätenliste erfolgt nach Bewertung der Wirksamkeit, der
Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit eines Medikamentes auf Antrag der
Eidgenössischen Arzneimittelkommission.176 Die Verweigerung seitens der
Krankenkasse, ein Medikament zurückzuerstatten, wirkt sich wie ein Einfuhrverbot aus. Eine wachsende Anzahl von teuren kassenpflichtigen Medikamenten
erhöht die Gefahr der Umgehung des Pharmagrosshandels.
Parallelimporte
Durch den Parallelimport werden Medikamenten von Ländern mit einem
niedrigeren Preisniveau ins Ländern mit höheren Preisen rechtlich legal
importiert. Seit dem 1. Januar 2002 werden in der Schweiz Parallelimporte für
Medikamente zugelassen, welche in ihrem Heimatland patentfrei sind
(Generika).177 Bis jetzt konnten sich die Parallelimporte in der Schweiz nicht
etablieren. Die Parallelimporteure benötigen eine Einfuhrerlaubnis, die vom
Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic ausgestellt wird. Erst dann
können sie die Apotheken oder die SD-Ärzte direkt oder durch die etablierten
Pharmagrosshändler mit den Medikamenten beliefern. Der Einfluss der Parallelimporte auf den Schweizer Markt ist bis jetzt als sehr gering einzuschätzen.178
Bis Ende 2004 wurde keinem Parallelimporteur die Erlaubnis gegeben, und zwar
aufgrund unvollständiger Unterlagen, fehlender Qualitätszertifikate der beteiligten EU-Firmen etc. Weitere Begrenzungen und Kosten sind mit dem
erforderlichen Umpacken der Medikamenten verbunden179, wozu ein Parallelimporteur eine Herstellerbewilligung für die Schweiz benötigt, mit den Auflagen
hinischtlich Rückrufmöglichkeiten zweifelhafter Lose, Pharmakoviglianz
(Meldepflicht bezüglich Arzneimittelrisiken) etc. Um alle diese Markteintrittsund Transaktionskosten zu decken, muss der Parallelimporteur eine Mindest-
175
Vgl. Experteninterview Jenny, 2005.
176
Vgl. Pharmamarkt 2001, www.interpharma.ch.
177
Vgl. Zenhäusern, 2004, S. 27.
178
Vgl. Experteninterview Gisler, 2004.
179
Die meisten Medikamenten in der Schweiz haben eine Packungsgrösse von z.B. 20 Stück und die im Ausland eine
von z.B. 30 Stück. In der EU darf der Importeur, da er auch Hersteller ist, die Ware umpacken (vgl. Zenhäusern,
2004, S. 8).
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
77
grösse erreichen. Deshalb sind immer noch in der EU einige wenige
Unternehmen tätig.180
Versandhandel und Handel über das Internet
Wie im Abschnitt 2.2.4.4 erwähnt sind der Versandhandel und der Handel über
das Internet in der Schweiz nur in einem sehr begrenzten Umfang erlaubt. Der
seit dem 1. Januar 2004 zugelassene grenzüberschreitende Internethandel mit
Medikamenten in Deutschland wird durch Entwicklungen charakterisiert, welche
auch kurz- bis mittelfristig für die Schweiz relevant sein werden und somit die
Pharmagrossisten betreffen werden.
Gemäss dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
(GMG) können die stationären Apotheken (Offizin-Apotheke) einen eigenen
Versandhandel bzw. Online-Shop starten. Dazu benötigen sie eine spezielle
Zulassung. Nach Gesetz darf in Deutschland eine Apotheke nur einem Apotheker
gehören, was Investoren immer noch fernhält. Wenn aber der Fremdbesitz zugelassen wird, dürfen auch Supermärkte, Kaufhauskonzerne oder Pharmagrosshändler den Markt betreten. Namen wie die Deutsche Post, grosse Drogerieketten
wie Schlecker und Rossmann, KarstadtQuelle und sogar das Auktionshaus Ebay
haben Interesse bekundet und eigene Projekte gestartet. Experten versprechen
einen Umsatzpotenzial von 2–3 Mrd. Euro für den Versandhandel mit Medikamenten in Deutschland.181
In Deutschland besteht aber auch die Möglichkeit, Medikamente aus dem
Ausland zu bestellen. Der grenzüberschreitende Handel mit zugelassenen
Medikamenten ist nur in der Form eines Parallelimports möglich.182 Der Marktführer im Onlinehandel mit Medikamenten ist das in Venlo (Niederlande)
ansässige Unternehmen DocMorris. Seit 2000 ist der Handel mit Medikamenten
in Holland zugelassen. DocMorris hat sich zu Europas grösster Versandhandelsapotheke mit 200 Mitarbeitern entwickelt. Die Gefahr für die stationären
Apotheken hat dazu geführt, dass am Anfang keiner der Pharmagrossisten in
Deutschland DocMorris beliefern wollte. Dies betrifft auch zahlreiche Hersteller,
welche einen Interessenkonflikt befürchten oder gar nicht logistisch dazu in der
Lage sind. Nach den Worten des Gründers und Geschäftsführers von DocMorris,
Ralf Däiningshaus, werden 20–25% der Medikamente direkt bei Herstellern
eingekauft und der Rest über befreundete Apotheken, welche selber beim
180
Vgl. Bericht des Bundesrates zum Thema „Parallelimporte und Patentrecht“ vom 03.12.2004, S. 13.
181
Vgl. Rössling, in Financial Times Deutschland, 19.8.04.
182
Vgl. Deutsche Apotheker-Zeitung, 2004, Nr. 46, S. 68–70.
78
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Grosshandel bestellen.183 DocMorris bietet alle in Deutschland zugelassenen
Arzneimittel ohne Betäubungsmittel an. Die Lieferung erfolgt vier bis fünf Tage
nach der Rezeptversendung inklusive Abholung und Zustellung. Die
Bestellungen werden per Post, Fax oder Internet getätigt. Das Unternehmen
rechnet direkt mit den Krankenkassen ab. Das Unternehmen ist nach DIN ISO
9001 zertifiziert. Ausserdem werden Beratungen zu Risiken und Nebenwirkungen und ein persönlicher Arzneimittel-Check angeboten.184
Harmonisierung mit der Gesetzgebung der EU und USA
Die bilateralen Verträge mit der EU sind bedeutend für den Pharmamarkt. Sie
regulieren die Handelshemmnisse, die Anerkennung der Herstellungskontrollen,
die Personenfreizügigkeit etc. Das Heilmittelgesetz ist eine Voraussetzung für
die bilateralen Verhandlungen mit der EU185 sowie für die MRA-Verhandlungen
(“Mutual Recognition Agreement”) mit den USA. Im Rahmen der EU besteht ein
„Spannungsfeld zwischen liberaler europäischer Arzneimittelgesetzgebung mit
dem Ziel, einen gemeinsamen EU-Binnenmarkt zu schaffen, und nationaler
Sozial- und Gesundheitspolitik zum Schutz heimischer Interessen“.186 Es
bestehen Regulierungen betreffend die Zulassung, Marktüberwachung, den Preis,
die Gewinne, Erstattungsfähigkeit, Werbung, Importverhinderungen etc. Einerseits ist die Zulassung, Herstellung und die Inbetriebnahme von Arzneimitteln
harmonisiert und beruht auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung.
Andererseits sind die Gesundheitssysteme in den Mitgliedstaaten immer noch
sehr unterschiedlich.
2.2.4.7 Wachsende Verhandlungsmacht der Endkonsumenten
Die Nachfrage nach den Grosshandelsleistungen ist indirekt von der Nachfrage
nach Medikamenten seitens der Endkonsumenten abhängig. Somit spielen die
Bevölkerungsentwicklung und die Bedürfnistrends unter den Endkonsumenten
eine wichtige Rolle. Die demografische Alterung wird als eine der grössten
Herausforderungen für die Schweiz angesehen. Dank der Einwanderung sei die
183
Vgl. ARD-Sendung, 17.06.2004.
184
Vgl. www.netdoctor.de, 10.02.04 für einen Vergleich zahlreicher Internetapotheken in Deutschland.
185
Das Heilmittelgesetz deckt die harmonisierten EU-Richtlinien für Humanarzneimittel, Tierarzneimittel und
Medizinprodukte sowie die Europaratskonvention über die Ausarbeitung einer europäischen Pharmakopöe (eine
Sammlung von Vorschriften über die Qualität von Arzneimitteln, pharmazeutischen Hilfsstoffen und einzelnen
Medizinprodukten ab (vgl. HMG, Kapitel I, Art. 4g).
186
Vgl. Münich/Oberender, 1987, S. 50. Wichtige Dokumente, die den Medikamentenmarkt auf EU-Ebene
regulieren, sind die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Schaffung eines
Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (6.11.2001), Richtlinie 91/356/EWG für die Good Manufacturing
Practice (13.06.1991) und Richtlinie 89/105/EWG für die Transparenz von Massnahmen zur Regelung der
Preissetzung bei Arzneimitteln (21.12.1988) (vgl. www.efpia.org, 2003).
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
79
Schweiz gegenüber anderen Ländern wie z.B. Italien, Frankreich und Deutschland durch eine langsamere Rate gekennzeichnet. Als Gründe können einerseits
die Alterung der geburtenreichen Baby-Boom-Jahrgänge und andererseits die
tiefen Geburtenraten der Schweizer erwähnt werden. Gemäss dem Bundesamt für
Statistik schrumpft die Erwerbsbevölkerung bereits ab dem Jahr 2015.
Mit der Alterung der Bevölkerung verändert sich der Stellenwert der Gesundheit
in der Bedürfnisskala. Sie wird zum zentralen Bestandteil der Lebensqualität,
was zu einer wachsenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen führt. Die
Gesundheit des Menschen ist seit Jahren zum Gesellschaftsthema Nr. 1 in der
Schweiz geworden, so dass alle Akteure im Gesundheitswesen im politischen
Rampenlicht stehen.187 Die steigenden Gesundheitskosten und Krankenversicherungsprämien einerseits und der Erfolg der forschungsorientierten und global
agierenden Pharmaproduzenten andererseits führen zu Konflikten seitens
Regierung, Behörden und nicht formeller Konsumentenkreise, was zu einer
Vielzahl von Gesundheitsinitiativen führt188.
Die Emanzipation des Patienten kann als treibende Kraft hinter dem Mega-Trend
„Gesundheit“ bezeichnet werden. Daraus folgt eine wachsende Nachfrage nach
mehr und sicheren Informationen. Die Gesundheitsinformation wird zum Produkt
und führt vermehrt zu einem Ausgleich der Asymmetrie zwischen Patient und
Arzt. Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte der Informationen, welche
Patienten mit dem Arzt erörtern, für den Arzt einen Neuigkeitsgrad haben.189
Aufgrund der Nachfrage nach neuen Wegen der Selbstmedikation verwischen
auf der Anbieterseite die Grenzen zwischen Pharma, Food und Wellness.190
Dieser Trend resultiert auch aus dem Bedürfnis, die Lebenserwartung zu
verlängern und längstmöglich jung, schön und schlank zu bleiben. Die Nachfrage
nach traditionellen und alternativen medizinischen Leistungen sowie nach
Wellness-Angeboten nimmt ständig zu. Neue Akteure wie Ernährungs-, Gesundheits- und Diätberater betreten den Markt und konkurrenzieren mit massgeschneiderten Leistungen Ärzte und Apotheken. Das Bedürfnis nach einer
professionellen und ganzheitlichen Behandlung und Wellness verändert den
Fokus im medizinischen Sektor von der Krankheitsbekämpfung auf eine
187
Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003.
188
Letzte Initiative in der Schweiz Mai 2003 zum Thema Gesundheitskosten.
189
Vgl. Reuters Business Insight, 1998, S. 7f.
190
Vgl. Reuters Business Insight 2001.
80
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
prophylaktische Vorsorge.191
Dienstleistungsbetriebe.
So
verwandeln
sich
die
Ärztepraxen
in
2.2.4.8 Zusammenfassung branchenspezifischer Trends
1. Hohe wirtschaftliche Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren im Vollgrossisten-Bereich verstärken den Überlebenskampf und den Konsolidierungsprozess. Im Gegensatz dazu erweisen sich die Eintrittsbarrieren für
fokussierte Teilgrossisten, welche sich auf den Vertrieb von teuren Originalpräparaten und Generika spezialisieren, als relativ niedrig.
2. Hohe Rivalität unter den Vollgrossisten führt zu einem andauernden Konsolidierungsprozess. Das niedrige Wachstum wird durch eine ständige Angleichung
der Angebote begleitet.
3. Die Substitutionsgefahr durch das Direktgeschäft wächst, obwohl sie
gegenwärtig als relativ klein eingestuft wird. Dies betrifft insbesondere den
Einkauf der Apothekenketten und -gruppierungen und den Bereich der teuren
Originalmedikamente.
4. Hohe Dynamik und wachsende Gefahren verzeichnen die Abnehmerbranchen
des Pharmagrossisten. Niedriges Wachstum und stagnierende Anzahl Unternehmen führen zu einer dominierenden Position der Apothekenketten und
-gruppierungen. Somit wächst der Druck auf den Grosshandel seitens der
Apotheken. Die selbstdispensierenden Ärzte geben immer mehr rezeptpflichtige
Medikamente ab und bevorzugen eigene Beschaffungskanäle und das Direktgeschäft. Die Anzahl der Drogerien nimmt ständig ab und der ganze Drogerienmarkt ist gruppiert. Neue Abgabekanäle wie Versandhandel und Online-Handel
sind erst am Anfang ihrer Entwicklung, jedoch haben sie ein grosses Potenzial.
6. Die Produzenten von Originalmedikamenten konzentrieren sich auf die Herstellung und Vermarktung einiger weniger profitabler Medikamente. Zu diesem
Zweck bauen sie eine stake Marketing- und Projektorganisation. Alle restlichen
Aktivitäten werden ausgegliedert. Für den Grosshandel eröffnen sich vermehrt
Chancen im Bereich der Distribution.
7. Der Wettbewerb unter den Generikaproduzenten verschärft sich und eine
Konsolidierungs- und Spezialisierungswelle findet statt. Ein für den Grosshandel
günstiger Outsourcing-Trend wird aber weniger wahrscheinlich, da die GenerikaProduzenten keine eigene Forschung und Entwicklung betreiben, sondern die
Skaleneffekte entlang der eigenen Wertkette vollumfänglich ausschöpfen.
191
Vgl. Studie „Megamarkt Gesundheit“, 2004, www.zukunftsinstitut.de
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
81
8. Die staatliche Regulierung betrifft alle wertschöpfenden Aktivitäten im
Pharmamarkt, inklusive sämtliche Grosshandelstätigkeiten. Dabei besteht ein
Spannungsfeld. Einerseits wird im Rahmen der EU, aber auch durch internationale Vereinbarungen, die Schaffung eines globalen Medikamentenmarktes angestrebt. Beweis dafür ist die Zulassung und Förderung der Parallelimporte. Andererseits lässt sich die Gesetzgebung und die Interessen der beteiligten Unternehmen und Gesellschaft auf Ebene einzelner Staaten schwierig angleichen.
9. Die demografische Alterung der Bevölkerung ist mit einer wachsenden
Nachfrage nach Gesundheitsleistungen verbunden. Der Endkonsument nimmt die
eigene Gesundheit selbst in die Hand und sucht aktiv nach Informationen.
2.2.5 Treibende Kräfte im Pharmagrosshandelsumfeld
Bei der Analyse der Langfristtrends im Marketingkanal und der branchenspezifischen Trends können Gruppen treibender Kräfte im Pharmagrosshandelsumfeld gebildet werden (siehe Abbildung 2.15).
Haupteinflussfaktoren
Branchenspezifische Trends
Staatliche Regulierung/
Deregulierung
Treibende Kräfte:
1. Regulierung
2. Deregulierung
3. Zulassung neuer
Vertriebskanäle
Konsumentenverhalten
Hohe Eintritts-/
Austrittsbarrieren
Verhalten der Konkurrenz
(Angleichung der Angebote)
Konzentrationsprozesse im
Fachhandel
Outsourcing in
der Pharmaindustrie
Treibende Kräfte:
1. Gestiegenes Kostenbewusstsein
2. Gesundheitsvorsorge und Wellness
3. Emanzipation
Niedriges
Branchenwachstum
Direktvertrieb/
-beschaffung
Hohe Fixkosten und
Überkapazitäten
Effizienzsteigerungen
v.a. in der Logistik
Technologischer Wandel
Treibende Kräfte:
1. Effizienzpotenziale + Produktivitätssteigerungen
2. Grenzüberschreitende
Informationstranparenz
3. Neue Distributionskanäle
Abbildung 2.15 Haupteinflussfaktoren, treibende Kräfte und
branchenspezifische Trends
Quelle:
Branchenkonsolidierung
eigene Darstellung
Produktivitätssteigerung
v.a. in der logistik
82
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Die Experten bezeichnen die staatlichen Regulierungs- und Deregulierungsmassnahmen als wichtigsten Haupteinflussfaktor im Pharmamarkt und somit auch für
den Pharmagrosshandel.192 Dazu gehören treibende Kräfte, welche sowohl Chancen als auch Gefahren für den Pharmagrosshandel bergen (siehe Tabelle 2.5).
Treibende Kraft
Strategische Chancen
für den
Pharmagrosshandel
Strategische Gefahren
für den
Pharmagrosshandel
Zulassung und Zunahme
der Parallelimporte
Neue Möglichkeiten bei
der Sortimentsbildung
und neue ausländische
Herstellerkundschaft.
Konkurrenz durch
ausländische Distributionskanäle bzw.
etablierte Importunternehmen.
Zulassung des
grenzüberschreitenden
Versand- und OnlineHandels
Angebot neuartiger
logistischer und
Marketinglösungen an
Apotheken zum Aufbau
eigener Online-Shops;
Konkurrenz durch
spezialisierte Logistikunternehmen und
Zunahme des
Direktgeschäftes.
Einstieg ins
Versandhandel an
Endkonsumenten in
Zusammenarbeit mit
Ärzten und Apotheken.
Zulassung des
Fremdbesitzes an
Apotheken
Markteintritt neuer
Anbieter mit grosser
Verhandlungsmacht und
eigenem Distributionsnetz (z.B. Migros).
Aufnahme innovativer
und teurer Medikamente
in die Spezialitätenliste
Zunahme des Direktgeschäftes.
Tabelle 2.5:
Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der staatlichen
Regulierung und Deregulierung
Quelle:
eigene Darstellung
Dabei wirken sich Beschleunigungskräfte193 wie weitere Öffnung der Volkswirtschaften, Kaufkraftveränderungen, tarifäre und nicht tarifäre Handelshemmnisse,
192
Vgl. Experteninterview Eberle, 2003, Experteninterview Jenny, 2005.
193
Vgl. Rudolph, 1999, S. 102.
2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz
83
Transportbedingungen und -kosten, Annäherung internationaler Gewohnheiten in
Bezug auf Gesundheit und Wellness, Entwicklung des Gesundheitstourismus,
Medien etc. aus.
Die zweite Gruppe treibender Kräfte kann dem Haupteinflussfaktor Veränderungen im Konsumentenverhalten zugeteilt werden (siehe Tabelle 2.6). Durch
den Einfluss auf die Pharmaindustrie, auf den Fachhandel mit Medikamenten und
auf die staatliche Gesundheitspolitik sind Trends bei den Endkonsumenten durch
die Pharmagrosshändler zu analysieren.
Treibende Kraft
Strategische Chancen für
den Pharmagrosshandel
Strategische Gefahren
für den
Pharmagrosshandel
Steigendes
Konstenbewusstsein
Notwendigkeit einer Neuorganisation des Marketingkanals – hohe Effizienz
bei gleicher Qualität: Pharmagrosshandel als Motor
eines neuartigen SupplyChain-Modells
Margenerosion
Nachfrage nach
Generika
Entwicklung von Eigenmarken in Zusammenarbeit
mit Generika-Herstellern
Margenerosion und
Umgehung durch
spezialisierte Logistikunternehmen
Gesundheit und
Wellness
Sortimentserweiterungen
und proaktive Marketingmassnahmen wie themenorientierte Lancierung von
Produkten und
Dienstleistungen
Neue Abgabeorte mit
eigenem
Distributionsnetz
Emanzipation des
Konsumenten
Angebot von spezialisierten
Dienstleistungen für die
Abgabeorte: medizinische
Tests in der Apotheke oder
wissenschaftlicher Informationsdienst für Ärzte und
direkt für die Endkonsumenten
Tabelle 2.6:
Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der
Veränderungen im Konsumentenverhalten
Quelle:
eigene Darstellung
84
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
Wichtige Beschleunigungskräfte sind Medikamenten- und Leistungsinnovationen, reales verfügbares Einkommen, Länge der Arbeitszeit, Haushaltsgrösse,
Bildungsinhalte, Arbeitlosenquote, Berufsaltersgrenze, neue gefährliche Krankheiten, Lebensstil einflussreicher Persönlichkeiten und aktiver sozialer Gruppen,
Medien etc.194
Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen auch
Chancen und Gefahren (siehe Tabelle 2.7). Die Pharmagrosshändler waren eine
der ersten Grosshandelsbranchen, welche die Automatisierung der Logistik und
den Einsatz neuer Technologien eingeführt haben.
Treibende Kraft
Strategische Chancen
für den
Pharmagrosshandel
Wirtschaftliche
Effizienz- und
Produktivitätssteigerung
Neue Marketingkonzepte
aufgrund Beziehungsmanagementlösungen und
Supply-Chain-Modelle
Grenzüberschreitende
Informationstransparenz
Angebot hochqualitativer
Kennzahlen und eines
wissenschaftlichen
Informationsdienstes
Neue Distributionskanäle Bereitstellung technischer
Tools für die neuen
Distributionskanäle,
Integration zusätzlicher
Aktivitäten der
Pharmaindustrie und des
Fachhandels
Strategische Gefahren
für den
Pharmagrosshandel
Informationsbasierte
Dienstleistungen werden
durch InternetPlattformen ersetzt
Umgehung durch den
Einsatz von
Logistikunternehmen
Tabelle 2.7:
Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der neuen
Informations- und Kommuniktaionstechnologien
Quelle:
eigene Darstellung
Die Beschleunigungskräfte sind Hardware- und Software-Innovationen, Knowhow der Mitarbeiter, Konkurrenzaktivitäten im Technologiebereich, Ausrüstungstempo der Haushalte mit PCs und Zubehör, Nutzungskompfort der neuen
Technologien, Medien etc.195
194
Vgl. Rudolph, 1999, S. 74.
195
Vgl. Rudolph, 1999, S. 100.
2.3 Zusammenfassung des Kapitels
85
Zuletzt werden die zwei Haupteinflussfaktoren Veränderungen in der Pharmaindustrie und im Fachhandel mit Medikamenten erwähnt. Der Outsourcing-Trend
hat für die Grosshändler die strategische Möglichkeit eröffnet, ins PrewholesaleGeschäft einzusteigen. Dort sind sie aber mit der Konkurrenz spezialisierter
Logistikunternehmen konfrontiert. Die Konzentrationsprozesse bei den Apotheken und Drogerien führen nicht nur zu einem Rückgang der Anzahl Grosshandelskunden, sondern sie fördern auch die Umgehung des Pharmagrosshandels. Sie sind aber auch mit den Chancen für neue Marketingkonzepte zur
Zusammenarbeit wie dem Aufbau eines Supply-Chain-Modells verbunden.
Zwischen den treibenden Kräften und Einflussfaktoren bestehen zahlreiche und
komplexe Wechselbeziehungen, welche durch den Pharmagrosshandel zu analysieren sind, um die jeweils treibenden Kräfte und ihre Beschleuniger rechtzeitig
zu identifizieren. So z.B. übt das gestiegene Kostenbewusstsein der Endkonsumenten einen Druck nicht nur direkt auf den Fachhandel, sondern auch auf die
staatlichen Massnahmen aus, die zu einer Förderung von Generikaproduktion
und -verkauf geführt haben. Dieser Kostendruck zusammen mit der grenzüberschreitenden Informationstransparenz kann in Zukunft zu einer Zulassung des
Online-Handels in der Schweiz führen. Dies wiederum wird die OffizinApotheken unter Druck setzen und die Konsolidierungsprozesse vorantreiben.
Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben erheblich zur
Emanzipation des Kunden beigetragen. Durch das Zulassungsverfahren, den
Patentschutz und den Kostendruck wirken sich die staatlichen Massnahmen auf
den Outsourcing-Trend in der Pharmaindustrie aus. Die Koordination mehrerer
Aktivitäten im Rahmen eines Projektmanagements wird durch die neuen
Informationstechnologien ermöglicht.
2.3 Zusammenfassung des Kapitels
Im zweiten Kapitel dieser Dissertation wird eine Methodik zur Analyse der
Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld vorgestellt und am Beispiel des
Pharmamarktes und des Pharmagrosshandels in der Schweiz angewendet. Das
Ziel ist, eine detaillierte Kenntnis der Umfeldfaktoren und ihrer Dynamik zu
gewinnen, um strategische Chancen und Gefahren für die Grosshandelsunternehmen abzuleiten.
Die Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld lassen sich in drei Schritten
analysieren:
Schritt 1: Durch die Analyse des Marketingkanals werden erstens die Struktur
des Marketingkanals und die Unternehmen festgestellt, welche auf jeder Stufe
86
2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren
tätig sind. Zweitens werden die Aufgaben identifiziert, die jede Gruppe von
Unternehmen ausführt. Drittens wird das Konzept der Marketingflüsse zur
Strukturierung der Aufgaben und zu einer unternehmensübergreifenden Prozessbetrachtung eingesetzt. Anschliessend werden die Trends identifiziert, welche
sich auf den Marketingkanal auswirken.
Schritt 2: Die Branchenanalyse umfasst die Untersuchung von acht Faktoren der
Branchenattraktivität: Bedrohung des Markteintritts, Rivalität unter den
bestehenden Unternehmen, Bedrohung durch Substituten, Verhandlungsmacht
der Abnehmer, Verhandlungsmacht der Lieferanten, Rolle des Staates, komplementäre Produkte, Verhandlungsmacht der Endkonsumenten. Die Dynamik der
Faktoren lässt auf branchenspezifische Trends schliessen.
Schritt 3: Analyse der Trendveränderungen und Ableitung strategischer Chancen
und Gefahren. Die Trends im Marketingkanal und die branchenspezifischen
Trends können in fünf Gruppen von Haupteinflussfaktoren strukturiert werden.
Aus der Wirkung jeder treibenden Kraft werden strategische Chancen und
Gefahren für den Grosshandel abgeleitet.
Die gesetzliche Regelung der Abgabeorte teilt den Marketingkanal für
Medikamente in der Schweiz in zwei Substrukturen: den Marketingkanal für
rezeptpflichtige Medikamente und den Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente. Der Marketingkanal für rezeptpflichtige Medikamente zeichnet sich
durch grössere Umsatzvolumina, höhere Preise, Erstattungsfähigkeit, gesetzliche
Begrenzung der abgabeberechtigten Unternehmen aus. Der Wettbewerb findet
auf der Grosshandels- (zwischen Grosshändlern und spezialisierten Logistikern
und Prewholesalern) und Fachhandelsstufe statt (zwischen Apotheken und
selbstdispensierenden Ärzten). Der Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente
wird durch eine grosse Anzahl Abgabeorte, fehlende Finanzierung seitens des
Gesundheitssystems, freie Preisbildung und sinkende Umsatzvolumina gekennzeichnet. Der Wettbewerb findet vor allem auf der Fachhandelsstufe statt.
Die Pharmagrosshandelsbranche ist durch eine hohe Dynamik sowie stabile bis
sinkende Attraktivität gekennzeichnet. Zu dieser Schlussfolgerung tragen
folgende Faktoren bei:
–
hohe Markteintrittsbarrieren im Vollsortimentsbereich,
–
hohe Rivalität unter den etablierten Vollgrossisten,
–
Dynamik und Zunahme der Substitutionsgefahr,
–
geringe Bedeutung der komplementären Dienstleistungen,
–
hohe Verhandlungsmacht der Pharmaindustrie,
2.3 Zusammenfassung des Kapitels
–
Dynamik und Zunahme der Verhandlungsmacht des Fachhandels,
–
hoher Regulierungsgrad und gleichzeitig Deregulierungsbemühungen,
–
wachsende Verhandlungsmacht der Endkonsumenten.
87
Fünf Haupteinflussfaktoren und die dazugehörenden treibenden Kräfte führen zu
strategischen Chancen und Gefahren für den Pharmagrosshandel. Den grössten
Einfluss hat die gesetzliche Regulierung und Deregulierung, gefolgt durch die
Veränderungen im Konsumentenverhalten, den Outsourcing-Trend in der
Pharmaindustrie, die Konsolidierungsprozesse im Fachhandel mit Medikamenten
und die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.
88
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Im vorherigen Kapitel 2 wurde dargestellt, wie das Markt- und Branchenumfeld
systematisch analysiert werden kann, um eine detaillierte Kenntnis der strategischen Chancen und Gefahren zu gewinnen. Diese ist der erste grundlegende
Baustein bei der Entwicklung Erfolg versprechender Positionierung und
Profilierung. Der zweite Baustein sind die unternehmenseigenen Ressourcen und
Kompetenzen. Wettbewerbsvorteile werden nur dann erlangt, wenn die Positionierung und Profilierung auf Kernkompetenzen basieren.196
Im vorliegenden Kapitel III werden theoretische Überlegungen zur Wertschöpfung und somit zu den Kompetenzen der Grosshandelsunternehmen
dargestellt. Zunächst wird ein Überblick der in der Literatur bestehenden Beiträge, ihrer Erkenntnisse und Defizite gemacht – von den Theorien der Einschaltung über die Marketingkanäle-Theorie bis zur Funktionenlehre. Dann wird
die Besonderheit der Grosshandelswertschöpfung bzw. ihre Zweiseitigkeit,
theoretisch analysiert. Anschliessend wird versucht, die zweiseitigen wertschöpfenden Aktivitäten aus Marketingmanagementsicht so darzustellen, dass im
Kapitel IV die möglichen Wettbewerbsstrategien beschrieben werden können.
Mit der Hilfe der Theorie wird der Raster von Rosenbloom (1987) neu
strukturiert, vervollständigt und in der Form einer zweiseitigen Wertkette
dargestellt. So können anschliessend im Kapitel 4 die Quellen für Wettbewerbsvorteile nach Porter (1985) identifiziert und analysiert werden.
3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der
Literatur
Hinweise auf die Wertschöpfung des Grosshandels finden sich einerseits in der
Antwort auf die Frage, unter welchen Bedingungen der Grosshandel in der
Warendistribution eingeschaltet wird und andererseits in der Erklärung seiner
Rolle in der Wirtschaft. Im Folgenden werden deshalb zum einen die Beiträge
über die Einschaltung des Grosshandels und zum anderen jene über die
Grosshandelsfunktionen dargestellt.
196
Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 25.
3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur
89
3.1.1 Einschaltung des Grosshandels
3.1.1.1 Baligh-Richartz-Effekt und der Transaktionskostenansatz
Der Baligh-Richartz-Effekt ist der Ausgangspunkt zahlreicher theoretischer
Beiträge, welche die Existenz der Handelsbetriebe zu erklären versuchen.197
Dieser Effekt drückt sich in der Reduktion der Kontakte zwischen den vor- und
nachgelagerten Wertschöpfungsstufen und somit in einer Effizienzsteigerung aus
(siehe Abbildung 3.1). Nach Gümpel (1985) kann der Effekt als „die bisher
einzig bekannte logische Struktur, mit der sich die existenzbedingte Ressourcenersparnis von Handelsbetrieben überhaupt erklären lässt“ bezeichnet werden.198
A
H
A
H
A
A
H
A
H
H
A
GH
H
A
A
A
A
Abbildung 3.1: Reduktion der Kontakte zwischen Herstellern (H) und den
Abnehmern (A) dank der Einschaltung des Grosshandels (GH)
Quelle:
Vgl. Müller-Hagedorn/Spork, 2000, S. 254
Das Modell baut auf mehreren Prämissen auf:199
–
alle Hersteller und alle Abnehmer beschäftigen sich mit demselben Produkt,
–
die Gesamtmenge der durch das System abgewickelten Güterflüsse ist
gegeben,
–
das Bestellvolumen, die Kosten und Transportmethode sind gegeben,
197
Eine ausführliche Darstellung des Baligh-Richartz-Effektes und seine Prämissen in Müller-Hagedorn/Spork,
2000.
198
Gümpel, 1985, S. 115.
199
Vgl. Baligh-Richartz, 1964, S. 668f. und Müller-Hagedorn/Spork, 2000, S. 255f.
90
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
–
die Abnehmer streben einen Kontakt mit allen Herstellern an,
–
sowohl Hersteller als auch Abnehmer sind an einer Kontaktereduktion
interessiert,
–
alle Kontakte sind mit den gleichen Kosten verbunden,
–
durch Preisrabatte ermöglichen die Hersteller die Kostendeckung beim
Grosshändler,
–
die Abnehmer zahlen einen Preisaufschlag, um die Kosten des
Grosshändlers zu decken,
–
neue Grosshändler können den Markt betreten und werden zu den
marktüblichen Konditionen durch den Hersteller beliefert,
–
die Abnehmer verteilen ihre Bestellungen gleichmässig unter allen
Grosshändlern und sind an einem Kontakt zu jedem neuen Grosshändler
interessiert.
Erkenntnisse: Der Baligh-Richartz-Effekt und die darauf aufbauenden Überlegungen zur Existenzberechtigung des Grosshandels liefern wertvolle Erkenntnisse. Sowohl der Hersteller als auch der Abnehmer ist in die Geschäftspolitik
der Grosshändler einzubeziehen. Der Grosshändler muss die Entscheidung der
Hersteller und Abnehmer über das direkte oder indirekte Geschäft analysieren.
Kritik: Das Modell weist jedoch Nachteile auf. Der Fokus liegt auf einer reinen
Kostenbetrachtung, wobei die Möglichkeit der Mehrwertschaffung nicht
behandelt wird. Weiterhin fehlen konkrete Hinweise für das Grosshandelsmanagement, wie die Kontaktkosten zu minimieren sind. Der Begriff Kontakt ist auf
Teilaufgaben herunterzubrechen, um detailliertere Gestaltungshinweise abzuleiten. Hilfreiche Raster dazu bieten die Grosshandelsfunktionen.200
Ein grosser Teil der Argumentation für den Baligh-Richartz-Effekt baut auf dem
Transaktionskostenansatz auf, welcher auch oft zur Beweisführung der Existenzberechtigung der Handelsbetriebe herangezogen wird.201 Der Transaktionskostenansatz leitet sich aus dem Begriff der Transaktion ab, welcher den Prozess
der Klärung und Vereinbarung eines Austausches von Leistungen beschreibt.202
Der Ansatz beruht auf der Erkenntnis, dass durch die Inanspruchnahme der
Institution Markt Kosten entstehen: Kosten der Informationssuche, Kosten des
200
Vgl. Müller-Hagedorn/Spork, 2000, S. 260.
201
Vgl. Picot, 1986, S. 2.
202
Vgl. Commons, 1934, S. 4ff.
3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur
91
Vertragsabschlusses, Abwicklungs-, Kontroll- sowie Anpassungskosten.203 Diese
Idee wird von Williamson (1975) in seinem Markt-Hierarchie-Paradigma weiterentwickelt. Demgemäss werden Austauschprozesse am Markt so lange durchgeführt, bis die dadurch entstehenden Kosten so hoch sind, dass ein Austausch
innerhalb des Unternehmens (Hierarchie) kostengünstiger ist.204
Schmid/Freund (1995) lehnen sich an die Transaktionskostentheorie bei der
Ableitung der Determinanten der Einschaltung an. Im Rahmen einer empirischen
Untersuchung von Grosshandelsunternehmen in Deutschland identifizieren sie
einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Determinanten. Zu den einzelwirtschaftlichen Determinanten zählen die Entscheidung der Hersteller über die
Einschaltung des Grosshandels in die Warendistribution, die Vorteilhaftigkeitskriterien und die möglichen Direktvertriebsstrategien. Aus der Sicht des
Herstellers lässt sich die Entscheidung als eine “make-or-buy”-Entscheidung
definieren. Nach der Transaktionskostentheorie wäre eine solche Entscheidung
effizient, wenn die Waren zu den geringstmöglichen Kosten vertrieben
würden.205 Die Einschaltung der Handelsunternehmen ist „unter Effizienzaspekten sinnvoll, wenn hierdurch die Transaktionskosten, die auf dem Weg vom
Hersteller zum Endverbraucher entstehen, gesenkt werden können“.206 Die
zweite Gruppe einzelwirtschaftlicher Determinanten betrifft die Vorteilhaftigkeitskriterien. Eine Übersicht stellt Tabelle 3.1 dar.207
Die dritte Gruppe einzelwirtschaftlicher Determinanten betrifft die Vertriebsstrategien ohne Einschaltung des Grosshandels.208 Der Direktvertrieb betrifft den
Vertrieb durch herstellereigene Handelsbetriebe, herstellereigenen Versandhandel, Werkhandelsunternehmen, unmittelbare Belieferung des Einzelhandels,
Handelstätigkeit des Herstellers durch Zukauf von Handelsware, Kontaktmarketing – vertragliche Einbindung von Handelsunternehmen in die
Vertriebskonzepte der Hersteller.
203
Vgl. Picot/Dietl/Franck, 1999, S. 67.
204
Williamson, 1975.
205
Schmid/Freund, 1995, S. 82.
206
Schmid/Freund, 1995, S. 82.
207
Die Autoren betrachten in Kürze auch Faktoren wie Risikominimierung und strategische Erwägung des
Herstellers (vgl. Schmid/Freund, 1995, S. 92ff).
208
Vgl. Schmid/Freund, 1995, S. 100f.
92
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Vorteilhaftigkeitskriterium
Einschaltung des Grosshandels, wenn ...
Nachfragerspezifität
... standardisierte Produkte vertrieben werden.
Erklärungsbedarf
... technisch komplexe Produkte vertrieben werden
und ausreichende Kenntnisse der Grosshändler
vorhanden sind.
Verbundnachfrage
... Produkt auf die Einordnung in einem Sortiment
angewiesen
... Produkte mit hohem relativem Warenwert
vertrieben werden.
Relativer Warenwert = Preis X Menge je
Zeiteinheit im Verhältnis zum Umsatz des
Herstellers.
Empfindlichkeit der Waren ... Produkte mit mangelnder Lagerfähigkeit
vertrieben werden.
Relativer Warenwert
Je höher die Empfindlichkeit der Waren, desto
grösser die Risiken und die Kosten zu deren
Minimierung.
Zeitliche Struktur von
Angebot und Nachfrage
... Produktionsrhythmen und Nachfragezeitpunkte
auseinanderfallen.
Transportkosten
... Transportkosten hoch sind.
Die Höhe der Transportkosten hängt von der
Anzahl Abnehmer, Grösse des Absatzgebietes,
regionaler Verteilung der Abnehmer, Quantität und
Qualität der Verkehrswege, Regulierung der
Verkehrsmärkte ab.
... keine oder wenig leistungsfähige und kostengünstige Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Produzent und Nachfrager
existieren.
... Produkte mit nicht so hohem Bekanntheitsgrad
(wenig bekannte Markenprodukte) vertrieben
werden.
... Markenprodukte im Markt neu eingeführt werden
oder ein neuer Markt mit bestehenden Produkten
erschlossen wird.
Kommunikationskosten
Marktstellung/
Markttransparenz
Tabelle 3.1:
Übersicht der Vorteilhaftigkeitskriterien
Quelle:
Schmid/Freund, 1995, S. 85–99
3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur
93
Die gesamtwirtschaftlichen Determinanten sind mit der Dynamik bei den Marktpartnern und mit den Implikationen für den Grosshandel verbunden. Sie kann
durch Konzentrationsprozesse209, horizontale Kooperationsformen, Veränderungen in den Wettbewerbsformen, Diversifikationsstrategien und Veränderungen der Unternehmenstypen beeinflusst werden.
Erkenntnisse: Der Transaktionskostenansatz bietet einen erweiterten Einblick in
die Faktoren der Einschaltung des Grosshandels und leistet einen hohen
Erklärungsbeitrag. Die Studie von Schmid/Freund (1995) präsentiert eine detaillierte Analyse dieser Faktoren und bezieht dabei produktspezifische Merkmale,
Ziele und Politik der Hersteller und der Grosshändler, die Dynamik der
Rahmenbedingungen sowie die Wettbewerbssituation ein.
Kritik: Das Hauptproblem des Transaktionskostenansatzes wie beim BalighRichartz-Effekt liegt in der rein kostenorientierten Betrachtung der Austauschprozesse, ohne dass dabei auf die unterschiedlichen Umsatz- und Gewinnmöglichkeiten eingegangen wird.210 Bei Entscheidungen im Rahmen der Marketingpolitik spielen jedoch die Auswirkungen der eingeschlagenen Strategie auf den
Umsatz und auf schwer quantifizierbare Grössen wie Image und Kundenbindung
eine entscheidende Rolle.211
3.1.1.2 Theorie der Marketingkanäle
Die Entstehung von Marketingkanalstrukturen und vor allem die Einschaltung
der auf die Distribution spezialisierten Unternehmen, genannt Intermediäre,
können mit der Hilfe von vier miteinander logisch verbundenen Schritten in
einem Wirtschaftsprozess erklärt werden: 212
“1. Intermediaries arise in the process of exchange because they can improve the
efficiency of the process.
2. Channel intermediaries arise to adjust the discrepancy of assortments through
the performance of sorting processes.
3. Marketing agencies hang together in arrangements to provide for the
routinization of transactions.
4. Channels facilitate the searching process.”
209
Vgl. Schmid/Freund, 1995, S. 149.
210
Vgl. Picot et al., 1999, S. 73.
211
Vgl. Walter, 2003, S. 47.
212
Stern/El-Ansary, 1992, S. 4–9.
94
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Zu den Intermediären zählen die Grosshändler, die Einzelhändler und diverse
unterstützende Institutionen wie Transportunternehmen, Speditionen, Werbeagenturen, Banken etc.
Die Entscheidung über die Einschaltung von Intermediären wird aus der Sicht
der Hersteller als Entscheidung über die Länge des Marketingkanals
betrachtet.213 Bei einer direkten Distribution, oder einem kurzen Kanal ohne
Intermediäre, kann der Hersteller eine bessere Kontrolle über den Distributionsprozess ausüben, aber für diese Tätigkeit werden erhebliche Kapitalinvestitionen,
menschliche Ressourcen und Distributionskompetenzen beansprucht. Neben den
schon erwähnten Vorteilen bei einer Einschaltung von Intermediären, ergeben
sich bei einem langen Marketingkanal eine Reihe Nachteile für den Hersteller,
z.B. geringere Kontrolle über den Produktfluss und über die Preise, unterchiedliche Niveaus der Dienstleistung auf den verschiedenen Marketingkanalstufen und der daraus folgende Koordinationsbedarf.
Stern/El-Ansary (1992) definieren drei wichtige Prinzipien für den Wertschöpfungsprozess im Marketingkanal, welche auf der Arbeit von Bucklin
(1952) basieren214:
“1. One can eliminate or substitute institutions in the channel arrangement.
2. However, the functions these institutions perform cannot be eliminated.
3. When institutions are eliminated, their functions are shifted either forward or
backward in the channel and, therefore, are assumed by other members.”
Das Phänomen der Funktionenverschiebung vom Hersteller zu den
Grosshändlern basiert auf grundlegenden ökonomischen Kräften, wie z.B. auf
der Spezialisierung, welche die Ausführung der Marketingfunktionen zu den
effizientesten Teilnehmern im Marketingkanal verschiebt.215 So können die
Hersteller Ersparnisse realisieren, da der Grosshändler die Fixkosten auf die
Produkte von mehreren Herstellern verteilen kann. Eine Antwort auf die Frage
der Funktionenverschiebung zugunsten des Grosshandels und somit auf die Frage
der Einschaltung ist in den Faktoren zu finden, welche die Entscheidung über die
Länge im Speziellen und über die Struktur des Marketingkanals im Allgemeinen
213
Vgl. Berman, 1996, S. 481f.
214
Vgl. Stern/El-Ansary, 1992, S. 11 und Bucklin, 1965, S. 26–29.
215
Vgl. Rosenbloom, 1987, S. 2, Berman, 1996, S. 14 und Mallen, 1973, S. 18–25.
3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur
95
beeinflussen.216 Tabelle 3.2 stellt die Faktoren aus der Sicht des Herstellers und
aus der Sicht des Abnehmers in der Form von Heuristiken zusammen.
Die spezifischen Umwelt- und Verhaltensvariablen beeinflussen die Veränderungen in der vertikalen Wertschöpfungskette am stärksten217 und haben einen
situativen Charakter. Unter den Umweltvariablen spielen die Wettbewerbsvariablen die entscheidende Rolle.218
Aus den Punkten 1, 3 und 6 der Tabelle 3.2 ist ersichtlich, wie eng die
Branchenstrukturen auf der Hersteller- und Abnehmerseite mit der Nachfrage
nach den Grosshandelsfunktionen verbunden sind. Die Marktabdeckung, der
Vertriebskontakt, die Bestellabwicklung und Spezialdienstleistungen werden
vom Hersteller nachgefragt, wenn seine Kundenstruktur sehr fragmentiert ist. Bei
einem hohen Konzentrationsgrad kann der Hersteller einen Teil der
Grosshandelsfunktionen selbst übernehmen. Eine hohe Verhandlungsmacht des
Herstellers und des Einzelhandels kann durch eine Verschiebung der Funktionen
zulasten des Grosshandels zu einer neuen Gestaltung des Marketingkanals
führen.
Eine hohe Konzentration auf der Abnehmerseite ist mit grösseren finanziellen
Möglichkeiten verbunden, was zum Beispiel zu einer niedrigen Nachfrage nach
der Kredit- und Finanzierungsfunktion führen kann. Bei einer grossen
Verhandlungsmacht und hoher Marktkompetenz seitens der Kunden besteht die
Gefahr, dass diese selbst die Sortimentsbildung und die Sicherstellung der
Produktverfügbarkeit übernehmen, indem sie direkt die Hersteller kontaktieren
oder rückwärts integrieren.
216
Zusammengefasst durch Berman, 1996, S. 488, für die mit Sternchen vermerkten Faktoren vgl. Rosenbloom,
1999, S. 212–219.
217
Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 218, Rosenbloom/Mollekopf, 1993, S. 88. und Maltz/Maltz, 1998, S. 103–129.
218
Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 90f., Redmond, 1993, S. 121 und Kapitel 2 dieser Dissertation.
96
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Nachfrage der Hersteller nach der
Grosshandelsleistung, wenn ...
Nachfrage der Einzelhändler nach
der Grosshandelsleistung, wenn ...
1. Charakteristika Absatzmarkt
Grosse Anzahl Kunden
Grosse geografische Entfernung zum
Absatzmarkt
Niedrige Kundendichte
Kunden kaufen saisonal ein
Kleine durchschnittliche Bestellmenge
2. Charakteristika der Produkte
Niedrige Volumen und Gewichte
Kurze Verbrauchsdauer
Niedriger Wert pro Einheit
Hohe Standardisierung
Niedrige technische Komplexität
3. Charakteristika der Hersteller
Kleine Unternehmensgrösse
Kleine Finanzkapazität
Kleines Bedürfnis nach Kontrolle
Wenig Managementerfahrung
Wenig Kenntnisse über die Kunden
Situative Ziele und Strategien
4. Charakteristika des Grosshändlers
Existenz adäquater der Herstellerbedürfnisse Grosshändler
Niedriger Preis der Grosshandelsleistung
Hohe Qualität der
Grosshandelsleistung
5. Situative Umweltfaktoren
1. Charakteristika Beschaffungsmarkt
Grosse Anzahl Hersteller
Grosse geografische Entfernung zum
Beschaffungsmarkt
Niedrige Dichte der Hersteller
Kunden kaufen saisonal ein
Kleine durchschnittliche Bestellmenge
2. Charakteristika der Produkte
Niedrige Volumen und Gewichte
Kurze Verbrauchsdauer
Niedriger Wert pro Einheit
Hohe Standardisierung
Niedrige technische Komplexität
3. Charakteristika der Kunden
Kleine Unternehmensgrösse
Kleine Finanzkapazität
Kleines Bedürfnis nach Kontrolle
Wenig Managementerfahrung
Wenig Kenntnisse über die Kunden
Situative Ziele und Strategien *
4. Charakteristika des Grosshändlers
Existenz adäquater der Einzelhandelsbedürfnisse Grosshändler
Niedriger Preis der Grosshandelsleistung
Hohe Qualität der Grosshandelsleistung
5. Situative Umweltfaktoren
Gesamtwirtschaftliche und
Gesamtwirtschaftliche und
soziokulturelle Faktoren, Wettbewerb, soziokulturelle Faktoren, Wettbewerb,
Technologie, staatliche Politik
Technologie, staatliche Politik
6. Situative Verhaltensfaktoren
6. Situative Verhaltensfaktoren
Macht, Rollen und Kommunikation im Macht, Rollen und Kommunikation im
Marketingkanal
Marketingkanal
Tabelle 3.2:
Faktoren der Nachfrage nach Grosshandelsfunktionen
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Berman, 1996, S. 488,
Rosenbloom, 1999, S. 212–219
3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur
97
Erkenntnisse: Zum ersten Mal werden als Determinanten der Einschaltung auch
situative Umfeld-, Wettbewerbs- und Verhaltensfaktoren einbezogen. Im Vergleich zu den schon vorgestellten Beiträgen, in denen der Grosshandel fast
ausschliesslich aufgrund externer und schwierig beeinflussbarer Faktoren
eingeschaltet werden konnte, wird hier ein wettbewerbsfähiger Grosshändler mit
einer klaren Strategie als Faktor erwähnt. Die Zweiseitigkeit wird durch die
gleichwertige Betrachtung der Hersteller- und Einzelhandelsseite angedeutet.
Kritik: Wie bei der Transaktionskostentheorie stehen mehrheitlich die Kosten im
Vordergrund. Trotz der Betrachtung der ganzen Wertschöpfungskette bietet
dieser Ansatz auch keine konkreten Gestaltungshinweise für die Marketingmanagementpolitik des Grosshandelsunternehmens.
3.1.2 Die Grosshandelsfunktionen
Konkrete Hinweise für die Gestaltung der Grosshandelsleistung bieten die
Grosshandelsfunktionen. Nach Müller-Hagedorn (1990) wird deren Auflistung in
der Literatur zur Erklärung von drei unterschiedlichen handelsspezifischen
Problemen eingesetzt. Erstens werden dadurch die Produktivitäten und die
Existenzberechtigung des Handels erklärt. Zweitens werden Ideen für
Leistungsfelder gewonnen. Drittens werden davon absatzpolitische Instrumente
abgeleitet.219
Um die Rolle des Grosshandels zu durchleuchten, ist es erforderlich, zwischen
der fundamentalen wirtschaftlichen Funktion des Grosshandels und den spezifischen Grosshandelsfunktionen auf betriebswirtschaftlicher Ebene zu unterscheiden. Nach Seyffert (1951) beschreibt die fundamentale Grosshandelsfunktion die Rolle des Grosshandels innerhalb den gesamtwirtschaftlichen
Aktivitäten. Die spezifischen Funktionen erlauben eine weitere Fokussierung
dieser fundamentalen Funktion und stellen die tatsächlichen Aktivitäten der
Grosshandelsunternehmen dar. Nach Van Dalen (1982) können diese Funktionen
durch spezialisierte Unternehmen übernommen werden; deshalb könne keine
dieser Funktionen als typisch für den Grosshandel charakterisiert werden.
Die fundamentale Funktion des Grosshandels liegt darin, die Bedingungen, unter
denen der Hersteller bereit ist zu verkaufen, in die Bedingungen, unter denen der
Abnehmer bereit ist zu kaufen, zu transformieren. “The wholesaler’s functions
are shaped by the vast economic task of coordinating production and
consumption, or in Anderson’s words, of matching heterogeneous demands for
219
Vgl. Müller-Hagedorn, 1998, S. 110.
98
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
assortments at various levels within distribution. Thus, wholesalers aid in
bridging the gap between periods and places in which the goods are produced
and those in which they are consumed or used.”220 Die eigentliche
Existenzberechtigung des Grosshandels liegt in den wertschöpfenden Funktionen, die er zugunsten der Hersteller und der Abnehmer wahrnimmt. “His
economic justification is based on just what it is that he can do for his clientele
[...]”.221 “Production in the wholesale trade may thus be characterized as order
transformation in the same way as production in manufacturing may be defined
as the transformation of materials.”222
Tietz (1993) weist auf die intensive literarische Behandlung hin, welche die
Wertschöpfung des Grosshandels auf der Grundlage der spezifischen Funktionen
erfahren hat.
Nach Oberparleiter (1930) kennzeichnet eine Handelsfunktion oder die Handelsleistung die Überwindung von Unterschieden, und zwar räumlicher, zeitlicher,
quantitativer, qualitativer, kapitalmässiger und physischer Art.223 Er unterscheidet zwischen räumlichen, zeitlichen, Quantitäts-, Qualitäts-, Kredit- und
Werbefunktionen. Drei Merkmale sind für die Handelsfunktion charakteristisch.
Erstens hat sie „mit Wertungsunterschieden geladene Spannungen auszugleichen,
wie sie im Raum, in der Zeit, an Bedarfsmengen und Bedarfsarten bestehen, aber
auch in der Verfügungsmacht an den Gegenwerten und in der willensbedingten
Bereitschaft zum Tauschakt“.224 Zweitens ist der logische Funktionsbegriff mit
einer eigenen Wertschöpfung verbunden. Drittens zeigt die betriebliche Erscheinungswelt des Handels die Bildung von Sonder- und Spezialtypen bei vordringlichem Anteil der einen oder der anderen der Funktionen.225 Im Weiteren stellt
Oberparleiter differenziert die Risiken bei jeder Handelsleistung und deren
Auswirkungen auf den Ertrag des Handelsunternehmens dar.
In Anlehnung an die Arbeit von Operparleiter entwickelt Seÿffert (1955) ein
System der Handelsfunktionen (siehe Tabelle 3.3). Die Handelstätigkeit ist auf
die Überbrückungsanforderungen der Beschaffungs- und Absatzpartner auszurichten. Der Ausdruck dieser Anforderungen sind die Handelsfunktionen, d.h. die
Aufgaben, welche die Handelstätigkeit zu erfüllen hat. Jede Handelsart hat die
220
Stern/El-Ansary, 1992, S. 107f.
221
ebenda.
222
Van Dalen, 1982, S. 23.
223
Vgl. Oberparleiter, 1930, S. 8.
224
Tietz, 1993, S. 12.
225
ebenda.
3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur
99
ihr eigentümliche Kombination von Funktionen. Die Übernahme jeder Handelsfunktion ist mit einem Risiko verbunden. Die Bedeutung der einzelnen
Funktionen wird durch die Risiken bestimmt.226
Dimension
Handelsfunktion
Überbrückungsfunktionen
Räumliche
Transportfunktion
Zeitliche
Lagerfunktion (dem Abnehmer gegenüber)
Vordispositionsfunktion (dem Hersteller gegenüber)
Kreditfunktion (Finanzierung des Handelsvorgangs
für Hersteller und Abnehmer)
Preisliche
Ausgleich von Wertschätzungsdifferenzen
Warenfunktionen
Quantitätsfunktion
Ausgleich von Mengenunterschieden = Funktion des
Sammelns und des Teilens
Qualitätsfunktion
Manipulationsfunktion, Sortimentmehrung und verminderung
Sortimentsfunktion
Sowohl zugunsten der Hersteller als auch der
Abnehmer, verbunden mit den Makleraufgaben
Funktionen des
Makleramtes
Markterschliessungsfunktion
Werbefunktion: Markt suchen und Markt finden
Interessenwahrungs- und
Beratungsfunktion
zugunsten Hersteller und Abnehmer
Tabelle 3.3:
Überbrückungsdimensionen und Grosshandelsfunktionen nach
Seÿffert
Quelle:
Seÿffert, 1972, S. 8f.
Sundhoff (1965) betont den immateriellen Charakter der Handelsfunktionen, d.h.
sie können als Dienstleistungen betrachtet werden.227 Der gesamtwirtschaftliche
Wertschöpfungsbeitrag des Handels wird mit der Hilfe der so genannten
transpositorischen Grundfunktionen erbracht (siehe Tabelle 3.4).
226
Vgl. Seÿffert, 1972, S. 11
227
Vgl. Barth, 1999, S. 25
100
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Transpositorische Funktion
Sachgüterumgruppierungsfunktionen
Bedarfsanpassungsfunktionen
Marktausgleichsfunktionen
Sachgüteraufbereitungsfunktionen
Handelsfunktion
– Sortimentsfunktionen: produkt- und
konsumorientierte Sortimentsbildung
– Quantitätsfunktionen: Sachgütersammlung
und -verteilung
– Überbrückungsfunktionen: Raum und Zeit
– Sicherungsfunktionen: Objekt und Subjekt
– Markterschliessung: Marktuntersuchung und
-beeinflussung
– Umsatzdurchführungsfunktion:
Umsatzakquisition und -abwicklung
– Qualitätsfunktion: Sortierung und Mischung
– Vollendungsfunktion: Manipulation, Montage
und Wartung
Tabelle 3.4:
Transpositorische Funktionen des Handels nach Sundhoff
Quelle:
vgl. Barth, 1999, S. 29
Die Funktionen des Grosshandels im Speziellen werden in ihrer zweiseitigen
Komplexität zum ersten Mal von Rosenbloom (1987) beschrieben. “The only real
product the wholesale-distributors sale is the service inherent in the performance
of marketing functions.”228 Die Grosshändler sind oft besser bei der Ausführung
von einzelnen Marketingfunktionen, da sie durch Skaleneffekte Kostenvorteile
und durch Spezialisierung überdurchschnittliche Qualität erzielen können. Diese
Marketingfunktionen sind das Hauptprodukt aus der Grosshandelstätigkeit.
Rosenbloom (1987) definiert 12 Grosshandelsfunktionen, von denen je 6
zugunsten des Herstellers und des Abnehmers ausgeführt werden (siehe
Abbildung 3.2).
Das Raster der Marketingfunktionen ist zweiseitig, spiegelartig und eng untereinander verknüpft. Zwischen den sechs Marketingfunktionen für die Hersteller
und den sechs Marketingfunktionen für die Einzelhändler bestehen Verbindungen. Zum Beispiel sind die Funktionen Marktabdeckung, Lagerhaltung und
Bestellabwicklung für die Hersteller gleichzeitig die Sicherung der Produktverfügbarkeit und die Feinverteilung für den Einzelhandel. Die Abdeckung des
Absatzmarktverhaltens (Funktion Marktabdeckung) und die Kauf- und Verkaufskompetenz (Funktion Vertriebskontakt) für die Hersteller sind die Voraussetzungen für die Bildung kundengerechter Sortimente für den Einzelhandel. Die
228
Rosenbloom, 1987, S. 2
3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur
101
Kennzahlen, Auswertungen und anderen Marktinformationen bilden nicht nur die
abgewickelten Bestellungen ab, sondern sind ein Teil der Marketingkompetenz
des Grosshändlers, Herstellern und Einzelhändlern kompetente Beratung und
Managementunterstützung anzubieten.
Wertschöpfung des
Grosshandelsunternehmens
gegenüber dem Hersteller
Wertschöpfung des
Grosshandelsunternehmens
gegenüber dem Einzelhandel
Marktabdeckung
Produktverfügbarkeit
Vertriebskontakt
Sortimentsbildung
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Mehrwert
zugunsten
zwei Seiten
Feinverteilung
Kredit+Finanzierung
Marktinformation
Kundenservice
Kundensupport
Beratung und
technische Unterstützung
Abbildung 3.2: Wertschöpfung der Grosshandelsunternehmen durch die
Ausführung der Marketingfunktionen
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Rosenbloom, 1987, S. 26
Durch ihr spezifisches Wissen und ihre Erfahrung profilieren sich die Grosshändler als Distributionsspezialisten. “The performance of each or all of these
marketing functions results in value added to distribution for both manufacturers
and customers.”229 Wie in anderen Dienstleistungsbranchen sind sie mit der
Schwierigkeit konfrontiert, den geschaffenen Mehrwert zu kommunizieren. “[...]
the common focus of your business (e.g. wholesaler’s) should be solving
distribution problems for suppliers and customers through superior knowledge
and capabilities in performing marketing functions.”230
Eine weitere Bestätigung der Zweiseitigkeit findet sich in der Aufstellung der
Anforderungen der Hersteller und Einzelhändler an die Grosshandelsleistung, die
McKalley (1992) präsentiert. “As a company between the supply source und the
retailer, the wholesaler must satisfy unique marketing channel requirements in
two directions, down to the retailer und up to the manufacturer […]”.231 Der
229
Rosenbloom, 1987, S. 3.
230
Rosenbloom, 1987, S. 6.
231
McKalley, 1992, S. 20.
102
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Autor spricht nicht explizit über die Handelsfunktionen, sondern listet die
Bedürfnisanforderungen auf, welche die vor- und nachgelagerte Stufe an den
Grosshandel stellen (siehe Abbildung 3.3).
Erwartungen der Hersteller an
die Grosshandelsleistung
Erwartungen der Einzelhändler an
die Grosshandelsleistung
Lagerhaltung/Transport
Lieferung
Marktabdeckung
Auswahl Produkte-Mix
Kauffähigkeiten
Produktverfügbarkeit
Verkaufsfähigkeiten
Kompetitive Preise
Finanzkraft
Kreditkonditionen
Managementfähigkeiten
Managementberatung
Operative Programme
Bestellabwicklung
Feinverteilung
Sortimentssammlung
Werbeunterstützung
Richtige Informationen
Kompetitive
Werbeprogramme
Schulung
Schulung
Technische Fähigkeiten
Technische Leistungen
Recht/Compliance
Recht/Compliance
Abbildung 3.3: Gegenseitig abhängige Erwartungen (interdependent
expectations) der Hersteller und Einzelhändler an die
Grosshandelsleistung
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an McKalley, 1992, S. 21
Nach Kotler/Bliemel (2001) bringen die Grosshandelsunternehmen Vorteile in
der Warendistribution, wenn sie bestimmte Funktionen wirtschaftlicher wahrnehmen können.232 Dabei werden diese Funktionen sowohl zugunsten der
Hersteller als auch zugunsten der Abnehmer ausgeführt:
–
Verkauf und Absatzförderung (zugunsten Hersteller)
–
Einkaufserleichterung durch Sortimentszusammenstellung (zugunsten
Abnehmer)
232
Vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 1155.
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
–
Mengenauflösung (für beide)
–
Lagerhaltung (für beide)
–
Transport (für beide)
–
Finanzierung (für beide)
–
Risikoübernahme (für beide)
–
Bereitstellung von Marktinformationen (für alle)
–
Betriebsschulung und Beratung (für beide)
103
Im Fazit lassen sich folgende Charakteristika der Grosshandelsfunktionen
definieren:
– beschreiben die Überwindung von Unterschieden;
– sind mit einer Wertschöpfung verbunden;
– ihre Bedeutung wird durch die bei der Ausführung entstehenden Risiken
bestimmt;
– können als Dienstleistungen betrachtet werden;
– werden sowohl zugunsten der Hersteller als auch zugunsten der Abnehmer
ausgeführt, d.h. sie haben einen zweiseitigen Charakter;
– der Fokus auf eine oder mehrere Funktionen bestimmt den Betriebstyp (oder
die Grosshandelspositionierung).233
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
3.2.1 Zweiseitige oder zweistufige Wertschöpfungskette?
Es stellt sich die Frage, ob die Wertschöpfung des Grosshandels zweiseitig oder
zweistufig ist. Das Wort „zweiseitig“ (englisch „dual“) bedeutet auf zwei
Seiten234 und impliziert die gleichzeitige, kombinierte Berücksichtigung zweier
Perspektiven. So wird es auch in der Strategie und Marketingliteratur angewendet, wie z.B. zweiseitige Kernkompetenzen wie Markt- und Technologieorientierung235, zweiseitiger Strategiefokus auf Differenzierung und Effizienz236,
Zweikanalstrategien237, zweiseitige Orientierung von Geschäftseinheiten238 etc.
233
Auf diesen Punkt wird detailliert im Kapitel 4 eingegangen.
234
Wahrig Deutsches Wörterbuch.
235
Vgl. Ritter/Gemunden, 2004.
104
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Das Wort „zweistufig“ bedeutet „mit zwei Stufen versehen“ 239 (englisch „twolevel“), d.h. die Erlangung der zweiten Stufe bedingt das Erreichen der ersten
Stufe. Das Wort impliziert sowohl Hierarchie als auch zeitliche Reihenfolge der
einzelnen Stufen. Auch für diesen Begriff finden sich Beispiele in der Marketingliteratur, wie zweistufige Distributionskanäle240 oder die von Hochuli (1994)
beschriebene zweistufige Positionierung und Profilierung im Grosshandel –
zunächst des Unternehmens und dann der Produkte.241
Die Ausführungen von Rosenbloom (1987), McKalley (1992) und Kotler/
Bliemel (2001) sowie die vorher vorgestellten Theorien deuten auf eine vorwiegend zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels hin. Die zweistufige Wertschöpfung ist auch möglich.242 Dabei sind die Grosshandelsaktivitäten auf einen
spezifischen Marktsegment ausgerichtet oder ein räumlich beschränkter Absatzmarkt wird intensiv bearbeitet. Im ersten Fall werden im Markt Nischen gesucht,
wie z.B. die Zielgruppe Arzt. Im zweiten Fall werden die Kunden in räumlicher
Näher intensiver betreut und eine regionale Partnerschaft wird angestrebt, z.B.
die Ausrichtung an die Apotheken und Drogerien in der Ostschweiz. „Auf der
Beschaffungsseite ergeben sich entsprechend – jedoch nicht unbedingt parallel
mit der jeweiligen Lösung am Absatzmarkt – ein weltweiter Einkauf, teilweise
mit wenig intensiven Lieferantenbeziehungen, oder die starke Bindung an einen
oder wenige Beschaffungspartner.“243
3.2.2 Zweiseitige Wertschöpfungsbündel
Die primären wertschöpfenden Aktivitäten in der Wertkette des Grosshändlers
entsprechen den übernommenen Marketingfunktionen. Einerseits wird durch die
Ausführung jeder Marketingfunktion Wert geschaffen. Andererseits ist jede
Marketingfunktion mit einer Kompetenz verbunden. Die im Abschnitt 3.1.2
beschriebene Zweiseitigkeit der Marketingfunktionen lässt sich somit auf die
Wertschöpfung des Grosshandels übertragen. Die folgende Analyse wird mit
dem Ziel durchgeführt, die zweiseitige Wertschöpfung und somit die Kompe-
236
Vgl. Johnson, 2004.
237
Vgl. Gabrielsson/Kirpalani/Luostarinen, 2002.
238
Vgl. Wright/Kroll/Pray/Lado, 1995.
239
Wahrig Deutsches Wörterbuch.
240
Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 23.
241
Vgl. Hochuli, 1994, S. 215.
242
Vgl. Tietz, 1993, S. 43.
243
Tietz, 1993, S. 43.
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
105
tenzen des Grosshandels transparent und nachvollziehbar darzustellen.
“Wholesale-distributors will [...] need to focus increasing attention on their
capabilities for providing customer service levels that make their presence in the
marketing channel a vital one and their absence a conspicious one.”244
3.2.2.1 Aufteilung der Marketingkanalaufgaben
Das Marketingkanalkonzept basiert auf der Annahme, dass zwei Hauptgruppen
von Aufgaben zu erledigen sind. Die erste Gruppe ist mit dem Aufbau eines
Systems der physischen Distribution verbunden und die zweite mit dem
Management der Marketingziele bezogen auf Produkte, Preise, Programme und
Personal.245 “All the marketing planning and channel actions take place with the
four elements of the marketing mix […] product source, marketing programms,
price management, motivate people in the channel to perform their functions […]
The physical distribution activities are integrated into marketing planning and
channel management to ensure the provision of the physical distribution
activities needed to support the marketing goals.”246 Tabelle 3.5 veranschaulicht
die zahlreichen Aktivitäten im Rahmen der physischen Distribution.
Diese Aktivitäten basieren auf der logistischen Kompetenz des Grosshandels.
Dabei ist ersichtlich, dass es sich um Aktivitäten für den Hersteller und für den
Abnehmer handelt.
Stern et al. (1996)
Rosenbloom (1999)
McKalley (1992)
Transport
Lagerhaltung
Kontrolle der
Lagerbestände
Be-, Um- und Entladen
Bestellabwicklung
Kundenservice
Verpackung
Ersatzteile und Service
Beschaffung
Retouren
Transport
Lagerhaltung
Kontrolle der
Lagerbestände
Be-, Um- und Entladen
Bestellabwicklung
Verpackung
Transport
Lagerhaltung
Kontrolle der
Lagerbestände
Produkteingang
Bestellabwicklung
Feinverteilung
Kundenservice
Verpackung und
Transportverpackung
Retouren und Ersatz
244
Rosenbloom/Mollenkopf, 1993, S. 87.
245
Vgl. McKalley, 1992, S. 9.
246
ebenda.
106
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Stern et al. (1996)
Gebrauchtwarenlogistik
Prognosen über die
Nachfrage
Distributionskommunikation
Rosenbloom (1999)
McKalley (1992)
Order tracing
Sortimentsbildung
Reklamationen
Statistiken
Tabelle 3.5
Komponenten der physischen Distribution
Quelle:
eigene Zusammenstellung in Anlehnung an Stern et al., 1996,
S. 145, Rosenbloom, 1999, S. 404, McKalley, 1992, S. 44
Die Marketingtätigkeiten entsprechen dem Einsatz der Marketing-MixInstrumente Produkt, Preis und Promotion. Sie sind mit der Marketingkompetenz
des Grosshandels verbunden und werden im Rahmen von Marketingprogrammen
zusammengefasst.247 Die Vertriebsprogramme für den Hersteller enthalten die
Produktpalette, Produktpreise, Zahlungs- und Lieferkonditionen, Rabattsysteme,
Werbeaktivitäten. Die Einkaufsprogramme der Abnehmer sind erweiterte
Vertriebsprogramme auf der Beschaffungsseite oder werden selbst entwickelt
und enthalten zusätzlich Verkaufsunterstützung für den Einzelhändler. Die
Werbeprogramme sind separat vom Ein- und Verkauf und werden sowohl für die
Hersteller als auch für den Einzelhandel entwickelt. Sie enthalten neben Produktund Unternehmenswerbung auch die Imagebildung, Pflege der Handelsbeziehungen, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
In der Theorie über den Marketingkanal werden die Finanzierungsaktivitäten
teilweise im Bereich der physischen Distribution und teilweise im Bereich der
Marketingaktivitäten behandelt. Durch die Lagerhaltung werden die Hersteller
und Einzelhändler finanziell entlastet und müssen kein Risiko für nicht verkaufte
Waren tragen. Die Zahlungskonditionen weisen auf eventuell vorhandene
Kreditlinien für Hersteller und Einzelhändler hin.
Dieser Aufteilung entsprechen auch die drei Kategorien von Kanalkosten, welche
vom Grosshandel übernommen werden:248
1. Physische Distribution: Auftragsakquisition, Bestellabwicklung, Transport,
physische Ent-, Um- und Beladung, Lagerhaltung
2. Kundenkommunikation: Einkauf, Vertrieb, Werbung, Marketing, Messen
247
Vgl. McKalley, 1992, S. 188f.
248
Vgl. Berman, 1996, S. 31.
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
107
3. Übernahme finanzieller Risiken: Kreditierung, Finanzierung der
Lagerbestände, Papierfluss verbunden mit der Verrechnung und Forderungen
Die drei Hauptgruppen von Aufgaben im Marketingkanal – physische
Distribution, Marketing und Finanzierung – lassen die Grosshandelsfunktionen in
zweiseitigen Wertschöpfungsbündeln gruppieren. Basierend auf dem Raster der
Marketingfunktionen von Rosenbloom (1987) ist jedes Bündel zweiseitig, d.h. es
enthält Aufgaben sowohl für den Hersteller als auch für den Einzelhandel. Jedes
Bündel ist aber auch mit einer Kernkompetenz des Grosshändlers verbunden: des
Warendistributors, des Marketingintermediärs und des Finanzierers. Indem die
Aufteilung nach den Instrumenten im Marketing-Mix erfolgt, erleichtert sie im
zweiten Schritt die Identifizierung möglicher Profilierungsinstrumente.
3.2.2.2 Logistische Dienstleistungen
Das zweiseitige Wertschöpfungsbündel „Logistische Dienstleistungen“
beschreibt die traditionelle Rolle des Grosshandels als Warendistributor
(Abbildung 3.4). Für die Herstellerkunden werden Marktabdeckung, Lagerhaltung, Bestellabwicklung, Spezialdienstleistungen und Beratung angeboten.
Wertschöpfung
für die Herstellerkunden
Marktabdeckung –
geografische,
Volumen, Vielfalt
Wertschöpfung
für die Einzelhandelskunden
Produktverfügbarkeit
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Logistische
Dienstleistungen
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Beratung
Logistikmanagement
Beratung
Logistikmanagement
Abbildung 3.4: Wertschöpfungsbündel „logistische Dienstleistungen“
Quelle:
eigene Darstellung
Marktabdeckung – geografisch und in Bezug auf Volumen und Vielfalt
Die physische Distribution enthält die drei Dimensionen der Marktabdeckung
nach Geografie, Grösse und Vielfalt. Die geografische Abdeckung ist mit der
realen Distanz zwischen dem Hersteller und den Absatzmärkten für seine
Produkte verbunden. Das Volumen richtet sich nach der Höhe der Marktnachfrage und der Fähigkeit, die richtige Menge Produkte auf den Markt zu
108
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
bringen. Die Vielfalt bezieht sich auf die Fähigkeit, verschiedene Kundensegmente mit Produktsortimenten in der richtigen Breite und Tiefe zu versorgen.
Aufgrund der hohen Komplexität und der beträchtlichen Kosten werden diese
Aufgaben an den Grosshändler delegiert. Durch die geografische Nähe zum
Absatzmarkt und die Lagerhaltungskompetenz können die Grosshändler diese
Marketingfunktion kostengünstiger und qualitativ besser ausführen.
Lagerhaltung
Die Lagerhaltung ist eine zentrale logistische Funktion. Die Übertragung des
Eigentums an der Ware ist mit finanziellen, physischen (Warenverlust) und
Marktrisiken verbunden. Der Produkteingang, die produktgerechte Lagerung, das
Be-, Um- und Entladen der Ware sind kostspielige Tätigkeiten, die bis zu 25%
vom Warenwert erreichen können.249 Inzwischen sind sie in vielen Grosshandelsbranchen vollständig automatisiert. Durch die Übernahme dieser Funktion
werden die Absatzrisiken minimiert und die Kosten für den Unterhalt eigener
Lagereinrichtungen für den Hersteller eingespart. Durch den Kauf in Grossmengen in vereinbarten Zeiträumen erleichtern die Grosshändler die Produktionsplanung. Je nach vertraglicher Vereinbarung kann diese Dienstleistung auch
den Transport ex factory einschliessen.
Bestellabwicklung
Die Grosshändler sind darauf spezialisiert, täglich eine grosse Anzahl von
Bestellungen in verschiedenen Grössen für verschiedene Kunden abzuwickeln.
Wenn sie beim Hersteller gross einkaufen und anschliessend in kleineren
Mengen an zahlreiche Kunden verkaufen, dann minimieren sie die Abwicklungskosten für den Hersteller und erleichtern seine Produktionsplanung.
Spezialdienstleistungen
Das Angebot spezieller Dienstleistungen wie Abwicklung von Retouren, Reklamationen und Ersatz defekter Produkte minimiert weitere Kosten für die
Hersteller und erhöht den Warenwert für den Einzelhandel. In technischen Grosshandelsbranchen zählen dazu auch Reparaturen, Installationen, Montage und
technische Unterstützung.
Beratung Logistikmanagement
Die hohe Logistikkompetenz des Grosshandels erlaubt das Angebot von
Beratungsdienstleistungen wie Lagercontrolling und -buchhaltung, rechtliche
Beratung, Erstellung von Lager- und Bestellungsstatistiken.
249
Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 406.
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
109
Für den Einzelhandelskunden werden Produktverfügbarkeit, Feinverteilung inkl.
Lagerhaltung und Bestellabwicklung, Spezial- und Beratungsdienstleistungen
angeboten.
Produktverfügbarkeit
Die Produktverfügbarkeit ist das Angebot der richtigen Produkte in der richtigen
Menge am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt. Das Bedürfnis des Einzelhandels nach einem effizienten Lagermanagement hat zu einer Aufwertung
dieser Funktion geführt. Durch die Kundennähe und die Sensibilität für die
Kundenbedürfnisse ist der Grosshändler imstande, ein sehr hohes Niveau der
Produktverfügbarkeit anzubieten.
Feinverteilung
Für die Einzelhandelskunden, die in kleinen Mengen einkaufen und oft bestellen,
ist die Feinverteilung eine weitere wertvolle Grosshandelsfunktion. So müssen
sie nur jene Mengen kaufen, die sie kurzfristig brauchen. Die Feinverteilung
schliesst die Warendisposition, die Bestellabwicklung, die Kommissionierung
und Verpackung, den Warenausgang, den Transport und die Lieferung kleiner
Mengen ein. Die Funktion kann erweitert werden, wenn der Grosshändler auch
den Wareneingang und die Lagerhaltung beim Einzelhändler übernimmt.
Spezialdienstleistungen
Neben der Abwicklung von Retouren, Reklamationen und dem Ersatz defekter
Produkte bietet der Grosshändler auch spezielle Lieferungen ausserhalb der
schon vereinbarten Konditionen, Tiefkühlservice sowie Garantieübernahme an.
In den technischen Grosshandelsbranchen werden Reparaturen und technische
Unterstützung angeboten.
Beratung Logistikmanagement
Die Beratungsdienstleistungen im Bereich des Logistikmanagements, die der
Grosshändler für die Hersteller erbringt, sind auch für die Einzelhändler von
grosser Wichtigkeit. Neben der Lagerbewirtschaftung kann der Grosshändler
auch computergestützte Logistiksysteme für die Einzelhandelskunden entwickeln
und implementieren.
3.2.2.3 Marketingdienstleistungen
Durch das Wertschöpfungsbündel „Marketingdienstleistungen“ wird die Rolle
des Grosshandels als Marketingintermediär beschrieben (Abbildung 3.5). Für die
Herstellerkunden werden die Abdeckung des Marktverhaltens, Sortimentsaufbereitung, Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen, Werbeunterstützung und
Marketingmanagementberatung angeboten.
110
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Wertschöpfung
für die Herstellerkunden
Wertschöpfung
für die Einzelhandelskunden
Abdeckung des
Marktverhaltens
Sortimentsbildung und
Produktion
Sortimentsaufbereitung
Sortimentsaufbereitung
Vertriebskontakt und
Vertriebskonditionen
Marketingdienstleistungen
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Werbeunterstützung
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Marketingmanagementberatung
Abbildung 3.5: Wertschöpfungsbündel „Marketingdienstleistungen“
Quelle:
eigene Darstellung
Abdeckung des Marktverhaltens
Die Abdeckung des Marktverhaltens beruht auf der Marktforschungs- und
Marktanalysekompetenz des Grosshandels. Als Aussendienst der Hersteller kann
er analysieren, wie und wann die Einzelhandelskunden und indirekt die Endkonsumenten kaufen sowie welche Ziele und Einflussfaktoren das Buying Center
im Einzelhandel bewegen. Diese Informationen können vom Hersteller bei der
Entwicklung seiner Marketingstrategien, bei der Produktplanung und
Preissetzung eingesetzt werden. Empirische Studien aus Grosshandelsbranchen
bestätigen die Marktkompetenz des Grossisten, die Bedürfnisse der Endkonsumenten zu analysieren und zu kennen.250 Die Marktintelligenz (Market
Intelligence) des Grosshändlers wird mit der Hilfe des Vertriebspersonals und
neuer Informations- und Kommunikationstechnologien weiter professionalisiert.
Sortimentsaufbereitung
Traditionelle Dienstleistungen des Grosshandels für die Hersteller sind mit der
handelsüblichen Manipulation und Veredelung verbunden. Sie ermöglichen eine
Kostenreduktion für den Hersteller, der dadurch seine Produktion standardisieren
kann. Je nach Branche werden darunter unterschiedliche Aktivitäten verstanden:
massgerrechte Anpassung im Stahlhandel, Trennung von Metallen im Metallhandel, Destillieren, Verdünnen und Mischen im chemischen Handel, Waschen,
Bügeln, Reinigen und Färben im Textilhandel.251
250
Vgl. Lockshin, 1993, S. 92.
251
Vgl. Tietz, 1993, S. 287f.
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
111
Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen für den Hersteller
Der Grosshandel übernimmt die Rolle des Aussendienstes für den Hersteller und
minimiert er so seine Kosten, verbunden mit dem Unterhalt einer eigenen
Verkaufsabteilung. Insbesondere gilt das bei grossen geografischen Absatzgebieten und bei einer hohen Anzahl von Einzelhandelskunden. Dann hat der
Hersteller nur den Kontakt zu einem oder wenigen Grosshändlern. Sehr wertvoll
ist diese Funktion bei Markteintritt des Herstellers in risikobehafteten Märkten.
Die Aufgaben des Aussen- und Innendienstes im Grosshandel sind stark
marketingorientiert.252 Der Aussendienst beschäftigt sich nicht nur mit Kundenanrufen und Warenbestellungen, sondern übernimmt auch Verantwortung bei
Kundenakquisition, Produkteempfehlungen für die Sortimentsgestaltung etc. Der
Innendienst ist in einem ständigen Kontakt mit dem Einzelhandel, betreut Key
Accounts und ist somit der primäre Sammler von Marktinformationen und
Anbieter von Problemlösungen. Die Gestaltung der Vertriebskonditionen und die
Verbindung zu den Einkaufskonditionen des Einzelhandels, Liefer- und
Zahlungsmodalitäten sowie Preisgestaltung und Rabattierung sind auch Bestandteile dieser Dienstleistung. Zu dieser Funktion zählt die für den Grosshandel
immer wichtigere Pflege des Herstellerkunden.
Werbeunterstützung
Der Grosshändler unterstützt in zwei Hinsichten die Werbeaktivitäten des
Herstellers. Einerseits durch Werbung des Herstellers und seiner Produkte, z.B.
durch Aufstellung von Displays in den eigenen Showrooms, Werbeslogans auf
den Transportmitteln, Werbung in grosshandelseigenen Katalogen, Zeitungen
und Zeitschriften. Andererseits erstellt er im Auftrag des Herstellers Broschüren,
Displays, Plakate am effektiven Point of Sale und führt Telefonmarketing durch.
Marketingmanagementberatung
Kleineren oder neu eintretenden Herstellerunternehmen bietet der Grosshandel
Unterstützung bei der Planung und Organisation von Marketingprogrammen,
Neuprodukteinführungen etc. an. Das Angebot kann durch Schulungsprogramme
abgerundet werden.
Für die Einzelhandelskunden werden Sortimentsbildung und Produktion,
Sortimentsaufbereitung, Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen, Werbeunterstützung und Marketingmanagementberatung angeboten.
Sortimentsbildung und Produktion
252
Vgl. Narus/Anderson, 1986, zitiert in Rosenbloom, 1999.
112
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Eine weitere zentrale Dienstleistung bei der Überbrückung der marketingmässigen Diskrepanz zwischen dem Angebotsprofil der Hersteller und dem
Nachfrageprofil des Einzelhandels ist die Sortimentsbildung. Die Kombination
aus den Produkten zahlreicher Hersteller erleichtert erheblich das Bestellwesen
bezüglich Zeit-, Ressourcen- und Kostenaufwand. Aufgrund ausgezeichneter
Produkt- und Marktkenntnisse hat sich der Grosshändler darauf spezialisiert, auf
die Wünsche des Einzelhandels zugeschnittene Sortimente zusammenzustellen.
Die gute Kenntnis der Konsumententrends erlaubt es, die nachgefragten Produkte
oder Themen bei den Herstellern proaktiv einzukaufen und somit die Profilierungsmöglichkeiten des Einzelhandels gegenüber dem Endkonsumenten zu
erweitern.
In einzelnen Branchen kann eine Bündelung der Sortimentsbildungsfunktion mit
begleitenden Marketing-, Logistik- und Finanzdienstleistungen erfolgen. Dann
wird über Warensystem und Systemvermarktung gesprochen. „Systemgeschäfte
bedeuten oft eine sehr hohe Kundenbindung“.253 Im Rahmen von Systemgeschäften können Kooperationen mit spezialisierten Anbietern eingegangen
werden. Die Koordinations- und Dienstleistungskompetenz des Grosshändlers
können dabei profilgebend sein.
Im Zuge der Erweiterung des Wertschöpfungsprotezials des Grosshandels
erhalten neue, handelsunübliche Funktionen wie die Produktion ein verstärktes
Gewicht.254 Dabei treten die Grosshändler als Anbieter von eigenen Markensortimenten auf. Die ausgezeichneten Markt- und Produktkenntnisse sowie das
aufgebaute Lieferantennetzwerk erlauben es, Eigenmarken zu entwickeln und zu
vermarkten. Die Übernahme der Produktionsfunktion ist ein strategischer Schritt,
um durch Kooperationen mit bzw. durch Akquisition von Lieferanten zusätzliche
Ertragsoptimierung zu erzielen.255 So zum Beispiel treten in der Textibranche die
sogenannten Manipulaten auf, welche dank eigener Designerabteilungen Kollektionen in Betrieben unter Vertrag herstellen lassen. Die Kollektion kann dann die
Marke des Grosshändlers oder des Einzelhandelskunden tragen.
Sortimentsaufbereitung
Eine traditionelle produktbasierte Grosshandelssaktivität zugunsten des Einzelhandels ist mit der handelsüblichen Manipulation der Produkte verbunden.
253
Vgl. Tietz, 1993, S. 302.
254
Vgl. Fuchs, 1999, S. 520.
255
Vgl. Rovit/Sweder/Buchanan, 2002, S. 35 für erfolgreiches Beispiel aus dem Stahlhandel; Rudolph/Busch, 2002,
S. 115 für Beispiele aus dem Textilhandel.
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
113
Bedürfnigerecht werden Produkte individuell angepasst. Beispiele sind auf Seite
114 erwähnt.
Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen
Der Einzelhändler entlastet seine Beschaffungsorganisation erheblich, indem er
nur bei einem oder einigen wenigen Grosshändlern einkauft. Neue Technologien
erlauben die Gestaltung von individualisierten Konditionen zwischen dem
Einzelhändler und dem Hersteller, indem der Grosshandel in seiner Mittlerrolle
die Konditionen koordiniert. Die Pflege der Einzelhandelskunden ist ein zentraler
Bestandteil dieser Dienstleistung, welche in Kundenbindungsprogrammen zum
Ausdruck kommt.
Werbeunterstützung
Wie bei der Werbeunterstützung für den Hersteller erstellt der Grosshändler im
Auftrag des Einzelhändlers Displays, Ladendekorationen, Kataloge, Broschüren,
die Organisation von Werbekampagnen, die Point-of-Sale-Gestaltung, Ladeneinrichtung.
Marketingmanagementberatung
Die Marketingmanagementberatung umfasst eine breite Palette von Dienstleistungen – Produktberatung, Planung und Prognosen der Verkäufe, Computerhardware und -software, Personalmanagement, Schulungen, Entwicklung von
Marketingstrategien.
3.2.2.4 Finanzdienstleistungen
Das Wertschöpfungsbündel „Finanzdienstleistungen“ beschreibt die Finanzierungsrolle des Grosshandels sowohl im Rahmen der Warendistribution als auch
als eigenständige Dienstleistung (siehe Abbildung 3.6). Für den Hersteller und
Einzelhändler werden Kreditunterstützung und Finanzierung sowie Beratung im
Bereich des Finanzmanagements angeboten.
Wertschöpfung
für die Herstellerkunden
Wertschöpfung
für die Einzelhandelskunden
Kreditunterstützung
Finanzierung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Finanzdienstleistungen
Beratung
Finanzmanagement
Beratung
Finanzmanagement
Abbildung 3.6: Wertschöpfungsbündel „Finanzdienstleistungen“
Quelle:
eigene Darstellung
114
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Die Finanzdienstleistungen sowohl für die Hersteller- als auch für die
Einzelhandelskunden sind traditionell mit der Warenkreditierung verbunden. Die
Vorauszahlung der Waren zugunsten der Herstellerkunden und die Kreditgewährung auf die bestellte Ware zugunsten der Einzelhandelskunden sind Beispiele für die Vorwärtsfinanzierung.256 Die Grosshändler reduzieren durch
Lagerhaltung und Produktverfügbarkeit die Last der Lagerbestände für beide
Kundengruppen und erhöhen die Effizienz entlang des gesamten Marketingkanals (Rückwärtsfinanzierung).257
Zugunsten der Herstellerkunden werden Finanzierungssysteme geschaffen,
welche sich im Handel mit Finanzinstrumenten, im Leasing und in der Finanzierung des Anlagevermögens spezialisieren. Dabei wird eng mit Banken und
Versicherungen zusammengearbeitet.258 Für die Einzelhandelskunden können für
einzelne Projekte Kredite gewährt werden wie z.B. Ladeneröffnung, Einführung
neuer Produkte, Saisonfinanzierung, Erstausstattung von Warenlagern usw.259
Finanzierung kann auch durch Vermietung, Leasing, Mietserviceverträge
erfolgen. Eigen Treuhandabteilung kann die Finanzierung des und die Beteiligungen an dem Einzelhandels steuern. Im internationalen Handel übernehmen
die Grosshändler auch weitere Finanzgeschäfte wie Devisengeschäfte, Tauschgeschäfte, Kompensationshandel.
Wenn das Bedürfnis vorhanden ist, steht der Grosshändler sowohl den Herstellerals auch den Einzelhandelskunden mit Finanzmanagementberatung und
Controllingunterstützung zur Seite. Es besteht die Möglichkeit, den Warenverkehr ganz durch den Grosshandel verrechnen zu lassen sowie sämtliche
Buchhaltungstätigkeit an ihn auszugliedern.
3.2.3 Verknüpfungen innerhalb der Wertschöpfungskette
Zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen sind nicht nur die wertschöpfenden
Aktivitäten eines Unternehmens von Bedeutung, sondern auch die Verknüpfungen zwischen den Aktivitäten. „Die Verknüpfungen sind die Beziehungen, die
zwischen einer Wertaktivität und den Kosten und der Durchführung einer
anderen bestehen.“260 Sie sind sowohl innerhalb der eigenen Wertkette als auch
256
Vgl. Berman, 1996, S. 156.
257
ebenda.
258
Vgl. Tietz, 1993, S. 336.
259
Vgl. Tietz, 1993, S. 334f.
260
Porter, 2000, S. 80.
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
115
in den Berührungspunkten zu den Wertketten von Lieferanten und Abnehmern
zu identifizieren.
Die Optimierung und die Koordination der Verknüpfungen führen zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Zu diesem Zweck ist die ständige Suche und
Analyse nach neuen Verknüpfungen für jedes Unternehmen zentral. Insbesondere bergen die Verknüpfungen zwischen den primären Aktivitäten Quellen für
schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile. Die Verknüpfungen lassen sich durch
Informationsflüsse nutzen, deshalb spielen auch die Informationssysteme und technologien eine zentrale Rolle.
Im Grosshandel bieten sich mehrere Wege, die zahlreichen internen Verknüpfungen zu identifizieren und zu analysieren (siehe Abbildung 3.7).
Primäre Wertaktivitäten Unterstützende Wertaktivitäten
gegenüber dem Hersteller
Primäre Wertaktivitäten
gegenüber dem Einzelhändler
Unternehmensinfrastruktur
Physische Distribution
Physische Distribution
Personal
Marketingdienstleistungen
Finanzdienstleistungen
Technologie
Allgemeine Beschaffung
Marketingdienstleistungen
Finanzdienstleistungen
Qualitätsmanagement
Zweiseitige Wertschöpfung im Grosshandel
Verknüpfungen zwischen
den unterstützenden und
primären Wertaktivitäten
Verknüpfungen zwischen
den unterstützenden
Wertaktivitäten
Verknüpfungen zwischen
den primären Wertaktivitäten
Abbildung 3.7: Zweiseitige Wertschöpfungskette eines Grosshandelsunternehmens und interne Verknüpfungen
Quelle:
eigene Darstellung
Erstens sind es die Beziehungen zwischen den primären Wertaktivitäten und den
unterstützenden Aktivitäten, welche schnell zu erkennen sind und keine
grosshandelsspezifischen Merkmale tragen. Komplexer gestalten sich zweitens
die Verknüpfungen zwischen den primären Wertaktivitäten. Einerseits bestehen
Beziehungen innerhalb der Wertschöpfungsbündel logistische Dienstleistungen,
Marketing- und Finanzdienstleistungen. Andererseits bestehen Verknüpfungen
innerhalb jedes Bündels, was auch die vorgestellte Aufteilung rechtfertigt.
Argumente dazu bietet die Zerlegung der Bündel in Teilaufgaben je nach der
116
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Ordnung in einem Marketingfluss eine noch detailliertere Analyse. Zum Beispiel
können die logistischen Dienstleistungen in Teilaufgaben zerlegt werden, die
entlang den Produkt- und Informationsflüssen eingeordnet werden. Drittens sind
die vertikalen Verknüpfungen zu den Hersteller- und Abnehmerkunden zu
analysieren.
3.2.3.1 Horizontale Verknüpfungen innerhalb eines Wertschöpfungsbündels
Die Betrachtung der wertschöpfenden Aktivitäten des Grosshändlers aus der
Perspektive der einzelnen Marketingflüsse erlaubt es, die horizontalen Verknüpfungen im Rahmen der Wertschöpfungsbündel aus einer Prozessperspektive
zu erörtern. So ist eine flexible Reaktion auf Veränderungen bei den Herstellerund Einzelhandelskunden möglich und Kosten und Risiken werden für alle
Beteiligten minimiert. Der Marketingfluss (“flow”) ist “a set of functions
performed in sequence by channel members […] Marketing flows embrace both
the actual movements and the accompanying agency activities which engender
them.”261 Nach dem zentralen Konzept der Marketingflüsse “various marketing
activities or functions should be arranged in a manner that results in customer
satisfaction.”262 Vaile et al. (1952) hat acht Basisflüsse identifiziert, welche für
die Performance des Marketingkanals eine Rolle spielen (siehe Abbildung 3.8).
Hersteller
Produktfluss
Eigentumsfluss
Werbefluss
Verhandlungsfluss
Finanzierungsfluss
Risikoübertragungsfluss
Bestellung
Zahlung
Grosshandel
Produktfluss
Eigentumsfluss
Werbefluss
Verhandlungsfluss
Finanzierungsfluss
Risikoübertragungsfluss
Bestellung
Zahlung
Einzelhandel
Abbildung 3.8: Acht Marketingflüsse sind für die Performance eines
Marketingkanals wichtig
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Vaile et al., 1952 in
Bowersox/Morash, 1989, S. 58
Einzelne Autoren heben die Bedeutung unterschiedlicher Flüsse hervor. So z.B.
betrachtet Rosenbloom (1999) fünf Flüsse aus Managementperspektive als
261
Vgl. Stern et al., 1996, S. 10.
262
Bowersox/Morash, 1989, S. 58f.
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
117
besonders wichtig.263 Der Produktfluss umfasst alle Aufgaben, deren Verrichtung
die physische Bewegung des Produktes vom Hersteller bis zum Endkonsumenten
ermöglicht. Der Verhandlungsfluss betrifft den interaktiven Kontakt zwischen
den Käufern und Verkäufern mit dem Ziel eines Eigentumstransfers. Der
Eigentumsfluss stellt den tatsächlichen Eigentumstransfer dar. Am Informationsfluss nehmen alle Mitglieder im Kanal teil, wobei die Informationen wie die Verhandlungen in beide Richtungen ausgetauscht werden. Der Werbefluss bezieht
sich auf die Werbung, die Verkaufsförderungsaktivitäten und die Öffentlichkeitsarbeit.264 Nach Bowersox/Morash (1989) sind aus Marketingperspektive drei
Ströme von Bedeutung: der Produktfluss, Eigentums- und Informationsfluss.265
Eine zentrale Bedeutung für die Marketingmanagemententscheidungen im Grosshandel sollten also die Aufgaben haben, welche entlang dem Produkt-, Verhandlungs-, Eigentumsübertragungs-, Informations- und Werbefluss ausgeführt
werden.
Nach Algermissen (1981) sind drei Marketingflüsse die wichtigsten Systematisierungskriterien für die Handelsaufgaben. Er gruppiert die Aufgaben je nach
ihrer Zugehörigkeit zum Produktfluss, Kommunikationsfluss und Wertfluss. „Sie
ergeben sich als Zusammenfassung gleichartiger Vermittlungsleistungen (warenbezogene Leistungen, kommunikative Leistungen, wertmässige Leistungen)“.266
Als zweites Systematisierungskriterium wendet der Autor die schon bekannten
Kategorien Qualität, Quantität, Raum und Zeit an (siehe Tabelle 3.6).
Leistungsfluss Kategorie
Produktfluss
Qualität
Quantität
Raum
Zeit
263
Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 16ff.
264
Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 16.
265
Vgl. Bowersox/Morash, 1989, S. 59.
266
Algermissen, 1981, S. 17.
Grosshandelsaufgabe
Sortimentsbildung: Assortierung und
Sortimentszusammenstellung nach Bedarf
Warenveredlung: physische Verbesserung und
Ingangsetzung und -erhaltung
Distribution: Feinverteilung
Kollektion: Zusammenfassung kleinerer
Produktionsmengen zu grossen
Verwendungsmengen
Warentransport
Lagerhaltung
118
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Leistungsfluss Kategorie
KommunikaQualität
tionsfluss
Quantität
Raum
Zeit
Wertfluss
Qualität
Quantität
Raum
Zeit
Grosshandelsaufgabe
Produkt- und Marktinformationen,
Auswertungen und Statistiken
Produkt- und Marktinformationen,
Auswertungen und Statistiken
Persönliche Kommunikationsleistungen und
technische Kommunikationsmittel; Werbung
und Beratung
Spekulation: Ausnutzen zeitlicher
Preisdifferenzen
Vordisposition: Einkaufen im Voraus
Zahlungs-, Kreditart
Umfang der Zahlung, Kredithöhe
Direkter Lieferanten- bzw. Abnehmerkredit
Indirekter Kredit via Bank
Abnehmervorauszahlung
Zahlungsziele der Lieferanten
Tabelle 3.6:
Synoptische Zusammenstellung der Handelsaufgaben
Quelle:
Algermissen, 1981, S. 25
Die Aufteilung nach Algermissen (1981) bestätigt die schon angedeuteten
Beziehungen innerhalb der Bündel. Eine Ausnahme stellt nur die Sortimentsbildung dar, die von Algermissen zwischen dem Produkt- und Kommunikationsfluss aufgeteilt wird. Einerseits gehört die technische Sortimentszusammenstellung nach Bedarf zur logistischen Kompetenz des Grossisten, da sie optimale
Bestellabwicklung und Produktverfügbarkeit erlaubt. Andererseits ist diese Aufgabe eine Folge der Marketingkompetenz, proaktiv kundengerechte Sortimente
zu bilden. Diese Funktion weist auf die enge Beziehung zwischen beiden
Kompetenzen hin. Weitere Beziehungen werden im folgenden Punkt erläutert.
3.2.3.2 Horizontale Verknüpfungen zwischen den Wertschöpfungsbündeln
Die Basisleistungen sind traditionell die logistischen Dienstleistungen. Als
Zusatzdienstleistungen etablieren sich historisch betrachtet zuerst die Finanzdienstleistungen und dann die Marketingdienstleistungen.
Logistische Dienstleistungen und Marketingdienstleistungen
Ohne die direkte oder indirekte Teilnahme an der Warendistribution und an den
sie begleitenden Informationsflüssen sind die Grosshändler nicht imstande, die
Marketingdienstleistungen zu erbringen. Einerseits ist die Gestaltung der
3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
119
Konditionen eng mit den logistischen Kapazitäten verbunden. Andererseits
ergeben sich aus dem Informationsfluss zwischen Hersteller- und Einzelhandelskunden Dienstleistungen wie Produktinformationen, Marktforschung, Beratung,
Unterstützung bei Absatzförderungsaktivitäten, Administration und Planung usw.
Die Manipulations- und Sortimentsbildungsdienstleistungen entsprechen dem
Bedürfnis, das Produkt in einen verbrauchsfertigen Zustand zu bringen, also
durch “[...] assembling, washing, cutting, sorting, mixing, packing and
pricing”.267 Bei einigen Produkten sind sie mit der Montage, Wartung und
Reparatur sowie mit der Möglichkeit zu dringenden Lieferungen verbunden. Eine
ausgewogene Sortimentspalette erlaubt dem Abnehmer, die Qualität ähnlicher
Produkte zu vergleichen und Substitutionsprodukte zu kaufen.
Logistische Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen
Wie oben erwähnt, entstammt die Finanzierungsrolle des Grosshandels aus der
Rolle als Warendistributor und Lagerhalter im Marketingkanal. Die Lagerhaltung
und die Finanzierung sind eng durch die Differenz zwischen dem Zeitpunkt der
Lieferung und dem Zeitpunkt der Zahlung verbunden. Somit wird die Kreditfunktion in der Form von gewährten Kreditlinien oder anderen Bedingungen
wahrgenommen. Andererseits stellen die Lagerbestände eine Art finanzielles
Sparen und eine Risikominimierung für Hersteller- und Einzelhandelskunden
dar.
Marketing- und Finanzdienstleistungen
Die Beziehung hier ist eher indirekt. Sie kann in der Form von Finanzierung von
Marketingprogrammen oder von kombinierten Angeboten von Beratungsdienstleistungen im Marketing und Controllingbereich erfolgen.
3.2.3.3 Vertikale Verknüpfungen
Eine Besonderheit der Grosshandelsunternehmen ist es, dass die Hersteller und
die Einzelhändler gleichzeitig auch Abnehmer der Grosshandelsleistung sind.
Die Produkte der Hersteller durchlaufen die Wertkette des Grosshandels und
werden anschliessend in der Wertkette des Einzelhändlers eingesetzt. Dabei
entsteht eine Vielzahl an Verknüpfungen. Die Koordination der vertikalen
Verknüpfungen, wie z.B. zu den Wertketten der Hersteller- und Einzelhandelskunden, ist wie bei den internen Verknüpfungen eine Quelle für nachhaltige,
schwer imitierbare Kosten- und Differenzierungsvorteile.268 Die Koordination
267
Vgl. Van Dalen, 1982, S. 26.
268
Vgl. Porter, 2000, S. 83.
120
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
kann sowohl die gemeinsame Durchführung einzelner Projekte als auch eine
langfristige Kooperation umfassen.269
Müller-Hagedorn (2001) stellt vier konkrete Beispiele für Vorteile aus der
Kooperation mit Herstellern oder den Einzelhändlern vor: Kostensenkung dank
gemeinsamer Optimierung der Auftragsabwicklung, Umsatzsteigerung durch
Zusammenarbeit im Bereich des Qualitätsmanagements oder der Produktentwicklung, Reduzierung der Qualitäts- und Lieferrisiken durch feste, verlässliche
Partnerschaften sowie Zeitersparnisse bei der Implementierung neuer Technologien.270 Aus Sicht des Grosshändlers stellt sich die Frage, welche Funktionen
die Kooperation umfassen sollte, um seine Profilierung zu stärken und
Umgehungsrisiken zu minimieren.
Die Betrachtung der wertschöpfenden Aktivitäten des Grosshändlers aus der
Perspektive der einzelnen Marketingflüsse ist auch bei der Analyse der vertikalen
Verknüpfungen hilfreich. In jedem Marketingfluss nehmen sowohl der Hersteller
als auch der Einzelhändler teil. In einer detaillierten Darstellung der einzelnen
Aktivitäten lassen sich die Berührungspunkte der Wertketten feststellen. Zum
Beispiel sind am Produktfluss sowohl der Grosshandel als auch die Hersteller
und die Einzelhändler beteiligt. Wenn der Grosshändler die Transportfunktion ab
Lager des Herstellers bis zum Lager des Einzelhändlers übernimmt, dann
berühren sich die Wertketten beim Warenausgang des Herstellers und beim
Wareneingang des Einzelhändlers (siehe Abbildung 3.9).
Die Kosten, die Qualität und die Termineinhaltung beim ganzen Prozess hängen
zunächst von der Bestellabwicklungs- und Informationsaustauschtechnologie
aller Beteiligten ab, welche Auslöser für den Produktfluss sind. Weitere
Einflussfaktoren sind die Notwendigkeit geeigneter Verpackungen (senkt oder
erhöht die Transportkosten), Anzahl und Positionierung vor- und nachgelagerter
Warenkontrollen (mehr vorgelagerte Kontrollen machen in der Regel die
folgenden Kontrollen obsolet und somit werden Zeit und Kosten minimiert),
Automatisierung und Niveau der Lagertechnologie (entscheidend für die
Schnelligkeit, Pünktlichkeit und Genauigkeit der Auftragsausführung) etc. Durch
einen computergesteuerten Datenaustausch und wertkettenübergreifende Zusammenarbeit können sämtliche vertikalen Verknüpfungen so synchronisiert und
optimiert werden, dass Kostenersparnisse und Qualitätssteigerungen für alle
Beteiligten erreicht werden. Dies ist die zentrale Idee des Supply-Chain-
269
Für strategiesche Kooperationen zwischen Hersteller und Handel siehe Schmickler, 2001, Rudolph/Schmickler,
2002.
270
Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 491.
3.3 Zusammenfassung des Kapitels
121
Management-Konzeptes, das immer mehr Verbreitung im Grosshandel findet.271
Die Supply-Chain-Management-Philosophie umfasst ein integriertes Verhalten,
Austausch von Informationen, Risiken und Prämien, Kooperation, gleiche Ziele
und Fokus auf Endkundenbedürfnisse, Prozessintegration und Partner für den
Aufbau langfristiger Beziehungen.272
Produktfluss
Produktfluss
Hersteller
Warenausgang
Grosshandel
Transport
Wareneingang
Lagerhaltung
Verknüpfungen
mit der Wertkette
des Herstellers
Einzelhandel
Warenausgang
Transport
Wareneingang
Verknüpfungen
mit der Wertkette
des Einzelhändlers
Abbildung 3.9: Verknüpfungen zwischen der Wertkette des Grosshändlers und
den Wertketten des Herstellers und des Einzelhändlers im
Rahmen des Produktflusses
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 2000, S. 84
3.3 Zusammenfassung des Kapitels
Gegenstand dieses Kapitels ist die theoretische Analyse der Wertschöpfung der
Grosshandelsunternehmen.
Transaktionskostenorientierte theoretische Beiträge bieten einen ausführlichen
Einblick in die Faktoren der Einschaltung des Grosshandels, aber sie liefern eine
rein kostenorientierte Betrachtung. Die Marketing-Channels-Theorie erweitert
die Faktoren durch situative Umfeld-, Wettbewerbs- und Verhaltensfaktoren und
deutet auf eine zweiseitige Betrachtung der Hersteller- und Einzelhandelsseite
hin. Für das Marketingmanagement liefert auch dieser Ansatz wenige konkrete
Gestaltungshinweise. Die Funktionenlehre stellt den Rahmen für die Analyse der
möglichen wertschöpfenden Aktivitäten dar. Eine zentrale Rolle für diese Arbeit
spielt dabei der zweiseitige Raster der Marketingfunktionen nach Rosenbloom
(1987).
271
Vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 1169.
272
Vgl. Mentzer, 2001, S. 11
122
3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels
Die primären wertschöpfenden Aktivitäten in der Wertkette des Grosshändlers
entsprechen den zweiseitigen Marketingfunktionen. Einerseits wird durch die
Ausführung jeder Marketingfunktion Wert geschaffen. Andererseits ist jede
Marketingfunktion mit einer Kernkompetenz verbunden. Die Wertschöpfungskette der Grosshändler gestaltet sich zweiseitig. Je nach der zugrunde liegenden
Kernkompetenz lassen sich die primären Wertaktivitäten in drei zweiseitige
Wertschöpfungsbündel gruppieren. Das erste Bündel „logistische Dienstleistungen“ präsentiert die Kernkompetenz des Grossisten als Warendistributor,
das zweite Bündel „Marketingdienstleistungen“ die Kernkompetenz eines
Marketingspezialisten und das dritte Bündel „Finanzdienstleistungen“ die
Kernkompetenz des Finanzspezialisten.
Die zweiseitige Bündelung erlaubt nicht nur, die Wertschöpfung und die
Kompetenzen transparent und nachvollziehbar darzustellen, sondern auch die
Analyse der zahlreichen Verknüpfungen als Quellen von schwer imitierbaren
Wettbewerbsvorteilen. Sie sind traditionell zwischen den primären und unterstützenden Aktivitäten zu finden. Speziell für den Grosshandel existieren Verknüpfungen innerhalb der Wertschöpfungsbündel, die sich aus der Prozessperspektive der Marketingflüsse identifizieren lassen. Weiterhin sind
Verknüpfungen unter den Wertschöpfungsbündeln zu finden, wobei die logistischen Dienstleistungen die Basis bilden. Die Gestaltung der vertikalen
Verknüpfungen zu den Hersteller- und Einzelhandelskunden vervollständigt die
möglichen Quellen für Wettbewerbsvorteile.
Die zweiseitigen Wertschöpfungsbündel sind die Basis für die Entwicklung von
Positionierungs- und zweiseitigen Profilierungsstrategien, welche im folgenden
Kapitel 4 vorgestellt und durch Praxisbeispiele aus der Pharmagrosshandelsbranche beschrieben werden.
4.1 Die Entscheidung über Positionierung und Profilierung
123
4 Positionierungsstrategien und
Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Basierend auf den Erkenntnissen aus Kapitel 2 und Kapitel 3 werden in der
Praxis auftretende Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen
vorgestellt und analysiert. Im Fokus steht die Basisthese, dass die zweiseitige
Wertschöpfung einerseits und die zweiseitigen strategischen Chancen und
Gefahren andererseits die Zweiseitigkeit der Positionierung und der Profilierung
bedingen. Zur Strukturierung der Strategien werden die generischen Wettbewerbsstrategien von Porter (1985) und der Geschäftsmodellansatz nach
Treacy/Wiersema (1995) und nach Rudolph (2000) angewendet. Der Geschäftsmodellansatz erlaubt eine ganzheitliche Betrachtung: markt-, kompetenzen- und
prozessorientiert. Drei Strategien und ihre zweiseitige Profilierung werden
analysiert – die Strategien des Kostenführers, des Produktführers und des
Problemlösers.
Mit detaillierten Fallbeispielen aus dem schweizerischen und mit kurzen
Beispielen aus dem europäischen Pharmagrosshandel werden die theoretischen
Modelle in einem situativen Kontext beschrieben und vervollständigt. Die grosse
Herausforderung liegt bei der Wandelbarkeit des Grosshandels und dem grossen
Einfluss der Rahmenbedingungen – Branche und Land – und somit in der
schwierigen Strukturierung der Profilierung im Grosshandel. So werden situative
Unterschiede zwischen Profilierungsstrategien des Pharmagrosshandels in der
Schweiz und in benachbarten Ländern wie Deutschland festgestellt.
Neue strategische Chancen für den Pharmagrosshandel bietet der OutsourcingTrend in der Pharmaindustrie. Eine neue Geschäftseinheit „Prewholesale“
entsteht in fast jedem Pharmagrosshandelsunternehmen. Drei kurze Beispiele,
wie die Pharmagrosshändler in der Schweiz ein Geschäftsmodell im
Prewholesale aufbauen, werden analysiert. Die Möglichkeiten und Hindernissen
bei der Erlangung von Wettbewerbsvorteilen auf Unternehmensebene werden
dargestellt.
4.1 Die Entscheidung über Positionierung und Profilierung
Im Grosshandel lassen sich wie in jedem Handelsunternehmen drei
Entscheidungsebenen in Bezug auf die Positionierung und Profilierung unter-
124
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
scheiden (siehe Abbildung 4.1).273 Die drei Ebenen bilden eine konzeptionelle
Einheit, was eine vertikale und horizontale Abstimmung zwischen den einzelnen
Ebenen voraussetzt.
Zunächst werden die Vision und die Kernstrategie festgelegt, in der das
Unternehmen Marketingziele formuliert und damit die Frage des „Was“ bzw.
„Wohin“ konkretisiert274. Um die Ziele oder anders formuliert die Wunschorte
bzw. -zustände275 zu definieren, werden die Unternehmensfähigkeiten bewertet
und die relevanten Branchen bzw. Märkte analysiert. Die sich aus der internen
Analyse ergebenden Stärken und Schwächen werden den externen Chancen und
Gefahren gegenübergestellt. Der Entscheid über das Portfolio von Geschäftsfeldern wird getroffen. Für das Grosshandelsunternehmen bezieht sich diese
Entscheidung auch auf die Wahl der Betriebsform.276 Die Betriebsform
beschreibt, „welche Stellung ein Handelsbetrieb in der Distributionskette
zwischen Produktion und Konsum einnimmt“.277
Auf der zweiten Ebene wird die Positionierung der einzelnen Geschäftseinheit
getroffen.278 Auf der Hersteller- und Einzelhandelsseite werden Zielgruppen bzw.
-segmente identifiziert. Die Kunden und die Konkurrenten sind die zentralen
Dimensionen des Raumes, wo das Unternehmen konkurrieren will. Aus den
Unternehmensstärken lässt sich der Wettbewerbsvorteil ableiten.
Im Rahmen einer Positionierungsstrategie bestimmen die Grosshändler den
Differenzierungsvorteil gegenüber anderen Grosshändlern, den Herstellern und
Einzelhändlern, basierend auf Kernkompetenzen279 und Überbrückungsbedürfnissen der Hersteller und Einzelhändler. “The most successful differentiations are
those that use core skill, competence or marketing asset of the company that
competitors do not possess and will find it hard to develop.”280. Ein stetiger
Dialog mit den Kunden ist die Voraussetzung für die Nachhaltigkeit und ist mit
einem vertieften Verständnis der Kundenbedürfnisse verbunden. Bei der
273
Vgl. Rudolph, 1993, S. 150, am Beispiel des Einzelhandels wird die so genannte Positionierungspyramide im
Handel dargestellt.
274
Theis, 1992, S. 9.
275
ebenda.
276
Vgl. Liebmann/Zentes, 2001, S. 345; Woratschek, 1992, S. 5.
277
Vgl. Müller-Hagedorn, 1998, S. 31; vgl. Barth, 1999, S. 81.
278
Auf den Positionierungsentscheid und auf die möglichen Positionierungsstrategien wird im Abschnitt. 4.2 dieses
Kapitels detaillierter eingegangen.
279
Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 27.
280
Hooley/Saunders, 1993, S. 215.
4.1 Die Entscheidung über Positionierung und Profilierung
125
Positionierung spielen zwei Fragen eine zentrale Rolle: Wie erziele ich Wettbewerbsvorteile, d.h. welche Positionierungsstrategie und welche Marktpartner
werde ich wählen, um die richtigen Kunden anzusprechen. Je klarer auf
bestimmte Kundensegmente fokussiert wird, desto grösser sind die Erfolgschancen der Positionierungsstrategie.
Die ausgewählte Positionierungsstrategie ist der „Rote Faden“, welche die
Ausrichtung des weiteren unternehmerischen Handelns im Allgemeinen und der
Profilierung im Speziellen vorgeben. Die Beziehung zwischen der Positionierung
und der Profilierung im Grosshandel kann mit der Beziehung zwischen
Betriebstyp und Handelsleistung verglichen werden. Als Betriebstyp werden die
„einzelnen Erscheinungsformen“ mit eigener Struktur, eigenem Leistungsspektrum und Marktauftritt innerhalb einer Betriebsform bezeichnet.281 Die Betriebstypen des Grosshandels werden durch die erbrachte Handelsleistung beschrieben.
„Das Set der Handelsfunktionen [...] beschreibt das theoretische Konstrukt der
Handelsleistung in seinen verschiedenen Dimensionen der Überwindung von
Marktspannungen.“282 Wird durch den Betriebstyp die Handelsleistung geändert,
so ändern sich auch die Handelsfunktionen.
Nach der Wahl der Kunden und der Erfolg versprechenden Positionierungsstrategie folgen die Massnahmen zu ihrer Umsetzung. Das Ziel der Profilierung
im Grosshandel ist das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen durch konkrete
zweiseitige Profilierungsmassnahmen gegenüber den Hersteller- und den Einzelhandelskunden.283 „Profilierungspotenziale befinden sich in den primären und
unterstützenden Aktivitäten der Wertschöpfungskette.“284 Die Zweiseitigkeit bei
der Wertschöpfung des Grosshandels führt zur Zweiseitigkeit der Profilierungsinstrumente und -massnahmen.285 Für den Grosshandel lassen sie sich auch in
den zahlreichen Verknüpfungen innerhalb der Wertkette und zu den Wertketten
von Herstellern und Einzelhändlern identifizieren.286 Bei der Wahl der Massnahmen ist das Gesetz der Profilierungsdynamik zu berücksichtigen.287
281
Vgl. Ausschuss für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft (Hrsg.), 1995, S. 29.
282
Vgl. Woratschek, 1992, S. 28f.
283
Adaptiert von Rudolph, 1993a, S. 19. Der Begriff Profilierung entspricht dem in der englischsprachigen Literatur
verwendeten Begriff “differentiation” und zählt zu den am längsten diskutierten Konzepte in der Marketingliteratur
(vgl. Smith, 1956, Maggard, 1976, Dikson/Ginter, 1987).
284
ebenda.
285
Profilierungsinstrumente und -massnahmen werden in der Literatur auch als Marketing-Mix im Grosshandel
beschrieben. Vgl. Tietz B., 1993, Tietz W., 2002, Kotler/Bliemel, 2001, Algermissen, 1981.
286
Siehe Kapitel 3 dieser Arbeit.
287
Vgl. Rudolph, 1993, S. 286.
126
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Demgemäss können Wettbewerbsvorteile dann erzielt werden, wenn keiner der
Konkurrenten die Massnahme einsetzt bzw. die Massnahmen besser als die
Konkurrenz durchgeführt werden. Besser heisst zu niedrigeren Kosten, dank
einzigartigen und innovativen Dienstleistungen und Produkten und mittels ihrer
Zusammenführung in einer Gesamtlösung. Wenn aber intensive Konkurrenzaktivitäten vorhanden sind, gleichen sich die Angebote an und die Massnahme
gehört zum Basisangebot der Brache.
I. Vision und
Unternehmensstrategie
II. Positionierung
Differenzierungsvorteile definieren
und Nutzenstrategie auswählen
III. Zweiseitige Profilierung:
Wie werden Differenzierungsvorteile erzielt?
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den
Herstellerkunden
Marktabdeckung
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Spezialdienstleistungen
Beratung Logistikmanagement
Abdeckung Marktverhalten
Sortimentsaufbereitung
Vertriebskontakt und
-konditionen
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Kreditunterstützung
und Finanzierung
Beratung Finanzmanagement
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den
Einzelhandelskunden
Logistische Dienstleistungen
Produktverfügbarkeit
Feinverteilung, Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Spezialdienstleistungen
Beratung Logistikmanagement
Marketingdienstleistungen
Sortimentsbildung und
Produktion
Sortimentsaufbereitung
Einkaufskontakt und
-konditionen
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Finanzdienstleistungen
Kreditunterstützung
und Finanzierung
Beratung Finanzmanagement
Abbildung 4.1: Positionierung und zweiseitige Profilierung im Grosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
Eine neue Strategie bringt auch neue Anforderungen an die Organisationsstruktur, das Verhalten der Mitarbeiter und die sich etablierten Abläufe und
Routinen mit sich. Jede Positionierungsstrategie ist mit dem Aufbau eines
bestimmten Geschäftsmodells verbunden. Dessen Komponenten sind die Unternehmenskultur, das Managementsystem und die Personalpolitik, die Einsatzbereiche der Informationstechnologie, die Konfiguration der wertschöpfenden
Unternehmensprozesse.
4.2 Theoretische Grundlagen
127
4.2 Theoretische Grundlagen
4.2.1 Generische Positionierungsstrategien
Porter (1985) definiert drei generische Positionierungsstrategien, welche
unterschiedliche Wege zum Erlangen von Wettbewerbsvorteilen darstellen (siehe
Abbildung 4.2).
Kostenvorsprung
Branchenweit
Strategisches
Zielobjekt
Beschränkung
auf ein Segment
Strategischer Vorteil
Einmaligkeit
Umfassende
Kostenführerschaft
Differenzierung
(Qualitätsführerschaft)
Konzentration auf Schwerpunkte (Fokus)
A. Fokus auf Kostenvorteile
B. Fokus auf Qualitätsvorteile
Abbildung 4.2: Drei generische Strategietypen
Quelle:
vgl. Porter, 1999, S. 75
Die Strategie der umfassenden Kostenführerschaft basiert auf dem relativen
Kostenvorteil. Dieser ist vorhanden, wenn die Summe der Kosten aller Unternehmensaktivitäten im Vergleich zu den Konkurrenten niedriger ist, d.h. die
Position des kostengünstigsten Anbieters wird branchenweit erreicht. Dies setzt
einen hohen Marktanteil und einen exklusiven Zugang zu günstigen Ressourcen
voraus. Die Kostenführerschaft birgt Schwierigkeiten und Risiken.288 Die diese
Strategie anstrebenden Unternehmen konzentrieren sich oft nur auf eine Kostengruppe wie z.B. Produktionskosten oder Logistikkosten. Die Optimierung vereinzelter Aktivitäten bietet kurzlebige Kostensenkungen im Vergleich zu einer
strategischen Rekonfigurierung sämtlicher Aktivitäten und ihrer Verknüpfungen,
die zu einem qualitativ neuen Kostenniveau führen können. Das Verfolgen einer
Kostenstrategie kann auch die Quellen für die Qualitätsvorteile untergraben.
Zusätzlich ist es schwierig, die Nachhaltigkeit der Kostenvorteile zu sichern.
Empirische Studien zeigen, dass sich einer bzw. wenige Kostenführer am Markt
behaupten können.289
Die Positionierungsstrategie der Differenzierung basiert auf dem Differenzierungsvorteil. Dieser drückt sich in der Fähigkeit des Unternehmens aus, einzelne
oder Gruppen von Aktivitäten einmalig in den Augen der Kunden im Vergleich
288
Vgl. Porter, 1985, S. 115f.
289
Vgl. Porter, 1999, S. 72.
128
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
zur Konkurrenz auszuführen. Das Ziel dieser Strategie ist “to create the largest
gap between the buyer value created (and hence the resulting price premium) and
the cost of uniqueness in the firm’s value chain”.290 Die Differenzierung ist auch
mit Risiken behaftet. Die Einmaligkeit ist wertlos, wenn sie nicht zu einem
überlegenen Abnehmernutzen führt. Eine mangelhafte Kenntnis der am Markt
bestehenden Abnehmersegmente kann zum Angebot nicht abnehmergerechter
Leistungen führen. Ein Unternehmen kann aber auch einen höheren Nutzen als
nachgefragt anbieten und so durch Anbieter des richtigen Nutzens verwundbar
sein. Oft vergessen die Unternehmen, den Wert zu kommunizieren, oder
verlangen für ihn einen zu hohen Preis. Weitere Risiken bergen der einseitige
Fokus auf die Einmaligkeit und die Vernachlässigung der Kosten, was die
Einmaligkeit oft unbezahlbar macht.
Sowohl die Kostenführerschaft als auch die Differenzierung lassen sich
erreichen, wenn die Quellen der Kosten bzw. der Einmaligkeit kontrolliert
werden, aber auch wenn die gesamte Wertkette rekonfiguriert wird, um den
gezielten Wettbewerbsvorteil zu erreichen.
Die Konzentration auf Schwerpunkte oder die Strategie Fokus (Kostenfokus und
Differenzierungsfokus) basiert auf der Wahl eines engeren Wettbewerbsumfangs,
d.h. eines Segments, auf dessen Bedürfnisse exklusiv die Strategie zugeschnitten
wird. Das Segment kann eine bestimmte Abnehmergruppe, ein bestimmter Teil
des Produktprogramms oder ein geografisch abgegrenzter Markt sein. Die Wahl
einer Fokusstrategie ist nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll. Erstens ist
der Erfolg der Fokusstrategie mit der Heterogenität des Markts verbunden, d.h.
mit einer hohen Anzahl unterschiedlicher Segmente mit verschiedenen Bedürfnissen. Zweitens müssen diese Segmente durch die Konkurrenz unzureichend oder nicht bedient werden.291 Abbildung 4.3 stellt empirische Ergebnisse über die Bedingungen dar, welche eine fokussierte Strategie begünstigen.
Die Wahl des bedienten Segmentes ist entscheidend, da der Erfolg der
Fokusstrategie von der Attraktivität des Segmentes erheblich beeinflusst wird.
290
Porter, 1985, S. 153.
291
Vgl. Murray, 1988, S. 393.
4.2 Theoretische Grundlagen
129
Anzahl der Leistungsangebote
ein
breit
Homogener
Markt
Heterogener
Markt mit positiven
Synergien zwischen
den Segmenten
Heterogener
Markt mit negativen
Synergien zwischen
den Segmenten
Heterogener Markt
mit negativen
Synergien zwischen
Segmentgruppen und
positiven Synergien
in den Segmentgruppen
Strategie
fokussiert
einige
Abbildung 4.3: Marktcharakteristika, welche eine fokussierte Strategie
unterstützen
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Murray, 1988, S. 393
Nach Wright (1987) wird die Wahl der generischen Strategie durch die
Unternehmensgrösse, den Zugang zu Ressourcen, die Branchen- und Konkurrenzanalyse eingegrenzt. Für kleinere Firmen ist nur eine Fokusstrategie möglich,
da sie einen begrenzten Zugang zu Ressourcen haben.292 Grössere Firmen
können auch der Fokusstrategie folgen, aber nur in Kombination mit einer
Differenzierung. Mittlere und grosse Unternehmen haben generell niedrigere
Kosten u.a. aufgrund eines besseren Zugangs zu Ressourcen und Finanzierungsmöglichkeiten, durch günstigeren Einkauf, stabilere Führungs- und Personalkosten. So sind sie in der Lage, entweder einer klaren Kostenführerstrategie zu
folgen oder basierend auf einer guten Kostenposition mit einer Differenzierungsstrategie zu konkurrieren.293
Nach Porter (1985) verspricht jede der Positionierungsstrategien beste Resultate.
“Each generic strategy is a fundamentally different approach to creating and
sustaining a competitive advantage.”294 Andernfalls besteht die Gefahr, dass die
Unternehmung durch Konkurrenten mit einer klaren Strategie überholt wird.
Diese Situation wird “stuck in the middle” genannt.295 Um nicht in die Situation
292
Vgl. Wright, 1987, S. 94.
293
Vgl. Wright, 1987, S. 95.
294
Vgl. Porter, 1985, S. 17.
295
Vgl. Porter, 1985, S. 16f.
130
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
“stuck in the middle” zu geraten, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein.
Erstens ist das möglich, wenn zwei organisationell unabhängige Geschäftseinheiten im Rahmen eines Unternehmens unterschiedliche generische Strategien
verfolgen. In diesem Fall muss die Unternehmensführung die Unabhängigkeit
aufrechterhalten, damit beide Geschäftseinheiten Wettbewerbsvorteile erzielen
können. Zweitens ist das der Fall, wenn alle Wettbewerber “stuck in the middle”
sind. So hat das Unternehmen keinen externen Druck, eine der Strategien
auszuwählen. Eine solche Situation hat einen eher temporären Charakter.
Drittens: Wenn die Kostenposition durch den Marktanteil erheblich bestimmt
wird, kann das Unternehmen gleichzeitig beide Strategietypen wählen. Dasselbe
gilt auch beim Vorhandensein wichtiger Wechselbeziehungen zwischen den
Branchen, von denen ein Wettbewerber allein profitieren kann. Viertens kann die
Einführung einer neuen Technologie dem Unternehmen ermöglichen, die Kosten
zu senken bzw. die Quellen der Einmaligkeit zu erweitern.
Empirische Untersuchungen zeigen, dass die gleichzeitige Verfolgung der
Kostenführerschaft und der Differenzierung unter bestimmten situativen
Bedingungen möglich ist.
Nach Hill (1988) kann die Strategie der Differenzierung zum Erzielen von
Kostenvorteilen genutzt werden.296 Dies ist in wachsenden und jungen Industrien
möglich. Wenn der Markt in die Sättigungsphase297 übergeht, wird die Einmaligkeit weniger wichtig für das Erzielen des Kostenvorteils, mit Ausnahme einer
technologischen Veränderung. In gesättigten oligopolistischen Märkten können
die Kostenvorteile des Unternehmens nicht einmalig sein. Dann ist die Verteidigung der eigenen Kostenposition nicht mehr durch Skalenvorteile und
Lernkurveneffekte, sondern nur durch Differenzierung möglich.
Gilbert/Strebel (1987) stellen auch fest, dass sich die Kosten und der Mehrwert
einer Leistung im Übergang einer Branche von einer Lebenszyklusphase in eine
andere verändern. Als Erfolg versprechend erweist sich die sogenannte
Outpacing-Strategie, definiert als “the explicitly developed capacity, depending
on the competitive situation, to switch strategic emphasis between perceived
product value and process cost reduction, in order to outdistance the
competition”.298 Wie bei Hill stehen zwei Phasen der Branchenentwicklung im
Zentrum der Betrachtungen: die Standardisierung (Sättigung) und die
296
Vgl. Hill, 1988, S. 411.
297
Gesättigte Märkte sind durch ein niedriges Wachstum, oligopolistische Strukturen, gut etablierte Marken und gut
entwickelte Prozesse charakterisiert (vgl. Hill, 1988, S. 409).
298
Gilbert/Strebel, 1987, S. 29, zum Wechsel der generischen Strategien siehe auch Zajac/Shortell, 1989.
4.2 Theoretische Grundlagen
131
Verjüngung (rejuvenation) einer Leistung. Wenn die Phase der Standardisierung
beginnt, etablieren sich die bestehenden einmaligen Leistungen vermehrt als
Standard. Unter diesen Konditionen orientieren sich die Unternehmen an
Prozessoptimierung und Kostensenkung, da die folgende Phase durch Preiskämpfe gekennzeichnet ist. Ein stagnierendes Wachstum in gesättigten Branchen
kann der Indikator sein, dass die Zeit für einen Wechsel von der Strategie der
Kostenminimierung zur Strategie der Differenzierung gekommen ist, d.h. die
Phase der Verjüngung beginnt. Das Ziel der Outpacing-Strategie ist es, Wettbewerbsvorteile zu erreichen, indem die Leistung schneller als bei der Konkurrenz
standardisiert oder verjüngt wird. Die Outpacing-Strategie stellt an das Management eines Unternehmens drei Anforderungen. Erstens ermöglicht ein
vertieftes Verständnis der Branchenstrukturen die Wahrnehmung der Übergänge
von einer Phase in die andere. Zweitens ist der Aufbau einer Wettbewerbsposition entweder basierend auf Kostenführerschaft oder auf Differenzierung die Grundlage für die Outpacing-Strategie. Drittens sind die aus dem
aufgebauten Wettbewerbsvorteil resultierenden positiven Cashflows in Ressourcen zu investieren, welche einen Wechsel des strategischen Fokus ermöglichen.
Die Diskussion über den Einfluss der externen Rahmenbedingungen auf die
Wahl einer oder mehrerer generischen Strategien wird von Murray (1988)
weitergeführt. Er baut seine Überlegungen auf der Feststellung von Porter (1980)
auf, dass die Wirkung der generischen Strategien von der Branchenstruktur
abhängig ist. Berücksichtigt werden auch die Untersuchungen von Day (1984),
nach denen diese Abhängigkeit mit spezieller Rücksicht auf die Kundenwahrnehmungen als situative Determinanten bestätigt wird. Eine nachhaltige
Kostenführerschaft beruht auf Skaleneffekten und skalenunabhängigen Ersparnissen, wie Zugang zu Rohstoffen, Produkt- oder Prozesstechnologien und
Distributionskanälen. Produkt- und Marktcharakteristika sowie die eingesetzten
Produktions- und Marketingtechnologien bestimmen dabei die für die Branche
optimale Produktionsgrösse.299 Die Voraussetzungen für die Qualitätsführerstrategie sind sowohl Kunden, welche die Leistungsangebote nach anderen
Kriterien als dem Preis bewerten, als auch das Vorhandensein einer Leistungsinnovation und einer hohen Leistungsqualität. Die Voraussetzungen für beide
generischen Strategien sind unterschiedlicher Art und lassen sich kombinieren.
Der entstehende Konflikt zwischen den Kulturen und Organisationsstrukturen
sollte mittels integrierender Managementbemühungen minimiert werden.
299
Vgl. Murray, 1988, S. 393.
132
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
4.2.2 Der Geschäftsmodellansatz
Basierend auf den Porter’schen generischen Wettbewerbsstrategien beschreiben
Treacy/Wiersema (1995) und Rudolph (2000) drei Erfolg versprechende Positionierungsstrategien auf der Geschäftsfeldebene: Kostenführerschaft (operational
efficiency), Produktführerschaft (product leadership) und Kundenpartnerschaft
oder Problemlösung (customer intimacy).300 Sie entsprechen im weitesten Sinne
den von M. Porter beschriebenen generischen Positionierungsstrategien der
Kostenführerschaft, der Differenzierung und der Konzentration auf Schwerpunkte. Der Ansatz von Treacy/Wiersema (1995) zeichnet sich durch eine Marktund Ressourcenorientierung sowie durch eine Prozessorientierung aus.301 Die
Positionierungsstrategien entstehen aus einer erweiterten Betrachtung des Wertangebots. Hohe Qualität und niedriger Preis sind nicht mehr ausreichend, um die
Bedürfnisse der Kunden zu beschreiben. Weitere Komponenenten wie Bequemlichkeit beim Kauf und Kundenservice runden vermehrt ein Wertangebot ab.302
Die klare Positionierung ist ein zentraler Erfolgsfaktor für das Unternehmen
insbesondere bei einem steigenden Konzentrations- und Internationalisierungsgrad im Handel.303 Die führenden Unternehmen einer Branche fokussieren sich
auf eine so genannte Wertdisziplin und erreichen den Branchendurchschnitt in
den anderen Wertdisziplinen. Dabei sind sämtliche Aktivitäten an den Prinzipien
der gewählten Wertdisziplin auszurichten.
Die operative Effizienz oder die Kostenführerschaft entspricht einem Wertangebot, das aus zuverlässigen Produkten oder Dienstleistungen zu Wettbewerbspreisen und Lieferung mit einer minimalen Unbequemlichkeit zusammengesetzt
ist. Die Produktführerschaft ist mit dem Angebot von einmaligen und
hochqualitativen Produkten verbunden, welche die Nutzungsmöglichkeiten der
Kunden erheblich erweitern und ihre latenten Bedürfnisse ansprechen. Die
Kundenpartnerschaft setzt eine präzise Segmentierung des Markts und
Ansprache der ausgewählten Zielsegmente mit auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Angeboten voraus. Die führenden Unternehmen in dieser Disziplin
kombinieren das Wissen über die Kunden mit einer operativen Flexibilität,
sodass sie schnell auf neue und veränderte Kundenbedürfnisse reagieren können.
300
Vgl. Treacy/Wiersema, 1995, S. xiv; Rudolph, 2000; für weitere empirische Untersuchungen zum Thema der
Geschäftsmodelle und -systeme vgl. Belz/Bieger, 2004, S. 391ff.
301
Vgl. Rudolph, 2000, S. 26.
302
Vgl. Treacy/Wiersema, 1993, S. 84.
303
Vgl. Rudolph/Busch, 2002, S. 110 und Rudolph, 2000, S. 1.
4.2 Theoretische Grundlagen
133
Die Wertdisziplin wird aufgrund der eigenen Kompetenzen, der Unternehmenskultur, aber auch aufgrund der Stärken und Schwächen der Konkurrenz
bestimmt. Nach der Wahl besteht die Herausforderung, die Positionierung durch
geeignete Profilierungsmassnahmen umzusetzen und auf Dauer das Profil nicht
zu verlieren. Die Umsetzung ist mit dem Aufbau eines bestimmten Geschäftsmodells verbunden. Dessen Komponenten sind die Unternehmenskultur, das
Managementsystem, die Personalpolitik, die Einsatzbereiche der Informationstechnologie sowie die Konfiguration der wertschöpfenden Unternehmensprozesse. Tabelle 4.1 veranschaulicht die Gestaltung der einzelnen Geschäftsmodelle je nach der gewählten Nutzenstrategie (Treacy/Wiersema, 1995).
Element des
Geschäftsmodells
Strategische
Positionierung
Kostenführer
(operational
excellence)
Angebot zu
niedrigsten
Gesamtkosten und
Wettbewerbspreis
Unternehmens- hoch motivierte
kultur
Teamplayer
Produktführer
(product
leadership)
ständige Pipeline
von einmaligen
Produkten und
starken Marken
kreative
Individualisten
Wertschöpfende
Prozesse
effiziente und
optimierte Prozesse
vertikal und virtuell
integrierte
Logistikprozesse
fehlerfreie
Basisdienstleistungen
Einsatz IT zur
Automatisierung der
Dienstleistung
stabile Prozesse
flexible
Organisation
eng fokussiert
schnelle
Vermarktung neuer
Produkte
Managementsystem
Teams
einfache und klare
Vorschriften und
Regeln
Talent und
Individuum
Enterpreneure
Problemlöser
(customer
intimacy)
Produkte und
Dienstleistungen
massgeschneidert
zu den
Bedürfnissen einer
kleinen Zielgruppe
lösungsorientierte
Dienstleister
Koordination
zwischen den
eigenen Prozessen
und den Kundenprozessen
Netzwerk und
Kooperationen mit
Sublieferanten
breites
Produktsortiment
Erfahrung im
Angebot von
Lösungen
Enterpreneure und
Manager
134
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Produktführer
(product
leadership)
ermöglicht Innovation, schnelle Vermarktung neuer
Produkte und
Kontrolle der
Risiken
Element des
Geschäftsmodells
Einsatz der IT
Kostenführer
(operational
excellence)
ermöglicht Effizienz,
hoch automatisiert
Tabelle 4.1:
Elemente der Geschäftsmodelle
Quelle:
vgl. Treacy/Wiersema, 1995
Problemlöser
(customer
intimacy)
ermöglicht
Sammlung und
Analyse vom
Wissen über den
Kunden
Im Folgenden wird der theoretische Rahmen für die Beschreibung der
Geschäftsmodelle im Grosshandel geschaffen. Die einzelnen Nutzenstrategien
werden anhand des Wertkettenansatzes beschrieben.304 Dabei werden theoretische Hinweise für die Ausgestaltung der primären Aktivitäten des Grosshandelsunternehmens, wie sie im Kapitel 3 strukturiert wurden, dargestellt. Diese
Hinweise werden anschliessend im Rahmen der Fallstudien für die Pharmagrosshandelsbranche geprüft und vervollständigt.
4.2.2.1 Positionierungsstrategie „Kostenführer“
„Der Kostenführer verfolgt eine konsequente Discountstrategie [...]. Das
vorrangige Ziel dabei ist das Ausschöpfen von Kostensenkungspotenzialen, nicht
das Angebot einmaliger Leistungen.“305 Die Kosten betreffen nicht nur die
Kosten für die Dienstleistungserbringung, sondern auch die Kosten, die bei der
Inanspruchnahme und Nutzung beim Kunden entstehen. Die Dienstleistungen
sind standardisiert und werden zuverlässig, schnell und fehlerfrei erbracht. Keine
kostentreibende Vielfalt, keine Individualisierung oder Innovation werden dabei
angestrebt, sondern Kostenminimierung und hohe Effizienz bei der Ausführung
sämtlicher Prozesse.
Die Erlangung der Kostenführerschaft bedingt die Durchführung von geeigneten
Managementmassnahmen.306 Zum einen sind die Kostenantriebskräfte in jedem
Prozess in der Wertkette und an den Schnittstellen zu den Lieferanten und
Abnehmern zu überwachen. Die wertschöpfenden Prozesse werden so konfiguriert, dass sie effizient und fehlerfrei funktionieren. Zum anderen arbeitet das
304
Vgl. Rudolph, 2000, S. 23.
305
Rudolph/Busch, 2002, S. 113.
306
Vgl. Porter, 1999, S. 143.
4.2 Theoretische Grundlagen
135
Unternehmen ständig an Rationalisierung und Automatisierung bestehender
Prozesse. Dies wird durch den Einsatz neuer Technologien unterstützt. Der
Erfolg der Kostenführerschaft hängt von drei Bedingungen ab.307 Erstens ist ein
konstantes Volumen der Aufträge zu sichern, um eine optimale Kapazitätsauslastung zu erreichen. Zweitens sind immer neue Marktsegmente zu suchen,
wo die bestehenden Dienstleistungen angeboten werden. Drittens wird der Erfolg
in anderen Märkten repliziert.
Um die Profilierungsaktivitäten des Kostenführers im Grosshandel zu bestimmen, wird die Wirkung der Kostentreiber in den einzelnen Aktivitäten analysiert.
So können die Aktivitäten herausgefiltert werden, in denen der Grosshändler
einen Kostenvorteil aufbauen kann. Porter (1999) hat zehn Kostentreiber identifiziert, welche sich in unterschiedlichem Ausmass im Grosshandel auswirken.
Die Analyse wird tabellarisch dargestellt (Tabelle 4.2).
Primäre
Kostentreiber
Beispiele für die Ausgestaltung der
wert(“drivers of cost Profilierungsaktivität im Grosshandel
schöpfende leadership”)
Aktivität
Logistische
Dienstleistungen
307
grössenbedingte
Kostendegressionen
– grosses Auftragsvolumen;
– kleine Anzahl standardisierter
Dienstleistungen;
– ein regionales Unternehmen sollte den Wert
seiner regionalen Abdeckung hervorheben,
während national ausgerichtete Unternehmen,
die aber regional untervertreten sind, ihre
nationale Präsenz kommunizieren sollten.
Lern- und
Erfahrungskurveneffekte
– bessere Terminplanung und Organisation,
wichtige Messgrösse ist die Betriebszeit bei
Bestellabwicklung;
Kapazitätsauslastung
– Auslastung des logistischen Systems durch
hohe Auftragsvolumen.
Verknüpfungen
in der Wertkette
und
– bessere Koordination zwischen der Eingangsund Ausgangslogistik verringert die Zeit und
der Volumen bei der Lagerhaltung
Vgl. Treacy/Wiersema, 1995, S. 58.
136
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Primäre
Kostentreiber
Beispiele für die Ausgestaltung der
wert(“drivers of cost Profilierungsaktivität im Grosshandel
schöpfende leadership”)
Aktivität
Vertikale
Verknüpfungen
– Qualitätssicherungsverfahren;
– Auslieferung vom Hersteller und
Eingangslogistik;
– Kostensenkende Koordinierung der Produktspezifikationen, Lieferung und andere
Aktivitäten.
Integration
– Kosten des Auftragsabwicklungssystems sind
niedriger, wenn sie das Unternehmen in
demselben IT-System hat.
Zeitwahl
– Technologieführer beim Einsatz
kostengünstiger Methoden;
– Technologiegefolgschaft heisst die Kosten zu
senken, indem man von Technologieführer
lernt, Entwicklungskosten werden durch
Nachahmung vermieden.
Standort
– bei geografisch organisiertem Aussendienst
sinken die Kosten mit der Zunahme des
regionalen Absatzvolumens;
– Standortwahl in Bezug auf Lieferanten
beeinflusst die Kosten des Wareneingangs
und
Standortwahl nah zum Einzelhandel – die
Kosten des Warenausgangs;
–
– Standorte der Verteilzentren untereinander
beeinflussen die Umschlags-, Lagerhaltungs-,
Transport- und Koordinationskosten.
Staatliche
Regulierung
gesetzliche
– Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems
und zahlreiche Regulierungen und Kontrollen
bei der Distribution erhöhen die Kosten;
4.2 Theoretische Grundlagen
137
Primäre
Kostentreiber
Beispiele für die Ausgestaltung der
wert(“drivers of cost Profilierungsaktivität im Grosshandel
schöpfende leadership”)
Aktivität
Anforderungen
Marketingdienstleistungen
– flexible Importbestimmungen ermöglichen
Kostensenkung.
Grössenbedingte – bei geografisch organisiertem Aussendienst
Kostensinken die Kosten mit Anwachsen des
degressionen
regionalen Absatzvolumens.
Unternehmenspolitische
Entscheidungen
Finanzdienstleistungen
–
– keine grosse Vielfalt beim Produkt- und
Dienstleistungsangebot und/oder Angebot
kostengünstiger Eigenmarken;
– spezielle Lieferzeiten ausser dem
Standardangebot erhöhen die Kosten;
– niedriger Personal- und Verwaltungsaufwand,
Standardniveau des Kundendienstes;
– Wahl der Anzahl und Zusammensetzung der
Lieferanten; Informationen über Kosten und
Verfügbarkeit von Lieferanten; Jahresverträge
statt Einzelkauf;
– umfassendes Prozessmanagement zur
Kostenminimierung;
– Profilierung mittels niedriger Margen.
–
Tabelle 4.2:
Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des
Kostenführers
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1999, S. 106–128,
S. 133f., S. 240, S. 244; Treacy/Wiersema, 1995, S. 47–60,
Rudolph/Busch, 2000, S. 113, Seÿffert, 1972, S. 184
Die theoretischen Ausführungen lassen sich in Hinweisen zur Ausgestaltung der
primären wertschöpfenden Aktivitäten zusammenfassen, welche eine Profilierung als Kostenführer versprechen (siehe Abbildung 4.4). Bei der Wahl der
Profilierungsaktivitäten ist zu berücksichtigen, dass sie mit einem optimalen
Preis-Leistungs-Verhältnis aus Kundensicht auszuführen sind. Profilierung
versprechen kostensenkende Dienstleistungen, welche kein anderer Konkurrent
anbietet. Die Aktivitäten des Kostenführers richten sowohl an die Hersteller- als
138
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
auch an die Einzelnhandelskunden, d.h. eine zweiseitige Profilierung ist
vorhanden.
1. Profilierungsaktivitäten und Profilierungsmassnahmen
a) Logistische Dienstleistungen:
– Marktabdeckung: Eine starke nationale oder regionale Marktabdeckung
ermöglicht hohe Handelsvolumina, welche zu einer hohen Auslastung des
Logistiksystems und somit zu Kostendegressionen führen.
– Lagerhaltung, Bestellabwicklung, Transport, Produktverfügbarkeit und
Feinverteilung: Die logistischen Basisdienstleistungen sind standardisiert und
rationalisiert, damit eine kostengünstige, fehlerfreie und zuverlässige Ausführung
gewährleistet wird. Zur laufenden Optimierung und Automatisierung der
wichtigsten Logistikprozesse werden Prozessmanagement und neueste Informations- und Lagertechnologien eingesetzt. Durch kostenorientiertes Management
der Verknüpfungen beim Warenein- und ausgang wird eine bessere Terminplanung und Logistikorganisation erreicht: Wichtige Messgrösse dabei ist die
Betriebszeit bei der Bestellabwicklung. Lernbedingte Verfahren werden zur
besseren Auslastung des Logistiksystems eingesetzt. Der Kostenführer kann
dabei sowohl die Rolle des Technologieführers als auch des Technologiefolgers
je nach Unternehmensgrösse und finanziellen Ressourcen übernehmen.
b) Marketingdienstleistungen:
– Sortimentsbildung und Produktion: Schwerpunktsetzung, keine grosse Vielfalt
der angebotenen Sortimente, hohe Standardisierung und somit eine hohe und
tadellose Lieferfähigkeit; bei Import- und Produktionsmöglichkeiten ist das
Angebot kostengünstiger Eigenmarken und Sortimente möglich.
– Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen sowie Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen: Der Kostenführer arbeitet mit niedrigen Margen und
kommuniziert explizit seine Discounterpositionierung. Die Dienstleistungsvielfalt ist begrenzt und standardisierte Konditionen abhängig vor allem vom
Handelsvolumen und Umsatz werden angewendet. Jahresverträge mit fixen
Konditionen werden angestrebt. Die Beziehung zum Hersteller wird durch das
Bestreben gepräft, Kostensenkungspotenziale in der Beschaffung zu erzielen. Die
Beziehung zum Einzelhandel wird durch das Vorhandensein preissensibler
Segmente beeinflusst. Der Kostenführer minimiert den Personalaufwand für
Aussen- und Innendienst, d.h. die quantitative Dimension des Vertriebs- und
Einkaufskontaktes wird angesprochen. Kostensenkungspotenziale finden sich in
einem regional organisierten Aussendienst bei steigendem Handelsvolumen in
der Region.
4.2 Theoretische Grundlagen
139
2. Die anderen Aktivitäten heben das Unternehmen von der Konkurrenz nicht ab.
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Einzelhandelskunden
Marktabdeckung –
geografische,
Volumen, Vielfalt
Produktverfügbarkeit
Logistische
Dienstleistungen
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Vertriebskontakt und
Vertriebskonditionen
Marketingdienstleistungen
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Sortimentsbildung
und Produktion
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Abbildung 4.4: Zweiseitige Profilierungsaktivitäten des Kostenführers im
Grosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
3. Anforderungen an das Geschäftsmodell
a) Die Technologie wird für die Automatisierung der Logistik eingesetzt. Der
Kostenführer kann als Erster die kostengünstige Dienstleistungsgestaltung und
-lieferung einführen und als Erster die Lernkurve durchlaufen. Die Technologiegefolgschaft kann auch die Kosten senken, indem man vom Technologieführer
lernt und Entwicklungskosten durch Nachahmung einspart;
b) Der Standort beeinflusst die Kosten diverser Profilierungsaktivitäten. Der
Standort in Bezug auf Lieferanten beeinflusst die Kosten des Wareneingangs, der
Standort in Bezug auf den Einzelhandel beeinflusst die Kosten des Warenausgangs, die Standorte der Verteilzentren untereinander beeinflussen die
Umschlags-, Lagerhaltungs-, Transport- und Koordinationskosten. Der Standort
bestimmt auch die zugänglichen Transportmittel.
c) zur Umsetzung der Kostenführerstrategie ist eine kritische Unternehmensgrösse erforderlich.
4.2.2.2 Positionierungsstrategie „Produktführer“
„Ein Produktführer profiliert sich nicht über den Preis, sondern über die Qualität
seiner – zum Teil exklusiv vertriebenen – Produkte und Dienstleistungen.“308 Der
Produktführer zeichnet sich aus durch die Fähigkeit, überlegene Produkte bzw.
308
Rudolph/Busch, 2000, S. 114.
140
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Dienstleistungen zu kreieren und diese meisterhaft im Laufe ihres Produktlebenszyklus zu verwalten. Die Produkte bieten den Kunden einen einmaligen
Nutzen und auf diese Art und Weise wird immer ein Preispremium erwirtschaftet. Oft führen die Bemühungen zum Aufbau und zur Pflege einer starken
Marke als Versprechen für diesen einmaligen Nutzen. Eine professionelle Marktforschung, um neue Marktnischen zu finden, und eine darauf basierende
inspirierende Vision eines Neuprodukts sind die Voraussetzungen für die
Herstellung des Produktes.
Eine weitere überlegene Fähigkeit ist, das Produkt den Konsumenten schmackhaft zu machen und dieses mit grossem Marketingaufwand auf dem Markt
einzuführen. Die potenziellen Kunden werden geschult und auf die innovativen
Produkte vorbereitet, so dass die Innovation eine optimale Verbreitung findet.309
Somit wird der Produktführer auch zum Technologieführer. Neue IT-basierte
Tools erlauben auch die Intensivierung der Marktforschung auf der Suche nach
neuen Marktsegmenten und die Organisation grossflächiger Werbekampagnen.
Wenn die Phase der Sättigung erreicht wird, werden Produkterweiterungen
lanciert, um geänderte Bedürfnisse bestehender neuer Kunden anzusprechen. In
der letzten Phase wird das Produkt sehr schnell vom Markt abgelöst und durch
ein neues ersetzt. Die Produktführer sind ständig mit dem Trade-off zwischen
dem Schutz der bestehenden Produkte und der Einführung neuer Produkte
konfrontiert. Die Förderung einer hohen Produkt- und Dienstleistungsqualität,
die Entwicklung von Verfahren zur Unterstützung der Qualitätskontrollen,
zuverlässige Zeitplanung etc. werden durch den gezielten Einsatz der neuesten
Technologien ermöglicht.
Analog dem Kostenführer werden hier die einzelnen Profilierungspotenziale in
den primären wertschöpfenden Aktivitäten des Grosshändlers gesucht, welche
zur Produktführerschaft führen könnten. Tabelle 4.3 folgt den Raster von Porter
(1985, 1999):
Profilierungsaktivität
Logistische
Dienstleistung
309
ProfilierungsBeispiele für die Ausgestaltung der
potenziale
Profilierungsaktivität im Grosshandel
(drivers of
differentiation)
Lernkurveneffekte – Einheitliche Qualität der Produkte und
bei der Lagerhaltung kann lernbedingt
und Verbreitung
sein;
Vgl. Treacy/Wiersema, 1995, S. 87.
4.2 Theoretische Grundlagen
Profilierungsaktivität
Nationale/internationale
Marktabdeckung
Vertriebskontakt
und
Einkaufskontakt
Lagerhaltung
Profilierungspotenziale
(drivers of
differentiation)
Unternehmensgrösse
UnternehmensMarketingdienstleistungen politische
Sortimentsbildung Entscheidungen
und Produktion
Werbeunterstützung
Vertriebs- und
Einkaufskontakt
Abdeckung des
Marktverhaltens
Vertikale
Verknüpfungen:
– mit Herstellern
– mit dem
Einzelhandel
141
Beispiele für die Ausgestaltung der
Profilierungsaktivität im Grosshandel
– Unternehmensgrösse erlaubt, die
Aktivitäten einmalig durchzuführen;
– international oder national ausgerichtete Grösse: hohe Entwicklungskosten werden optimal verteilt und
eine Vielzahl von Marktsegmenten
werden durch Niederlassungen und
Verteilzentren identifiziert und
bearbeitet;
– moderne Lagerhaltung und hohe
Versorgungsqualität für Nachbestellung der Sortimente, minimale
Beschädigungen und Qualität bei der
Handhabung der Produkte.
– qualitativ hochstehende und innovative
Dienstleistungen;
– einmalige Sortimente aus starken
Marken bzw. Eigenmarken;
– hoher Werbeaufwand und wirkungsvolle Werbe- und Verkaufsförderungsunterstützung;
– hohe Reichweite und Qualität des
Aussendienstes und breite Palette
hochqualitativer Lieferanten;
– intensive Marktforschung und
Marktintelligenz;
– Sammlung und Transfer von
Marktinformationen.
– Zusammenarbeit bei Produktentwicklungen und -einführungen,
Produktauswahl und -selektion;
– Schulung über neue Sortimente und
gemeinsame Werbekampagnen.
142
Profilierungsaktivität
Finanzdienstleistungen
Alle Aktivitäten
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Profilierungspotenziale
(drivers of
differentiation)
Zeitwahl
–
Beispiele für die Ausgestaltung der
Profilierungsaktivität im Grosshandel
– Vorreitervorteile durch innovative
Sortimente und Dienstleistungen,
verbunden mit der Rolle des
Technologieführers.
–
Ausserbetriebliche – Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems sichert eine hohe Qualität
Faktoren
entlang der gesamten Wertschöpfung.
Standort
– Eine hohe Attraktivität für talentierte
Arbeitskräfte wird angestrebt, da das
gut qualifizierte Personal eine zentrale
Voraussetzung für den Erfolg des
Produktführers darstellt.
Tabelle 4.3:
Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des
Produktführers
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1999, S. 109,
S. 114, S. 173–177, S. 240, S. 244, Treacy/Wiersema, 1995,
S. 83–96, Rudolph/Busch, 2000, S. 114, Seÿffert, 1972, S. 185
Die theoretischen Ausführungen lassen sich in Hinweisen zur Ausgestaltung der
primären wertschöpfenden Aktivitäten zusammenfassen, welche eine Profilierung als Produktführer versprechen (siehe Abbildung 4.5). Bei der Wahl der
Profilierungsaktivitäten ist zu berücksichtigen, dass sie einzigartig und innovativ
auszuführen sind. Höchste Profilierung versprechen auf Produkt- und Marketingkompetenz beruhenden Dienstleistungen, welche kein anderer Konkurrent anbietet. Die Aktivitäten des Produktführers richten sowohl an die Hersteller- als
auch an die Einzelhandelskunden, d.h. eine zweiseitige Profilierung wird
betrachtet.
4.2 Theoretische Grundlagen
143
1. Profilierungsaktivitäten und Profilierungsmassnahmen
a) Logistische Dienstleistungen
– Marktabdeckung: Der Produktführer im Grosshandel hat eine ausgebaute
nationale und übernationale Präsenz und stellt somit eine nationale bzw.
grenzüberschreitende Marktabdeckung sicher.
– Lagerhaltung für Hersteller und Einzelhandelskunden: Grosse und moderne,
auf das Minimieren der Qualitätsverluste und auf Vielfalt ausgerichtete Lagerflächen und -organisation dienen zu einer optimalen Versorgungssicherheit.
b) Marketingdienstleistungen
– Abdeckung des Marktverhaltens: Der Produktführer ist auf der ständigen Suche
nach neuen Marktsegmenten und sorgt für eine optimale Abdeckung des Marktverhaltens. Die Marktforschung und eine umfassende Marktintelligenz über
Entwicklungen und Trends zählen zu seinen Kernkompetenzen. Sie werden
durch Koordination von Aussen- und Innendienst und durch den Einsatz neuer
Technologien erreicht.
– Vertriebskontakt und Einkaufskontakt: Hohe Reichweite (viele Niederlassungen und Verteilzentren) und Qualität des Aussendienstes und breite Palette
hochqualitativer Lieferanten
– Sortimentsbildung und Produktion: Basiert auf der hohen Marktintelligenz
werden innovative, qualitätsmässig hochstehende und einmalige Sortimente
zusammengestellt. Der Nutzen wird oft mittels Sortimenten aus wertvollen
Markenprodukten kommuniziert. Ein professionelles Sortimentsmanagement
findet statt – von den Neuprodukteinführungen bis zur Ablösung der nicht mehr
nachgefragten Sortimente. Der Produktführer kreiert auch Kollektionen und
Sortimente aus einmaligen und hochqualitativen Eigenmarken.
– Werbeunterstützung für Hersteller und Einzelhandelskunden: Der Produktführer verfügt über eine starke Marketingorganisation, die es ihm erlaubt,
wirkungsvolle Werbekampagnen zur Lancierung der innovativen Sortimente auf
die Beine zu stellen. Die Hersteller und der Einzelhandel werden auch bei der
Verkaufsförderung unterstützt.
2. Alle weiteren Aktivitäten heben das Unternehmen von der Konkurrenz nicht
ab.
144
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Marktabdeckung –
geografische,
Volumen, Vielfalt
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Einzelhandelskunden
Logistische
Dienstleistungen
Lagerhaltung
Abdeckung des
Marktverhaltens
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Sortimentsbildung und
Produktion
Marketingdienstleistungen
Vertriebskontakt und
Verkaufskonditionen
Werbeunterstützung
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Werbeunterstützung
Abbildung 4.5: Zweiseitige Profilierungsaktivitäten des Produktführers im
Grosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
3. Anforderungen an das Geschäftsmodell
a) besitzt Vorreitervorteile durch innovative Sortimente und Dienstleistungen
verbunden mit der Rolle des Technologieführers und setzt somit den Standard für
alle anderen Unternehmen.
b) Eine hohe Attraktivität für talentierte Arbeitskräfte wird angestrebt, da das gut
qualifizierte Personal eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg des
Produktführers darstellt.
c) Ein grosses Unternehmen erlaubt es, die Aktivitäten einmalig durchzuführen
und sie in vielen Niederlassungen und Verteilzentren für die Kunden zu
erbringen. Bei einer international oder national ausgerichteten Unternehmensgrösse werden die hohen Marketing- und Logistikkosten optimal verteilt und eine
Vielzahl von Marktsegmenten wird durch Niederlassungen und Verteilzentren
identifiziert und bearbeitet.
d) Der Aufbau und Umsetzung eines Qualitätmanagementsystems sichert eine
hohe Qualität entlang der gesamten Wertschöpfung.
4.2.2.3 Positionierungsstrategie „Problemlöser“
Das Geschäftsmodell der Kundenpartnerschaft ist nach dem Motto aufgebaut:
“Own success is the clients’ success.”310 Die wertschöpfenden Prozesse
orientieren sich ausschliesslich an einer oder einiger weniger Zielgruppen.
310
Treacy/Wiersema, 1995, S. 130.
4.2 Theoretische Grundlagen
145
Die Basisdienstleistungen werden auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten und
eine grosse Vielfalt an einmaligen Zusatzdienstleistungen erbracht. Um die
Vielfalt anbieten zu können, werden Netzwerke von Sublieferanten gebildet und
koordiniert. Nicht die innovativsten und hochqualitativsten Produkte und Dienstleistungen spielen eine Rolle, sondern die einzigartige Konfigurierung und die
beste Gesamtlösung für den Kunden. Um dies zu erreichen, investieren die
Problemlöser in die am besten geschulten Verkaufspersonal und Kundendienst,
die durch den direkten Kundenkontakt Know-how über seine Bedürfnisse
sammeln. Dieses Know-how wird mit der Hilfe neuer Technologien verarbeitet,
so dass spezifische, detaillierte und integrierte Kundeninformationen jederzeit
verfügbar werden. Die Prozesse sind proaktiv und veränderungsfähig gestaltet,
um die sich ändernden Kundenbedürfnisse begegnen zu können. Eine wichtige
Voraussetzung dafür ist die langfristige Kundenbindung und -pflege.
Für den Erfolg der Problemlöserstrategie ist der Aufbau und die Pflege
langfristiger Beziehung zur anvisierten Zielgruppe entscheidend. Das erfordert
die Kundenselektion nach drei Aspekten. Erstens sollten diese Kunden offen für
eine Beziehung sein, in der sie Teile ihrer Unabhängigkeit verlieren können.
Zweitens sollte das fehlende Wissen des Kunden auf Kompetenz und
Professionalität treffen. Drittens sollte der Kunde ein grosses unentwickeltes
Potenzial und somit eine hohe Attraktivität für den Problemlöser haben.
Nachdem die Kundenauswahl getroffen wird, werden die Bemühungen auf die
Positionierung und auf die Verstärkung der Kundenabhängigkeit konzentriert.
Diese Nutzenstrategie kann auf zwei Wegen zu Erfolg führen. Zum einen ist das
Wachstum innerhalb der bestehenden Kundensegmente möglich. Nachdem eine
massgeschneiderte Lösung vom Unternehmen selber erbracht worden ist, sucht
der Problemlöser nach immer neuen Bereichen, wo eine Zusammenarbeit stattfinden kann. Zum anderen sind die Problemlöser gezwungen, bei Ausschöpfung
des Potenzials bestehender Kunden neue Zielgruppen anzusprechen.
Wie bei den beiden schon beschriebenen Geschäftsmodellen werden im
Folgenden die einzelnen Profilierungspotenziale analysiert, welche zu einer
Problemlöserprofilierung führen können. Die Strategie der Kundenpartnerschaft
trägt die Merkmale der Differenzierungsstrategie und der Strategie der Konzentration auf Schwerpunkte nach Porter (1985, 1999) (siehe Tabelle 4.4).
146
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Profilierungsaktivität
ProfilierungsBeispiele für die Ausgestaltung der
potenziale (drivers Profilierungsaktivität
of differentiation
in focus)
– Angebot individueller Dienstleistungen
UnternehmensLogistische
inkl. Internetbasierter Informationspolitische
Dienstdienstleistungen (Online-Abfragen der
Entscheidungen
leistungen
Lagerbestände und der Transportflüsse);
– geografische Nähe zum Kunden;
Standort
– direkte Kommissionierung und Lieferung
Integration
an Endkunden.
– grosse Vielfalt an Produkten und
UnternehmensMarketingSortimenten;
politische
dienst– individualisierte Sortimente aus einer
Entscheidungen
leistungen
Vielzahl Produkte;
Sortimentsauf
– bestgeschulter Aussendienst und
bereitung
Kundendienst zur Erarbeitung von
Kundenlösungen;
– intensive Schulungs- und
Beratungsaktivitäten;
– Konzentration auf das Wissen über die
Kunden.
Verknüpfungen:
innerhalb der
Wertkette
Vertikale
Verknüpfungen
–mit Herstellern
–mit Einzelhandel
– enge Zusammenarbeit von Aussendienst
und Kundendienst zur reaktionsschnellen
Bedienung des Kunden und Erarbeitung
von Kundenlösungen;
– enge Zusammenarbeit bei Produktauswahl
und -selektion zur Aufrechterhaltung
breiter Sortimente und bei Erbringung
einer hohen Vielfalt von Dienstleistungen;
– Bildung von Dienstleistungsnetzwerken;
– via Interneteinsatz Dokumentenaustausch
und computergestützte Teamarbeit.
– enge Zusammenarbeit bei der
Optimierung der Logistik, Marketing,
Finanzierung, Entwicklung neuer
4.2 Theoretische Grundlagen
Profilierungsaktivität
Finanzdienstleistungen
147
ProfilierungsBeispiele für die Ausgestaltung der
potenziale (drivers Profilierungsaktivität
of differentiation
in focus)
Dienstleistungen;
– via Interneteinsatz Dokumentenaustausch
Zeitwahl
und computergestützte Teamarbeit.
Unternehmepolitische
Entscheidungen
Alle Dienst- Lernkurveneffekte
leistungen
und Verbreitung
Integration
Unternehmensgrösse
– Vorreitervorteile durch innovative
Kundenbindungsinstrumente und
Datenmanagement;
– auch Technologiegefolgschaft möglich,
Anpassung der Kundenbindungsinstrumente, indem man vom
Technologieführer lernt.
Finanzierung der Kundeninvestitionen.
– ganzheitliche Ausrichtung auf Lernen über
den Kunden: durch Lernen erzielte
Einblicke in die kundeninternen Prozesse;
– Einsatz neuer Technologien für
integriertes Datenmanagement.
– vermehrte Integration von Aktivitäten des
Lieferanten und Kunden in allen
Bereichen;
– Angebot einer Gesamtlösung für die
Probleme der Kunden/Lieferanten.
– durch Netzwerkbildung ist die Unternehmensgrösse kein entscheidender Faktor
zum Angebot einzigartiger Lösungen;
– kleine und mittlere Unternehmen;
– lokale oder zielgruppenspezifische Grösse
zur hohen Anpassungsfähigkeit und
Kundennähe.
148
Profilierungsaktivität
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
ProfilierungsBeispiele für die Ausgestaltung der
potenziale (drivers Profilierungsaktivität
of differentiation
in focus)
– hohe Flexibilität erlaubt die schnelle
UnternehmensEinführung eines TQM-Systems;
grösse
– flache Organisationsstrukturen und kurze
Entscheidungswege.
Tabelle 4.4:
Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des
Problemlösers
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1999, S. 173–177,
S. 240, S. 244, Treacy/Wiersema, 1995, S. 121–137,
Rudolph/Busch, 2000, S. 115
Die theoretischen Ausführungen lassen sich in Hinweisen zur Ausgestaltung der
primären wertschöpfenden Aktivitäten zusammenfassen, welche eine Profilierung als Problemlösers versprechen (siehe Abbildung 4.6). Bei der Wahl der
Profilierungsaktivitäten ist zu berücksichtigen, dass sie als massgeschneiderte
Kundenlösung angeboten werden können. Höchste Profilierung versprechen
Kundenlösungen, welche kein anderer Konkurrent anbietet. Die Aktivitäten des
Problemlösers richten sich vor allem an den Einzelhandel und eher selten
gleichermassen auch an den Hersteller. Deshalb ist die Profilierung eher
zweistufig als zweiseitig.
1. Profilierungsaktivitäten und -massnahmen
a) Logistische Dienstleistungen:
– Spezialdienstleistungen: Durch seine Kundennähe ist der Problemlöser in der
Lage, sich durch spezielle logistische Dienstleistungen wie Lieferung ausserhalb
der vereinbarten Konditionen, umfassendes Retourenangebot, Lieferung und
Montage von POS-Materialien etc. zu profilieren. Der Einsatz neuer Technologien erlaubt dem Problemlöser, Online-Abfragen der Lagerbestände und der
Transportflüsse sowie spezialisierte Software-Lösungen anzubieten.
– Beratung Logistikmanagement: Komplexe Beschaffungs- bzw. Absatzprobleme werden gelöst sowie regelmässige Lagerinventur und Controlling
vorgenommen.
b) Marketingdienstleistungen
– Abdeckung des Marktverhaltens: Durch seine Kundennähe ist der Problemlöser
optimal positioniert, um die Veränderungen auf den Absatzmärkten zu
4.2 Theoretische Grundlagen
149
analysieren. Höchsten Stellenwert wird dem Lernen über den Kunden und dem
Einsatz neuer Technologien für integriertes Kundendatenmanagement gelegt;
– Sortimentsaufbereitung: sowohl gegenüber der Hersteller als auch gegenüber
dem Einzelhandel wird die Umverpackung, Manipulation und handelsübliche
Anpassung der Produkte vorgenommen;
– Sortimentsbildung und Produktion: eine grosse Vielfalt an Produkten, die zum
grössten Teil den Bedarf der Kundschaft decken sowie auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittene Sortimente. Das Know-how über das Marktverhalten
und die gesammelten Marktinformationen erlauben ihm, proaktiv Sortimentslösungen zu gestalten;
– Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen: Um das Know-how über den
Kunden zu akkumulieren und weiter auszubauen sowie um die Beziehung
langfristig zu pflegen, setzt der Problemlöser auf die bestgeschulten Aussen- und
Kundendienste, d.h. auf die qualitative Dimension des Verkaufs- und Einkaufskontakts. Ein persönliches Kontakt hat einen hohen Stellenwert. Eine enge
Zusammenarbeit von Aussen- und Innendienst führt zur reaktionsschnellen
Bedienung des Kunden und zur Erarbeitung von Kundenlösungen. Das
gesammelte Wissen wird mit moderstem Datenmanagement ausgewertet und für
immer wieder neue Bereiche der Zusammenarbeit mit den Kunden eingesetzt.
Der Problemlöser zeichnet sich durch den Einsatz zahlreicher Kundenbindungsinstrumente aus. Individualisierte Konditionengestaltung zwischen
Hersteller und Einzelhändler rundet das Angebot ab.
– Marketingmanagementberatung: Der Problemlöser kennt das Optimierungspotenzial der internen Prozesse des Kunden bzw. Lieferanten am besten und
bietet umfassende Beratungsdienstleistungen im Bereich des Marketingmanagement an: Schulung, Marketingpläne, Werbekampagnen sowie gemeinsame
Durchführung von Projekten, z.B. Aufbau neuer Verkaufsstellen etc.
c) Finanzdienstleistungen:
– Kreditunterstützung und Finanzierung: Um die Kundenbindung zu erhöhen
und langfristig zu sichern, leistet der Problemlöser die Finanzierung und vergibt
Kredite an seine Kunden und Lieferanten.
– Beratung Finanzmanagement: Von Controlling- und Buchhaltungsberatung bis
zur ganzheitlichen Integration dieser Tätigkeiten in der eigenen Wertkette
wiederum zwecks einer langfristigen Kundenbindung.
2. Alle weiteren Aktivitäten heben das Unternehmen von der Konkurrenz nicht
ab.
150
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Einzelhandelskunden
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Beratung:
Logistikmanagement
Logistische
Dienstleistungen
Beratung:
Logistikmanagement
Abdeckung des
Marktverhaltens
Sortimentsbildung
und Produktion
Sortimentsaufbereitung
Sortimentsaufbereitung
Vertriebskontakt und
Vertriebskonditionen
Marketingdienstleistungen
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Marketingmanagementberatung
Marketingmanagementberatung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Beratung:
Finanzmanagement
Finanzdienstleistungen
Beratung:
Finanzmanagement
Abbildung 4.6: Zweistufige Profilierungsaktivitäten des Problemlösers im
Grosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
3. Anforderungen an das Geschäftsmodell
a) Der Problemlöser kann Vorreitervorteile durch innovative Kundenbindungsinstrumente und Datenmanagement haben, aber die Technologiegefolgschaft ist
üblich. Der Einsatz neuer Technologien ermöglicht den elektronischen Dokumentenaustausch sowie eine computergestützte Teamarbeit und unterstützt somit
die Bildung von Dienstleistungsnetzwerken
b) Die geografische Nähe zum Kunden wird angestrebt.
c) Die geschickte Bildung von Netzwerken schliesst die Unternehmensgrösse als
Faktor zum Angebot von Gesamtlösungen weitgehend aus. Das Geschäftsmodell
wird mit Erfolg von kleinen und mittleren Unternehmen aufgebaut. Der lokale
Fokus und die zielgruppenspezifische Grösse verstärken die hohe Anpassungsfähigkeit und die Kundennähe.
d) Die Prozessorganisation zeichnet sich durch hohe Flexibilität, flache
Organisationsstrukturen und kurze Entscheidungswege aus. Qualitäts- und
Prozessmanagementsysteme (TQM) werden schnell eingeführt. Eine vermehrte
Integration von Aktivitäten der Kunden in allen Bereichen ist charakteristisch für
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
151
das Geschäftsmodell, d.h. eine offene Prozessarchitektur. Zum Angebot von
Gesamtlösungen werden Systeme von Dienstleistungen zusammengestellt.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und
Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
4.3.1 Vorgehen
Die nachfolgend beschriebenen Fallbeispiele stellen die Positionierungsstrategien
und die Profilierungsmassnahmen führender und erfolgreicher Grosshandelsunternehmen in der Schweiz und in Europa dar (siehe Tabelle 4.5). Drei
Pharmagrosshändler aus der Schweiz werden detailliert vorgestellt, da der Fokus
der Dissertation auf den Pharmagrosshandel der Schweiz liegt. Führende
Unternehmen in Europa werden nur im Rahmen von kurzen Fallbeispielen
beschrieben mit dem Ziel, mögliche Ähnlichkeiten und Unterschiede bei den
Positionierungsstrategien zu identifizieren sowie neue Profilierungsideen zu
präsentieren.
Die detaillierten Fallbeispiele beginnen mit allgemeinen Informationen über das
Unternehmen. Dann werden die allgemeine Positionierung, die Zielgruppen und
die wertschöpfenden Aktivitäten im Geschäftsfeld Pharmagrosshandel analysiert.
Die profilierenden Aktivitäten werden identifiziert. Basierend auf primären
Daten aus qualitativen Checklisten werden die bereits vorgestellten Informationen validiert und die profilgebenden Aktivitäten nach dem Gesetz der Profilierungsdynamik klassifiziert. Dabei zählen die Dienstleitungen zur Sicherheitszone, welche das analysierte Unternehmen von der Konkurrenz nicht abheben. In
der Profilierungszone kann zwischen Dienstleistungen mit bestem PreisLeistungs-Verhältnis (charakteristisch für den Kostenführer), innovativen Dienstleistungen (charakteristisch für den Produktführer) und Gesamtlösung
(charakteristisch für den Problemlöser) unterschieden werden. Dienstleistungen,
welche kein anderes Unternehmen in der Branche anbietet, gehören der
Früherkennungszone an. Im Anschluss werden das operative Modell, die
Unternehmenskultur, die Personalpolitik etc. aufgrund sekundärer Literatur
charakterisiert. Die kurzen Fallbeispiele fokussieren sich ausschliesslich auf die
Positionierung, die Zielgruppen und die Profilierungsmöglichkeiten.
152
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Unternehmen
Umsatz im
Heimatmarkt
I. Schweiz in Mio. CHF
Galenica
1’622.5
Amedis
1’000
UE
Zur Rose
340
II. Europa
Phoenix
in Mio. EUR
5’000
GEHE
3’500
Anzag
3’160
Alliance
UniChem
8’800
Sanacorp
AG
1’200
Noweda
eG
2’000
Marktstellung
Mitarbeiter Rechtsim Heimat- form
markt
50% Schweiz
32% Schweiz
40% Apotheken
12% Drogerien
führender
Ärztegrossist
880
500
Holding
Holding
210
Holding
28%, Marktführer in
Deutschland und Nr. 2
in Europa
19% Nr. 2 in Deutschland (Celesio ist
Marktführer in
Europa)
16.5% Nr. 3 in
Deutschland
Nr. 3 in Europa
(17.1% Nordeuropa,
15.3% Südeuropa)
13%, grösste Apothekergemeinschaft
und Nr. 4 in
Deutschland
Zweitgrösste Apothekergemeinschaft
3’358
AG & Co.
KG
2’900
2’361
GmbH,
Teil
von
Celesio
Holding
AG
33’000
Holding
1’881
Apothekengenossenschaft
1’900
Apothekengenossenschaft
Tabelle 4.5:
Übersicht der analysierten Fallbeispiele, Daten 2005
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.2 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im
Pharmagrosshandel der Schweiz
4.3.2.1 Amedis-UE
Amedis entstand 1997 aus dem Zusammenschluss der apothekennahen
Grossisten HAGEBA und EVZA. Im Jahr 2000 beteiligte sich der grösste
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
153
deutsche Pharmagrosshändler Phoenix AG zu 49% im Rahmen eines JointVenture – die Amedis-Holding wurde gegründet. Zwei Jahre später übernahm
Amedis die in der Westschweiz tätigen Grossisten Uhlmann Eyraud Distribution
SA und Oreynam SA. Das Unternehmen trägt seitdem den Namen Amedis-UE
SA.
Amedis-UE Pharmagrosshandel ist das Kernstück der Amedis-UE-Gruppe und
stellt die Basis für die Entwicklung der anderen Geschäftsfelder dar (siehe
Abbildung 4.7). Das Geschäftsfeld „Prewholesale“ bietet mit dem im 2005
abgeschlossenen neuen Verteilzentrum in Puidoux bei Lausanne logistische
Dienstleistungen für Pharmaindustrie und Importeure. Im neuen Geschäftsfeld
„Selbstdispensation“ sind die Dienstleistungen der Servimed AG und der
Multipharm Gruppe AG organisiert, welche sich an selbsdispensierende Ärzte
richten. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft Amedis Pharma-Fit, welche bis
2004 Finanzierungsmodelle für Apotheken angeboten hat, ist zu einer
Minderheitsbeteiligung geworden.311
Amedis-UE-Gruppe
Prewholesale
Pharmagrosshandel
Amedis-UE AG
Selbstdispensation
ServimeD AG
MultipharmGruppe
Abbildung 4.7: Struktur der Amedis-UE-Gruppe
Quelle:
Geschäftsbericht 2005–2006, S. 17
Positionierung im Geschäftsfeld „Grosshandel“
Das Unternehmen richtet sich an unterschiedliche Zielgruppen – Apotheken,
Drogerien, SD-Ärzte, Heime, Spitäler, Lieferanten, wobei die Apotheken- und
Drogeriengruppierungen eine zentrale Stellung haben. Das Unternehmen sieht
sich als nationaler Partner in der Gesundheitslogistik, als ein marktorientierter,
innovativer Volldienstleister und eine stark gewachsene neue Kraft im Gesund-
311
Vgl. Geschäftsbericht Amedis-UE-Gruppe 2004/2005.
154
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
heitswesen. Zentrale Erfolgsfaktoren der Unternehmensstrategie sind das Kostenmanagement, der Einsatz neuer Technologien zur Automatisierung der Logistik
sowie die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter.
Zweiseitige Profilierungsaktivitäten312
Amedis-UE positioniert sich als Vollgrossist, der sich sowohl an den
Bedürfnissen der Apotheken und Drogerien als auch an den Bedürfnissen der
Lieferanten orientiert. Die Profilierung erfolgt somit zweiseitig.
a) Logistische Dienstleistungen
– Marktabdeckung: Amedis-UE bietet eine nationale Marktabdeckung durch die
drei Verteilzentren in Unterentfelden (Zentralschweiz), Chavannes (Romandie
und Wallis) und Fehraltorf (Region Zürich und Ostschweiz).
– Lagerhaltung: Die Lager sind mit modernster Automaten- und Regaltechnik
ausgestattet, die eine grossflächige Hochregallagerhaltung ermöglicht. Die
Bestellabwicklung ist mehr als 70% automatisiert.
– Bestellabwicklung: Alle Verteilzentren sind im Rahmen eines integrierten
Warenwirtschaftssystems online verbunden. Dies erlaubt die optimale
Sicherstellung der nationalen Distribution.
– Produktverfügbarkeit zu 98% sichergestellt
– Feinverteilung, Lagerhaltung und Bestellabwicklung: Zweimal täglich und
einmal Nachlieferungen; Weiterentwicklungen in Zusammenarbeit mit dem
Lieferspezialisten Transmed Transport GmbH
– Spezialdienstleistungen: Mit der Unterstützung der Phoenix AG wird der
Internet-Auftritt des Unternehmens laufend ausgebaut. Online-Bestellungen
sowie die Funktionen „e-shopping“ und „Lagerauskunft“ kommen sowohl den
Abnehmern als auch den Herstellern zugute. Dies betrifft auch einige wenige
Spezialdienstleistungen wie Retouren und Entsorgung, welche einfach gestaltet
sind, sich aber dank der modernen Logistik durch eine hohe tägliche Fertigkeit
auszeichnen.
b) Marketingdienstleistungen
– Abdeckung des Marktverhaltens: Durchführung von Fachhandelsumfragen, die
auch detaillierte Informationen über das Kaufverhalten und Anforderungen und
über Trends geben.
312
Eine Analyse nach dem Gesetz der Profilierungsdynamik war aufgrund fehlender Daten nicht möglich.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
155
– Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen: Die nationale Abdeckung bedeutet
für die Hersteller einen attraktiven Vertriebspartner.
– Sortimentsbildung: Für die Apotheken und Drogerien sind rund 40’000 Artikel
jederzeit verfügbar, insgesamt 100’000 Artikel sind im Informationssystem
erfasst und abrufbereit. Die Artikel sind in Basis- und Zusatzsortimenten organisiert. Das Basissortiment schliesst Pharmazeutika, Medikamente, OTC, Homöopathika, Parapharmazeutika, Nahrungsmittelergänzungen ein. Das Zusatzsortiment beinhaltet Beauty-Kosmetik, Gesundheit, Hygiene, Medizinprodukte.
– Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen: Der Preis wird an die Anzahl der
Lieferungen und Einkaufsvolumen gebunden. Man kann zwischen vier unterschiedlichen Konditionenmodellen auswählen.313 Im ersten Modell wird eine
Nachtlieferung und somit die günstigsten Konditionen angeboten. Das zweite
Modell, ein so genanntes Basispaket, wird am meisten gebraucht und enthält eine
Nacht- und eine Tageslieferung. Am wenigsten nachgefragt wird das dritte
Modell – eine Nacht- und zwei Tageslieferungen. Am teuersten ist das vierte
Modell mit mehreren Tages- und Nachtlieferungen. Eine Vergünstigung kann
z.B. eine Apotheke bekommen, wenn sie mehr als die vereinbarten Jahresmengen
bestellt, wenn sie über 80% des Einkaufsvolumens bei Amedis-UE bezieht (d.h.
Amedis-UE wird ihr Exklusivlieferant) und wenn sie über Lastschriftverfahren
zahlt. Entsprechend teurer wird es, wenn die Apotheke weniger als vereinbart
einkauft, wenn sie eine zusätzliche Tageslieferung wünscht und wenn sie alles
per Fax bestellt.
Abbildung 4.8 zeigt auf einen Blick die zweiseitige Profilierung der Amedis-UE
AG als Kostenführer.
Operatives Modell
Kundenfokussiertes Sortiment, Service und Support zu fairen Preisen, ein starkes
Mitarbeiterteam und eine offene Kommunikation gegenüber allen Teilnehmern
im schweizerischen Gesundheitswesen sind die leitenden Werte von Amedis-UE.
Diese werden durch eine prozessorientierte Organisationsstruktur umgesetzt.
Zentrale Ziele der Personalpolitik von Amedis-UE sind der Aufbau starker
Teams mit einer hohen Sozialkompetenz und die Investitionen in die interne und
externe Weiterbildung.
Amedis-UE zeichnet sich auch durch den Einsatz modernster Technologien in
der Logistik aus, was v.a. durch die Partnerschaft mit der Phoenix AG
313
Vgl. Experteninterview Hofer, 2002.
156
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
intensiviert wird.314 Das Unternehmen verfügte schon im Jahr 2000 über das
modernste Logistikzentrum in der Schweiz. Neben der Erfüllung der Anforderungen der Guten Distributionspraxis werden die Unternehmensabläufe im
Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems ständig optimiert.
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Nationale
Marktabdeckung
Produktverfügbarkeit zu
98% gewährleistet
Modernste Lagerhaltung
Automatisierung 70%
Logistische
Dienstleistungen
3 Verteilzentren im
Warenwirtschaftssystem
Verkaufskonditionen:
Nationale Abdeckung
Marketingdienstleistungen
Lieferungen 2 x Tag,
1 x Nacht in Zusammenarbeit mit Transmed
Transport GmbH
Einkaufskonditionen:
Vier Konditionenmodelle
gebunden an Volumen
und Anzahl Lieferungen
Abbildung 4.8: Zweiseitige Profilierung von Amedis-UE Pharmagrosshandel
als Kostenführer
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.2.2 Galexis AG Pharmagrosshandel
Das Unternehmen Galenica entsteht im Jahr 1927 als Einkaufszentrale von 16
Apothekern. Den Namen Galenica bekommt es 1932. In den folgenden fünfzig
Jahren wird die Tätigkeit erweitert – ein wissenschaftlicher Dokumentationsdienst (1938), Absatzförderung pharmazeutischer Artikel für Ärzte und
Apotheken (1957) sowie kosmetischer Artikel (1972) werden betrieben. In der
Periode 1977–1987 erfolgt die Übernahme von Pharmaproduzenten und das
Unternehmen bekommt eine Holding-Struktur. 1996 wird eine umfassende
Restrukturierung eingeleitet. Nach der strategischen Neuausrichtung ist Galenica
in der ganzen Wertschöpfungskette tätig – „[...] von der Produktion über die
Distribution bis hin zum Retailgeschäft“.315 2001 wird die neue Corporate
Identity der Galenica-Gruppe eingeführt und die bis anhin bestehende Galenica
Distribution wird in Galexis umbenannt.
Die Galenica-Gruppe ist ein breit diversifiziertes Unternehmen (siehe Abbildung
4.9).
314
Siehe im Abschnitt 4.3.3.1 dieses Kapitels das Fallbeispiel „Phoenix“.
315
Vgl. Geschäftsbericht 1999.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
157
Abbildung 4.9: Struktur der Galenica-Gruppe
Quelle:
www.galenica.ch, 2005
Galexis AG Grosshandel präsentiert das Geschäftsfeld „Logistik“ der Direktion
„Santé“ zusammen mit dem Prewholesale-Unternehmen Alloga.316 Die Direktion
„Santé“ schliesst ausserdem die Geschäftsbereiche „Health Care Information“
und „Retail“ ein. Galenica bietet eine breite Palette von Dienstleistungen, welche
dem Geschäftsfeld „Healthcare Information“ zugeordnet sind. Dazu zählen z.B.
Basisinformationssysteme (e-mediat), Identifikations- und Sicherheitssysteme (ePrica), medizinischer Fachverlag (Documed), Software zur Integration von
Prozessen in der Apotheke und in der Ärztepraxis (Triamun). Eine weitere
führende Rolle im Schweizer Pharmamarkt hat GaleniCare Holding
(Geschäftsbereich „Retail“), die ein Netzwerk aus Apotheken darstellt. Dazu
zählen ca. 190 Apotheken, unter anderem die eigene Kette von Apotheken,
Drogerien und Parfümerien, das Gemeinschaftsprojekt mit Coop „Vitality“ und
Minderheitsbeteiligungen an Apotheken aus der Westschweiz. Der Geschäftsbereich „Pharma“ schliesst die bisherigen Geschäftsfelder Pharma Schweiz und
Pharma International ein. Pharma Schweiz beschäftigt sich mit der Produktion
von OTC, Verschreibungsspezialitäten, Phytopharmaka, Parapharmazie. Pharma
International wird von Vifor International vertreten und ist weltweit führend in
der Produktion von Eisenpräparaten.
Positionierung im Geschäftsfeld „Grosshandel“
„Alles aus einer Hand“ und „Der Vital-Link im Schweizer Gesundheitswesen“
sind zwei der Slogans, welche die Unternehmensstrategie von Galexis
zusammenfassen.317 Galexis AG sieht sich auch als schweizweiter Partner, indem
316
www.galenica.ch, 2005.
317
Vgl. www.galexis.ch, Zugriff: Dezember 2004.
158
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Partnerschaften mit Anbietern von Spezialleistungen eingegangen werden.
Beispiele dafür sind CAP (Fachpartner bei Aus- und Weiterbildung), Mediscope
(Online-Literatur-Dienst), Spiromed (Spezialist in Entsorgungsaufgaben), Tripol
(umsetzungsorientierte Weiterbildung für Apotheken), Indesign (Praxisplanung,
Auf- und Umbau), Medipa (Abrechnungskasse für Ärzte), Wiroma (Röntgenund Strahlenschutz), Drogerie-Marketingzentrale, ESD (Höhere Schule für
Drogisten und Drogistinnen) etc.
Das Unternehmen positioniert sich als Gesamtdienstleister für Hersteller- und
Einzelhandelskunden mit qualitativ hochstehenden Services und einem Höchstmass an medizinischer Kompetenz.318 Die Profilierung gestaltet sich zweiseitig.
Dabei erzielen einzelne Profilierungsaktivitäten unterschiedlichen Kundennutzen
(bestes Preis-Leistungs-Verhältnis, inovative Dienstleistungen, gesamte Kundenlösung) und andere werden von keinem anderen Konkurrenten angeboten.319
a) Logistische Dienstleistungen für Hersteller und Einzelhändler
– Marktabdeckung (bestes Preis-Leistungs-Verhältnis): Galexis bietet eine
nationale Marktabdeckung durch die drei Distributionszentren in BernSchönbühl (Mittelland), Zürich-Schlieren (Region Zürich und Ostschweiz) und
Lausanne-Ecublens (Westschweiz und Wallis). (prüfen ob aktuell)
– Bestellabwicklung (innovative Dienstleistung): Galexis AG zeichnet sich durch
das hohe Niveau der Qualitätslogistik aus. Die Warenabholung erfolgt durch 120
eigene Fahrzeuge und die Lagerräumlichkeiten werden ständig modernisiert und
ausgebaut. Die Einführung neuer Technologien zur Prozessunterstützung hat sich
zusätzlich positiv ausgewirkt. Heute wird in den meisten Zentren das Gewicht
jeder Lieferung kontrolliert und der Wareneingang mit drahtlosen Scannern
registriert. So gelingt es, die Fehlerquote markant zu senken (im Logistikzentrum
bei Zürich auf unter 1 Promille). Die Bestellungen können via Internet über den
ersten Online-Bestelldienst auf www.e-galexis.com sowie mit Internet-Pen, über
Telefon und Fax erledigt werden.
– Spezialdienstleistungen (innovative Dienstleistung): Die Logistikleistung der
Galexis zeichnet sich aus durch ihre zahlreichen und innovativen Spezialdienstleistungen. Die Bestellungen werden elektronisch übermittelt, Lieferscheine
heruntergeladen sowie Verfügbarkeit, Preise etc. abgerufen werden. Die XMLTechnologie, die bei www.e-galexis.ch im Einsatz ist, erlaubt die OnlineAbwicklung von Fakturen. Neben der üblichen Leerbidon- und Retourenent-
318
Vgl. Geschäftsbericht 2004.
319
Vgl. Checkliste Jenny, 2005.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
159
sorgung werden Programme in Zusammenarbeit mit Entsorgungsspezialisten
entwickelt, welche das ökologische Verhalten der Kunden unterstützen. Die
Fachhandelskunden können auf die Geschichte der persönlichen Einkaufslisten
zugreifen und somit laufend die Einkäufe optimieren. Die offenen Bestellungen
und Notas können online verfolgt werden. Die Lieferscheine zu einem automatischen Wareneingangsprozess werden elektronisch übermittelt.
b) Marketingdienstleistungen
– Abdeckung des Marktverhaltens (kein Konkurrent bietet sie an): Galexis hat
umfassende Kenntnisse über den Gesundheitsmarkt. Diese werden durch die
Marktnähe, den Einsatz neuer Technologien und Synergien mit den anderen
Geschäftsfeldern, insbesondere mit dem Geschäftsbereich „Healthcare Information“. Die Plattform www.e-galexis.com dient als Anlaufstelle bei der Suche
nach aktuellen Marktinformationen.
– Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen (innovative Dienstleistung): Die
nationale Abdeckung bedeutet für die Hersteller einen attraktiven
Vertriebspartner. Als erstes Unternehmen am Markt hat Galexis die individuellen
kundenspezifischen Konditionen (KUKO) eingeführt. Die Einzelhandelskunden
von Galexis vereinbaren dabei mit ihren Lieferanten Konditionen, welche dann
vom Lieferanten im System von Galexis eingetragen werden. Diese individuellen
Konditionen sind für die anderen Kunden nicht ersichtlich. Die Konditionen
können einzeln oder kombiniert hinterlegt werden. Die Elemente des
Konditionensystems sind der vereinbarte Einkaufspreis für den Einzelhandelskunden, der Bonus, die vereinbarte Reduktion der Logistikkosten. Die
Konditionen können auch an Bestellmengen gebunden oder zeitlich begrenzt
sein. Ende Monat erfolgt gegenüber dem Herstellerkunden eine detaillierte Abrechnung der gewährten Konditionen (Differenz Basispreis zu vereinbartem
Einkaufspreis pro Kunde, Boni, Logistikkosten). Ein weiteres Element des
Vertriebskontaktes sind die Plattformen Pharma-Hit, OTC-Hit und Para-Hit. Sie
ermöglichen den Zusammenschluss mehrerer Lieferanten zwecks gemeinsamer
Lancierung von Sonderangeboten. Umsatztreue Kunden werden mit Premiumpaketen belohnt.
– Verkaufsförderungsprogramme (Kundenlösung): Galexis bietet Verkaufsförderungsinstrumente zur Unterstützung der Marketingaktivitäten der Industrie
an. Zum Beispiel im Rahmen des Verkaufsförderungsprogramms GalExklusiv
werden die Lieferanten via Flyer, Telefonmarketing und Internet bei Aktionen
und Produkteinführungen aktiv unterstützt.320 „Einige Kunden aus der Pharma320
Vgl. Geschäftsbericht 2002.
160
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
industrie kombinieren heute ihre Marketingaktivitäten mit Instrumenten der
Verkaufsförderung von Galexis und arbeiten bezüglich der Marktaktivitäten eng
mit uns zusammen.“321
Galexis profiliert sich weiterhin durch die zahlreichen Werbemöglichkeiten für
die Herstellerkunden in den Fachzeitschriften für Apotheken, Ärzte und Drogerien und in den Themenbulletins und Katalogen, in Minikarten, Fahrzeugwerbung und Online-Werbung auf der B2B-Plattform www.e-galexis.com.
Weitere Möglichkeiten für die Herstellerkunden, mehr über den Einzelhandel
und die Ärzte im Speziellen zu erfahren und die eigenen Produkte entsprechend
zu platzieren, bietet der Praxiseröffnungsservice: Informationen über Teilnehmer
der Galexis-Praxis-Eröffnungsseminare; Informationen über zukünftige Praxiseröffnungen (nach Erstgespräch); Empfehlung von Präparaten bei der PraxisApotheken-Beratung; Positionierung der Präparate beim Einrichten der
Praxisapotheke, Mailing-Service (an Apotheken, Arztpraxen, Drogerien). Im
Rahmen der Messe „vitawell“ werden Anlässe für die zuliefernde Industrie
organisiert.
Galexis AG übernimmt auch Exklusivvertretungen bei Medizintechnik.
– Sortimentsbildung und Produktion (Kundenlösung): Das Sortiment von Galexis
wird ständig an die Kundenbedürfnisse angepasst. Für die Apotheken und
Drogerien sind 65’000 Artikel im System erfasst, davon 42’000 Artikel jederzeit
auf Lager verfügbar. Die Artikel sind nach Kategorien organisiert und je nach
Kundengruppe in einem Grund- und ergänzenden Sortiment eingeteilt. Für
Apotheken z.B. schliesst das Basissortiment die Kategorien Medikamente,
Chemikalien, Gesundheit & Wellness ein, das ergänzende Sortiment chemischtechnische Produkte, Praxis- und Laborbedarf, Medizintechnik und Servicesortiment. Spezialsortimente werden den Ärzten und Spitälern angeboten. Die
Synergien mit dem Geschäftsbereich „Pharma“ ermöglichen den Bezug der
hochqualitativen Eigenmarke Vifor zu Vorzugsbedingungen.
– Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen (innovative Dienstleistung): Die
kundenspezifischen Konditionen (Kuko) werden durch das innovative
Fakturierungssystem Nova (Modell „Fee for service“) vervollständigt. Nova
basiert auf drei Elementen: Warenwert zum Basispreis (Einflussfaktoren des
Warenwertes: Einkaufspreis, Sortiment, Lagerumschlag etc., abzüglich Sonder-,
Galexclusiv-, Permanent- und KUKO-Konditionen), Logistikdienstleistungen
und gewünschte Dienstleistungen wie Management Support, Fachinformationen,
321
Vgl. Geschäftsbericht 2003.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
161
Bestellsysteme etc.322 Der Vorteil von Nova besteht in der Möglichkeit, die
Grosshandelsleistungen nicht pauschal, sondern individuell und modular
zusammenzustellen und nur die tatsächlich bezogenen Leistungen zu bezahlen.
So werden erhebliche Einsparungspotenziale erzielt. Nova ist das einzige
Fakturierungssystem am Markt, das Führungskennzahlen wie Absatz- und
Lieferstatistiken sowie kantonale und schweizweite Benchmarkvergleiche
ermöglicht.
Die Kundenbindung wird durch die Mitgliedschaft am MyNovaClub gestärkt.
Dies ist eine Kommunikationsplattforn exklusiv für die Galexis-Kunden. Sie
können von den Angeboten namhafter Partner (z.B. Tourismus- und Finanzdienstleistungen, Kraftstofflieferanten etc.) profitieren und an exklusiven
Anlässen teilnehmen.
– Werbeunterstützung (innovative Dienstleistung): Umfassende Werbeunterstützung durch zahlreiche Fachzeitschriften.
– Marketingmanagementberatung (innovative Dienstleistung und Kundenlösung): Informationsunterstützung beim Marketingmanagement bekommen die
Einzelhandelskunden durch die zahlreichen Sortiments- und Artikelinformationen, die in den Galexis-eigenen Kommunikationsmedien (Fachzeitschrift
pharm), aber auch in den Angeboten des Partners E-Mediat (wissenschaftlicher
Auskunftsdienst, Fachauskunftsdienst etc.) und des Partners Mediscope (OnlineLiteratur-Dienst und Zugang über www-e-galexis.ch) enthalten sind.
Durch SAV akkreditierte Weiterbildungsseminare für Apothekerinnen, Apotheker, Ärztinnen, Ärzte und Praxisassistentinnen in der ganzen Schweiz;
Logistik-, Team- und Führungskurse. Die Ausbildung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden wie dem Schweizerischen Apothekerverband
SAV, der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Medizin SGAM und der höheren Fachschule
für Drogisten und Drogistinnen ESD.
Besonders erfolgreich gestalten sich die in enger Zusammenarbeit mit
Lieferanten angebotenen Pharm-Update-Kurse mit jeweils 200 bis 300
Teilnehmenden. Die Praxiseröffnungs-Workshops werden zusammen mit der
Pharmaindustrie und Softwareherstellern organisiert.
Die Fachandelskunden werden bei Apotheken-, Praxen- und Drogerieneröffnung
persönlich beraten und unterstützt.
322
Vgl. www.galexis.ch, Zugriff: Dezember 2004.
162
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
c) Finanzdienstleistungen für die Fachhandelskunden (kein Konkurrent bietet sie
an): Die Galexis-eigene Treuhandabteilung betreut 90 Apotheken und bietet
zahlreiche Finanzdienstleistungen bei der Praxisübernahme; Praxisfinanzierung,
Apothekenübernahme; Apothekenfinanzierung. Betriebswirtschaftliche Beratung
im Bereich des Controllings und der Buchhaltung rundet das Angebot ab.
Abbildung 4.10. veranschaulicht die zweiseitige Profilierung der Galexis als
Produktführer. Neben den innovativen Diensteistungen werden in den Bereichen
mit Produkt- und Marketingkompetenz Dienstleistungen angeboten, welche bei
keinem der Konkurrenten zu treffen sind. Galexis AG kann als Produktführer
bezeichnet werden. Das Unternehmen hat auch eine Reihe profilgebender
Kundenlösungen entwickelt. Einerseits können sie den Profil schwächen und zur
Situation „stuck in the middle“ führen. Andererseits können sie unterstützt durch
gezielte Investitionen als Schritt in einer Transformation in Richtung
Problemlöser betrachtet werden.
Operatives Modell
Zentrale Erfolgsfaktoren für die Galexis AG sind die Zugehörigkeit zur erfolgreichen Galenica-Gruppe, die leistungsstarken Abläufe, der Einsatz neuester
Technologie zum Angebot hochqualitativer und innovativer Dienstleistungen
sowie die Mitarbeiterteams. In der Galexis werden die Werte der GalenicaGruppe gelebt: Vertrauen, Ehrlichkeit, gegenseitiger Respekt, gesellschaftliche
Verantwortung und hohe Qualitätsansprüche. Diese werden durch eine prozessorientierte Organisationsstruktur umgesetzt, unterstützt durch modernste EDVInfrastruktur dank ständiger Investitionen.323 Die Prozessorganisation von
Galexis ist nach den Anforderungen der Guten Distributionspraxis zertifiziert.
323
Galenix AG gehört zu den Pharmagrosshändlern, welche die neuen Technologien als „eine wichtige Investition in
die Zukunft“ betrachten, um innovative Funktionen anzubieten und zukünftige Marktentwicklungen zu antizipieren
(vgl. Stocks-Interview mit E. Jornod, 2002).
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
163
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Nationale
Marktabdeckung
Produktverfügbarkeit
Verteilzentren online
im Verbund
Logistische
Dienstleistungen
Verteilzentren online
im Verbund
Umweltfreundliche
Entsorgung, OnlinePlattform e-galexis.com
Umweltfreundliche
Entsorgung, OnlinePlattform e-galexis.com
Umfassende Marktabdeckung aufgr.
Synergien mit
„Healthcare Information“
42’000 Artikel auf Lager
65’000 Art. abrufbar
Kundenspez. Sortimente
KUKO, PharmaHit
Verkaufsförderungsprogramm Galexclusiv
Starke Eigenmarke Vifor
Marketingdienstleistungen
KUKO+NOVA
MyNOVACLUB
Werbeunterstützung
in Fachzeitschriften
Produktinformationen
Legende:
Weiterbildung
Praxiseröffnungen
Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis
Innovative Dienstleistung
Treuhanddienstleistungen
Kundenlösung
Kein Konkurrent bietet
die Dienstleistung an
Finanzdienstleistungen
BWL-Beratung
Controlling, Buchhaltung
Abbildung 4.10: Zweiseitige Profilierung von Galexis AG Pharmagrosshandel
als Produktführer
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.2.3 Zur Rose AG
Die Zur Rose AG ist der Kern der „Zur Rose“-Gruppe (siehe Abbildung 4.11).
Das Unternehmen ist in zwei Geschäftsfeldern tätig. Der Bereich Business-toBusiness schliesst die Belieferung der Arztpraxen und Praxisapotheken mit
Medikamenten und Praxisbedarf ein. Der Bereich Business-to-Consumer
schliesst den Medikamentenversand direkt an Patienten und den Betrieb einer
Publikumsapotheke ein. Der Medikamentenversand, in dem die Apotheke „Zur
Rose“ in der Schweiz eine führende Rolle innehat, wird seit 2004 auch in
164
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Deutschland aufgebaut.324 Als dritter Standbein der Zur Rose Gruppe wird nach
der vollständigen Übernahme der Generikaproduzent Helvepharm augebaut.325
Abbildung 4.11: Struktur der „Zur Rose“-Gruppe
Quelle:
www.zur-rose.ch, Zugriff: Juli 2006
Das Unternehmen richtet sich an eine klar definierte Zielgruppe: die
selbstdispensierenden Ärzte. Rund 3’000 praktizierende Ärztinnen und Ärzte
zählen heute zu den Kunden. Zentraler Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist die
Beteiligungspolitik, gemäss der jeder Arzt Aktien des Unternehmens erwerben
und somit sich am Erfolg beteiligen kann. Dadurch wird eine sehr hohe
Kundenbindung erreicht. Die Aktionärschaft zählt 1’700 Ärzte. Die Zur Rose
positioniert sich als unabhängiger Ärztegrossist mit einer klaren Fokussierung
auf den Arzt und ein maximales Dienstleistungsniveau. Die Positionierung lässt
sich kurz fassen: „Alles für den Arzt aus einer Hand“.
Hohe Qualität, Arztnähe, Flexibilität und innovative Problemlösungen sind die
leitenden Werte der Zur Rose. Um ihren Kunden eine grosse Vielfalt von Dienstleistungen anbieten zu können, geht das Unternehmen strategische Kooperationen ein. Die Tochtergesellschaft Neue Klosterapotheke in Muri hat eine
Allianz mit der Firma Omniprax geschlossen, einem Medizintechnik- und Praxisbedarfsspezialisten. Strategische Beteiligungen hat die Zur Rose am Immobilienspezialisten ImmoRose AG, am Logistikunternehmen PolyRose AG (betreibt die
Auslieferungslogistik), an der Blue Care AG (Spezialist in der Management- und
Technologieberatung, Aufbau von Managed-Care-Prozessen für Verbände und
Ärztepraxen326). Weitere Partnerschaften erlauben das Angebot von Admini324
Seit 2005 beliefert Zur Rose von Halle aus den deutschen Markt (vgl. Strohm D., NZZ am Sontag, 5. Juni 2005).
325
Vgl. Medienmitteilung der Zur Rose-Gruppe, 18.7.06, www.zur-rose.ch. Keine Änderung im Organigramm
(Abbildung 4.11 ), da das Geschäftsfeld im Aufbau ist.
326
Vgl. www.bluecare.ch, Zugriff: 09.12.2004.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
165
stration und Organisationsunterstützung, wie Verrechnungen, Zahlungsservice,
Kreditunterlagen (Partnerschaft mit der Ärztekasse327), von Medizintechnik und
Praxiseinrichtungen sowie alles für den Praxis- und Laborbedarf (Partnerschaft
mit Polymed Medical Center328) und moderne Entsorgungskonzepte (Partnerschaft mit Rethmann Suisse329 und Zusammenarbeit mit Spiromed AG330).
Positionierung im Geschäftsfeld „Ärztegrossist (B2B)“
Die Apotheke „Zur Rose“ positioniert sich als Spezialgrossist, der sich auf die
Bedürfnisse der Ärzte fokussiert. Als logistische Grundleistung betrachtet die
Apotheke „Zur Rose“ das Grosseinkaufen und das Verkaufen in kleineren
Mengen. Das Unternehmen sieht sich aber viel mehr als der rückwärtige Dienst
für den Arzt als der vorwärtige Dienst für den Lieferanten.331 Durch die
Erbringung zahlreicher Dienstleistungen für den Arzt arbeitet das Unternehmen
auch indirekt zugusten der Hersteller. Die Profilierung ist zweistufig.
a) Logistische Dienstleistungen
– Spezialdienstleistungen (innovative Dienstleistung, Kundenlösung und keiner
Konkurrent bietet sie an): In Zusammenarbeit mit Spezialisten wie Rethmann
Suisse und Spiromed AG ist es möglich, hochqualitative Spezialdienstleistungen
zur Erleichterung sowohl des Arztes als auch indirekt des Herstellers anzubieten.
Grosszügige Retourenregelung, die Entsorgung von Röntgenapparaten und
medizinischem Abfall sowie das Angebot von Bestellhilfsmitteln wie Rosenpen,
Bestellsoftware, Strichcodekatalog, Minikärtchen etc. sind Spezialdienstleistungen, welche die „Zur Rose“ für die Arztpraxis anbietet und nach Bedarf
flexibel gestaltet. Für Modem- und Online-Bestellung mit oder ohne
Strichcodeerfassung steht die Bestellsoftware RosenStudio und ihre OnlineVersion eStudio zur Verfügung. Um höchste Sicherheitsstandards in der OnlineKommunikation zu sichern, arbeitet „Zur Rose“ mit dem Health-Info-Net (HIN)
zusammen, der Internet-Organisation für Ärztinnen und Ärzte. Wenn der Arzt
ein HIN-Mitglied ist, kann er die für eine sichere Online-Kommunikation nötige
Sicherheitssoftware ASAS nutzen. Die Möglichkeiten der Online-Bestellungen
werden auch für das Verschicken von Rezepten an die Versandapotheke
327
Vgl. www.aerztekasse.ch, Zugriff: 09.12.2004.
328
Vgl. www.polymed.ch, Zugriff: 09.12.2004.
329
Vgl. www.rethmann.ch, Zugriff: 09.12.2004.
330
Vgl. www.spiromed.ch, Zugriff: 15.12.2004.
331
Vgl. Experteninterview Eberle, 2003.
166
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
eingesetzt. Diese beliefert die Patienten direkt nach Hause mit rund 13’000
Artikeln.
– Beratung Lagermanagement (Kundenlösung): die Arztpraxis wird auch durch
die Inventur der Lagerbestände und die Verfalldatenkontrolle sowie diverse
Auswertungen und Einkaufsstatistiken unterstützt.
b) Marketingdienstleistungen
– Sortimentsbildung und Produktion (Kundenlösung): „Zur Rose“ bietet ein
Sortiment von 6’000 Artikeln für den Arzt- und Praxisbedarf auf Lager an, das
98% der Kundenwünsche deckt; die restlichen 2% sind auch kurzfristig
verfügbar. Das Sortiment schliesst auch eine Vielfalt an Generikaprodukte dank
dem Kauf der Helvepharm ein. Die Neue Kloster Apotheke bietet auch weitere
3’500 Artikel an und Omniprax mehr als 10’000 Artikel des Praxis- und
Laborbedarfs.
– Sortimentsaufbereitung (Kundenlösung): Dem Konsumentenbedarf nach
Alternativen zu den traditionellen Medikamenten begegnet die Apotheke „Zur
Rose“ mit der Entwicklung einer eigenen Vitalstoff-Therapie in Zusammenarbeit
mit Hepart AG. Die Vitalstoffe können bei der Zur Rose AG bestellt werden, ihre
Beimischung und Verpackung erfolgt in der Offizinapotheke in Steckborn TG.
– Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen (Kundenlösung): Die Ärzte schätzen
die Unabhängigkeit und die Kundennähe der Zur Rose AG und sie ist ein
bevorzugter Beschaffungspartner. Nicht nur werden die für die Praxisbeschaffung notwendigen Kontakte minimiert, sondern es wird auch mit
umfassenden, aber transparenten Konditionen gearbeitet. Der Arztpreis setzt sich
aus dem „Rose“-Basispreis und dem Dienstleistungs- und Logistikzuschlag
(DLK) zusammen. Faktoren wie der Jahresumsatz, der Umsatz pro Lieferung
und die Nutzung von Online-Bestellungen beeinflussen auch die Konditionen. Zu
den Dienstleistungen, die mit dem DLK abgegolten werden, gehören Bestellhilfsmittel, Sortiments- und Preisinformationen (Preis- und Produkte-Updates,
Sortimentsberatung, Rosenkompendium, Roseninfo), die Retourenregelung und
die Entsorgung sowie die Inventur der Praxisapotheke. Spezielle Konditionen
werden auch beim Kauf von Büromaterial und der entsprechenden Lieferung
wirksam. Die Aktionäre der „Zur Rose“-Gruppe erhalten auch die exklusive
Mitgliedschaft im „Lounge“-Club, der durch zahlreiche Spezialangebote die
Kundenbindung erhöhen soll.
– Marketingmanagementberatung (innovative Dienstleistungen): Die Apotheke
„Zur Rose“ profiliert sich durch vielfältige Beratungsdienstleistungen. Eine
Gruppe von Dienstleistungen umfasst die Errichtung einer neuen und die
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
167
Revision einer bestehenden Arztpraxis: Montage, Installationen, Einrichtung
(Einbausystem und Raumplanung), Lagerräumlichkeiten, Qualitätskontrollsystem. Eine zweite Gruppe schliesst das breite Fortbildungsangebot für Ärzte
und Praxismitarbeiter ein. Dazu zählen z.B. zweitägige Seminare in Kleingruppen zu fachspezifischen, aber auch allgemein gesundheitsrelevanten
Themen. Die dritte Gruppe betrifft das Begleitmaterial, die Software und
Patientenbroschüre, was notwendig beim Angebot der Vitalstofftherapie ist.
Viertens wird durch die „Zur Rose“ ein Medikamentenkompendium (RosaeCompendium Medicamentorium) entwickelt und umgesetzt, das Auswertungen
von Medikamenten durch eine unabhängige Ärztegruppe enthält.
c) Finanzdienstleistungen
– Finanzdienstleistungen (keiner Konkurrent bietet sie an): Sie sind mit dem
innovativen Konzept der Ärztebeteiligung verbunden. Mit der Zeichnung von
Aktien beteiligen sich die Ärzte am Unternehmensgewinn und sichern sich ein
Mitspracherecht. So gehört die Aktiengesellschaft „Zur Rose“ ihren Kunden.
Damit ein genossenschaftlicher Charakter und somit Unabhängigkeit und
Kundennähe erreicht werden, wird pro Aktionärin oder Aktionär nur ein kleines
Aktienpaket ausgegeben.
Die Profilierungsaktivitäten der Apotheke „Zur Rose“ zeichnen das Bild eines
Problemlösers. Dieses Profil wird zusätzlich durch innovative Kundenlösungen
und Aktivitäten zur Kundenbindung in der Früherkennungszone gestärkt. Der
Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes für Generikaproduktion um Helvepharm
wird es ermöglichen, die produktbasierte Marketingkompetenz zu stärken und
somit einen Übergang zum Geschäftsmodell „Produktführer“ vorbereiten.
Abbildung 4.12 veranschaulicht die Profilierung der Apotheke „Zur Rose“ als
innovativer Problemlöser.
Operatives Modell
Die offene und geradelinige Politik drückt sich im Managementsystem und in der
Personalpolitik aus. Flache Hierarchien, klare Aufgabenteilung und offene
Kommunikation tragen zur Flexibilität des Unternehmens, aber auch zu einer
hohen Mitarbeiterzufriedenheit bei. Alle Mitarbeiter partizipieren am Erfolg des
Unternehmens. Das Unternehmen hat als Erstes in der Branche 2001 die
Anforderungen der Guten Distributionspraxis erfüllt. Seit 2002 sind diese
Anforderungen auch Teil des Heilmittelgesetzes und für alle Pharmagrosshändler
verbindlich.
168
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Logistische
Dienstleistungen
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Versandhandel
Sortimentsbildung und
Produktion
Marketingdienstleistungen
Legende:
Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Einrichtung Ärztepraxis
Weiterbildung für Ärzte
Medikamentenkompendium
Innovative Dienstleistung
Kundenlösung
Kein Konkurrent bietet
die Dienstleistung an
Sortimentsaufbereitung
Finanzdienstleistungen
Ärzte werden Aktionäre
Abbildung 4.12: Zeistufige Profilierung der Apotheke „Zur Rose“ als
Problemlöser mit Fokus Arzt
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.3 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen führender
Pharmagrosshändler in Europa
4.3.3.1 Phoenix Pharmahandel AG und Co. KG
Phoenix Pharmahandel Aktiengesellschaft und Co. KG in Mannheim ist der
grösste Pharmagrosshändler in Deutschland und der zweitgrösste in Europa. Der
Grosshandel ist das Kerngeschäft des Unternehmens. Eine europaweite Positionierung als marktorientierter Kostenführer hilft dabei, kosteneffizient zu arbeiten
und Best-Practices-Lösungen zu internationalisieren (siehe Abbildung 4.13).
Neben einer effizienten landesweiten Versorgung der Patienten wird das Profil
des Unternehmens durch Zusatzdienstleistungen unterstützt. Beispiele sind
länderspezifische logistische Systempartnerschaften, Marketingkonzepte, Organisationsberatung und Fortbildungsangebote. Phoenix richtet seine Aktivitäten
gleichermassen an die Herstellerkunden und Apotheken, sodass eine zweiseitige
Profilierung332 vorliegt.
332
Informationen aus der Internetseite www.phoenix-ag.de und den Geschäftsberichten 2003–2004 und 2004–2005.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
169
Bei der Profilierung wird das Grundprinzip „Null Fehler mit hoher Flexibilität
und geringen Kosten“ verfolgt. Zu diesem Zweck hat Phoenix ein ausgeklügeltes
Warenlager- und Logistiksystem aufgebaut. Eine effiziente Gestaltung der
logistischen Prozesse führt zu einer laufenden Senkung der Transportkosten und
der Kommissionierungsstellen. Durch 19 Vertriebszentren deutschlandweit wird
eine optimale Marktabdeckung erreicht. Die Niederlassungen befinden sich in
der Nähe der Apotheken, sodass eine Medikamentenversorgung zu niedrigsten
Kosten erfolgen kann. Um weitere Kostenpotenziale zu erzielen, werden
zahlreiche Projekte zur Effizienzsteigerung umgesetzt, wie z.B. kostengünstigere
Sortimentsbewirtschaftung und Zusammenführung der regionalen Einkaufsbereiche zu einem Zentraleinkauf.
Die Rationalisierungsprogramme werden durch den Einsatz neuer Technologien
unterstützt. Dabei setzt Phoenix auf etablierte Eigenentwicklungen und renommierte externe Lösungen. Die IT-Lösungen werden national zentralisiert und in
mehreren Regionen als Standard etabliert. Zum Beispiel eignet sich das Warenwirtschaftssystem Pharmos für Märkte mit einem sehr hohen Zeilenaufkommen.
Für die restlichen Märkte wird das zum Branchenstandard gewordene System
Enterprise 1 von Oracle eingesetzt. Der Gesamtaufwand wird so gesenkt, Skaleneffekte entstehen und das Unternehmen kann seine IT-Kosten kontinuierlich
unter dem Branchendurchschnitt von 0.4% des Nettoumsatzes halten.
Durch eine integrierte und zentralisierte Wiederbevorratung der Apotheken
werden die Sortimentssteuerung, die Koordination der Marketingaktivitäten, der
Wareneinkauf und somit die Produktverfügbarkeit in den Apotheken qualitativ
verbessert.
Der Einkaufs- und der Vertriebskontakt werden ständig optimiert. Virtuelle
Kunden-Service-Zentren wurden aufgebaut. Der Apotheker ruft wie gewohnt
seinen Kundenservice bei Phoenix an. Dank der Vernetzung der Kommunikationssysteme kann sich der Mitarbeiter dabei an einem beliebigen PhoenixStandort befinden. Auf diese Weise wird eine deutliche Verbesserung der
Erreichbarkeit erzielt, die zu einer höheren Kundenzufriedenheit geführt hat.
Kundenbeziehungen werden im vertrieblichen Informationssystem VIS dokumentiert. Diese Anwendung ist ein zentrales Werkzeug der Marktanalyse für den
Vertrieb, das die schnelle Reaktion auf Marktveränderungen ermöglicht.
Das Marketingkonzept für Apotheken „Midas“ ist am Markt gut etabliert. Seit
der Einführung sind mehr als 2’700 Apotheken Mitglied geworden. Das Konzept
stellt ein Paket von Servicedienstleistungen dar, welche sich an die unabhängige
Apotheke richten. Dazu zählen Verkaufsförderung, Spezialangebote, ApothekenHomepage und Online-Shop, Category Management und Aus- und Weiter-
170
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
bildung für das Apothekenteam. Diese Dienstleistungen aber bieten kein Profilierungspotenzial, weil sie von allen anderen Grosshändlern am deutschen Markt
angeboten werden.
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Marktabdeckung –
geografische,
Volumen, Vielfalt
Lagerhaltung
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Produktverfügbarkeit
Logistische
Dienstleistungen
Bestellabwicklung
Vertriebskontakt und
Vertriebskonditionen
Marketingdienstleistungen
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Abbildung 4.13: Zweiseitige Profilierung von Phoenix Pharmahandel als
Kostenführer
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.3.2 GEHE Pharmahandel GmbH
GEHE ist die Nummer 2 im deutschen Pharmagrosshandel. GEHE positioniert
sich als Volldienstleister mit führenden Qualitätsstandards in der Logistik und im
Bereich des innovativen Apothekenmarketings und -managements. Das Unternehmen sieht sich als Motor eines innovativen Supply-Chain-Modells und
verfolgt die Nutzenstrategie eines Produktführers (siehe Abbildung 4.14).
Im Zentrum der Profilierung von GEHE steht „Commitment“, das innovative
Supply-Chain-Modell begleitet durch Marketingdienstleistungen.333 Das Modell
zielt auf die enge Zusammenarbeit zwischen der Markenindustrie, dem
Grosshandel und der inhabergeführten Apotheke („3-Punkte-Programm“). Mit
dem Supply-Chain-Prozess werden vier Ziele verfolgt: Umsetzung markengerechter Preise und Spannen, Erhöhung der Marktanteile für gemeinsame
Sortimente, Kundenbindung über den Markenartikel-Mehrwert, gemeinsame
Entwicklung einer starken Qualitätsmarke für den Endverbraucher. Im Rahmen
des Programms werden die logistische Dienstleistung, die Marketingdienst-
333
Vgl. Mähr, 2003, S. 1 in der Unternehmenszeitung EinBlick 2/2003.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
171
leistungen und die Finanzdienstleistungen gegenüber den Hersteller- und den
Apothekenkunden profiliert. So gestaltet sich die Profilierung zweiseitig.334
Die logistischen Aktivitäten bei GEHE werden deutschlandweit von 19 Niederlassungen ausgeführt, welche in einem Verbundsystem organisiert sind. So
werden gleichzeitig eine nationale Marktabdeckung zugunsten der Pharmaindustrie und eine hohe Lieferfähigkeit mit 24-Stunden-Liefergarantie zugunsten
der Apotheken sichergestellt. Zu den logistischen Spezialdienstleistungen mit
Profilierungspotenzial gehört das Konzept HausGebracht mit RezeptPlus.335 Es
ermöglicht die elektronische Lösung von Rezepten, die Bestellung der benötigten
Medikamente und die Lieferung direkt an Endkonsumenten.
Zum Branchenstandard gehört der Online-Zugriff auf das gesamte Warensortiment und die Online-Bestellung über das Portal GEHE Point.336 Ein
elektronisches Rechnungsarchiv steht auch zur Verfügung. Wie bei allen anderen
Anbietern am deutschen Markt wird den Apotheken eine Lösung angeboten,
einen eigenen Online-Shop mit elektronischer Bestellung und allen
Zahlungsarten.
Der Profilierungsschwerpunkt im Bereich der Marketingdienstleistungen liegt
eindeutig auf der Absatzseite gegenüber den Apotheken. Eine Profilierung
gegenüber der Pharmaindustrie findet implizit im Rahmen des Supply-ChainModells statt. Die enge Zusammenarbeit mit den Markenherstellern ermöglicht
das Angebot von innovativen Lösungen in der Sortimentsbildung. So wird ein
modernes Category Management umgesetzt, bei dem Markenproduktsortimente
gemeinsam entwickelt und lanciert werden.337 GEHE Balance heisst die Eigenmarkenlinie, die einen hohen Qualitätsanspruch im Bereich der Vitamine,
Mineralstoffe und Heilkräutertees hat.338 Unter dem Namen Galeria bekommt die
Apotheke bei der Sicht- und Freiwahlmanagement Unterstützung. Dabei liegt das
Ziel darin, das Sortiment betriebswirtschaftlich und marketingorientiert an die
Nachfrage anzupassen, Produktprioritäten festzulegen, Regalflächen optimal zu
nutzen und die Anzahl der Impulskäufe zu steigern. Attraktive Werbemöglichkeiten werden dabei der Pharmaindustrie angeboten.
334
Sämtliche Informationen stammen aus der Internetseite www.gehe.de und den Geschäftsberichten der CELESIOGruppe, 2003–2004.
335
Vgl. Pressemitteilung 2/04 vom 18.02.2004, www.gehe.de.
336
Vgl. Presseinformation 5/03 vom 26.02.2003 www.gehe.de.
337
Vgl. Engleder, 2004, S. 1 in der Unternehmenszeitung EinBlick Nr. 2/2004.
338
Vgl. Kahleys, 2004, S. 4 in der Unternehmenszeitung EinBlick Nr. 1/2004.
172
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
GEHE AG bewirtschaftet das führende Apothekenportal für Endkonsumenten in
Deutschland – Apotheke.com. Daran sind rund 6’000 Apotheken angeschlossen.
Neben Gesundheitsinformationen werden ein breites Sortiment und ein
Bestellservice angeboten. Eine weitere Marktführerposition hat das Unternehmen
im Bereich der Weiterbildung für Apotheker. Nicht nur die Anzahl der Themen,
Veranstaltungen und Teilnehmer (entsprechend 100, 700 und 14’000), sondern
auch die eingesetzten innovativen Lernmethoden, wie E-Learning, E-LiveLearning, E-Meeting sind Beweise dafür. Wachsende Popularität und damit
Profilierungspotenziale weist die themenorientierte Lancierung von Produkten
und Dienstleistungen auf. Beispiele sind die Konzepte „Richtig essen“ und
„QuadroCheck“339 (vier Gesundheitschecks in einem Paket).
Zum Branchenstandard werden eine individuelle Verkaufsförderung und
Warenpräsentation am Point of Sale (Programm XXL), Beratung für
Marketingplanungen, Umbau/Neubau, Werbung und Kommunikation (Programm GEHE Apothekerberatung) und Förderung des Apothekennachwuchses in
Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungsinstituten (Programm WIS).
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Produktverfügbarkeit
Nationale
Marktabdeckung
Verbundsystem und
3-Punkte-Programm
Logistische
Dienstleistungen
Verbundsystem und
24-StundenLiefergarantie
HausGebracht mit
Rezept Plus
3-Punkte-Programm
Marketingdienstleistungen
Galeria
Category Management
GEHE Balance
GEHE-Apothekenberatung
Apotheke.com
Homepage-Service
GEHE-Akademie
WIS
Abbildung 4.14: Zweiseitige Profilierung der GEHE AG als Produktführer
Quelle:
339
eigene Darstellung
Vgl. Presseinformation 4/04 vom 03.03.2004 www.gehe.de.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
173
4.3.3.3 Alliance UniChem Grossbritannien
Alliance UniChem konzentriert sich auf die Entwicklung und Internationalisierung von zwei Geschäftsfeldern: Pharmagrosshandel und Fachhandel340
durch eigene Apothekenketten. Die Positionierung des Geschäftsfelds „Pharmagrosshandel“ schliesst das Angebot effizienter logistischer Dienstleistungen und
innovativer Marketingdienstleistungen ein. Die Zielgruppen schliessen die Herstellerkunden sowie unabhängige Apotheken und Drogerien und die eigene
Apothekenkette ein. Alliance UniChem positioniert sich als ein Produktführers
und profiliert sich zweiseitig (siehe Abbildung 4.15).341
Durch die 212 Lagerhäuser in 12 europäischen Ländern wird eine optimale
Marktabdeckung sowohl lokal als auch grenzüberschreitend erreicht. Die
laufende Optimierung der Prozesse vom Wareneingang bis zum Warenausgang
führt unter dem Einsatz neuester Technologie zur höchstmöglichen logistischen
Effizienz (Projekt „Warehouse Best Practice“).
Aus Sicht der Pharmaindustrie bietet Alliance UniChem eine optimale
Abdeckung des Kaufverhaltens der Apotheken u.a. auch durch das Management
der eigenen Apothekenketten an. Der Profilierungsschwerpunkt gegenüber der
Pharmaindustrie ist das Konzept „Pressuma“. Es kombiniert Lösungen für die
Verkaufsförderung, die Informationsbeschaffung und das Beziehungsmanagement. Es basiert auf der Zusammenarbeit zwischen dem Aussendienst und dem
Innendienst, um bestmögliche Informationen und Dienstleistungen im Bereich
Verkauf, Werbung, Sonderaktionen, Produktinformationen und Beratung bei der
Durchführung von Studien und gezielte Bearbeitung einzelner Konsumentensegmente zu erreichen. „Pressuma“ ermöglicht auch die Profilierung gegenüber
den Apotheken.
Dank der engen Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie werden innovative
Sortimente lanciert. So ist auch Almus entstanden, die führende Generikamarke
auf dem britischen Markt. Unter dieser starken Eigenmarke wird das Generikasortiment von Alliance UniChem angeboten.
Den Apotheken steht auch das innovative Konzept „Your Portfolio“ zur
Verfügung, das aus Dienstleistungen in drei Bereichen besteht: einer breiten
340
Im Oktober 2005 verkündeten Alliance UniChem und Boots ihre Fusion im Drogerie-Bereich. Der neue Pharmaund Drogerie-Konzern mit mehr als 3000 Drogerien und einem Jahresumsatz von mehr als 13 Mrd. Pfund wird
zum führenden Medikamentenfachhändler in Europa. Die Fusion stärkt die Marktposition des Geschäftsfeldes
Grosshandel durch Skaleneffekte in der Logistik und neue starke Eigenmarken wie Boots, No 7, Soltan
(vgl. Wirtschaftswoche, www.wiwo.de, 03.10.2005, Präsentation und Pressemitteilung www.allianceunichem.com, 03.10.2005).
341
Die Informationen stammen aus der Internetseite www.allianceunichem.co.uk, 2004–2005, und aus den
Geschäftsberichten 2002–2004.
174
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Palette von patientenorientierten Gesundheitsdienstleistungen, Verkaufsförderung und Werbemassnahmen zum Ausbau des Apotheken-Image sowie
Managementberatung zu allgemeinen Organisations-, Projekt-, Personal- sowie
Finanzfragen.
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Europaweite
Marktabdeckung
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Produktverfügbarkeit
Effizienteste Lagerhäuser
Umfassende Kenntnisse
aufgr. Synergien mit
anderen Geschäftsfeldern
Logistische
Dienstleistungen
Marketingdienstleistungen
Konzept „Pressuma“
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Partnerschaft mit der
Industrie zur Lancierung
innovativer Sortimente;
führende Eigenmarke
Almus für Generika
Konzept „Pressuma“
Konzept „Your Portfolio“
Finanzdienstleistungen
Konzept „Your Portfolio“
Abbildung 4.15: Zweiseitige Profilierung von Alliance UniChem als
Produktführer
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.3.4 Anzag AG
Die Anzag AG ist der drittgrösste Pharmagrosshändler in Deutschland. Im
Mittelpunkt der allgemeinen Positionierung stehen der Erfolg und die Sicherung
der selbständigen Apotheken. Zusätzlich zum klassischen Pharmagrosshandel
wird ein Zukunftskonzept für selbständige Apotheken aufgebaut. Bei der Positionierung von Anzag kann ein Übergang von einem Produktführer zu einem
Problemlöser und von einer zweiseitigen zu einer zweistufigen Profilierung. Die
Gestaltung der logistischen Dienstleistungen trägt die Merkmale eines Produktführers und diese der Marketingdienstleistungen – die Merkmale eines
Problemlösers (siehe Abbildung 4.16).
Die logistische Leistung der Anzag AG hat eine marktführende Position in
Deutschland. Das Unternehmen verfügt mit 23 Niederlassungen landesweit über
das dichteste Auslieferungsnetz aller Pharmagrosshändler. Die logistische
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
175
Dienstleistungen kommen sowohl der Apotheken als auch der Pharmaproduzenten und -importeure zugute. Das Mikrologistik-System wurde im 2001 mit
dem Deutschen Logistik-Preis und dem European Logistics Award
ausgezeichnet. Das System besteht aus:
–
einem einheitlichen und voll vernetzten Warenwirtschaftssystem mit einem
hohen Automatisierungsgrad und einheitlichen Qualitätsstandards dank
ISO-Zertifizierung und Benchmarking-System;
–
regionalen Leistungs- und Serviceverbünden: Die 23 Niederlassungen
werden in 6 Verbünden miteinander vernetzt. Jede Niederlassung kann für
eine andere in demselben Verbund sämtliche logistische Dienstleistungen
übernehmen;
–
Zentraleinkauf und Disposition: Mittels der Optimierung der Prozesskette
und dem Aufbau eines Lieferanten-Informationssystems wurde die Wiederbeschaffungszeit von 9,2 Tagen in 1992 auf gegenwärtig 3,6 Tage gesenkt;
–
Transportgesellschaft AS Logistik beliefert mehrmals täglich und nachts in
beliebigen Lot-Grössen bis zu 12’000 Apothekenkunden und tauscht die
Ware im Rahmen des Verbundsystems aus;
–
Zentrallager als integrierte Beschaffungsdrehscheibe;
–
integrierte und internetbasierte Kundenservicesysteme im Logistikbereich:
Portal für Apotheken mit Zugriff auf das Warenwirtschaftssystem, Gesundheitsportal für Endverbraucher, Auswertungen für Apotheken und
Pharmahersteller dank der Anzag-Tochtergesellschaft Gesdat (Gesellschaft
für Informationsmanagement).
Aufgrund der gesetzlichen Veränderungen im Gesundheitsbereich setzt Anzag
vermehrt den Fokus auf den Aufbau kundennaher Systeme im Marketingbereich.
Dabei richten sich die Dienstleistungen explizit an die unabhängigen Apotheken
und eher implizit an die Pharmahersteller. Drei Schritte zeichnen die
Neuausrichtung an individuelle Kundenlösungen. Erstens wird das Dienstleistungspaket vivesco® eingeführt, welches die Apotheken in den Bereichen
Finanzmanagement, Einkauf, Category Management, Online-Versandhandel
sowie durch Informationen und Schulungsmaßnahmen unterstützt. Die Apotheken erhalten die Möglichkeit, sich an vivesco® finanziell zu beteiligen.
Zweitens erlauben ein Informations- und Vertriebssystem DIVA sowie die
Optimierung der IT-Strukturen das Angebot von Anzag-Online, internetbasierte
Dienstleistungen für die Apotheke, das Betreiben vom Gesundheitsportal
www.gesundheit.de für Endkonsumenten und die Initiative „Apotheken im
176
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Internet“. Drittens strebt das Unternehmen die enge Kooperation mit
apothekennahen Pharmagrosshändlern.
Die Erfassung der über 38% des Umsatzes der deutschen öffentlichen Apotheken
via Grosshandel (Anzag, Noweda und Sanacorp) ermöglicht die optimale
Abdeckung des Marktverhaltens und die systematische Sammlung, Bearbeitung
und Auswertung topaktueller Informationen. Das Sortiment zählt 120’000
Artikel mit einer grossen Sortimentstiefe. Die Werbeunterstützung hat ein starkes
Profilierungspotenzial. Das Verkaufsförderungskonzept „SAM – Sales and
more“ bringt jährlich sieben professionelle Verkaufsförderungs-Aktionen. Im
Rahmen des Programms „Anzag Partner aktiv“ werden die Apotheken bei der
Jahresplanung, der Durchführung von Aktionen und bei der Erfolgskontrolle der
Verkaufsförderung beraten.
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Marktabdeckung –
geografische,
Volumen, Vielfalt
Produktverfügbarkeit
Lagerhaltung
Logistische
Dienstleistungen
Bestellabwicklung
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen;
Anzag Online
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Sortimentsbildung und
Produktion
Abdeckung des
Marktverhaltens
Marketingdienstleistungen
SAM – Sales and more
Anzag Partner aktiv
Vivesco
Finanzdienstleistungen
Vivesco
Abbildung 4.16: Profilierung der Anzag AG im Übergang vom Produktführer
zum Problemlöser
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.3.5 Noweda Apothekergenossenschaft
Das Unternehmen positioniert sich als Apothekengenossenschaft (die Apotheken
sind Eigentümer) und Pharmagrosshändler und richtet sich ausschliesslich an die
Bedürfnisse der Genossenschaftsmitglieder. Noweda verfolgt die Strategie des
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
177
Problemlösers, einseitig ausgerichtet auf die Apotheken und nur implizit auf die
Pharmaproduzenten (siehe Abbildung 4.17). Die Profilierung gestaltet sich
zweistufig.
Die Problemlöser- und Kundenbindungskompetenz drücken sich in einer breiten
Palette an Lösungen aus. Die Kunden werden durch den Aussendienst und den
Vertriebsinnendienst betreut. Jedem der 40 speziell geschulten Aussendienstmitarbeiter wird eine Gruppe von Apotheken zugewiesen, die er individuell vor Ort
betreut. Der Vertriebsinnendienst beantwortet u.a. Fragen zur Monatsrechnung,
zu Anruf- und Lieferzeiten, zu Seminaren und nimmt Reklamationen entgegen.
Im Bereich der Sortimentsbildung unterstützt Noweda ihre Mitglieder mit
Informationen über Produktneueinführungen und sorgt für die entsprechende
Warenpräsentation am Point of Sale. Für eine bedürfnisgerechte Gestaltung der
Sortimente sorgt die Aktionsgemeinschaft Sprechstunden- und Praxisbedarf. Sie
positioniert sich an der Schnittstelle zwischen der Apotheke und der Arztpraxis
und liefert Sortiments-, Preis- und Werbeempfehlungen. Noweda profiliert sich
auch als der qualifizierte Hilfsmittelversorger. Die Themen Hilfsmittel und
häusliche Pflege sind Wachstumsbereiche und sehr beratungsintensiv. So werden
neben diesem Spezialsortiment ein Dienstleistungspaket (Beratungs-Hotline,
Dauergenehmigungen, Vertragswerkstätten, examinierte Krankenschwester) und
ein Werbeservice (Präsentations- und Dekorationsunterstützung) angeboten.
Um ihren Kunden Einkaufsvorteile und Sonderkonditionen sowie einen
Informationsvorsprung anzubieten, werden mehrere verschiedene Börsen
geschaffen, an denen die Apotheken teilnehmen können: Noweda-Blitzinfobörse
(aktuelle Informationen über Produkte und Angebote), Noweda-Faxbörse
(Sonderangebote), Noweda-Generikabörse, Noweda-Novitätenbörse, NowedaTreuebörse und Noweda-Terminbörse.
Eine themenorientierte Lancierung von Preisaktionen von der Konzeption bis zur
Erstellung der begleitenden Werbematerialen und Broschüren wird im Rahmen
des Programms Apo-Print angeboten. Weitere Marketingunterstützung findet die
Apotheke bei der Planung und Durchführung von kundengruppenspezifischen
Marketingaktionen im Bereich Lifestyle- und Wellness-Sortiment – wie z.B.
Weihnachtspäckchen für Senioren, Fitnesspäckchen vor dem Sommer, DiabetesKonzept etc.
Mit Hilfe des Programms Noweda-Dialogservice Kundenmanagement können
die Apotheken ein professionelles Beziehungsmanagement betreiben.342 Das
342
Vgl. www.noweda-dialog-service.de.
178
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Angebot schliesst das Kundenadressenmanagement, die Erstellung und den
Versand von Geburtstags- und anderen Begrüssungskarten bis zur Anpassung des
Marketingkonzepts ein.
Ein breites Programm betrifft den Neu- und Umbau sowie die Übernahme einer
Apotheke. Darunter fallen Architekten und Inneneinrichter, Bürotechnik,
Büromöbel, Dekoartikel, Laborgeräte, Etiketten und Verpackungsmaterial,
Dekoration etc. Unterstützung bei der Erarbeitung des Corporate Designs der
Apotheke von den Logos bis zur Schaufenstergestaltung bietet der NowedaDesign-Service. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in der
Apotheke wird durch die Lösung ApoQMS ermöglicht. Sie besteht aus einem
Qualitätsmanagement-Beratungspaket und einer Software-Lösung. Ein Spezialistenteam aus Apothekern und Software-Spezialisten erarbeitet individuelle
Qualitätsmanagementsysteme.
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Aktionsgemeinschaft
Hilfsmittelversorger
Marketingdienstleistungen
Individuelle Betreuung
der Apotheke
Einkaufsbörsen
Apo-Print
Noweda-Dialogservice
Neu-/Umbau einer
Apotheke
ApoQMS
Finanzdienstleistungen
Apotheken BWL
Abbildung 4.17: Zweistufige Profilierung der Noweda eG Apothekengenossenschaft als Problemlöser
Quelle:
eigene Darstellung
Die Finanzmanagementberatung erfolgt mit Hilfe des betriebswirtschaftlichen
Serviceteams. Neben den Lösungen zur Verbesserung der Liquidität und Rentabilität erarbeitet das Team spezielle Versicherungsangebote und steht bei Übernahmen beratend zur Seite.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
179
4.3.3.6 Sanacorp Pharmahandel AG
Sanacorp positioniert sich als unabhängiger Partner und Förderer eines starken
und leistungsfähigen Apothekenwesens. Das Unternehmen positioniert sich als
Problemlösers, wobei sich die Profilierungsaktivitäten ausschliesslich auf die
Problemlösungsangebote für die Apotheken beziehen (siehe Abbildung 4.18).
Sanacorp profiliert sich zweistufig.
Im Bereich der logistischen Dienstleistungen zeichnet sich das Unternehmen
durch eine sehr hohe Lieferfähigkeit aus: dank dem Verbundsystem, in dem alle
Niederlassungen organisiert sind. Für einen Problemlöser bietet Sanacorp eine
gute Marktabdeckung. Bei den Spezialdienstleistungen bestehen keine Unterschiede gegenüber der Konkurrenz, wie z.B. Online-Zugang zum Bestellsystem
und zum Warenbestand aller Niederlassungen, digitales Archiv aller Rechnungen.
Die Marketingdienstleistungen bündelt Sanacorp AG in Problemlösungspaketen
zusammen. Als sehr erfolgreich wird das Programm „meine apotheke“
bezeichnet.343 Es schliesst neben attraktiven Einkaufskonditionen ein Verkaufsförderungsprogramm ein, das von der Sortimentsgestaltung in der Frei- und
Sichtwahl über die gemeinsame Flächenvermarktung bis zur Gemeinschaftswerbung mit Hilfe von Displays, Broschüren und Handzetteln geht. Umfangreiche Schulungen sowie Unterstützung bei der Geschäfts- und Personalführung
runden das Angebot ab.
Leanstore ist ein betriebswirtschaftliches Beratungskonzept für die Apotheken.
Dieses bezieht sich auf die Optimierung der Prozesse innerhalb der Apotheke.
Mit der Hilfe von Beratungsteams können individualisierte Programme
ausgestellt werden. Unterstützung bietet auch das apothekenspezifische Warenwirtschaftssystem „SIP“, das in Kooperation mit Stahl GmbH entwickelt wurde.
Horizonte ist das Weiterbildungs- und Wissensvermittlungssystem, das den
Apotheker als Berater des Patienten unterstützt. Regelmässig finden in allen
Niederlassungen sowie in allen Lieferregionen Seminare zu den pharmazeutischen und gesundheitlichen Themen sowie zur Verkaufsförderung in den
Apotheken statt.
343
Vgl. Pressemitteilung vom 22.02.05, www.sanacorp.de.
180
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Logistische
Dienstleistungen
Beratung Warenwirtschaftssystem SIP
Meine Apotheke
Marketingdienstleistungen
Leanstore
Finanzdienstleistungen
Meine Apotheke
Abbildung 4.18: Zweistufige Profilierung der Sanacorp AG als Problemlöser
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.4 Zusammenfassende Betrachtung
4.3.4.1 Der Kostenführer
Als Kostenführer positionieren sich je ein Unternehmen am schweizerischen und
deutschen Markt. Es bestätigt sich die theoretische Überlegung, dass nur wenige
grosse Unternehmen mit Erfolg diese Strategie verfolgen können. Amedis-UE ist
die Nr. 2 in der Schweiz und Phoenix AG ist die Nr. 1 in Deutschland und die
Nr. 2 in Europa. Die beschriebenen Fallbeispiele weisen grosse Ähnlichkeiten
auf, da sie entsprechend eine Tochter- und eine Muttergesellschaft in demselben
Konzern darstellen. Die Kostenführer im Pharmagrosshandel sind die Meister der
Logistik, die sämtliche Kosten entlang der Prozesskette im Griff haben. Ihre
Marketingkompetenz besteht in der Fähigkeit, Markteveränderungen und die
dadurch entstehenden Kosten frühzeitig zu antizipieren und schnell
standardisierte Lösungen durchzusetzen.
Aufgrund der Analyse und des Vergleichs mit den theoretischen Ausführungen
können folgende Merkmale der Profilierung eines Kostenführers im Pharmagrosshandel festgehalten werden (siehe Abbildung 4.19):
1. Der Kostenführer hat eine zweiseitige Profilierung.
2. Die regionale und nationale Abdeckung der Absatzmäkte ist aus Sicht der
Hersteller sehr gut. Sie erlaubt auch eine hohe Produktverfügbarkeit (bis zu 98%)
zugunsten des Fachhandels.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
181
3. Das logistische System (Lagerhaltung, Bestellabwicklung, Kommissionierung,
Verpackung, Transport und Auslieferung) ist standardisiert, unterliegt ständigen
Rationalisierungsbemühungen und zeichnet sich durch den Einsatz modernster
Informationstechnologie aus. Das ständige Bestreben, die logistischen Kosten zu
senken, kann auch zur Einschaltung von spezialisierten Transportunternehmen
führen.
4. Alle Verteilzentren sind im Verbund organisiert und ein zentrales und
integriertes Warenwirtschaftssystem wird umgesetzt.
5. Beim Vertriebs- und Einkaufskontakt werden die Konditionenmodelle ans
Handelsvolumen und an den Umsatz gebunden. Niedrigste Preise werden
angestrebt. Der Aussen- und der Innendienst sind regional organisiert. Sie
zeichnen sich durch einen reduzierten Personalaufwand – auch dank dem Einsatz
neuer Technologien – aus (z.B. virtuelles Kunden-Service-Center bei Phoenix).
6. Aufgrund der gesetzlichen Regulierung im Sortimentsbereich bieten sich keine
Möglichkeiten, Sortimentsschwerpunkte zu setzen. Der Kostenführer kann sich
in diesem Bereich von der Konkurrenz nicht abheben.
7. Finanzdienstleistungen werden nicht angeboten. Bei Amedis-UE sind sie in
einem separaten Geschäftsfeld organisiert.
8. Eine Stärkung des Profils des Kostenführers erfolgt durch die Ausführung der
Aktivitäten zu günstigsten Konditionen, durch die Standardisierung der Dienstleistungen und somit durch das Erreichen eines besten Preis-Leistungsverhältnis
aus Sicht der Kunden. Skaleneffekte und Kostenersparnisse lassen sich in der
Logistik erzielen, deshalb fokussieren die Kostenführer ihre Profilierungsbemühungen in diesem Bereich.
9. Im Laufe der Zeit können die Kostenführer ihre Marktposition nicht nur mit
der Logistikexcellenz verteidigen, sondern bieten auch Dienstleistungen im Marketingbereich (Amedis-UE) an. Dabei erreichen sie jedoch keine Profilierung
gegenüber der Konkurrenz der Produktführer und der Problemlöser.
10. Die Kostenführerstrategie erfordert eine kritische Unternehmensgrösse. Die
neuen Technologien werden zur Automatisierung und Stanardisierung sämtlicher
Prozesse eingesetzt.
182
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Einzelhandelskunden
Marktabdeckung –
geografische,
Volumen, Vielfalt
Produktverfügbarkeit
Lagerhaltung
Logistische
Dienstleistungen
Bestellabwicklung
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Beratung
Logistikmanagement
Beratung
Logistikmanagement
Abdeckung des
Marktverhaltens
Sortimentsbildung und
Produktion
Sortimentsaufbereitung
Sortimentsaufbereitung
Vertriebskontakt und
Einkaufskonditionen
Marketingdienstleistungen
Einkaufskontakt und
Verkaufskonditionen
Werbeunterstützung
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Marketingmanagementberatung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Finanzdienstleistungen
Beratung:
Finanzmanagement
Beratung:
Finanzmanagement
Dienstleistungen mit Profilierungspotenzial
Abbildung 4.19: Zweiseitige Profilierung des Kostenführers im
Pharmagrosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.4.2 Der Produktführer
Die Produktführer sind in den Fallstudien durch mehrere Fallbeispiele vertreten.
Alle Unternehmen sind gross oder ein Teil von einem grossen Konzern mit
mehreren Geschäftseinheiten. Die für die Innovationen notwendigen Investitionen und das Know-how entstehen durch Synergien mit den anderen
Geschäftsfeldern.
Aufgrund der Analyse und des Vergleichs mit den theoretischen Ausführungen
und unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede können folgende
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
183
Merkmale der Profilierung eines Produktführers im Pharmagrosshandel
festgehalten werden (siehe Abbildung 4.20):
1. Bei dem Produktführer handelt es sich um eine zweiseitige Profilierung.
2. Der Produktführer strebt eine aktive Rolle im Distributionsprozess an und zielt
auf eine bessere Koordination zwischen Herstellern und Fachhandel ab. Der
Aufbau eines integrierten Supply-Chain-Management-Modells wird umgesetzt
(wie bei GEHE) oder geplant (wie bei Galexis).
3. Eine logistische Systemführerschaft drückt sich in einer sehr hohen Produktverfügbarkeit, in niedrigen Fehlerquoten bei der Lagerhaltung, der Kommissionierung und den Belieferungen bzw. Abholungen mehrmals täglich und nachts
aus. Dabei werden sowohl eigene Fahrzeuge als auch spezialisierte Transportunternehmen einbezogen. Niedrige Kosten und hohe Qualität in der logistischen
Basisleistung schliessen sich nicht aus; deshalb streben auch Produktführer durch
Rationalisierungen nach Effizienz in der Prozesskette. Jedoch erreichen sie nicht
dieselbe Logistikexzellenz wie die Kostenführer, da sie mit einer grösseren
Dienstleistungsvielfalt in der eigenen Wertkette konfrontiert sind.
4. Im Bereich der logistischen Spezialdienstleistungen werden innovative
Lösungen angeboten, welche schnell durch die Problemlöser und durch die
Kostenführer kopiert und zum Branchenstandard werden. So bietet Galexis als
erstes Unternehmen elektronische Bestellungen und Lagerauskunft über die
Plattform galexis.com sowie umweltfreundliche Entsorgungsprogramme an. In
Deutschland, wo der Versand- und der Online-Handel zugelassen sind, sind es
die Produktführer, welche die ersten Portal- und Online-Shop-Lösungen inkl.
Belieferung direkt an Endkonsumenten zugunsten der Fachhandelskunden
entwickeln.
5. Die Produktführer erreichen eine optimale Abdeckung des Marktverhaltens.
Ihre Informationsführerschaft ist dank dem Einsatz neuester Technologien,
Synergien mit anderen Geschäftsfeldern (Galexis, Alliance UniChem), Marktforschung durch eigene Tochtergesellschaften (Anzag) und der koordinierenden
Rolle im Supply-Chain-Modell (GEHE) garantiert. Dies erlaubt das Angebot
hoch qualitativer Informationen.
6. Trotz der gesetzlichen Regulierung des Sortiments sind die Produktführer das
einzige Geschäftsmodell, das eine Profilierung in diesem Bereich hat. In
Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie werden hoch qualitative Eigenmarken
im Generika- und OTC-Bereich (GEHE und Alliance UniChem) und themenbezogen innovative Sortimente aus Markenprodukten (GEHE). Ein professionelles Category Management wird umgesetzt.
184
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
7. Beim Vertriebs- und Einkaufskontakt sowie im Konditionenbereich werden
innovative Konzepte basierend auf der Zusammenarbeit und Koordination
zwischen Innen- und Aussendienst erarbeitet. Sie sind die Basis für die professionelle Verkaufsförderung, welche sowohl den Herstellern als auch dem Fachhandel angeboten wird. Neuartige Konditionenmodelle wie „service for fee“
(Galexis) werden durch entsprechende Fakturierungsysteme begleitet.
8. Im Marketingbereich werden einzelne oder eine Gruppe von Dienstleistungen
als Konzept mit eigenem Markennamen vermarktet. Beispiele dafür sind das
Verkaufsförderungsprogramm für die Pharmaindustrie GalExclusiv, lanciert
durch Galexis, und das Konzept Pressuma wiederum für die Pharmaindustrie,
eine Kombination von Verkaufsförderung, Informationsbeschaffung und
Beziehungsmanagement. Die Produktführer sind die Ersten, welche Kundenbindungsprogramme für Stammkunden starten (z.B. MyNovaClub von Galexis).
9. Die Marketingmanagementberatung wird entweder in einem Gesamtkonzept
verpackt oder einzelne Dienstleistungen werden als Marktführer angeboten.
10. Finanzdienstleistungen werden nicht angeboten. Ausnahmsweise kann ein
separates Geschäftsfeld ein Angebot zum Branchenstandard unterbreiten.
11. Eine Stärkung des Profils des Produktführers erfolgt durch die Weiterentwicklung der Produkt- und Marketingkompetenz, d.h. innovative
Dienstleistungen in der Sortimentbildung und Produktion sowie in der Werbung
und Verkaufsförderung.
12. Einzelne Produktführer, konfrontiert mit einem verschärften Konkurrenzkampf und Veränderungen in der Gesetzgebung, planen den Übergang von
Produktführer zu Problemlöser (z.B. Galexis und Anzag).
13. Die Produktführer sind Technologieführer. Sie sind grosse Unternehmen oder
Teil von einem Holding. Alle Unternehmen haben einen Qualitätsmanagementsystem umgesetzt.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
185
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Fachhandelskunden
Marktabdeckung –
geografische,
Volumen, Vielfalt
Produktverfügbarkeit
Lagerhaltung
Logistische
Dienstleistungen
Bestellabwicklung
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Beratung
Logistikmanagement
Beratung
Logistikmanagement
Abdeckung des
Marktverhaltens
Sortimentsbildung und
Produktion
Sortimentaufbereitung
Sortimentaufbereitung
Vertriebskontakt und
Vertriebskonditionen
Marketingdienstleistungen
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Werbeunterstützung
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Marketingmanagementberatung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Finanzdienstleistungen
Beratung:
Finanzmanagement
Beratung:
Finanzmanagement
Dienstleistungen mit Profilierungspotenzial
Abbildung 4.20: Zweiseitige Profilierung des Produktführers im
Pharmagrosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
4.3.4.3 Der Problemlöser
Die Problemlöser im Pharmagrosshandel orientieren sich an einer Zielgruppe
oder an komplementären Zielgruppen in einer geografisch abgegrenzten Region.
Diese Zielgruppe steht vorwiegend auf der Absatzseite, ist eng mit der
Entstehung des Pharmagrossisten verbunden und beeinflusst seine Entwicklung
massgeblich. Unter den beschriebenen Fallbeispielen ist die Apotheke „Zur
Rose“ aus Ärztekreisen entstanden, Noweda und Sanacorp sind immer noch
Apothekergenossenschaften. Selten positioniert sich der Problemlöser als
186
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
unabhängiges Unternehmen (wie Voigt AG in der Schweiz344). Die Ausrichtung
auf die Bedürfnisse einer spezifischen Zielgruppe hat dazu geführt, dass die
Problemlöser einseitig den Profilierungsfokus setzen, indem sie immer mehr
Aktivitäten der anvisierten Zielgruppe integrieren.
Aufgrund der Analyse und des Vergleichs mit den theoretischen Ausführungen
und unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede können folgende
Thesen zur zweiseitigen Profilierung eines Problemlösers im Pharmagrosshandel
festgehalten werden (siehe Abbildung 4.21):
1. Bei dem Problemlöser handelt es sich um eine zweistufige Profilierung.
2. Das logistische System ist modular aufgebaut, um eine grosse Flexibilität beim
Angebot von Spezialdienstleistungen zu erreichen, wie z.B. Sonderlieferungen,
hoch qualitative Retouren und Entsorgung. Durch das breite Angebot an
Spezialdienstleistungen und an Logistikberatung versuchen die Problemlöser,
ihre Kunden langfristig zu binden und mehrere Aktivitäten zu integrieren.
3. Die Nähe zur Kundengruppe führt zu einer sehr guten Abdeckung ihres
Marktverhaltens. Jedoch wird diese Kenntnis in der eigenen Profilierungsstrategie eingesetzt und nicht an die Hersteller weitergeleitet.
4. Der Problemlöser versucht auch, trotz der gesetzlichen Regulierung die
Sortimentsbildung profilierend zu gestalten. Die Sortimente werden zu 100% an
die Bedürfnisse der Zielgruppen angepasst. Dazu gehören auch Sortimente,
welche beratungsintensiv sind und nur im Rahmen einer ganzheitlichen Lösung
angeboten werden können. Eine Profilierung via Eigenmarken ist eher selten.
5. Im Pharmagrosshandel ist die handelsübliche Manipulation der Produkte
aufgrund gesetzlicher Regulierung nicht erlaubt. Die Sortimentaufbereitung wird
als Dienstleitung nicht angeboten.
6. Im Einkaufs- bzw. Vertriebskontakt wird eine individuelle Betreuung mit
hoher Flexibilität angeboten. Die Konditionengestaltung ist individuell und wird
mit Kundenbindungsprogrammen (z.B. der exklusiven Mitgliedschaft im Club
„Lounge“ der Zur Rose AG) verknüpft. Spezielle Plattformen wie Börsen werden
geschaffen, damit die Kunden von Einkaufsvorteilen und Sonderaktionen
profitieren (z.B. Noweda).
7. Die Profilierung des Problemlösers zeichnet sich durch den hohen Anteil an
Lösungen aus, die teilweise von den Produktführern, teilweise aus eigenen
344
siehe Fallstudie im Kapitel 5 dieser Arbeit.
4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Herstellerkunden
Profilierungsaktivitäten
gegenüber den Einzelhandelskunden
Marktabdeckung –
geografische,
Volumen, Vielfalt
Produktverfügbarkeit
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Logistische
Dienstleistungen
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Beratung
Logistikmanagement
Beratung
Logistikmanagement
Abdeckung des
Marktverhaltens
Sortimentsbildung und
Produktion
Sortimentaufbereitung
Sortimentaufbereitung
Vertriebskontakt und
Vertriebskonditionen
Marketingdienstleistungen
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Werbeunterstützung
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Marketingmanagementberatung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Beratung:
Finanzmanagement
187
Finanzdienstleistungen
Beratung:
Finanzmanagement
Dienstleistungen mit Profilierungspotenzial
Abbildung 4.21: Zweistufige Profilierung des Problemlösers im
Pharmagrosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
Entwicklungen stammen. Sie können selbständig oder in Zusammenarbeit mit
spezialisierten Anbietern angeboten werden. Die Lösungen begegnen einzelne
Bedürfnisse der Zielgruppe, wie z.B. Managementlösungen für die Einführung
eines Qualitätsmanagementsystems in der Apotheke oder professionelles
Beziehungsmanagement mit den Endkonsumenten. Sie können aber auch
mehrere Marketingdienstleistungen als eine Paketlösung schnüren, in der das
Sortimentsmanagement mit der Konditionengestaltung, der Werbeunterstützung
und dem Umbau der Apotheke kombiniert wird.
188
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
8. Die Problemlöser zählen zu den wenigen Pharmagrossisten, welche ihren
Kunden Kredite gewähren und Finanzberatung anbieten. Diese Dienstleistung
wird selbständig angeboten oder mit einer Marketingmanagementlösung
kombiniert.
9. Der Problemlöser kann sein Profil stärken, in dem er möglichst viele
Dienstleistungen als modular aufgebaute ganzheitliche Lösungen und individualisierte Einzelleistungen anbietet.
10. Mit Investitionen in die Produkt-, Marktforschungs- und Kommunikationskompetenz können die Problemlöser einen Übergang zum Produktführer
beginnen. Dies wird auch durch das Angebot innovativer logistischer Dienstleistungen unterstützt (z.B. Versand an Endkonsumenten bei der Apotheke zur
Rose).
11. Der Problemlöser sind kleine und mittlere Unternehmen. Die Technologiegefolgschaft ist die Regel. Die Standorte sind nah zur anvisierten Zielgruppe,
vorwiegend auf der Absatzseite. Um eine breite Dienstleistungspalette anbieten
zu können, schliessen sie Kooperationen mit spezialisierten Anbietern. Flache
Organisationsstrukturen und kurze Entscheidungswege charakterisieren die
meisten Unternehmen. Alle haben auch ein Qualitätsmanagementsystem
umgesetzt.
4.3.4.4 Dynamik der Geschäftsmodelle
Die Fallbeispiele aus dem schweizerischen und europäischen Pharmagrosshandel
zeigen, dass die beschriebene idealtypische Profilierungsmodelle selten in ihrer
reinen Form existieren. Die Erscheinungsformen werden vielmehr durch die
Branchenstruktur und die lokalen Gegebenheiten beeinflusst.
Im Hintergund dynamischer Rahmenbedingungen kann eine laufende Anpassung
der Profilierung beobachtet werden (siehe Abbildung 4.22). In einer gesättigten
Branche wie der Pharmagrosshandel345 kann die Position des Kostenführers sehr
schwierig verteidigt werden. Deshalb kann z.B. bei Amedis-UE Schweiz das
zunehmende Angebot von Lösungen für Ärzte beobachtet werden. Das
stagnierende Wachstum in der Branche bewegt die Pharmagrosshändler
innovative Dienstleistungen anzubieten. So hat z.B. die Apotheke zur Rose dank
der Marktführerschaft bei den Ärzten den Medikamentenversand entwickelt und
erfolgreich etabliert. Durch den Aufbau eines neuen Geschäftsfeld Generikaproduktion wird eine Transformation von Problemlöser zum Produktführer
345
Vgl. Branchenanalyse im Kapitel 2 dieser Arbeit.
4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale
189
möglich. Eine etablierte Produkt- und Marketingkompetenz kann durch die
Spezialisierung auf einzelne Kundengruppen zum Angebot individueller
Lösungen führen. Solche Zeichen des Übergangs von Produktführer zu einem
Problemlöser sind bei Galexis und Anzag zu beobachten.
Kostenführer
Phoenix
Amedis-UE
Sanacorp
Alliance Unichem
GEHE
Galexis
Anzag
Produktführer
Apotheke
zur Rose
Noweda
Problemlöser
Abbildung 4.22: Dynamik der Geschäftsmodelle
Quelle:
eigene Darstellung
4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale
4.4.1 Der Begriff „Prewholesale“
Der “Prewholesale” oder der Vorgrosshandel umfasst alle logistischen
Aktivitäten vom Ende der Produktionsstrassen der Pharmaindustrie bis zur
Lieferung an Grossisten, Spitälern und Fachhandel. Das Geschäftsfeld
Vorgrosshandel ist infolge des langfristigen Trends bei der Pharmaindustrie
entstanden, sich auf die eigenen Kernkompetenzen (Forschung und Entwicklung,
Produktion und Marketing) zu konzentrieren und alle anderen Aktivitäten der
Wertkette auszugliedern.346
346
Der Trend wird im Rahmen der Analyse des Grosshandelsumfeldes erläutert. Der Trend wird als strategische
Chance für die Grosshandelsunternehmen bezeichnet. Siehe Abschnitt 2.2.4.5 dieser Arbeit.
190
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Die Besonderheiten des Prewholesale lassen sich durch die Erläuterung der
Unterschiede zum klassischen Grosshandel darstellen.347 Erstens übernimmt der
Prewholesaler (Vorgrossist) kein Eigentum an die Medikamenten, d.h. er agiert
als Agent im Auftrag, im Namen und auf Rechnung der Pharmaindustrie. „Client
Branding“ ist der Begriff, der das „unsichtbare“ Auftreten des Vorgrossisten
unter der Markte des Herstellers beschreibt. Der Prewholesale-Lager ist eine Art
Konsignationslager. Der klassische Grosshandel kauft die Medikamente bei der
Industrie ein und verkauft sie an dem Fachhandel im eigenen Namen und auf
eigener Rechnung weiter. Zweitens ist die Palettenlogistik, d.h. die Grossvolumenlogistik und der Wochenrhytmus, ein weiteres zentrales Merkmal. Im
Gegensatz dazu betreibt der klassische Pharmagrossist sowohl Grossvolumenals auch Kleinvolumenlogistik (Mikrologistik). Die letzte ist durch den Transport
kleinerer Packungen und die täglichen Bestellabwicklungen charakterisiert.
Die Nähe zur Pharmaindustrie hat es den klassischen Pharmagrosshändlern
erlaubt, als erste die strategische Chance im Outsourcing-Trend vollumfänglich
wahrzunehmen. Gegenwärtig sind die drei führenden Phramagrossisten in der
Schweiz mit eigenen Geschäftsfeldern im Prewholesale tätig. Neben spezialisierten Dienstleistern wie Globopharm AG (seit 1984)348 gehört Voigt AG (1995)
zu den Pionieren. Danach folgte Galenica, die im 2000 ein international tätiges
Joint-Venture mit Alliance UniChem, namens Alloga, gegründet hat.349 Der
neueste Marktteilnehmer ist Amedis-UE, der seit 2004 eigene PrewholesaleAktivitäten betreibt und ein grosses Potenzial dank der Zugehörigkeit zum
Phoenix Pharmagrosshandel hat. Das Branchenwachstum in der Schweiz zieht
ständig neue Wettbewerber an und die Konkurrenz verschärft sich. Markteintrittsprojekte haben der führende Pharmagrossist Celesio und grosse Logistikunternehmen, wie die Deutsche Post und Exel gestartet. Dies hat unter anderem
Galenica dazu bewegt, sich 2005 aus dem Joint-Venture mit Alliance Unichem
zurückzuziehen und sich auf die Alloga-Aktivitäten in der Schweiz zu
konzentrieren.350
347
Zu den Besonderheiten im Prewholesale vgl. Experteninterview Jenny, 2005.
348
Globopharm AG positioniert sich als spezialisiertes Prewholesale-Unternehmen in den Bereichen Pharmazeutika,
Diagnostika, veterinärmedizinische Spezialitäten und Dentalprodukte. Das Unternehmen nimmt eine führende
Position bei der Versorgung der Spitäler mit Medikamenten, insbesondere aus dem Hochpreissegment. vgl.
www.globopharm.ch, Zugriff Oktober 2005.
349
Vgl. Medienmitteilung Galenica 02.02.2005 www.galenica.ch.
350
Vgl. Medienmitteilung Galenica 02.02.2005 www.galenica.ch.
4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale
191
4.4.2 Positionierung und Profilierung im „Prewholesale“
4.4.2.1 Zweistufige Wertschöpfung im Prewholesale
Im Zentrum der Wertschöpfung des Prewholesalers steht die logistische Dienstleistung. Sie wird durch zahlreiche Spezialdienstleistungen vervollständigt. Zum
Basisangebot gehören auch die Finanzdienstleistungen, so dass sich ein “Orderto-cash-cycle” bilden kann. Als zusätzliche Mehrwertdienstleitungen werden die
Marketingdienstleistungen angeboten.
Die Wertkette des Vorgrossisten richtet sich primär an die Werkette des
Pharmaherstellers und es handelt sich um eine zweistufige Profilierung (siehe
Abbildung 4.23). Deshalb kann die als die erste Stufe der Wertschöpfung
bezeichnet werden. Eine sekundäre Ausrichtung erfolgt durch die Wertschöpfung
zugunsten der Kunden der Pharmaindustrie, wobei das Profil des Auftraggebers
gestärkt wird.
Stufe 1
Wertschöpfung zugunsten
der Pharmaindustrie
Pharmaindustrie
Stufe 2
Wertschöpfung zugunsten
der Kunden der Pharmaindustrie
Geografische Marktabdeckung
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Spezialdienstleistungen
Beratung
Logistische
Dienstleistungen
Finanzierung
Finanzverwaltung
Finanzdienstleistungen
Vertriebskontakt und
-konditionen
Sammlung und Auswertung
von Marktinformationen
Werbeunterstützung
Marketingdienstleistungen
Produktverfügbarkeit
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Spezialdienstleistungen
Pharmagrosshandel
Spitäler
Vertriebskontakt und
-konditionen der Pharmaindustrie
Client Branding
Beziehungsmanagement
Werbeunterstützung
Gruppierter
Fachhandel
Abbildung 4.23: Zweistufige Wertschöpfung des Vorgrossisten
Quelle:
eigene Darstellung
Tabelle 4.6 veranschaulicht ein beispielhaftes Dienstleistungskatalog im
Prewholesale.
Dienstleistungen
Logistische
– Geografische Marktabdeckung;
Dienstleistungen
– Produktverfügbarkeit bei den Kunden;
– Temperaturkontrollierte und feuchtigkeitsüberwachte
Lagerung, Spezialbehandlung von technischen Produkten,
von Produkten mit kurzer Haltbarkeit, von Quarantäneprodukten, Klinikmustern und Dokumentation,
192
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Dienstleistungen
Management des Lagerbestandes ;
– Zusammenstellung, Verpacken und Versenden von
Bestellungen, Kühltransporte und validierte Verpackung,
Sendungsverfolgung und Protokollierung vom Einzelpaket
bis hin zur Massendistribution, Zurückverfolgung von
Lieferungen, Preisbindungsregelungen und Preiskontrolle,
Lieferkontrolle;
– logistikbasierte Spezialdienstleistungen:
A. Retouren, Speziallieferungen und Entsorgung,
B. Logistik der klinischen Versuche,
C. Logistik von Marketingunterlagen und
Dokumentationen,
D. Export- und Importdokumentation und
-verpackung, Frachtlieferung und Zoll- und
Steuerabwicklung vor Ort,
E. Produktionsunterstützung mit sekundären
und tertiären Verpackung;
– Logistikberatung.
Finanz
dienstleitungen
– Durch den Einkauf in grossen Mengen und durch die
Lagerung finanziert der Prewholesaler seine Auftraggeber.
Er übernimmt die Kapazitäts-, Transport- und
Lagerungsrisiken sowie finanzielle Risiken verbunden mit
der Bestellabwicklung und Inanspruchnahme weiterer
Dienstleistungen;
– Fakturierung, Kreditkontrolle, Inkasso. Debitorenmanagement.
Marketingdienstleistung
– Zugunsten der Pharmaindustrie: Marktforschung,
Bericherstattung über Verkäufe, Vorräte, Leistungsindikatoren, Konditionengestaltung und -pflege;
– Mit den Kunden: Unterstützung der Auftraggebermarken:
Client Branding, Beziehungsmanagement und
Konditionenpflege, Informationsdienst;
– Werbeunterstützung: Zusammenstellung von Werbepaketen, Pharmazeutische Muster.
Tabelle 4.6:
Beispielhaftes Dienstleistungskatalog eines Vorgrossisten
Quelle:
www.amedis.ch, www.alloga.ch, www.voigt.ch, Zugriff 2005
4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale
193
4.4.2.2 Drei Prewholesale-Unternehmen im Vergleich
Tabelle 4.7 stellt eine Bestandesaufnahme der Positionierung und Profilierung
von drei Prewholesale-Unternehmen sowie der Hauptelemente ihres Geschäftsmodells. Jedes dieser Unternehmen gehört zu einer Holding, die sich durch ein
gut aufgebautes Geschäftsmodell im traditionellen Pharmagrosshandel auszeichnet, d.h. es handelt sich um Mehrpunktkonkurrenten.351
Element des
Geschäftsmodells
Amedis-UE
Prewholesale
(Amedis-UE
Gruppe)
Alloga
(Galenica
Gruppe)
Voigt Industrieservice
(Voigt Gruppe)
1. Allgemeine
Positionierung
Zuverlässige FullService-Logistik mit
grossen Kapazitäten
und von einer hohen
Qualität aufgrund
Partnerschaft mit der
Phoenix-Gruppe.
Praktikable und
kostengünstige
Lösungen
Alloga ist auf
qualitativ
hochwertige
logistische
Dienstleistungen
europaweit
spezialisiert.
Integrierte
Gesamtlösungen
aus breitgefächerten und zielgerichteten Dienstleistungen
europaweit
Breitester
Angebot in
Zusammenarbeit
mit Kühne &
Nagel
Kein Unterschied
zur Konkurrenz
Breitestes
Angebot
Unabhängige und
flexible Dienstleistungen mit
einer individuellen
Betreuung.
2. Profilierung
2.1 Logistische
Dienstleistungen
Order-To-CashCycle; Prozessdurchgängigkeit und
hoher Automatisierung
2.2 Finanzdienstleistungen
2.3 Marketing- Kein Unterschied
dienstleistungen zur Konkurrenz
351
Hohe Flexibilität
aufgrund flacher
Hierarchien,
rascher Entscheidungen und
individueller
Betreuung
Kein Unterschied
zur Konkurrenz
Kein Unterschied
zur Konkurrenz
Individuelle
Betreuung und
Beziehungsmanagement
„Mehrpunktkonkurrenten sind Unternehmen, dich nicht nur in einem, sondern in vielen verwandten
Unternehmenseinheiten miteinander konkurrieren.“, Porter, 2000, S. 415.
194
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Element des
Geschäftsmodells
Amedis-UE
Prewholesale
(Amedis-UE
Gruppe)
Alloga
(Galenica
Gruppe)
Voigt Industrieservice
(Voigt Gruppe)
3. Prozessorganisation
Einsatz der
Informationstechnologie
Kein Unterschied
zur Konkurrenz
Internetbasiertes
BusinessInformationssystem
Kein Unterschied
zur Konkurrenz
Führende IBSSoftware im
Bereich Supply
Chain
Management
Kein Unterschied
zur Konkurrenz
Offene SAPArchitektur und
Kompatibilität
mit den EDVSystemen der
Kunden
Organisationsstruktur
PrewholesaleGeschäftsfeld völlig
getrennt vom
Grosshandel, mit
eigener Infrastruktur, aber keine
eigene Corporate
Brand
PrewholesaleInfrastruktur
separat vom
Grosshandel und
eigene Corporate
Brand
PrewholesaleGeschäftsfeld und
Grosshandels in
denselben
Gebäuden jedoch
physisch getrennt;
keine eigene
Corporate Brand
Geschäftsmodell im
Geschäftsfeld
„Grosshandel“
Kostenführer
Produktführer
Problemlöser
Tabelle 4.7:
Drei Prewholesale-Geschäftsmodelle im Vergleich
Quelle:
Produktebroschüre „Prewholesale auch bei Amedis-UE“,
03/2005; Produktebroschüre „Phoenix: Prewholesale
europaweit“ 2005, Alloga Newsletter 01/2003; Geschäftsbericht
Galenica 2004, S. 54–56; Produktebroschüre „Voigt
Industrieservice“, 2005
Bei der Analyse des Vergleichs können einige Besonderheiten im Prewholesale
festgehalten werden.
Die Positionierung im Prewholesale weist zahlreiche Ähnlichkeiten zum Grosshandel auf. Deshalb versuchen die Pharmagrosshändler die schon etablierten
Stärken aufs neue Geschäftsfeld zu übertragen und kommunizieren dies explizit
(Amedis-UE und Voigt) oder implizit (Alloga). Eine auf einzelnen Dienstleistungen basierte Profilierung ist immer noch schwierig festzustellen,
4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale
195
inbesondere im Logistik- und Finanzbereich.352 Innovationen werden schnell
immitiert.
Neue Wege zu einem integrierten Supply-Chain-Modell sucht Alloga in der
Zusammenarbeit mit einem der führenden Logistikunternehmen Kühne & Nagel.
Dank finanzieller Mittel und Synergien mit den anderen Geschäftsfeldern kann
Alloga immer neue Lösungen und Dienstleistungen anbieten. Einzelne Profilierungsmöglichkeiten werden im Marketingbereich wahrgenommen. So zum
Beispiel bietet Alloga ein breites Angebot an Marketingdienstleistungen und
Voigt eine individuelle Betreuung jedes Kunden. Unübersichtliche Dienstleistungskataloge und mangelnder Kommuniktaion der spezifischen Stärken
erschweren die Analyse zusätzlich. Der wachsende Konkurrentdruck wird aber
die bestehenden Wettbewerber dazu zwingen, klarere Positionier und
Profilierung zu definieren und umzusetzen.
Standardisierte und durch alle Unternehmen umgesetzte Prozessorganisation mit
allen für die Tätigkeit notwendigen Zertifikaten. Alle drei Unternehmen setzen
Informationstechnologie der letzten Generation ein. Die Potenziale der einzelnen
Software-Lösungen könnten in der Zukunft zum Angebot profilierender Dienstleistungen und Lösungen genutzt werden.
Auf Anforderung der Pharmaindustrie sind die Prewholesale-Aktivitäten
finanziell, organisatorisch und personell von diesen im Grosshandel zu trennen.
Insbesondere betrifft diese Trennung die Kommunikation und die Marketingaktivitäten.353 Die drei Unternehmen haben unterschiedliche Lösungen für die
Anforderung: eine neue Infrastruktur wird völlig separat zur Verfügung gestellt
(z.B. Amedis-UE und Alloga) oder die gleiche Infrastruktur, aber physisch
geteilt, wird eingesetzt (z.B. Voigt). Zwei von den Unternehmen treten mit dem
Holding-Namen auf, d.h. sie bauen keine separate Corporate Brand (z.B.
Amedis-UE und Voigt Industrieservice). Im Gegenteil dazu positioniert Alloga
eine eigenständige Corporate Brand, welche auf die strategische Partnerschaft
mit AllianceUniChem hinweist.
4.4.3 Aufbau Erfolg versprechender Geschäftsmodelle im Prewholesale
Aufgrund der bestehenden zahlreichen Ähnlichkeiten kann ein etablierter Grosshändler seine Stärken auf das neue Geschäftsfeld übertragen, beide Geschäftsfelder koordinieren und somit seine Wettbewerbsposition stärken. Das
352
Vgl. Experteninterview Jenny, 2005.
353
ebenda.
196
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Vorhandensein einer expliziten Horizontalstrategie und ihre Umsetzung bergen
Chancen und Risiken, welche bei dem Aufbau und Positionierung des neuen
Geschäftsfeldes Prewholesale berücksichtig werden müssen.
Die zentrale These hinter der Verfolgung einer expliziten Horizontalstrategie ist
es, dass dadurch ein Unternehmen Synergien und damit schwer immitierbare
Wettbewerbsvorteile erzielen kann. Die Synergien lassen sich nur dann realisieren, wenn ein Unternehmen die zwischen den Geschäftseinheiten bestehenden
Verflechtungen kennt und zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen nutzen
kann.354
Die Verflechtungen können in drei Gruppen aufgeteilt werden. Die erste Gruppe
der materiellen Verflechtungen entsteht, wenn mehrere Unternehmenseinheiten
Wertaktivitäten gemeinsam durchführen. Dabei werden auch Kosten verursacht:
Koordinationskosten (Koordination der Unternehmenseinheiten), Kompromisskosten (sind kleiner wenn die Unternehmenseinheiten die gleiche Strategie
verfolgen) und Inflexibilitätskosten (schwierige Reaktion auf Wettbewerbsmassnahmen und hohe Austrittsbarrieren).355 Diese Kosten lassen sich durch den
Einsatz neuer Technologien senken. Die Differenz zwischen den Wettbewerbsvorteilen und den Kosten ergibt den Nettowettbewerbsvorteil, dem die
Konkurrenz wenig aussetzen kann.356 Tabelle 4.8 zeigt Beispiele für materielle
Verflechtungen zwischen Pharmagrosshandel und Prewholesale.357
Die gemeinsame Durchführung ist mit Begrenzungen verbunden.358 Erstens
können das Management und die Koordination zwischen den Unternehmenseinheiten in der Realität sehr schwierig sein und mit der Zunahme der Bürokratie
verbunden sein. Zweitens kann die Fähigkeit des Unternehmens begrenzen, die
spezifischen Wünschen einer Kundengruppe zu begegnen. So z.B. entsprechen
gemeinsame Werbeaktivitäten im Prewholesale und Pharmagrosshandel den
Bedrüfnissen der Pharmaindustrie nicht. Drittens können die Anwendung der
gleichen Corporate Brand und die Übertragung der Reputation von einer
Unternehmenseinheit auf einer anderen auch negative Folgen haben.
354
Vgl. Porter, 1987, S. 55.
355
Vgl. Porter, 2000, S. 426.
356
Vgl. Porter, 2000, S. 431.
357
Für die möglichen Wettbewerbsvorteile und Kompromisskosten vgl. Porter, 2000, S. 440f.
358
Vgl. Barney, 2002, S. 413–414.
4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale
Materielle
Verflechtung
1. Technologische
Verflechtungen:
gleiche
Prozesstechnologie
2. Infrastrukturverflechtungen
3. Produktionsverflechtungen
4. Marktverflechtungen: gleiche
Abnehmer, gleicher
geografischer Markt
197
Mögliche Formen
gemeinsamer
Durchführung
Gemeinsame
Technologieentwicklung
und Schnittstellendefinition
Beispiele
Gemeinsame
Personaleinstellung und
-ausbildung
Gemeinsame
Eingangslogistik
Gemeinsame Anlagen zur
Qualitätskontrolle
Gemeinsame
Betriebsinfrastruktur
Gemeinsamer Markenname
Gemeinsamer
Auftragsabwicklungssystem
Gemeinsames physisches
Distributiosnsystem
Voigt und Amedis-UE
Alle
Voigt
Voigt
Voigt und Amedis-UE
Tabelle 4.8:
Mögliche materielle Verflechtungen zwischen
Pharmagrosshandel und Prewholesale
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 2000, S. 436f.
Immaterielle Verflechtungen sind mit dem Transfer vom Management-Knowhow verbunden. Sie entstehen aus den Ähnlichkeiten zwischen den Unternehmenseinheiten: einer gleichen Strategie, gleichen Abnehmern, einem
ähnlichen Aufbau der Wertkette, ähnlichen wichtigen Aktivitäten etc.359 Am
Beispiel von Prewholesale und Pharmagrosshandel lassen sich alle diese
Ähnlichkeiten feststellen, was ein Beweis für die starken immateriellen
Verknüpfungen ist. Entscheidend ist es, die gleiche Wettbewerbsstrategie in
beiden Unternehmenseinheiten zu folgen.
Die dritte Gruppe schliesst die Konkurrenzverflechtungen ein, welche auf das
Vorhandensein von Mehrpunktkonkurrenten zurückzuführen sind. Jede Reaktion
auf die Konkurrenz sollte diese zahlreichen Punkte berücksichtigen.
359
Vgl. Porter, 2000, S. 449.
198
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Wenn eine explizite Horizontalstrategie fehlt, dann werden die Verflechtungen
schwächer, findet kein Know-how-Transfer statt, werden Kooperationen mit
externen Unternehmen eingegangen, anstatt die internen Verflechtungen
auszunutzen. Die explizite Horizontalstrategie bietet zahlreiche Chancen zur
Stärkung der Wettbewerbsposition durch die Ermittlung aller Verflechtungen,
durch strategische Koordination verwandter Unternehmenseinheiten, durch
formelle Know-how-Austauschprogramme, durch Angriffs- und Verteidigungsstrategien gegen Mehrpunktkonkurrenten. Um diese Chancen wahrzunehmen,
sind horizontale Organisationsmechanismen erforderlich. Zum Beispiel hat die
Galenica Gruppe Anfang 2005 ihre Organisationsstruktur neu konfiguriert, um
die zwischen den Unternehmenseinheiten bestehenden Verflechtungen zu
stärken. Die Einheiten Prewholesale und Pharmagrosshandel sind im neuen
Bereich „Santé“ zusammen positioniert, damit die zahlreichen Synergien genutzt
werden können.360 Weiterhin werden auch horizontale Systeme der Planung, der
Kontrolle, der Personalpolitik und für Konfliklösungsverfahren aufgebaut wie
Finanzen & Corporate Services, Corporate Development, IT & Prozesse.361
Die Implementierung der expliziten Horizontastrategie ist auch mit Gefahren
verbunden362. Dazu zählen falsche Kommunikation der Strategie, wahlloses
Anstreben von Verflechtungen, falsches Verständis der Wettbwerber etc. Die
Implementierung kann auch durch interne Widerstände gegenüber den
Verflechtungen begleitet werden.363 Dies geschieht, wenn Verlust an Autonomie
und Kontrolle empfunden wird, wenn beide Geschäftsfelder in unterschiedlichen
Entwicklungsstadien sind und somit durch unterschiedliche Bedingungen und
Leistungsprämien charakterisiert sind.
Zusammenfassend lassen sich einige zentrale Voraussetzungen für den Aufbau
eines Erfolg versprechenden Modells im Prewholesale festhalten:
–
in den Geschäftsfeldern „Grosshandel“ und „Prewholesale“ wird die
gleiche Wettbewerbsstrategie verfolgt;
–
neue Technologien sind zur Senkung der Koordinationskosten und zur
Verbesserung der Kommunikation einzusetzen;
–
situativ und unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse entscheiden,
welche Tätigkeiten gemeinsam durchgeführt werden;
360
Vgl. Experteninterview Jenny, 2005.
361
Vgl. www.galenica.ch, Zugriff: Oktober 2005.
362
Vgl. Porter, 2000, S. 483f.
363
Vgl. Porter, 2000, S. 489f.
4.5 Zusammenfassung des Kapitels
199
–
zur Implementierung der Horizontalstrategie geeignete Organisationsstrukturen schaffen;
–
laufend gemeinsame Analyse der Mehrpunktkonkurrenten durchführen.
4.5 Zusammenfassung des Kapitels
Das vierte Kapitel dieser Dissertation hat zum Ziel, die möglichen Positionierungs- und Profilierungsalternativen für den Grosshandel aufzuzeigen und zu
strukturieren. Vor diesem Hintergrund wird der Begriff der zweiseitigen und
zweistufigen Profilierung erläutert und unter den Marketingentscheidungen des
Grosshandelsunternehmens positioniert. Bei der Positionierung wird der
Differenzierungsvorteil gegenüber anderen Grosshändlern, den Hersteller- und
Einzelhandelskunden, basierend auf Kernkompetenzen und Überbrückungsbedürfnissen der Hersteller und Einzelhändler, festgelegt. Die Positionierung oder
die Wahl der Nutzenstrategie ist somit der „Rote Faden“ für den Einsatz der
Profilierungsinstrumente. Da sich die Profilierungspotenziale in den zweiseitigen
primären und unterstützenden Aktivitäten der Wertschöpfungskette sowie in den
Verknüpfungen befinden, ist die Profilierung zweiseitig. So liegt das Ziel der
Profilierung im Grosshandel im Erzielen von Wettbewerbsvorteilen durch
zweiseitige Profilierungsmassnahmen, welche nach dem Gesetz der Profilierungsdynamik eingesetzt werden. Die festgelegte Positionierungs- und Profilierungsstrategie wird durch den Aufbau eines Geschäftsmodells umgesetzt.
Als Basis für die Strukturierung der Positionierungs- und Profilierungsoptionen
dienen die generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter (1985) und empirische Untersuchungen, welche auf Anpassungen je nach Phase der Branchenentwicklung und je nach Unternehmenscharakteristika hinweisen. Eine ganzheitliche Betrachtung ermöglicht der Geschäftsmodellansatz, der neben der
Wettbewerbsstrategie und der Ausgestaltung der wertschöpfenden Aktivitäten
Anpassungen in der Organisationsstruktur, im Managementsystem, in der
Personalpolitik und beim Technologieeinsatz vorsieht. Bei der Anwendung des
Geschäftsmodellansatzes auf den Grosshandel lassen sich drei idealtypische
Modelle für Positionierung und zweiseitige Profilierung identifizieren: der
Kostenführer, der Produktführer und der Problemlöser. Die Verfolgung einer
klaren Positionierungsstrategie führt zur Auswahl der Profil gebenden
Aktivitäten und zu ihrer konsequenten Ausgestaltung gegenüber dem Hersteller
und gegenüber dem Einzelhändler. Die zweiseitige Profilierung berücksichtigt
dabei die Kompetenzen und Ressourcen des Grosshändlers, seine Beziehungen
zu Herstellern und Einzelhändlern und das Gesetz der Profilierungsdynamik.
200
4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel
Die drei idealtypischen Modelle werden am Beispiel des Pharmagrosshandels der
Schweiz und führender Pharmagrosshändler in Europa untersucht. Dabei lassen
sich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede feststellen, was eine Validierung
der theoretisch abgeleiteten Geschäftsmodelle bedeutet. Die Geschäftsmodelle
im Pharmagrosshandel weisen einige wenige branchenspezifische Unterschiede
auf:
Der Kostenführer im Pharmagrosshandel verfolgt eine explizite zweiseitige
Profilierung. Er profiliert sich durch eine starke nationale Marktabdeckung und
eine sehr hohe Produktverfügbarkeit, durch standardisierte und automatisierte
Logistikprozesse und durch bestes Preis-Leistungs-Verhältnis. Seine Profil
gebenden Aktivitäten unterscheiden sich am wenigsten vom idealtypischen
Modell. Aufgrund der gesetzlichen Regulierung bestehen keine Profilierungsmöglichkeiten in der Sortimentsbildung.
Der Produktführer verfolgt wie der Kostenführer eine explizite zweiseitige
Profilierung. Die Profilierung zeichnet sich durch ein hohes Niveau der
Qualitätslogistik, ausgezeichnete Marktkenntnisse, laufende Lancierung innovativer Dienstleistungen und Technologieführerschaft aus. Im Bereich der
Marketingdienstleistungen ist die Profilierung mit dem theoretischen Modell
identisch. Dabei spielen die Produkt- und Marketingkomptenzen eine zentrale
Rolle.
Der Problemlöser hat eine zweistufige Profilierung, wobei der Fokus vorwiegend
auf die Absatzseite und indirekt auf die Endkonsumenten gesetzt wird. Dabei
baut er sein Angebot aufgrund der engen Beziehung mit einer Zielgruppe oder
Zielgruppen mit komplementären Bedürfnissen in einer begrenzten Region aus.
Um diese Zielgruppe mittels umfassenden Lösungen anzusprechen, bündelt er
die Angebote der Hersteller und spezialisierter Dienstleister. Im logistischen
Bereich gestalten sich die Profilierungsaktivitäten wie im theoretischen Modell.
Die Marketingdienstleistungen werden als Lösungen verpackt.
Die analysierten Fallbeispiele zeigen, dass keiner der theoretisch beschriebenen
Geschäftsmodelle in der Praxis zu treffen ist. Eine durch die Landes-, Branchenund lokalen Gegebenheiten bedingte Dynamik der Positionierung und der
Profilierung kann beobachtet werden.
Durch das Outsourcing-Trend in der Pharmaindustrie hat sich die strategische
Chance für die Pharmagrosshändler eröffnet, die Aktivitäten im Bereich der
Ausgangslogistik zu übernehmen. Im Rahmen dieses neuen Geschäftsfeldes
„Prewholesale“ agiert der Grosshändler als Agent im Namen und auf Rechnung
der Pharmaindustrie. Die Profilierung gestaltet sich zweistufig: durch eine
4.5 Zusammenfassung des Kapitels
201
primäre Ausrichtung auf den Auftraggeber (die Pharmaindustrie) und eine
sekundäre auf seine Kunden.
Alle grossen Grosshändler bauen ein eigenes Geschäftsfeld „Prewholesale“ auf.
Die Konkurrenz verschärft sich auch infolge der Markteintritte von
spezialisierten Logistikunternehmen. Die einzelnen Angebote zeichnen sich in
der Zeit der Untersuchung immer noch durch wenig Profilierung aus. Unter den
etablierten Pharmagrosshändlern ist das Bestreben sichtbar, die Stärken aus dem
Geschäftsfeld Grosshandel auf das Geschäftsfeld Prewholesale zu übertragen.
Dabei werden die Verflechtungen zwischen den beiden Geschäftsfeldern
wirksam. Die gute Kenntnis dieser Verflechtungen und die Berücksichtigung der
Chancen und Risiken verbunden mit einer expliziten Horizontalstrategie sind die
Voraussetzungen, einen Wettbewerbsvorteil auf Unternehmensebene zu
erlangen.
202
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Im Kapitel 4 wurden die Begriffe der Positionierung und der Profilierung im
Grosshandel vorgestellt. Drei Geschäftsmodelle mit den dazugehörenden
Profilierungsmöglichkeiten wurden anhand von Fallbeispielen aus dem Pharmagrosshandel beschrieben. Die Frage „Welche Strategie?“ wurde beantwortet. Im
vorliegenden Kapitel 5 werden Antworten auf die Frage „Wie gehe ich bei der
zweiseitigen Profilierung vor?“ gesucht. Somit wird das vierte und letzte Ziel
dieser Dissertation erreicht. Dabei werden zwei Subziele verfolgt: Erstens
werden Erkenntnisse über die Herausforderung der zweiseitigen und
insbesondere der zweistufigen Profilierung angestrebt. Zweitens werden erste
Hinweise auf Stärken und Schwächen des Rasters aufgezeigt.
Nach der Vorstellung eines theoretisch abgeleiteten Rasters wird das Vorgehen
ausführlich am Beispiel der Voigt AG präsentiert – des drittgrössten
Pharmagrossisten in der Schweiz. Das Unternehmen positioniert sich als
Problemlöser und hat eine zweistufige Profilierung.
5.1 Theoretische Grundlagen
Der Ursprung der Marketingplanung liegt in der Forschungsrichtung der Unternehmensplanung (Ansoff, 1965), die sich mit der Planung als Manageraktivität
im Allgemeinen beschäftigt. Demgemäss werden die Strategien in einem Unternehmen im Rahmen eines logischen und analytischen Prozesses entwickelt. Nach
McDonald (1996) besteht keine Differenz zwischen der strategischen Unternehmensplanung und der strategischen Marketingplanung, da die Erste den
strategischen Marketingplan für das Unternehmen darstellt.
Zahlreiche empirische Studien weisen auf den Einfluss der strategischen Unternehmensplanung für den finanziellen Erfolg hin.364 In Erfolgsbeispielen kann
eine Marketingstrategie in drei Phasen beobachtet werden: Festlegung der Unternehmensstrategie, Aufbau einer wettbewerbsfähigen Positionierung und Implementierung der Positionierung.365 Die einzelnen Schritte in jeder Phase der
364
Vgl. McDonald, 1996, S. 9f.
365
Siehe Abschnitt 4.1 des Kapitels 4.
5.1 Theoretische Grundlagen
203
Marketingplanung werden durch unterschiedliche Autoren durchleuchtet. Die
Tabelle 5.1 fasst sie zusammen.
Prozessphase
und Ziele
Schritt
1. Unternehmens- 1.1 Vorgaben und
Analyse der Rahmenbestrategie
dingungen im Unternehmen
1.2 Markt- und
Konkurrenzanalyse
1.3 Unternehmensanalyse: Stärken und
Schwächen
2. Positionierung 2.1 Zielmarkt und
Zielgruppen: Umfang
festlegen
3. Profilierung
Autoren
DiMingo, 1988; Belz, 1991;
Hooley/Saunders, 1993;
Rudolph, 1993; McDonald, 1996
Aaker/Shansby, 1982; DiMingo,
1988; Shooten/ McAlexander,
1989; Belz, 1991; Hooley/Saunders, 1993; Rudolph, 1993;
McDonald, 1996; Kotler/Bliemel, 2001
DiMingo, 1988; Shooten/McAlexander, 1989; Belz, 1991;
Hooley/Saunders, 1993;
Rudolph, 1993; McDonald,
1996; Kotler/Bliemel, 2001
Aaker/Shansby, 1982;
DiMingo, 1988; Hooley/Saunders, 1993
2.2 Strategische Ziele
und alternative Positionierungsstrategien
Wettbewerbsvorteil
wählen
DiMingo, 1988; Shooten/McAlexander, 1989; Belz, 1991;
Hooley/Saunders, 1993;
Rudolph, 1993; McDonald,
1996; Kotler/Bliemel, 2001
3.1 Profilierung durch
den Marketing-Mix
DiMingo, 1988; Shooten/McAlexander, 1989; Belz, 1991;
Hooley/Saunders, 1993;
Rudolph, 1993; McDonald,
1996; Kotler/Bliemel, 2001
3.2 Unternehmensorganisation anpassen
Belz, 1991; Hooley/Saunders,
1993; Rudolph, 1993
3.3 Umsetzung: Fehler
Vorbeugemassnahmen
Belz, 1991; Rudolph, 1993;
Bonoma, 1984; McDonald, 1996
204
Prozessphase
und Ziele
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Schritt
Autoren
3.4 Controlling:
Kosten/Nutzen
Aaker/Shansby, 1982; Shooten/McAlexander, 1989; Belz, 1991;
Hooley/Saunders, 1993;
Rudolph, 1993; Kotler/Bliemel,
2001
Tabelle 5.1:
Phasen und Schritte der strategischen Marketingplanung in der
Literatur
Quelle:
eigene Darstellung
Die generischen Vorgehenskonzepte der Positionierung und Profilierung werden
mit den Überlegungen von Porter (1985) über die Quellen und die Gewinnung
von Wettbewerbsvorteilen und über die sich daraus ergebenden Positionierungsstrategien verbunden. Im Zentrum des Vorgehens steht die Wertkettenanalyse.
Die Grundidee der Wertkettenanalyse ist, die wertschöpfenden Prozesse in konkurrierenden Unternehmen zu vergleichen, um ein besseres Verständnis der
Kosten und der Differenzierungsmöglichkeiten zu gewinnen.366 Als analytisches
Instrument findet sie eine breite Anwendung bei Fragestellungen im strategischen Management (siehe Tabelle 5.2).
Autor
Fragestellung
Forschungsgebiet
Porter M. (1985)
Analyse der Quellen für Wettbewerbsvorteile, Definition von
Wettbewerbsstrategien
Strategisches
Management
Kogut B. (1985)
Entwicklung globaler Strategien
Strategisches
Management
Thompson
/ Analyse der Kostenstruktur im
Strickland (1986) Vergleich zu den Konkurrenten
Strategisches
Management
Jarillo (1988)
Strategisches
Management
Strategische Netzwerke
Hergert / Morris Aufbau von Wettbewerbsvorteilen
(1989)
und Herausforderungen bei der
Suche nach finanziellen Informationen für die Wertkettenanalyse
366
Vgl. Kuss/Tomczak, 1999, S. 37.
Strategisches
Management
5.1 Theoretische Grundlagen
205
Autor
Fragestellung
Forschungsgebiet
Reimann (1989)
Aufbau von nachhaltigen
Wettbewerbsvorteilen
Strategisches
Management
Day (1990)
Entwicklung von
Marketingstrategien
Strategisches
Marketing
Gardener (1990)
Suche nach strategischen
Perspektiven für Bankkonglomerate
Strategisches
Management
Vilen L. (1990)
Entwicklung von InternationalisieStrategisches
rungsstrategien und ihre Auswertung Management
Bergeron/Buteau/
Raymond (1991)
Entwicklung von
Informationssystemen
Management
Belz, 1991
Ansätze zur Indetifizierung und
Gestaltung erfolgreicher
Leistungssysteme
Strategisches
Marketing
Moore (1992)
Einbeziehen der Umwelt in die
Entwicklung der Strategie
Strategisches Management, Umweltmanagement
Leutenegger
(1994)
Entwicklung von wettbewerbsfähigen Informationssystemen für
die Pharmaindustrie
Technologiemanagement
Normann
Ramirez (1994)
/ Entwicklung interaktiver Strategien
Strategisches
Management
Rudolph (2000)
Beschreibung erfolgreicher
Geschäftsmodelle im europäischen
Handel
Strategisches Handelsmanagement
Tabelle 5.2:
Ausgewählte strategische Fragestellungen mit Einsatz der
Wertkettenanalyse
Quelle:
eigene Darstellung
Hergert/Morris (1989) definieren drei Vorteile der Wertkettenanalyse, welche
auch für den Grosshandel gelten: 367
1) Als erster Schritt bei der Strategieformulierung gilt, alle Aktivitäten zu
identifizieren und dann jene zu wählen, die ein Profilierungspotezial haben und
somit Wirtschaftserfolg versprechen. Im klassischen Wertkettenmodell kann
zwischen neun Wertaktivitäten unterschieden werden, fünf primären (Eingangs367
Vgl. Hergert/Morris, 1989, S. 178.
206
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
logistik, Produktion, Ausgangslogistik, Marketing und Kundendienst) und vier
unterstützenden Aktivitäten (Bereitstellung von Infrastruktur, menschliche
Ressourcen, Technologien und andere Ressourcen).368 Gemäss der Analyse im
Kapitel 3 und Kapitel 4 handelt es sich bei der Wertkette des Grosshandels um
drei Bündel von primären wertschöpfenden Aktivitäten, logistische, Marketingund Finanzdienstleistungen und fünf unterstützende Aktivitäten: Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologie, allgemeine Beschaffung und
Prozess- bzw. Qualitätsmanagement und Controlling (siehe Abbildung 5.1). In
dieser ganzheitlichen Betrachtung liegt der grosse Unterschied zu PIMS-369 und
den Portfoliomodellen370, wo der Fokus primär auf den Marktanteil bzw. die
Branchenstruktur gelegt wird.
2) Im Rahmen der Grosshandelswertkette bestehen Verknüpfungen nicht nur
zwischen den unterstützenden und primären Aktivitäten sondern auch zwischen
den Aktivitäten innerhalb eines Bündels und zwischen den einzelnen Bündeln.371
Weitere Verknüpfungen sind auch an den Schnittstellen zu den Wertketten der
Hersteller- und Einzelhandelskunden zu identifizieren. Sie ermöglichen die
kooperative Optimierung der Wertkette und die Lösung von Koordinationsproblemen.
3) Die Konfigurierung und die Wirtschaftlichkeit der Wertkette hängen auch von
dem Wettbewerbsumfang (“competitive scope”) ab. Dieser wird später im
Rahmen der Positionierungsentscheidung berücksichtigt. Vier Dimensionen
beschreiben den Wettbewerbsumfang: Segmentumfang, vertikaler Umfang,
geografischer Umfang und Branchenumfang.372 Der Segmentumfang charakterisiert die Ausrichtung auf bestimmte Kunden- und Produktsegmente und ist
mit der Entscheidung über eine hohe Segmentzahl oder den Fokus auf einen oder
wenige Segmente verbunden. “Just as differencies among segments favor narrow
scope, however, interrelationships between the value chains serving different
segments favor broad scope.”373 Der vertikale Umfang ist eng mit dem Grad der
vertikalen Integration verbunden, d.h. wie die Aktivitäten unter dem Unter-
368
In der Literatur sind als Synonyme Leistungskette, Geschäftssystem, Value Chain zu finden. Vgl. Gabler
Wirtschaftslexikon, 2001, S. 3487. Die unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette, der Marketingkanal,
wird im Kapitel 2 dieser Arbeit beschrieben.
369
Vgl. Buzzel/Gale, 1987.
370
Bekannte Portfoliomodelle sind die Marktwachstum-Marktanteil-Matrix der Boston Consulting Group und die
Multifaktoren-Methode von General Electric, vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 112.
371
Vgl. Abschnitt 3.2.3 des Kapitels 3 dieser Dissertation.
372
Vgl. Porter, 1985, S. 53f.
373
Porter, 1985, S. 55.
5.1 Theoretische Grundlagen
207
nehmen, seinen Lieferanten, Abnehmern und Vertriebskanälen aufgeteilt sind.
Der geografische und der Branchenumfang bestimmen weitere Dimensionen der
Geschäftstätigkeit.
Logistische
Dienstleistungen
Unternehmensinfrastruktur
Logistische
Dienstleistungen
Personalwirtschaft
Marketingdienstleistungen
Technologie
Marketingdienstleistungen
Allgemeine
Beschaffung
Finanzdienstleistungen
Prozessmanagement /
Controlling
Finanzdienstleistungen
Wertschöpfung für die
Herstellerkunden
Wertschöpfung für die
Einzelhandelskunden
Marktabdeckung
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Spezialdienstleistungen
Beratung Lagermanagement
Abdeckung Marktverhalten
Sortimentsaufbereitung
Vertriebskontakt
und Vertriebskonditionen
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Kreditunterstützung
und Finanzierung
Beratung Finanzmanagement
Logistische Dienstleistungen
Marketingdienstleistungen
Finanzdienstleistungen
Produktverfügbarkeit
Feinverteilung, Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Spezialdienstleistungen
Beratung Lagermanagement
Sortimentsbildung und
Produktion
Sortimentsaufbereitung
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Kreditunterstützung
und Finanzierung
Beratung Finanzmanagement
Abbildung 5.1: Modell der Wertkette und drei Bündel der primären
wertschöpfenden Aktivitäten im Grosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
4) Anschliessend wird die Positionierungsstrategie und die Profilierungsmassnahmen festgelegt. Die Wahl einer Strategieoption und ihre Implementierung
durch den Aufbau eines Geschäftsmodells hängen erheblich von der guten
Kenntnis der Struktur der gesamten Wertkette ab.
208
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Das Vorgehen der zweiseitigen Profilierung lehnt sich an dem generischen
Vorgehen zur Erlangung von Differenzierungs- und Kostenvorteilen an,
ausgearbeitet von Porter (1985).374 Die Zweiseitigkeit der Wertschöpfung des
Grosshandels führt zu Anpassungen in diesem Konzept. Mit Hilfe der
bestehenden Literatur und mittels Anwendung in einer auführlichen Fallstudie
werden Erkenntnisse angestrebt, wie diese Anpassungen vorzunehmen sind.
Abbildung 5.2 gibt einen Überblick über die Vorgehensschritte.
Zweiseitig Zielkunden
definieren
1
Einfluss auf die Wertketten
der Kunden bestimmen 2
Rangfolge der Kunden3
bedürfnisse erstellen
Profilierungspoteziale
und Kostentreiber
eruieren
4
Positionierungsstrategie
und Profilierungs5
massnahmen wählen
Nachhaltigkeit der
Positionierungsstrategie
sichern
6
Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw.
7
neu konfigurieren
Abbildung 5.2: Vorgehen der Profilierung im Grosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
Der Vorgehensraster erfüllt im Rahmen der Positionierung und der Profilierung
im Grosshandel zahlreiche Aufgaben:375
–
sensibilisiert das Grosshandelsmanagement für die Notwendigkeit einer
marktorientierten Profilierung (Sinnfunktion),
374
Vgl. Porter, 1985, S. 118 und S. 162.
375
Vgl. Rudolph, 1993a, S. 33.
5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
209
–
kommuniziert die Zielsetzungen der Profilierung in jedem Schritt
(Zielfunktion),
–
konzentriert die Bemühungen auf die Schaffung eines überlegenen
Kundennutzens (Fokussierungsfunktion),
–
schafft Übersicht über die vorhandenen Methoden und Instrumente in
jedem Schritt (Ordnungsfunktion),
–
trägt zum Verständnis der Notwendigkeit laufender Profilierungsbemühungen bei, die zu einer ständigen Anpassung der Wertkette und des
Geschäftsmodells führen (Schrittmacherfunktion),
–
führt zu einer besseren Abstimmung zwischen den einzelnen Entscheidungsebenen im Unternehmen (Harmonisierungsfunktion).
5.2.1 Zweiseitig Zielkunden definieren
Im ersten Schritt wird der Zielkunde der Grosshandelsleistung identifiziert. Diese
Rolle spielen zwei Gruppen von Unternehmen: Hersteller und Einzelhändler
bzw. Weiterverarbeiter. Sie sind voneinander abhängig, da sie Mitglieder des
Marketingkanals als Netzwerk interdependenter Institutionen sind.376
Bei der Analyse der Zielkunden werden zwei Betrachtungsweisen einbezogen.
Zum einen sind es die Charakteristiken der Unternehmen, welche erste
Annahmen bezüglich ihrer Nachfrageprofile nach der Grosshandelsleistung
ermöglichen. Zum anderen sind es die Segmentierungskriterien, welche die
Grosshändler bei der Kategorisierung und Auswahl der Zielkunden anwenden.
Im Kapitel 3 wurden die Kriterien der Einschaltung des Grosshändlers seitens der
Hersteller und der Einzelhändler beschrieben.377 Die Kriterien können auch als
Charakteristika der potenziellen Grosshandelskunden betrachtet werden,
insbesondere Unternehmensgrösse, Finanzkapazität, Bedürfnis nach Kontrolle,
Managementerfahrung, Kenntnisse über die Kunden, situative Ziele und
Strategien.378 Der Hersteller wird die Grosshandelsleistung nachfragen, wenn er
eine kleine Unternehmensgrösse, kleine Finanzkapazität, wenig Kenntnisse über
den Einzelhandel, ein kleines Bedürfnis nach Kontrolle über den Marketingkanal
und wenig Managementerfahrung hat. Der Einzelhändler wird die Grosshandelsleistung nachfragen, wenn er eine kleine Unternehmensgrösse, kleine Finanz-
376
Vgl. Stern/El-Ansary, 1992.
377
Vgl. Berman, 1996, Rosenbloom, 1999.
378
Vgl. Abschnitt 3.1 im Kapitel 3.
210
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
kapazität, wenig Kenntnisse über den Hersteller, ein kleines Bedürfnis nach
Kontrolle über den Marketingkanal und wenig Managementerfahrung hat.
Weitere Kriterien sind die situativen Vertriebsstrategien der Hersteller und die
Beschaffungsstrategien des Einzelhandels, insbesondere in Bezug auf Direkteinkauf und -verkauf unter Umgehung des Grosshandels.
In der Literatur finden sich nur wenige empirische Untersuchungen zum Prozess,
wie die Grosshändler ihre Kunden segmentieren. Aus der Business-to-BusinessLiteratur lassen sich jedoch Kriterien wie Profitabilität, Sortiment, Nutzen für
den Endkonsumenten, Anzahl Neuprodukteinführungen, Preis und Konditionen,
Erfordernisse des Distributionssystems, aber auch strategische und taktische
Überlegungen des Grossisten ableiten.379 Die Kriterien haben in jeder einzelnen
Grosshandelsbranche unterschiedliche Anwendung und Gewichtung. Das Ziel an
dieser Stelle ist nicht die Ausarbeitung eines Katalogs der Segmentierungskriterien, sondern die Beschreibung der in im Pharmagrosshandel angewendeten
Kriterien.
5.2.2 Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen
Der Grosshändler kann die Wertkette seiner Zielkunden beeinflussen, indem er
ihre Kosten senkt oder ihre Wertschöpfung steigert. Alle Berührungspunkte
zwischen den Wertaktivitäten des Grossisten und diesen der Kunden bergen
Profilierungspotenziale. Die Veränderungen in der Wertkette der Kunden wirken
sich auch auf die Profilierungsmöglichkeiten aus und deshalb sind Analysen der
Trends im Grosshandelsumfeld durchzuführen.380
Hinweise, wie und wo sich die Wertkette des Grosshandelsunternehmens und die
Wertketten seiner Zielkunden berühren, geben die wertschöpfenden Bündel,
welche im Kapitel 3 vorgestellt wurden. In diesem Schritt sind drei Fragen zu
beantworten:
−
Welches sind die Aktivitäten, in denen der Zielkunde Kernkompetenzen
innehat?
−
In welchen Bereichen leistet der Grosshändler einen Beitrag zur Kostensenkung bzw. Qualitätssteigerung bei den Kunden?
−
Welche konkreten Dienstleistungen bietet er an?
379
Vgl. McGodrick/Douglas, 1983, S. 14f., siehe auch Kohli, 1989 und Sheth, 1996.
380
Vgl. die Analyse der Veränderungen im Grosshandelsumfeld im Kapitel 2 dieser Arbeit.
5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
211
5.2.3 Rangfolge der Kundenbedürfnisse erstellen
Die Bedürfnisse der Zielkunden können in zwei Gruppen aufgeteilt werden:
Kundennutzen und Unternehmensidentität. Die erste Gruppe betrifft die unmittelbar generierten Kostenminimierung oder Qualitätssteigerung und ihre faktenbasierte Begründung. Eine einmalige Unternehmensidentität beeinflusst die Wahrnehmung des geschaffenen Nutzens im Sinne der von DiMingo (1988)
beschriebenen psychologischen Positionierung. Sie baut auf den Faktoren der
Marktpositionierung auf und bewegt den Kunden mit Hilfe der Marketingkommunikation zum Kauf. Beispiele dafür sind die Reputation, das Erscheinungsbild in den Medien und beim Kundenkontakt, die Gebäudeeinrichtung, ein
gerade neu entwickeltes oder traditionsreiches Geschäft, der bestehende Kundenstamm, das Image der Muttergesellschaft usw.
Die Rangfolge dieser Bedürfnisse kann durch eine Analyse der Wertkette des
Abnehmers basierend auf internem Know-how und durch Interviews mit
Zielkunden bestimmt werden. Diese Analyse lässt sich in vier Schritten
durchführen:
−
Die für den Markt relevanten Bedürfnisse herausfiltern
Die Wertschöpfung des Grosshandels entsteht aufgrund eines bestimmten
Bedürfnis seitens des Herstellers und / oder des Einzelhändlers. Tabelle 5.3
veranschaulicht eine Zusammenstellung der in der Literatur meist erwähnten
Bedürfnisse.
Hersteller
Kundennutzen oder Bedürfnis
nach ...
Marktabdeckung grosser
Zielmärkte
Marktabdeckung risikoreicher
Zielmärkte
zuverlässigem Transport
Abholungen ab Haus
grossen Lagerräumlichkeiten
Preis und Konditionen
Grösse der Bestellungen des
Einzelhandels
Mengenauflösung
schneller Bestellabwicklung
Kauf- und Verkaufskompetenz
qualitativen Marktinformationen
technischer Kompetenz
Unternehmensidentität oder
Bedürfnis nach ...
Reputation
Werbung und Absatzförderung
Erscheinungsbild Gebäude
Erscheinungsbild Aussendienst
Erscheinungsbild Innendienst
Erscheinungsbild Transportpersonal
Kundenstamm
Tradition
Unabhängigkeit
Länge der Kundenbeziehung
212
Einzelhandel
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Kundennutzen oder Bedürfnis
nach ...
Rücknahme und schneller
Auswechslung defekter Produkte
Beratung und Schulung
Finanzierung
pünktlichen Lieferungen
schneller Bestellabwicklung
grossen Lagerräumlichkeiten
Einkaufserleichterung durch
Sortimentszusammenstellung
Wahl des Produkte-Mix
Lieferung in individualisierten
Mengen
Kreditkonditionen und
Finanzierung
konkurrenzfähigen Preisen
Garantieleistungen
Reparaturen
Rücknahme defekter Produkte
Entsorgung
Beratung
Werbeprogrammen
Marketingunterstützung
Managementunterstützung
Ladeneinrichtung
Rechnungslegung
Rechtsberatung
Unternehmensidentität oder
Bedürfnis nach ...
Image
Werbung und
Verkaufsförderung
Verpackung
Erscheinungsbild Lieferpersonal
Erscheinungsbild Innen- und
Aussendienst
Lieferantenliste
Unabhängigkeit
Länge der Beziehung
Tabelle 5.3:
Mögliche Bedürfnisse der Grosshandelskunden
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1985, Rosenbloom,
1987, McKalley, 1994
– Eine Gewichtung der Bedürfnisse (niedrigste Bedeutung = 1, höchste
Bedeutung = 10) ist sowohl durch den Grosshändler als auch durch seine
Abnehmer (Hersteller und Einzelhändler) vorzunehmen.
– Sowohl der gestiftete Kundennutzen als auch der Aufbau und Stärkung der
Unternehmensidentität können ein Basis- oder ein Zusatzbedürfnis darstellen.
Die Basisbedürfnisse betreffen die Grundanforderungen aller Kunden an die
Wertschöpfung des Grosshandels. Die so empfundede Grosshandelsleistung
5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
213
unterscheidet sich nicht von der Konkurrenz. Die individuellen Zusatzbedürfnisse einzelner Zielgruppen bieten im Gegensatz dazu Profilierungsmöglichkeiten für den Grosshändler. Es gilt in diesem Schritt, die Bedürfnisse
nach den Kriterien „Basis“ und „Zusatz“ zu klassifizieren.
5.2.4 Profilierungspoteziale und Kostentreiber eruieren
Die Profilierungspotenziale und die Kostentreiber lassen sich in zwei
Unterschritten identifizieren.
– Profilierungs- und kostenrelevante Aktivitäten analysieren
Personal
Technologie
Allgemeine
Beschaffung
X
X
X
X
Prozessmanagement
Unternehmensinfrastruktur
Finanzdienstleistung
Marketingdienstleistung
Logistische
Dienstleistung
In einem ersten Schritt werden Aktivitäten mit Profilierungspotenzial identifiziert, in dem die primären und unterstützenden Wertaktivitäten zu Kundenbedürfnissen zugeordnet werden (Abbildung 5.3).
Kundennutzen
Normenkonform
Normenkonform
X
Lieferzeit
Lieferzeit
X
Produktmerkmale
Produktmerkmale
X
Qualitätder
derVerkäufer
Qualität
Verkäufer
X
X
X
X
X
Werbung
X
X
Attraktives Gebäude
X
X
X
Unternehmensidentität
X
X
X
Abbildung 5.3: Beispiel für die Beziehung zwischen den Bedürfnissen und den
Wertaktivitäten
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1985, S. 151
214
–
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Profilierungspotenziale und Kostentreiber identifizieren
Da eine erfolgreiche Positionierungsstrategie auf unternehmenseigenen Kompetenzen basiert, ist die Analyse der Profilierungspotenziale und der Kostentreiber
in der Grosshandelswertkette zentral für die Wahl des Wettbewerbsvorteils.
Spezielle Aufmerksamkeit sollte dabei den unternehmenspolitischen Entscheidungen, den internen Verknüpfungen und den Verknüpfungen zu den Wertketten
der Hersteller und Einzelhändler geschenkt werden. Neue Profilierungsmöglichkeiten können durch den Vergleich mit der Konkurrenz und durch Analogien mit
anderen Branchen gewonnen werden, welche eine ähnliche Dienstleistung
erbringen oder welche an denselben Endabnehmer verkaufen.
Die aktuelle Positionierungsstrategie und ihre Umsetzung werden erheblich
durch die Managemententscheidungen in der Vergangenheit beeinflusst. Die
Wahl der einzelnen Grosshandelsaktivitäten, die Intensität und der Aufwand bei
ihrer Ausführung sowie die Zusammenstellung eines Wertangebots sind die
zentralen Fragen. Mehr Investitionen in indirekte Aktivitäten führen in der Regel
zu einer besseren Leistung und niedrigeren Kosten bei der Ausführung der
primären Aktivitäten. So z.B. wurden durch die Einführung neuer Informationstechnologien die logistischen Prozesse revolutioniert. Der richtige Einsatz neuer
Technologien wird positiv durch eine Prozessorganisation unterstützt. Das
Vorhandensein von Verfahrensbeschreibungen kann auch das Know-how im
Unternehmen sichern und die Einhaltung von Qualitätsstandards gewährleisten,
z.B. im Rahmen der Guten Distributionspraxis. Nicht zuletzt beeinflussen die
Massnahmen in Bezug auf das Kompetenzniveau der Mitarbeiter die Qualität der
erbrachten Dienstleistungen massgeblich.
Enge Beziehungen mit den Lieferanten eröffnen Profilierungspotenziale
gegenüber dem Einzelhandel und umgekehrt. Beste Resultate können bei der
gemeinsamen Optimierung der Aktivitäten erreicht werden, wie z.B. durch Schulungen, gemeinsame Verkaufsinitiativen, Unterstützung in Personal-, Infrastruktur-, Management-, Controllingfragen etc. Die Koordination der Spezifikationen,
Bestellungen und Lieferungen können die Gesamtkosten erheblich senken.381
Die Integration zusätzlicher Hersteller- oder Einzelhandelsaktivitäten erleichtert
das Management der Verknüpfungen, senkt die Beschaffungskosten und steigert
die Kundenbindung für den Grosshandel. Die Integration wird durch den
koordinierten Einsatz neuer Technologien ermöglicht, wie z.B. durch ein
einheitliches EDV-System für Bestellung und Berichterstattung beim Hersteller,
381
Die gemeinsame Optimierung und die Koordination der Verknüpfungen zwischen den Wertketten sind
Gegenstand des Supply Chain Managements.
5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
215
Grosshändler und Einzelhändler. Desintegration kann auch zu Profilierung
führen. Dank der Ausgliederung der physischen Distribution an Logistikspezialisten können mehr Ressourcen für wertschöpfende Dienstleistungen und
die Koordination der restlichen Aktivitäten eingesetzt werden.
Im Rahmen von Holdingstrukturen führt die gemeinsame Nutzung des Aussendienstes sowohl zur Kostensenkung als auch zur Qualitätssteigerung. Weitere
Synergien sind im gemeinsamen Einkauf zu finden. Detaillierte Vorstellung der
Profilierungsmöglichkeiten und Kostentreiber je gewählter Positionierungsstrategie ist in den Tabellen 4.2, 4.3 und 4.4 dieser Arbeit enthalten.
5.2.5 Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen auswählen
Aufgrund der Analyse der Profilierungspotenziale in der Wertkette und der IstPositionierung ergeben sich für den Grosshändler zwei Möglichkeiten:
–
Die Profilierungspotenziale in der Wertkette und die Ist-Positionierung
stimmen überein. Die Massnahmen zur Profilstärkung sind aufzuzeigen und
–
die Profilierungspotenziale in der Wertkette entsprechen nicht der IstPositionierung. In diesem Fall ist eine Umpositionierung erforderlich.
Die Wahl der Profilierungsmassnahmen berücksichtigt den Kundennutzen und
die für ihre Umsetzung benötigten Investitionen.382 Zunächst gilt die Massnahmen zu eruieren, welche durch eine kurzfristige Optimierung der eigenen
Wertkette ohne erhebliche zusätzliche Investitionen getroffen werden. Zweistens
ist der Verbundnutzen zwischen mehreren Massnahmen zu beachten, d.h.
Profilierungsmassnahmen mit geringem Kosten-/Nutzenverhältnis können zu
einer Profilstärkung führen und sind nicht auszuschliessen.383 Drittens führt der
Versuch, die eigenen Aktivitäten einmalig auszuführen, zur Reduktion der
anfallenden Kosten. Dies geschieht bei einer besseren Koordination zwischen
Aktivitäten und Wertketten, bei einer engen Kundenbeziehung, bei der Integration einer Tätigkeit oder wenn eine neue Technologie eingesetzt wird, welche
die Konkurrenz nicht kennt.
5.2.6 Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern
Gemäss Porter (1985): “Most successful differentiation strategies cumulate
multiple forms of differentiation throughout the value chain, and address both
382
Vgl. Rudolph, 1993a, S. 58.
383
Vgl. Rudolph, 1993a, S. 60.
216
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
use and signalling criteria.”384 Übertragen auf den Grosshandel bedeutet dies,
sich mittels mehrerer Wertaktivitäten und Verknüpfungen zu differenzieren.
Hooley/Saunders (1993) lehnen sich an Porter (1985), Levitt (1982) u.a. an und
erweitern die Liste der Erfolgsfaktoren beim Aufbau und beim Schutz einer
Wettbewerbsposition.385 Von entscheidender Bedeutung ist das Angebot einer
einmaligen Leistung, die einen Kundennutzen darstellt. Dabei ist die
Identifizierung der Profilierungsmassnahmen wichtig, welche eine nachhaltige
Einmaligkeit gegenüber der Konkurrenz versprechen. “The most successful
differentiations are those that use core skill, competence or marketing asset of the
company that competitors do not possess and will find it hard to develop.”386
Barrieren wie Lernen, Verknüpfungen, Verflechtungen und First-Mover-Vorteile
sichern einen höheren Schutz gegen Imitation seitens der Konkurrenz. Je klarer
auf bestimmte Kundensegmente fokussiert wird, desto grösser sind die
Erfolgschancen der Positionierungsstrategie. Ein Weg, die aufgebaute Position
zu schützen, ist die Pflege einer engen Beziehung zu den Kunden durch das
Angebot zahlreicher Dienstleistungen. Sowohl die langfristige Kundenbindung
als auch die Kundenakquisition werden durch den Aufbau einer starken Marke
und einer einmaligen Unternehmensidentität unterstützt.
5.2.7 Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw. neu konfigurieren
Sowohl bei einer Stärkung des Profils als auch bei einer Umpositionierung
werden die Investitionen zu den profilgebenden Aktivitäten alloziert und
gleichzeitig wird der Aufwand in den nicht profilierungsrelevanten Aktivitäten
reduziert. “A successful differentiator reduces cost aggressively in activities that
are unimportant to buyer value.”387 Dies können Kernaktivitäten, unterstützende
Aktivitäten, Verknüpfungen und Verflechtungen sein. Eine solche Veränderung
des operativen Modells sollte auch zu Anpassungen in den anderen Elementen
des bestehenden Geschäftsmodells führen.388 Eine Neukonfigurierung der
wertschöpfenden Aktivitäten führt zum Aufbau eines neuen Geschäftsmodells.
Eine Orientierung über den idealtypischen Aufbau der unterschiedlichen
Geschäftsmodelle findet sich im Kapitel 4 dieser Arbeit.
384
Vgl. Porter, 1985, S. 163.
385
Vgl. Hooley/Saunders, 1993, S. 218f., Dan, 1978, Fisher, 1991.
386
Hooley/Saunders, 1993, S. 215.
387
Vgl. Porter, 2000, S. 163.
388
Vgl. Shostack, 1987.
5.3 Fallstudie Voigt AG
217
5.3 Fallstudie Voigt AG
5.3.1 Ausgangssituation
Die Voigt AG mit Hauptsitz in Romanshorn ist im Pharmagrosshandel tätig und
beschäftigt etwa 330 Mitarbeiter. Das Unternehmen hat seit 2002 eine Holdingstruktur, welche aus drei Geschäftsfeldern besteht: Pharmagrosshandel als
Kerngeschäft, Prewholesale-Dienstleistungen für Hersteller und internationaler
Beschaffung (siehe Abbildung 5.4).
Voigt Holding AG
Romanshorn
Voigt AG
Voigt Instrie Service AG
Voigt International AG
Pharma Grosshandel
Pharma Prewholesale
Pharmaceutical Sourcing
Abbildung 5.4: Organisationsstruktur Voigt AG
Quelle:
Voigt AG, 2006
Die Voigt AG gehört zu den drei führenden Pharmagrossisten der Schweiz
(Marktanteil 2005: 15%). Das Unternehmen bietet Dienstleistungen für Apotheken und Drogerien sowie Ärztelieferanten auf der Absatzseite und Dienstleistungen für Lieferanten auf der Beschaffungsseite an. Die Positionierung lässt
sich in drei Schlagwörtern ausdrücken: „kundennah“, „verlässlich“ und
„unabhängig“.
Die Voigt AG wurde in 1904 als Handelsgeschäft mit Pharmaprodukten
gegründet. Seitdem wächst das Unternehmen und übernimmt immer grössere
Geschäftsräumlichkeiten – in 1947, 1971 ein neues Hochregallager, 1995 ein
neues Logistikzentrum in Romanshorn, 1998 ein neues Verteilzentrum in
Wangen bei Olten. 2005 erfolgt die Eröffnung ein weiteres Verteilzentrums in
Neuendorf und die Ablösung des Standortes in Wangen. 1996 wird der
Kommissionierbereich automatisiert und seit 2000 verfügt das Unternehmen über
ein leistungsfähiges Informatiksystem (SAP R/3). Ab 2006 werden neue
einheitliche Erscheinungsbild und Corporate Design präsentiert.
218
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
5.3.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
5.3.2.1 Zweiseitig Zielkunden definieren
Sowohl auf der Beschaffungsseite als auch auf der Absatzseite arbeitet Voigt mit
Unternehmen von unterschiedlicher Grösse. Auf der Beschaffungsseite gehören
die Partner auch zu verschiedenen Branchen, wie z.B. Pharma, Konsumgüter und
Kosmetik, und bieten komplementäre Sortimente an. Die grossen und global
agierenden Pharmahersteller zeichnen sich durch eine professionelle Marketingund Verkaufsorganisation, durch gute Kenntnisse über den Medikamentenmarkt
und solide Managementerfahrung aus.
Auf der Absatzseite sind es Unternehmen, welche beim Vertrieb der Medikamente im intensiven Wettbewerb zueinander stehen, wie z.B. Apotheken,
Drogerien, Ärztelieferanten und Spitäler. Ihre Besitzverhältnisse beeinflussen die
Finanzkraft und das Bedürfnis nach Kontrolle über die Beschaffung und somit
den Bedarf nach der Grosshandelsleistung. Im Rahmen einer Gruppierung
können die Apotheken oder Drogerien ihre Selbständigkeit beibehalten und in
derselben Zeit vom gemeinsamen Einkauf und anderen Dienstleistungen
profitieren. Der Bedarf nach Marketing- und Managementberatung ist aber
weiterhin vorhanden. Die Ketten sind im Besitz eines einzelnen Unternehmens
und die Grosshandelstätigkeit wird im Rahmen der Holdingstruktur erbracht.
Die Art der durch den Grosshändler beschaffenen Sortimente wird weitgehend
von der Nachfrage der Apotheken und anderer Fachhändler bestimmt. Der
Auslöser für die Beschaffung sind die Bestellungen des Fachhändlers. Die
Segmentierung der Lieferanten nach bestimmten Kriterien findet aus drei
Gründen nicht statt. Erstens ist das Medikamentensortiment als Ganzes sehr
eingeschränkt – ca. 18’000 unterschiedliche Darreichungsformen. Zweitens ist
jeweils nur ein Lieferant für den Verkauf von Originalmedikamenten und
Generika berechtigt. Zweit- und Drittlieferanten gibt es meistens nicht. Das ist
eine weitere Bestätigung für die grosse Verhandlungsmacht der Lieferanten.
Drittens finden die gesetzlich zugelassenen Parallelimporte immer noch eine
eingeschränkte Verbreitung.
Die Apotheken stellen die wichtigste Kundengruppe auf der Absatzseite dar und
die Analyse richtet sich speziell auf diese Gruppe. Unter dem Begriff
Fachhandelskunden werden die Apotheken verstanden. Weitere Kundengruppen
sind Drogerien, Ärztelieferanten und Reformhäuser (siehe Abbildung 5.5).
5.3 Fallstudie Voigt AG
219
11%
1%
Apotheken
Drogerien
Ärztelieferanten
Reformhäuser
21%
67%
Abbildung 5.5: Fachhandel und Weiterverkäufer als Kunden von Voigt AG
Quelle:
Voigt AG, 2006
Obwohl in der Realität ein Käufermarkt herrscht, werden bei der Akquisition
neuer Apothekenkunden einige Segmentierungskriterien angewendet:
–
Tiefe logistische Kosten. Priorität haben die Neukunden, welche sich in der
Nähe festgelegter Touren befinden. Neue Touren zahlen sich erst dann aus,
wenn eine genügend hohe Anzahl Abladeadressen vorhanden ist.
–
Zukunftsträchtigkeit des Geschäftsmodells. Apotheken werden vor
Drogerien und Ärztelieferanten leicht bevorzugt, da sie in Bezug auf die
Abgabekompetenz von Medikamenten rechtlich abgesichert sind.
–
Zugehörigkeit zu einer Apothekengruppierung. Mehr als 50% der
Apotheken und zwei Drittel der Drogerien389 sind gruppiert oder gehören
zum Einflussbereich einer Gruppierung. Die Akquisition von Gruppierungen wird für den Erfolg von Voigt als sehr wichtig eingestuft.
–
Standorte in Einkaufszentren, z.B. in der Nähe von Migros und Coop,
werden attraktiver.
–
Bonität. Dieses klassische Kriterium wird auch berücksichtigt.
Sowohl auf der Beschaffungsseite als auch auf der Absatzseite ist Voigt in
Teilbereichen mit einer Umgehung konfrontiert. Die Pharmahersteller vertreiben
die Medikamente durch den Grosshandel und zu 30% direkt an die Apotheken
und Ärzte. Einerseits fördern die Pharmahersteller den Direkteinkauf bzw.
-vertrieb durch spezielle Rabattsysteme. Andererseits kann die Apotheke nach
dem Gesetzt direkt einkaufen. Die Praxis etabliert sich, Direkteinkauf (insbesondere bei neuen und teuren Produkten) mit dem Einkauf über den Grosshandel
(für die täglichen Einkäufe) zu kombinieren. Eine weitere Strategie des
389
Vgl. www.drogistenverband.ch, 2005.
220
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Fachhandels ist, beim Direkteinkauf die Verrechnung durch den Grosshandel zu
erledigen.
5.3.2.2 Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen
Die Kernfunktionen der Produzenten von Orginalpräparaten liegen in der Organisation der Forschung und Entwicklung, der Produktion und Vermarktung. Bei
den Generika- und OTC-Produzenten verlagern sich die Kompetenzen auf die
Produktion, Vermarktung und die Verteilung der Medikamente. Unter den Fachhändlern, insbesondere Apotheken, liegen die Kernaktivitäten in der Abgabe von
Medikamenten und der Beratung des Patienten. In der Ausgestaltung dieser
Bereiche liegen die Quellen für Wettbewerbsvorteile der Grosshandelskunden.
Sie werden deshalb danach streben, diese Bereiche selber unter Kontrolle zu
halten.390
Die Voigt AG senkt die Kosten der Lieferanten durch die Übernahme sämtlicher
Aktivitäten verbunden mit der Ausgangslogistik (Abbildung 5.6).
Marktabdeckung
Verteilzentrum in Romanshorn und seit 2005 in Neuendorf.
Lagerhaltung
Die Ware wird direkt beim Lieferanten abgeholt und in das eigene Lager
ausgeliefert.
Bestellabwicklung
Die Ware kann bei Voigt via Internet bestellt werden. Diese Bestellungen sind
nicht nur für die Apotheke, sondern auch für den Lieferanten sichtbar. Voigt
leitet die Bestellung an den Lieferanten weiter und bekommt elektronische
Überweisungsaufträge von ihm zugestellt. Weiterhin übernimmt Voigt bei
Lieferungen, welche der Hersteller direkt an Voigt-Apothekenkunden ausführt,
die Verrechnung an der Apotheke und die Zahlung an den Hersteller. Somit
entlastet Voigt seine Lieferanten durch die Übernahme der LogistikArbeitsleistungen, der Kommissionierung und der Beschriftung sowie der
Feinverteilung inkl. der Zustellung von Gratiswaren.
Spezialdienstleistungen
Eine Artikelliste aller Produkte, welche bei Voigt auf Lager geführt werden, kann
erstellt werden. Die Retourenabteilung erledigt alle Retouren bei Fabrikations-
390
Vgl. Belz, 1991, S. 40.
5.3 Fallstudie Voigt AG
221
fehlern, für die der Hersteller die Verantwortung übernimmt, sowie auch bei
Fehllieferungen und Transportschäden.
Vorgelagerte Wertschöpfungsstufe:
Pharmaindustrie
Unternehmensinfrastruktur
Personalwirtschaft
Allgemeine Technologie, Forschung und Entwicklung
Beschaffung
Controlling, Umweltverträglichkeit
Eingangslogistik
Operationen:
Chemische
Produktion
Galenische
Produktion
Ausgangslogistik:
Transport
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Marketing & Kundenservice
Vertrieb:
Produkt
Kommunikation
Preis
Distribution
Nachgelagerte Wertschöpfungsstufe:
Fachhandel
Wertschöpfungsstufe:
Pharmagrosshandel
Logistische
Dienstleistungen
Unternehmensinfrastruktur
Logistische
Dienstleistungen
Technologie
Marketing
dienstleistungen
Allgemeine Beschaffung
Finanzdienstleistungen
Qualitätsmanagement/
Controlling
Allgemeine Technologie
Beschaffung
Personal
Marketing
dienstleistungen
Unternehmensinfrastruktur
Personalwirtschaft
Controlling, Umweltverträglichkeit
Eingangs- Operationen:
logistik
Lagerung
Verpackung
Finanzdienstleistungen
Marketing
Verkauf
Patientenberatung
Ladenlayout
Werbeaktionen
und -unterlagen
Abbildung 5.6: Berührungspunkte zwischen der Wertkette des Grosshändlers
und den Wertketten der vor- und nachgelagerten Kunden im
Bereich der logistischen Dienstleistungen
Quelle:
Experteninterviews Voigt, 2004 und 2005
Die Berührungspunkte zu den Wertketten der Apotheken sind in der
Eingangslogistik. Da werden sowohl Kostensenkung im Bereich der Infrastruktur, des Personals und der Beschaffung als auch Qualitätssteigerung erzielt.
Produktverfügbarkeit
Im Standard-Angebot sind zwei Lieferungen täglich enthalten. In der Deutschschweiz werden Apotheken auch dreimal beliefert. Einmal täglich bis zu
mehrmals wöchentlich werden die Drogerien und Reformhäuser beliefert.
Lagerhaltung, Bestellabwicklung, Feinverteilung
Die Kommissionierung ist automatisiert in Mehrwegtransportbehältern und
Kühlboxen, welche zu den Kunden transportiert werden. Der Transport erfolgt
durch die 40 eigenen Fahrzeuge für Kunden, die je nach Standort innerhalb von
zwei Stunden erreicht werden können. Online-Bestellungen sind auch für die
Apotheken möglich. Bei Expressbestellungen werden Kurierdienste und die Post
eingeschaltet.
222
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Spezialdienstleistungen
Eine Retourenabteilung erledigt alle Retouren aufgrund von Fehllieferungen,
Fabrikationsfehlern, Falschbestellung etc. Zusätzlich wird auch die Entsorgung
von Leergebinden, Altmedikamenten und übrigen Artikeln angeboten.
Mit Ausnahme des Vertriebskontaktes leistet Voigt einen eher kleinen Beitrag zu
Kostensenkung und Qualitätssteigerung bei der Pharmaindustrie im Bereich des
Marketings (Abbildung 5.7).
Abdeckung des Marktverhaltens
Voigt bietet zahlreiche Informationen zur aktuellen Marktentwicklung und
Auftragsvolumina an. Dazu zählen z.B. die Entwicklung der Lagerbestände, der
Bestellmengen und der Umsätze pro Artikel und Kunden. Weitere nützliche
Informationen sind in der Form von Internet-Links abrufbar.
Vertriebskontakt
Der Lieferant kann via KUKO (kundenspezifische Konditionen) individuelle
Konditionen mit einer Mehrzahl von Kunden vereinbaren. So erhält der Kunde
bei jeder Bestellung die vereinbarten Rabatte. Die Lieferung und die
Verrechnung erfolgen durch Voigt. Auf jeder Rechnung besteht dann die
Möglichkeit, einen Rechnungstext zu platzieren, der während einer Woche auf
jede Rechnung an die Apotheken gedruckt wird.
Nicht nur der Vertriebskontakt selbst, sondern auch die Verkaufsförderung der
Lieferanten wird unterstützt. Zum Beispiel durch Werbung auf den VoigtFahrzeugen kann der Lieferant die bestehenden und potenziellen Kunden
erreichen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Voigt-Broschüre „Profit“ an, die
an Apotheken, Drogerien, Reformhäuser und Ärztelieferanten verteilt wird. Die
Broschüre stellt Sonderofferten vor und wird neunmal pro Jahr herausgegeben.
Für Marketingaktionen und Mailings stellt Voigt Kundenadressen (Apotheken,
Drogerien, Reformhäuser, Ärztelieferanten) als Datei oder in Form fertig
gedruckter Adressetiketten zur Verfügung.
Der Schwerpunkt im Bereich der Marketingdienstleistungen liegt bei Voigt
eindeutig auf der Fachhandelsseite. Durch die Bereitstellung von Infrastruktur,
Personen und durch Produktaktionen und vereinfachte Beschaffungswege
werden Kostenersparnisse und vor allem Qualitätssteigerungen erreicht. Durch
Sortimentsbreite und Lieferfähigkeit wird bei der Patientenberatung mittelbar die
Qualität beeinflusst.
5.3 Fallstudie Voigt AG
223
Vorgelagerte Wertschöpfungsstufe:
Pharmaindustrie
Unternehmensinfrastruktur
Personalwirtschaft
Allgemeine Technologie, Forschung und Entwicklung
Beschaffung
Controlling, Umweltverträglichkeit
Eingangslogistik
Operationen:
Chemische
Produktion
Galenische
Produktion
Ausgangslogistik:
Transport
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Marketing
Kundenservice
& Vertrieb:
Produkt
Kommunikation
Preis
Distribution
Nachgelagerte Wertschöpfungsstufe:
Fachhandel
Wertschöpfungsstufe:
Pharmagrosshandel
Logistische
Dienstleistungen
Unternehmensinfrastruktur
Logistische
Dienstleistungen
Technologie
Marketing
dienstleistungen
Allgemeine Beschaffung
Finanzdienstleistungen
Qualitätsmanagement/
Controlling
Allgemeine Technologie
Beschaffung
Personal
Marketing
dienstleistungen
Unternehmensinfrastruktur
Personalwirtschaft
Finanzdienstleistungen
Controlling, Umweltverträglichkeit
Eingangs- Operationen:
logistik
Lagerung
Verpackung
Marketing
Verkauf
Patientenberatung
Ladenlayout
Werbeaktionen und
-unterlagen
Abbildung 5.7: Berührungspunkte zwischen der Wertkette des Grosshändlers
und den Wertketten der vor- und nachgelagerten Abnehmer im
Bereich der Marketingdienstleistungen
Quelle:
Experteninterviews Voigt, 2004 und 2005
Sortimentsbildung
Auf Lager werden 33’000 Artikel geführt und darüber hinaus können 10’000
weitere Artikel bestellt werden. Die Sortimentsergänzungen erfolgen aufgrund
der Wünsche der Fachhandelskunden.
Einkaufskontakt
Eine weitere sehr wichtige Dienstleistung sind die kundenspezifischen
Konditionen (KUKO), welche jeden Kunden mit jedem Lieferanten verbinden
und welche im Informatiksystem des Grosshändlers erfasst werden. Sie erlauben
die individuelle Konditionengestaltung zwischen dem Hersteller und der
Apotheke, wobei der Grosshändler die Verrechnung übernimmt.
Beratung
Im Rahmen des Dienstleistungspakets ApoPlus werden Marketing- und
Werbeberatung für Apotheken und Drogerien angeboten. Neben der Beratung in
Bezug auf das Erscheinungsbild und die Warenpräsentation werden auch die
Produktion von Marketing- und Werbeunterlagen, die Aufstellung von
224
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Marketingplan und -budget sowie die Organisation und Durchführung von
Werbekampagnen angeboten. Die Werbekampagnen enthalten zusätzlich die
Schaufenster- und Ladendekoration, zahlreiche Kundenmagazine, Ständer, Flyer,
Inseratevorlagen sowie Schulung für das Apothekenteam. Die Kampagnen sind
themenbezogen (betreffend Saisonkrankheiten, chronische Krankheiten, Zielgruppen in unterschiedlichem Alter und mit unterschiedlichen Hobbies etc.) und
nicht produktbezogen. Die Themen werden in Zusammenarbeit mit den
Apotheken festgelegt.
Im Rahmen des ApoPlus-Programms, aber auch separat, wird zudem Unterstützung beim Controlling und bei der strategischen und taktischen Einkaufsplanung angeboten. Kennzahlen und Auswertungen werden zur Verfügung
gestellt, welche einen optimalen Einkauf erlauben. Historische Daten werden
durch Empfehlungen und Prognosen für die nächsten Monate vervollständigt.
Es werden keine Kredit- und Finanzierungsdienstleistungen angeboten.
5.3.2.3 Rangfolge der Kundenbedürfnisse erstellen
Die Kunden der Voigt AG auf der Beschaffungs- und Absatzseite stellen
unterschiedliche Anforderungen an die Grosshandelsleistung. Tabelle 5.4 stellt
einen Vergleich zwischen der Beurteilung der Bedürfnisse der Herstellerkunden
durch Voigt und durch die Pharmahersteller selbst dar.
Bei den Bedürfnissen der Pharmahersteller liegt der Schwerpunkt im Bereich der
Logistik. Die Marktabdeckung, der zuverlässige Transport, das moderne Lager
und die schnelle Bestellabwicklung geniessen höchste Priorität und gehören zum
Basisangebot des Grossisten. Dies wird auch gesetzlich durch die Einführung der
obligatorischen Guten Distributionspraxis gesichert. Das Volumen der Bestellungen des Fachhandels hat indirekt einen Einfluss auf die logistische Kapazität des
Grosshändlers und ist ein Signal für die Basiserwartung der Hersteller. In dieser
Hinsicht gewährt Voigt einen höheren Wert als die Hersteller. Unterschiedliche
Bewertungen haben auch die beiden Bedürfnisse mit Zusatznutzen – nach einer
Abholung ab Lager des Herstellers und nach der Rücknahme und Auswechslung
defekter Produkte. Aus Herstellersicht gewinnen sie an Bedeutung, während sie
aus Sicht der Voigt kaum Bedeutung haben. Die Abholung ab Lager des
Herstellers ist mit den vereinbarten Einkaufsbedingungen verbunden.
5.3 Fallstudie Voigt AG
225
Bedürfnisse/Kaufkriterien
Nutzenkriterien – Bedürfnis nach ...
Voigt
Gewich- Basis-/
tung
Zusatz
und 10
Basis
Marktabdeckung
grosser
risikoreicher Märkte
zuverlässigem Transport
Abholung ab Lager des Herstellers
Modernem Lager
Grossen Bestellungen des Fachhandels
schneller Bestellabwicklung
Rücknahme und Auswechslung defekter
Produkte
Preisen und Konditionen
fachlicher Kompetenz
Qualität der Marktinformationen
Werbung und Absatzförderung
Beratung/Schulung
Finanzierung
Signalkriterien
Gute Reputation
Unabhängiger Geschäftspartner
Geschäftspartner mit Tradition
Langfristige Geschäftsbeziehung
Breites Fachhandelskundennetz
Pharmahersteller
Gewich- Basis-/
tung
Zusatz
10
Basis
10
1
10
10
10
1
Basis
Zusatz
Basis
Basis
Basis
Zusatz
10
5
10
5
10
8
Basis
Zusatz
Basis
Basis
Basis
Zusatz
10
5
5
10
0
0
Gewichtung
10
5
1
2
10
Basis
Basis
Basis
Zusatz
Basis-/
Zusatz
Basis
Zusatz
Zusatz
Zusatz
Basis
10
10
5
5
1
1
Gewichtung
10
10
10
10
10
Basis
Basis
Basis
Zusatz
Zusatz
Zusatz
Basis-/
Zusatz
Zusatz
Basis
Zusatz
Zusatz
Basis
Tabelle 5.4:
Bedürfnisse der Herstellerkunden aus Sicht der Hersteller und
der Voigt AG
Quelle:
Experteninterviews Voigt und Vereiningung der Schweizer
Pharmafirmen VIPS, 2004
Die Preise und die Konditionen stellen ein Basisbedürfnis der Hersteller im
Marketingbereich dar und werden so durch Voigt wahrgenommen. Die fachliche
Kompetenz des Pharmagrossisten wird von den Pharmaherstellern erwartet und
sehr hoch eingeschätzt. Dies ist eine Bestätigung des Grosshändlers als ein
exklusiver Vertriebspartner der Pharmaindustrie. Jedoch variiert die Wahrnehmung dieser Anforderung gemäss Voigt je nach Hersteller. Es bestehen auch
Herstellergruppen, für welche der Preis die grösste Rolle spielt und die sich an
spezialisierte Speditionsunternehmen ohne Spezialkenntnisse wenden. Marktin-
226
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
formationen werden mit der Verbreitung von internetbasierten Informationsdiensten und der Entstehung von spezialisierten Marktforschungsunternehmen
wie IHA-IMS immer weniger über den Grosshandel bezogen. In Hinsicht auf die
steigenden Anforderungen an die Sicherheit und die Qualität der Informationen
bleibt dies eine Basisanforderung.
Da die öffentliche Werbung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten
gesetzlich verboten ist, beschränken sich die Bedürfnisse der Hersteller auf
Imagewerbung.391 Voigt sieht dabei grosse Profilierungsmöglichkeiten, währenddessen die Pharmaindustrie eine eher mittlere Bewertung abgibt. Im Bereich der
frei verkäuflichen Medikamente wird Unterstützung bei der Lancierung neuer
Produkte und bei Sonderaktionen erwartet. Die Generikaproduzenten fokussieren
sich auf die Preise und die Konditionen.
Der Bedarf nach Beratung, Schulung und Finanzierung ist auf der Herstellerseite
minim mit Ausnahme von kleineren und mittleren Nischenanbietern und den
schweizerischen Markt neu betretenden Unternehmen. Die meisten Pharmahersteller sind selber profitabel und zeichnen sich durch eine starke Marketingorganisation aus.
Der Aufbau und die Stärkung der Unternehmensidentität haben auf der
Herstellerseite einen sehr hohen Stellenwert. Im Gegenteil dazu werden sie durch
Voigt als weniger wichtig wahrgenommen. Die gute Reputation wird von beiden
Seiten als sehr wichtig empfunden. Die höchste Bewertung bekommt auch das
breite Fachhandelskundennetz, das einen indirekten Hinweis auf die Wichtigkeit
der Marktabdeckung gibt. Die Unabhängigkeit des Grossisten aus Sicht des
Herstellers ist nicht zuletzt auch mit der Gefahr einer möglichen Rückwärtsintegration verbunden und geniesst eine sehr hohe Bedeutung. Die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung ist für die Hersteller sehr wichtig, im Gegensatz
dazu für Voigt minim.
Tabelle 5.5 präsentiert den Vergleich zwischen der Beurteilung der Bedürfnisse
der Apotheken durch Voigt und durch die Apotheken selbst.
391
Für die gesetzliche Regulierung der Medikamentenwerbung siehe Kapitel 2 dieser Dissertation.
5.3 Fallstudie Voigt AG
Bedürfnisse/ Kaufkriterien
Nutzenkriterien – Bedürfnis nach ...
Voigt
Gewichtung
pünktlichen Lieferungen
10
schneller Bestellabwicklung
10
modernem Lager
2
Lieferung in individualisierten Mengen 10
Garantieleistungen
2
Rücknahme defekter Produkte
7
Entsorgung und Retouren
8
Einkaufserleichterung durch Sortiments- 8
bildung
Breitem und tiefem Sortiment
10
Preise und Konditionen
10
Ladeneinrichtung
2
Marketingunterstützung
7
Managementunterstützung
6
Beratung/Schulung
5
Rechnungslegung
8
Rechtsberatung
1
Kreditierung und Finanzierung
7
Signalkriterien
Gewichtung
Gute Reputation
10
Unabhängiger Geschäftspartner
6
Geschäftspartner mit Tradition
2
Langfristige Geschäftsbeziehung
8
Breites Lieferantennetz
10
227
Basis-/
Zusatz
Basis
Basis
Basis
Basis
Zusatz
Basis
Basis
Zusatz
Apotheken
Gewich- Basis-/
tung
Zusatz
10
Basis
10
Basis
10
Basis
5
Zusatz
1
Basis
5
Basis
10
Basis
5
Zusatz
Basis
Basis
Zusatz
Zusatz
Zusatz
Zusatz
Basis
Zusatz
Zusatz
Basis-/
Zusatz
Basis
Zusatz
Zusatz
Zusatz
Basis
10
10
1
5
5
3
10
1
5
Gewichtung
10
10
10
10
10
Basis
Basis
Zusatz
Zusatz
Zusatz
Zusatz
Basis
Zusatz
Zusatz
Basis-/
Zusatz
Zusatz
Basis
Basis
Basis
Basis
Tabelle 5.5:
Bedürfnisse der Apotheken aus Sicht der Apotheken und der
Voigt AG
Quelle:
Experteninterviews Voigt und Apothekenverein der Kantone
SG/AI/AR, 2004
Ganz hoch in der Bewertungsskala steht die logistische Basisdienstleistung des
Grossisten. „Out-of-stock“ ist eine Situation, die nicht stattfinden darf. Die
pünktliche Lieferung bestimmt erheblich die Beziehung zwischen der Apotheke
und dem Endkonsumenten. Die gleiche Bedeutung aus Apothekersicht geniessen
die Bestellabwicklung und die Lagerhaltung, da die Lagervorräte einer Apotheke
in der Regel nicht älter als 3–4 Monate sind. Die Automatisierung der
228
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Lagerhaltung wird von den Apotheken hoch bewertet, da dies eine hohe
Verfügbarkeit von neuartigen und bestehenden Sortimenten gewährleistet. Da
alle Grossisten über eine vollständig oder teilweise automatisierte Logistik
verfügen, hat dieses Bedürfnis aus Sicht der Voigt AG ein kleineres
Profilierungspotenzial.
Die Einkaufserleichterung durch Sortimentsbildung ist für die selbständige
Apotheke weniger relevant als zum Beispiel für eine Apothekenkette oder
-gruppierung, deshalb die neutrale Wertung von 5 Punkten. Aus Sicht von Voigt
hat dieses Bedürfnis einen höheren Wert, da die Gruppierungen eine wachsende
Bedeutung haben. Die Kommissionierung und die Lieferung in individualisierten
Mengen zählen zu den wichtigsten Basiserwartungen an die logistische Leistung
des Grossisten. Bei der Bestellung kann der Grossist vorschlagen, eine grössere
Menge zu einem günstigeren Preis abzunehmen, aber wenn die Apotheke nur
eine Packung braucht, wird sie auch nur diese bestellen. Qualitätsgarantien
werden von den Pharmaproduzenten erwartet und nicht vom Grossisten.
Das Bedürfnis nach Entsorgung zählt zu den wichtigen Basisbedürfnissen.
Teilaufgaben werden auch von den Behörden auf kantonaler Ebene übernommen.392 Noch höhere Bedeutung haben die Retouren und sie werden von den
Grossisten angeboten.
Breites und tiefes Sortiment sowie Preise und Konditionen sind die wichtigsten
Basisbedürfnisse im Marketingbereich. Marketing- und Managementunterstützung werden situativ bewertet und haben deshalb eine neutrale Wertung aus
Sicht der Apotheken. Allgemeine Beratung inkl. Rechtsberatung zum Beispiel
wird nicht vom Grosshandel erbracht, sondern vom Apothekerverband und von
Swissmedic. Aus Sicht von Voigt besteht ein grösserer Bedarf. Dasselbe betrifft
auch die Ladeneinrichtung, wo die Displays und die Informationen vom
Hersteller zur Verfügung gestellt werden, und der Grosshändler transportiert sie
lediglich zum Point of Sale.
Eines der wenigen Basisbedürfnisse aus der Sicht der beiden Seiten ist die
Rechnungslegung. Finanzdienstleistungen werden situativ nachgefragt je nach
Grösse der Apotheke. Sie geniessen den Status wichtiger Zusatzdienstleistungen.
Bei dem Aufbau einer Unternehmensidentität stehen die gute Reputation und das
breite Lieferantennetz an erster Stelle für beide Seiten. Die Wertungen der Voigt
deuten auf eine kleinere Bedeutung der Tradition, eine neutrale Wertung des
Unabhängigkeit je nach Fachhandelskunden. Apothekerkreise sind daran
392
Dies ist z.B. der Fall im Kanton St. Gallen.
5.3 Fallstudie Voigt AG
229
interessiert, dass mehrere Grossisten am Markt bleiben. Die Langfristigkeit ist
auch aus Sicht der Voigt AG ein entscheidendes Bedürfnis insbesondere in
Bezug auf die Partnerschaft und das Angebot von Lösungen. Daran sind
vorwiegend selbständige Apotheken interessiert. Eine Gruppierung wechselt
schneller die Distributionspartner.
5.3.2.4 Profilierungspotenziale und Kostentreiber eruieren
Tabelle 5.6 veranschaulicht, mit welchen Dienstleistungen (Wertaktivitäten)
Voigt den Bedürfnissen der Herstellerkunden begegnet. Klar zu unterscheiden
sind die Basis- (in weiss) und die Zusatzbedürfnisse (in grau) sowie die
Aktivitäten, welche am meisten durch die Zusatzbedürfnisse betroffen sind (in
grau).
Im Bereich der Dienstleistungen für die Herstellerkunden unterscheidet sich
Voigt unwesentlich von der Konkurrenz. Die Basisdienstleistungen im Bereich
der Logistik sind nicht zuletzt dank der Zertifizierung nach der Guten
Dustributionspraxis auf einem hohen Niveau. Aus Sicht der Voigt AG wird jede
neue Dienstleistung von den Konkurrenten kopiert.
Jedoch unterscheidet sich Voigt in der Art, wie die Dienstleistungen erbracht und
kombiniert werden. Eine hohe Flexibilität, Persönlichkeit und Kundennähe
erlauben es, die Kundenprobleme schnell und effektiv anzugehen. Dies weist auf
eine höhere Bedeutung bei der Unternehmensidentität hin. Es stellt sich die
Frage, wie sich diese Qualitäten von Voigt in den erbrachten Dienstleistungen
und in der Kommunikationspolitik umsetzen lassen.
Die detaillierte Analyse weist auf einige Profilierungspotenziale hin:
–
Ausbau des Angebots im Bereich der Rücknahme und Auswechslung
defekter Produkte,
–
kombinierte Massnahmen bei der Verkaufsförderung der Pharmaindustrie,
–
Aufwertung der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter,
–
Kommunikation der Unabhängigkeit,
–
Kommunikation einer stabilen Positionierung als langfristger Partner,
X
X
X
GDP und Controlling
X
Technologie
Personal
X
Werbung in
Broschüren
X
KUKO
Infrastruktur
Marktinformationen
Internet-Links
Werbung Adressen
für Direktmarketing
Werbung auf LKW
Verrechnung
Retouren
Eigene
Transportmittel und
Kooperation mit
Transporteuren
Artikelliste aller
Produkte
Bestellabwicklung
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Verteilzentren
230
Kundennutzen –
Bedürfnis nach ...
Marktabdeckung
grosser und
risikoreicher Märkte
X
Zuverlässigem
Transport
Abholung ab Lager
des Herstellers
Modernem Lager
Grossen
Bestellungen des
Fachhandels
Schneller
Bestellabwicklung
Rücknahme und
Auswechslung
defekter Produkte
Preise und
Konditionen
Fachlicher
Kompetenz
Qualität der
Marktinformationen
Werbung und
Absatzförderung
Beratung/Schulung
Finanzierung
Unternehmensidentität – Bedürfnis
nach...
Guter Reputation
Unanhängigem
Geschäftspartner
Geschäftspartner mit
Tradition
Langfristigen
Geschäftsbeziehungen
Breitem
Fachhandelskundennetz
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Tabelle 5.6:
Profilierungspotenziale gegenüber der Pharmaindustrie
Quelle:
eigene Darstellung
X
X
5.3 Fallstudie Voigt AG
231
Tabelle 5.7 veranschaulicht, mit welchen Dienstleistungen (Wertaktivitäten)
Voigt den Bedürfnissen der Apothekenkunden begegnet, und präsentiert
gleichzeitig die Profilierungspotenziale dar.
Alle Pharmagrossisten bieten dieselben Basisdienstleistungen an. Wie bei den
Dienstleistungen für die Hersteller wird jede Innovation schnell von der
Konkurrenz kopiert. Ein Konkurrenzvergleich ist z.B. bei einer quantitativen
Komponente wie dem Preis sehr schwierig, da die Preisbildungsmodelle äusserst
unterschiedlich sind.
Voigt bietet jedoch ein einmaliges modular aufgebautes Dienstleistungspaket an,
genannt ApoPlus. Insbesondere das individuelle Eingehen auf die Kundenwünsche sowie attraktive Einkaufspreise und ein Konditionenmodell sind die
Stärken dieses Leistungsangebotes.
Die nachstehende Tabelle 5.7 weist auch auf Profilierungspotenziale hin:
–
Möglichkeiten durch das Angebot von Gesamtlösungen für Apotheke und
Drogerie im Bereich der Marketingkommunikation und der Beratung,
–
Möglichkeiten durch das Angebot von Spezial- und Nischensortimenten,
–
Kommunikation der Unabhängigkeit,
–
Massnahmen zu Kundenbindung und langfristige Geschäftsbeziehung,
–
Kommunikation einer stabilen Positionierung mit Tradition.
Unternehmenspolitische Entscheidungen in der Vergangenheit
Seit 100 Jahren schafft es Voigt AG als unabhängiges Familienunternehmen, sich
an die wechselnden Marktbedingungen anzupassen und sich als Partner im
schweizersichen Gesundheitswesen zu etablieren. Das Unternehmen fokussiert
sich konsequent auf das Grosshandelsgeschäft, welches es als die eigene Kernkompetenz betrachtet. Die logistischen Kapazitäten werden kontinuierlich ausgebaut, laufend optimiert und durch Swissmedic zertifiziert. Voigt steht für eine
schlanke Unternehmensstruktur und kompetente Mitarberiter, welche schnelle
und proaktive Lösungen für die Kundschaft erarbeiten.
Interne Verknüpfungen in der Wertkette des Grosshändlers
Unter den primären Aktivitäten, welche Voigt zugunsten der Hersteller ausführt,
sind sämtliche logistischen Aktivitäten eng miteinander verknüpft. Diese
logistischen Aktivitäten sind die Basis für die angebotenen Marktinformationen.
Kundennutzen – Bedürfnis
nach ...
Pünktlichen Lieferungen
X
Schneller
Bestellabwicklung
X
Modernem Lager
Lieferung in
individualisierten Mengen X
Garantieleistungen
Rücknahme defekter
Produkte
Ensorgung und Retouren
Einkaufserleichterung
durch Sortimentsbildung
Breitem und tiefem
Sortiment
Preise und Konditionen
Ladeneinrichtung
Marketingunterstützung
Managementunterstützung
Beratung/Schulung
Rechnungslegung
Kreditierung und
Finanzierung
Unternehmensidentität –
Bedürfnis nach...
Gute Reputation
Unanhängiger
Geschäftspartner
Geschäftspartner mit
Tradition
Langfristige
Geschäftsbeziehung
Breites Lieferantennetz
X
X
X
X
X
X
X
GDP und Controlling
Technologie
Personal
Infrastruktur
APOPLUS
KUKO
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Sortimentsergänzung auf
Wunsch
X
X
X
X
X
33'000 Artikel, 10'000 auf
Anfrage
Entsorgung
Retouren
Bestellabwicklung
Verteilzentren
Eigene Transportmittel und
Kooperation mit
Transporteuren
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
2-3 Lieferungen täglich
232
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Tabelle 5.7:
Profilierungspotenziale gegenüber dem Fachhandel
Quelle:
eigene Darstellung
X
X
X
X
X
X
X
5.3 Fallstudie Voigt AG
233
Zugunsten der Fachhandelskunden hängen wiederum alle logistischen
Aktivitäten eng zusammen. Eine weitere Verknüpfung besteht zwischen der
Logistik und den kundenspezifischen Konditionen. Ohne Verknüpfungen zu den
anderen primären Aktivitäten und deshalb unabhängig kann das Dienstleistungspaket ApoPlus angeboten werden.
Die engsten Verknüpfungen bestehen zwischen den logistischen Aktivitäten
zugunsten der Pharmahersteller und des Fachhandels. Einerseits sind sie
untereinander eng verknüpft (auf der Abbildung 5.8 nur die linke Seite oder nur
die rechte Seite) und andererseits stellen sie die einzelnen Schritte eines die
Wertketten übergreifenden Prozesses dar, welcher rückwärts (Retouren und
Retrologistik), aber auch vorwärts (Bestellabwicklung und Belieferung)
stattfindet (in der Abbildung 5.8 von links nach rechts und von rechts nach links).
Voigt AG
Verteilzentren
Abholung der Ware
beim Lieferanten
Pharmaindustrie
43’000 Artikel
verfügbar
Flexible Belieferung
Bestellabwicklung
Kommissionierung
Internetbestellungen
Transport
Fachhandel
Marktinformationen
und Statistiken
Artikelliste
der Produkte
Retouren
Retouren
Abbildung 5.8: Verknüpfungen zwischen den primären logistischen Aktivitäten
zugunsten der Pharmaindustrie und des Fachhandels
Quelle:
eigene Darstellung
Weitere verknüpfte Aktivitäten sind die kundenspezifischen Konditionen. Sie
stellen die Pflege der Kundenkonditionen gleichzeitig auf beiden Seiten dar.
Zwischen der Verkaufsförderung für die Pharmahersteller und jener für die
Apotheken bestehen auch Beziehungen.
Vertikale Integration
Eine gute Beziehung mit der Pharmaindustrie erweist sich als die Voraussetzung,
dass mehrere Dienstleistungen in Anspruch genommen werden. Bei einer
langjährigen Beziehung delegieren die Apotheken zahlreiche Aktivitäten an den
Grossisten. Durchgespielte Prozesse wie die genaue Ausführung einer Bestellung
234
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
gemäss den Vorgaben jedes einzelnen Apothekenkunden senken die Kosten der
Eingangskontrolle. Der Grossist profitiert von der Nähe, indem er sich an die
Kundenbedürfnisse anpasst und bei Trendveränderungen gemeinsam mit ihnen
reagiert. So hat Voigt zum Beispiel sehr schnell nach der Zulassung von Tierarzneimitteln zum Verkauf in den Apotheken mit einer Erweiterung seiner
Sortimentspalette reagiert. Die Verkaufsförderung, die Werbung und sämtliche
weitere Marketingmanagementaktivitäten sind weitere Tätigkeitsbereiche der
Apotheken, welche Voigt erfolgreich integriert. Dies erfolgt mittels dem
Dienstleistungspaket ApoPlus.
Beziehungsmanagement
Grundsätzlich wird kein Unterschied zwischen dem Angebot für Stamm- und
Neukunden gemacht. Stammlieferanten erhalten Statistiken, was bei Neulieferanten aufgrund fehlender Historie der Bestellungen nicht möglich ist. Mit
Stammlieferanten werden auch Aktionen getätigt.
Neue Apotheken sind mit einem höheren Betreuungsaufwand verbunden. Die
Kenntnis der individuellen Bedürfnisse ist bei den Stammkunden besser und sie
können von massgeschneiderten Lösungen profitieren. Spezielle Massnahmen
zur Bindung der Stammkunden werden nicht angeboten.
Einsatz neuer Technologien
Der logistische Prozess hat eine elektronische Basis und ist in Teilbereichen
ganzheitlich automatisiert. Auf der Lieferantenseite werden die Bestellvorschläge
und die tatsächlichen Bestellungen automatisch abgewickelt und elektronisch
übermittelt. Nur die Überprüfung läuft immer noch manuell ab. Die Möglichkeiten der neuen Technologien werden aber zu wenig bei der Erstellung von
Statistiken und Auswertungen eingesetzt. Im Bereich Internet wurden die OnlineBestellung und die Online-Bestellverfolgung eingeführt. Weitere Funktionalitäten sind noch nicht verfügbar.
Verfahrens- und Prozessbeschreibungen
Die Einführung der Guten Distributionspraxis (GDP) als gesetzliche Anforderung hat zur Erstellung von Prozessbeschreibungen (SOP = Standard
Operating Procedure) und Richtlinien geführt (siehe Tabelle 5.8). Diese Art von
Qualitätsmanagementsystem in der Pharmadistribution umfasst alle Aktivitäten
des Grossisten. Die Einhaltung der Guten Distributionspraxis wird durch
Swissmedic mittels jährlichen Audits geprüft.
5.3 Fallstudie Voigt AG
SOP-Nr. Bezeichnung
235
Autor in Planung Bearbeitungs- Freigabe Entwurf Vernehmlassung
start
geplant erstellt
Lagerung der Arzneimittel im
Lager
Retouren
Warenannahme und
Eingangskontrolle
Umgang mit Betäubungsmitteln
und psychotropen Stoffen
Sekundärverpackung
Warenausgabe
Chargenrückruf
Neu am Lager
Pflege der Kundenstammdaten
Vernichtung pharmazeutischer
Produkte
Tabelle 5.8:
Beispiele für Standard Operating Procedures
Quelle:
Voigt AG, 2004
Informations- und Kennzahlensysteme
Voigt hat das moderne Informationssystem SAP eingeführt. Es erlaubt,
Kennzahlen und Auswertungen zu jeder Tätigkeit zu erstellen. Ein weiteres
Informations- und Know-how-System sind die Prozessbeschreibungen, welche
auch die Basismodule für SAP bilden. Voigt pflegt individualisierte Kundenstammdaten. Regelmässig werden Berichte vom Aussendienst verfasst und
Lieferantengespräche geführt.
Kompetenzniveau der Mitarbeiter
Eine der Anforderungen der Guten Distributionspraxis ist die Beschäftigung
seitens des Grossisten von Fachpersonen. Bei Voigt werden Fachpersonen
sowohl im Einkauf als auch im Verkauf beschäftigt. Ausserdem wird zwischen
einem betrieblichen (logistischen) Bereich und einem administrativen Bereich
unterschieden. Im betrieblichen Bereich sind Fachmitarbeiter und angelerntes
Personal tätig. Im administrativen Bereich treffen sich Leute mit unterschiedlichem Hintergrund – Drogisten, Pharmaassistenten, kaufmännische Angestellte
mit Vertiefung Marketing, Finanz- und IT-Fachleute sowie Hochschulabsolventen. Weitere Hochschulabsolventen können insbesondere im Bereich der
Entwicklung neuer Dienstleistungen eingesetzt werden.
Voigt bietet zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten. Es wird ein pragmatischer
Ansatz verfolgt, d.h. ein individuelles und bereichsspezifisches Angebot. Nach
Beurteilung des Mitarbeiters und Festlegung der Jahresziele wird ein Antrag für
Weiterbildung gestellt, der bis zu 100 Prozent von Voigt finanziert werden kann.
236
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Wenn weitere Profilierungspotenziale und ihre Wirkung im Einkauf und Verkauf
verglichen werden, lassen sich einige Besonderheiten im Pharmagrosshandel
feststellen.393 Die Grössenvorteile wirken sich kostensenkend sowohl im Einkauf
als auch im Verkauf aus. Im Einkauf haben sie aber auch eine Qualität steigerne
Wirkung. Im Logistikbereich führt ein wachsender Handelsvolumen zu einer
günstigen und qualitativ besseren Dienstleistung. Damit lassen sich die relativ
kleinen Unterschiede in diesem Bereich bei den einzelnen Geschäftsmodellen
erklären. Eine nationale Präsenz spielt im Einkauf keine Rolle und im Verkauf
senkt die Nähe zu den Kunden die Kosten.
5.3.2.5 Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen wählen
Ist-Positionierung
Die Unternehmensidentität von Voigt wird durch drei Elemente geprägt: die
Unabhängigkeit, die Flexibilität und die Kundennähe. Die Unabhängigkeit
unterscheidet das Familienunternehmen von Wettbewerbern wie Galexis AG und
Amedis-UE, welche in den Holdings eigene Hersteller bzw. Apothekenketten
haben. Voigt positioniert sich als der Partner der unabhängigen und gruppierten
Apotheken und Drogerien. Die Flexibilität ist dank der übersichtlichen Grösse
und den kurzen Entscheidungswegen möglich. Die Kundennähe ist die dritte
Stärke von Voigt. Hinter jeder Dienstleistung stehen Personen, welche die
Kunden kennen und so wird auch das Motto des Unternehmens „Sympatisch
anders“ täglich gelebt.394
Voigt AG positioniert sich als Problemlöser. Das Unternehmen versteht sich als
„logistisches Bindeglied“ zwischen dem Fachhandel und der Pharmaindustrie.
Die angebotenen logistischen Dienstleistungen heben sich jedoch nicht vom
Angebot der Konkurrenz ab. Im Bereich der Marketingdienstleistungen kann der
Fokus auf den Fachhandelskunden beobachtet werden, sodass Voigt hier eine
zweistufige Profilierung hat. Vor dem Unternehmen steht die Herausforderung,
Möglichkeiten zu finden, sein Profil als Problemlöser zu stärken.
Stärkung des bestehenden Profils als Problemlöser
Im ersten Schritt ergeben sich Möglichkeiten zur Stärkung des Profils aus der im
Abschnitt 5.3.2.4 durchgeführte Analyse der Profilierungspotenziale. Im zweiten
Schritt ist das eigene Profil mit dem Soll-Profil des Problemlösers im
Pharmagrosshandel zu vergleichen. Im letzten Schritt werden alle Möglichkeiten
zusammengestellt und strukturiert.
393
Vgl. Experteninterviews Voigt im Anhnag V.
394
Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2004.
5.3 Fallstudie Voigt AG
237
In der Tabelle 5.9 werden zweiseitig die Profilierungspotenziale dargestellt. Die
Aktivitäten unter der Bezeichnung „Allgemein“ werden in den folgenden
Abschnitten 5.3.2.7 und 5.3.2.8 analysiert.
Profilierungspotenziale gegenüber
der Pharmaindustrie
1. Logistik: Ausbau des Angebots im
Bereich der Spezialdienstleistungen
2. Marketing: kombinierte
Massnahmen oder Lösungen bei der
Werbung und Verkaufsförderung
3. Allgemein: Aufwertung der
fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter
4. Allgemein: Kommunikation der
Unabhängigkeit
5. Allgemein: Kommunikation einer
stabilen Positionierung mit Tradition
Profilierungspotenziale gegenüber
den Apotheken
1. Marketing: Angebot von Spezial- und
Nischensortimenten auch mit hoher
Beratunsgintensität
2. Marketing: Angebot von Lösungen
im Bereich der Marketingkommunikation und der Beratung
3. Finanzen: Kommunikation der
Rechnungslegungsmöglichkeiten
4. Allgemein: Kommunikation der
Unabhängigkeit
5. Allgemein: Kommunikation einer
stabilen Positionierung mit Tradition
6. Allgemein: Massnahmen zur
Kundenbindung und einer langfristigen
Geschäftsbeziehung
Tabelle 5.9:
Profilierungspotenziale bei Voigt AG
Quelle:
eigene Analyse auf Basis Experteninterviews Voigt AG
Die Profilierung des Problemlösers ist zweistufig, d.h. sein Aktivitäten
orientieren sich an einer klar definierten Zielgruppe oder einigen wenigen
Zielgruppen mit komplementären Bedürfnissen in einem geografisch
abgrenzbaren Region.395 Für Voigt umfassen die Zielgruppen Apotheken und
Apothekengruppierungen und Drogerien und Drogeriengruppierungen in der
Zentral- und Ostschweiz. Eine Profilierung gegenüber der Pharmaindutsrie wird
nicht explizit verfolgt. Deshalb sind die Profilierungspotenziale gegenüber den
Apotheken und Drogerien zu priorisieren.
Wenn die Ist-Profilierung von Voigt und die zweistufige Soll-Profilierung des
Problemlösers im Pharmagrosshandel verglichen werden, dann sind schnell die
Bereiche sichbar, wo Voigt das Angebot weiterentwickeln könnte (siehe
Abbildung 5.9).
395
Siehe Kapitel 4 dieser Dissertation.
238
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Pharmaindustrie
Soll-Profilierung
Ist-Profilierung
Ist-Profilierung
Marktabdeckung
Marktabdeckung
Produktverfügbarkeit
Produktverfügbarkeit
Lagerhaltung
Lagerhaltung
Bestellabwicklung
Bestellabwicklung
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Feinverteilung,
Bestellabwicklung und
Lagerhaltung
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Beratung:
Logistikmanagement
Beratung:
Lagermanagement
Beratung:
Lagermanagement
Beratung:
Logistikmanagement
Abdeckung des
Marktverhaltens
Abdeckung des
Marktverhaltens
Sortimentsbildung
und Produktion
Sortimentsbildung
und Produktion
Sortimentsaufbereitung
Sortimentsaufbereitung
Vertriebskontakt und
Vertriebskonditionen
Vertriebskontakt und
Vertriebskonditionen
Werbeunterstützung
Logistische
Dienstleistungen
Apotheken
Soll-Profilierung
Spezialdienstleistungen: Spezialdienstleistungen:
Retouren, Entsorgung,
Retouren, Entsorgung,
Reklamationen
Reklamationen
Sortimentsaufbereitung
Sortimentsaufbereitung
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Einkaufskontakt und
Einkaufskonditionen
Werbeunterstützung
Werbeunterstützung
Werbeunterstützung
Marketingmanagementberatung
Marketingmanagementberatung
Marketingmanagementberatung:
ApoPlus
Marketingmanagementberatung:
ApoPlus
Kreditunterstützung
Finanzierung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Kreditunterstützung
Finanzierung
Beratung:
Finanzmanagement
Beratung:
Finanzmanagement
Beratung:
Finanzmanagement
Beratung:
Finanzmanagement
Marketingdienstleistungen
Finanzdienstleistungen
Abbildung 5.9: Vergleich der Ist-Profilierung von Voigt und der SollProfilierung eines Problemlösers im Pharmagrosshandel
Quelle:
eigene Darstellung
Wenn die Möglichkeiten zur Stärkung des Profils zusammengefasst werden,
ergeben sich drei Profilierungsmassnahmen:
1) Ausweitung der logistischen Spezialdienstleistungen insbesondere diejenigen,
welche auf dem Internet basiert sind;
2) Bündelung weiterer Marketingdienstleistungen als Lösungspakete, auch
verknüpft mit den Finanzdienstleistungen;
3) Weiterentwicklung der Sortimentsbildung- und Sortimentsaufbereitungsaktivitäten zum Angebot massgeschneiderter und beratungsintensiver Sortimente.
Dazu ist neben der Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter auch die
Zusammenarbeit mit Spezialisten erforderlich. Als Problemlöser ist Voigt
angewiesen, immer mehr Aktivitäten seiner Kunden zu integrieren, neuartige
Lösungen für ihre Probleme zu entwickeln und sie langfristig an sich zu binden.
Aufgrund begrenzten Ressourcen sind die einzelnen Massnahmen je nach dem
erwarteten Kosten/Nutzenverhältnis zu evalieren.
5.3 Fallstudie Voigt AG
239
Die Profilierungsmassnahmen versprechen Erfolg, da sie Voigt gegenüber der
Konkurrenz abheben (siehe Abbildung 5.10) und auf bestehenden Kompetenzen
aufbauen. Der Hauptkonkurrent ist die Galexis AG, welche in denselben
Regionen tätig ist, dieselben Zielgruppen anspricht und zahlreiche Kundenlösungen anbietet.396 In der Zukunft ist zu beobachten, ob Galexis die Transformation von einem Produktführer zu einem Problemlöser verfolgen wird. Die
konsequente Ausrichtung aller Aktivitäten zugusten der Apotheken und Drogerien werden den Profil von Voigt zusätzlich stärken. Weitere Massnahmen zur
Sicherung der Nachhaltigkeit der Problemlöserstrategie werden im Punkt 5.3.2.7
erwähnt.
Kostenführer
Amedis-UE
Galexis
Produktführer
Voigt
Apotheke
zur Rose
Problemlöser
Abbildung 5.10: Positionierung der Voigt AG gegenüber der Konkurrenz
Quelle:
eigene Darstellung
5.3.2.6 Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern
Der gewählte Wettbewebsvorteil und somit auch die gewählte Positionierung
sind wenig nützlich, wenn sie nicht nachhaltig sind. Ihre Kurzlebigkeit ist
insbesondere für ein Grosshandelsunternehmen ein existentielles Problem. Für
ein Problemlöser wie Voigt ergeben sich konkrete Massnahmen, um die
Nachhaltigkeit des Wettbewerbsvorteils sicherzustellen.
Ein laufender Dialog mit den Hersteller- und Fachhandelskunden ist
entscheidend für das Angebot bedürfnisgerechter Dienstleistungen und zur
396
Siehe das detaillierte Fallbeispiel im Kapitel 4.
240
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
weiteren Integration neuer Aktivitäten. Hier hat Voigt erste Massnahmen mit
Erfolg getroffen. Zum Beispiel werden gemeinsame Lösungen im Rahmen
periodischer Treffen mit den Apotheken- und Drogeriengruppierungen erabeitet
und Umfeldveränderungen analysiert.
Die Kundenkenntnis sollte im Rahmen eines internen Wissensmanagementsystems verarbeitet und laufend aktualisiert werden. Ein erster Schritt sind die
Verfahrensbeschreibungen im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems. Alle
im Unternehmen vorhandenen Informationen, Berichte des Aussendienstes,
Kundenstammdaten, Protokolle aus den gemeinsamen Sitzungen sowie die
üblichen Bestellstatistiken sollten in einer integrierten Lösung verfügbar sein. Je
nach erforderlichen Investitionen empfehlen sich Kundendaten-Software mit
Schnittstellen mit dem Informationssystem SAP oder die Erweiterung dieses
Informationssystems um ein weiteres Modul.
Der Problemlöser zeichnet sich durch den Fokus auf einem bestimmten
Kundensegment aus. Im Portfolio der Handelskunden sind bei Voigt vier Segmente vertreten. Ein klarer Fokus auf die unabhängigen Apotheken, den Apotheken- und Drogeriegruppierungen sollte gesetzt werden und den restlichen
Zielgruppen sollten schrittweise an Bedeutung verlieren. Voigt hat z.B die
Anteile der Apotheken und Apothekengruppierungen in der Periode 2003–2006
von 60% auf 67% zu Lasten der Ärztelieferanten und der Reformhäuser
erhöht.397 Die Anzahl der Drogeriekunden nimmt in der selben Periode leicht ab,
aber vor allem aufgrund des Konsolidierungsprozesses.
Weitere Möglichkeiten zur Erhöhung der Immitationsbarrieren bietet das
Management der Verknüpfungen zu den Wertketten der Pharmaindustrie und der
Fachhandelskunden an. Strategische Kooperationen können die Nutzung von
Verknüpfungen ermöglichen. So lancierten die vier führenden Pharmagrosshändler einen gemeinsamen wissenschaftlichen Informationsdienst für ihre
Fachhandelskunden.398 Weiterhin sind auch bestehende Verflechtungen mit den
anderen Geschäftsfeldern, Voigt Industrie Service AG und Voigt International
AG, zu ermitteln und auf Synergiepotenziale zu prüfen. Unterstützung dabei
bieten wiederum das moderne Informationssystem SAP und ihre zahlreichen
Schnittstellenmöglichkeiten.
397
Vgl. www.voigt.ch, Zugriffe 2003 und 2006. Durch den Verkauf von Binkert Pharma AG per 31.12.2005 hat sich
das Unternehmen aus der direkten Ärztebelieferung zurückgezogen.
398
Vgl. www.pharmalog.ch, Zugriff 2006.
5.3 Fallstudie Voigt AG
241
Der Problemlöser ist der Meister des Beziehungsmanagements. Dabei setzt er
auch spezielle Kundenbidnungsinstrumente ein.399 Zahlreiche Instrumente der
Sortiments-, Konditionen- und Kommunikationspolitik werden schon von Voigt
erfolgreich angewendet wie die individuelle Sortimentsgestaltung, die kundenspezifischen Konditionen (KUKO), die massgeschneiderte Marketinglösung
ApoPlus. Weitere Potenziale befinden sich beispielsweise in der Kommunikations- und Kontaktpolitik. Dabei geht es wie bei den anderen Instrumenten durch
Kundenselektion und -priorisierung (Neukunden mit grossem Potenzial, Stammkunden etc.), den Ressourceneinsatz am Kundenpotenzial auszurichten.400 Beispiele wären Kundenclubs401, spezifische Kommunikation und Anlässe pro Kundengruppe, Kontaktkettenplanung402, gemeinsame Anlässe und Kundenforen etc.
Eine langfristige Kundenbindung kann auch durch den Aufbau einer starken
Unternehmensidentität und die Profilierung der Marke „Voigt“ erreicht werden.
Symbole wie das Logo, die Fusszeile und die professionelle Gestaltung
sämtlicher Unterlagen und der Internetseite sollten für einen einheitlichen
Auftritt und eindeutige Kommunikation mit den Kunden sorgen. Ein
entscheidender Schritt in dieser Richtung ist die Lancierung des neuen Corporate
Design von Voigt. Schwerpunkte in der Kommunikation der Marke „Voigt“
sollten die Unabhängigkeit, die Stabilität der Positionierung als Partner und
Problemlöser sowie die Tradition im Grosshandelsgeschäft sein.
5.3.2.7 Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw. neu konfigurieren
Die Wertkette von Voigt AG bedarf keine Neukonfiguration, sondern lediglich
Anpassungen in einzelnen Bereichen. Zur Stärkung der Profilierung sind
zusätzliche Investitionen in die externe und interne Weiterbildung der
Mitarbeiter, insbesondere im Problemlösungvermögen des Innen- und
Aussendienstes zu tätigen. Diese Fähigkeiten sollten auch beim Einstellungsprozess berücksichtigt werden. Bis jetzt nutzt Voigt wenig die Profilierungsmöglichkeiten, welche sich durch die Kooperationen mit spezialisierten Anbietern
ergeben. In einem Kundendatensystem sollte zusäzlich zum Informationssystem
der unternehmensweit akkumulierte Wissen über die Kunden verfügbar sein und
weiterentwickelt werden.
399
Eine detaillierte Analyse der Kundenbindungsinstrumente im Grosshandel findet sich bei Tietz W., 2002.
400
Vgl. Tietz, 2002, S. 132.
401
Siehe die Fallbeispiele im Kapitel 4.
402
Die Kontaktkette ist „... die gezielte Schaffung einer zeitlichen Abfolge festgelegter Kontaktpunkte im Rahmen
der kommunikativen Ansprache einzelner Kunden ...“, Tietz, 2002, S. 141.
242
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
5.3.3 Zusammenfassende Betrachtung
Erkenntnisse zum Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Da der Grosshändler eine Überbrückung der Unterschiede zwischen Pharmaindustrie und Fachhandel gewährleistet, ist die Betrachtung der beiden Kundengruppen erforderlich. Wenn die Angebots- und Nachfrageprofile mit einer
Grosshandelsleistung zu niedrigsten Kosten oder mit höchster Qualität begegnet
werden können, dann ist die zweiseitige Segmentierung von zueinander
passenden Zielgruppen vorzunehmen. Die Aktivitäten gestalten sich in diesem
Fall zweiseitig. Wenn jedoch ein Bedürfnis nach umfassenden Lösungen in einer
Zielgruppe besteht, dann setzt der Grosshändler den Fokus auf dieser Zielgruppe.
In diesem Fall werden die Aktivitäten zweistufig organisiert.
Voigt AG richtet sich an klar abgegrenzten Zielgruppen von Fachhändlern,
vorwiegend unabhängigen und gruppierten Apotheken und Drogerien. Ihr Nachfrageprofil zeichnet sich durch den Bedarf nach Marketing- und Managementberatung sowie nach einer Reihe Spezialdienstleistungen im logistischen Bereich.
Ausser dem Nachfrageprofil und der Zugehörigkeit zu den erwähnten Zielgruppen werden auch weitere Segmentierungskriterien eingesetzt wie logistische
Kosten, Standorte in den Einkaufszentren und Bonität.
Im Fall von Voigt werden die Zielkunden zweiseitig analysiert, aber zweistufig
segmentiert. In einer ersten Stufe werden die Fachhandelskunden segmentiert, da
Art der durch Voigt beschaffenen Sortimente weitgehend durch die Bedürfnisse
der Endkonsumenten bestimmt wird. Die Lieferanten werden in einer zweiten
Stufe ausgewählt. Voigt arbeitet mit einer Vielzahl unterschiedlicher Lieferanten.
Eine hohe Verhandlungsmacht der Pharmaindustrie, gesetzliche Regulierung der
Sortimente und kleine Bedeutung der Parallelimporte führen dazu, dass der
Pharmagrosshändler seine Herstellerkunden noch nicht segmentiert.
Die Berührungspunkte zu den Wertketten der Kunden und die damit
verbundenen Profilierungspotenziale sind für den Grosshändler immer
zweiseitig. Im Bereich der logistischen Dienstleistungen bestehen zweiseitige
Berührungspunkte. Sie sind entsprechend in der Ausgangslogistik und in der
Eingangslogistik und bei den Operationen. Im Marketingbereich beeinflusst der
Pharmagrosshändler zweiseitig das Marketing und den Vertrieb bei der
Pharmaindustrie und das Marketing und den Verkauf bei den Apotheken. Eine
wichtige Dienstleistung mit Berührungspunkten zur unterstützenden Aktivität
„Controlling“ ist die Verrechnung sowohl zugunsten der Hersteller als auch
zugunsten der Apotheken.
5.3 Fallstudie Voigt AG
243
Tabelle 5.10 veranschaulicht die Basis- und die wichtigen Zusatzbedürfnisse der
Hersteller- und der Einzelhandelskunden nach den Grosshandelsdienstleistungen
in der Pharmagrosshandelsbranche.
Kunden
Basisbedürfnisse nach ...
Pharmaindustrie
allen logistischen
Dienstleistungen
Preisen und Konditionen und
sicheren Marktinformationen
allen logistischen
Dienstleistungen
Marketing: nach Preisen und
Konditionen und einem breiten
und tiefen Sortiment
Finanz: Rechnungslegung
Apotheken
Zusatzbedürfnisse mit
hoher Gewichtung nach ...
Werbung und
Verkaufsförderung
Marketing: Marketingmanagementunterstützung und
Einkaufserleichterung durch
Sortimentsbildung
Finanz: Kreditierung und
Finanzierung
Tabelle 5.10:
Basis- und Zusatzbedürfnisse der Grosshandelskunden
Quelle:
eigene Darstellung
Der Grosshandel ist ständig mit der Umgehungsgefahr auf beiden Seiten
konfrontiert. Die Bedürfnisse aller bestehenden und potenziellen Kunden sind
deshalb laufend zu ermitteln.
Die Profilierungspotenziale im Grosshandel befinden sich in den zweiseitigen
Wertschöpfungsbündeln. Ihre heutige Gestaltung ist Resultat der unternehmenspolitischen Entscheidungen in der Vergangenheit. Die logistischen Dienstleistungen zugunsten der Pharmahersteller und der Fachhändler hängen eng
zusammen. Die Weiterentwicklung einer Dienstleistung wie Retouren und
fachmännische Entsorgung oder der Einsatz neuer Tecnologien kommt den
beiden Seiten zugute. Dies betrifft auch die gesetzliche Verankerung der Guten
Distributionspraxis, die zu einer Umsetzung von Qualitätsnormen und zur
konsequenten Prozessoptimierung in der Logistik führt.
Im Marketingbereich ergeben sich sowohl zweiseitige als auch einseitige Profilierungspotenziale. Zweiseitig gestalten sich die kundenspezifischen Konditionen, welche jedem Lieferanten und Fachhändler die Möglichkeit geben,
individuelle Konditionen miteinander zu vereinbaren. Allein angeboten werden
die auf die Apotheken- und Drogerienbedürfnisse zugeschnittenen Marketinglösungen. Sie umfassen die Sortimentsbildung und -aufbereitung, die Werbeunterstützung, Marketingmanagementberatung, Personalschulung und Buchhaltung etc.
244
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
Voraussetzung für die Problemlöserstrategie sind die Bedürfnisse der
Fachhandelskunden nach Gesamtlösungen sowie die bestehenden einseitigen
Profilierungspotenziale. Mögliche Profilierungsmassnahmen sind auch bei dem
vergleich der Ist- mit der Soll-Positionierung des Problemlösers sichtbar.
Zentral für die Sicherung der Nachhaltigkeit der Strategie ist die Kundenbindung.
Durch die Bindung der Apotheken und Drogerien wird indirekt eine Stärkung des
Profils gegenüber der Pharmaindustrie erreicht. Durch eine einheitliche
Unternehmensidentität wird zusätzlich eine emotionale Bindung erreicht.
Bei der Anpassung der Wertkette bzw. Geschäftsmodells ist auch der
Zweiseitigkeit Rechnung zu tragen, unabhängig davon, ob eine zweiseitige oder
zweistufige Profilierung vorhanden ist. Die Zweiseitigkeit ist am stärksten im
logistischen System, bei der Sortimentsbildung und Konditionengestaltung. Das
Angebot von Marketingmanagementberatung und Werbeunterstützung kann
zugeschnitten an einer Zielgruppe auf der Absatzseite erfolgen, unabhängig vom
Angebot für die Lieferanten.
Methodische Erkenntnisse zum Vorgehensraster
Das ausgearbeitete Raster weist folgende Stärken auf:403
–
organisiert und strukturiert das im Unternehmen vorhandene Wissen über
die eigene Wertkette und über die Wertkette der Hersteller- und
Einzelhandelskunden;
–
erlaubt eine schnelle und zutreffende Potenzialidentifizierung;
–
durch Einfachheit und Transparenz
Benutzerfreundlichkeit erreicht;
–
erlaubt den Einsatz relativ weniger Personalressourcen bei Sammlung und
Bearbeitung der Daten.
–
Das Raster hat jedoch einige Schwächen, welche gleichzeitig die
Voraussetzungen für seine Anwendung sind.
wird
ein
hoher
Grad
an
ohne eine Umfeld- und Konkurrenzanalyse nach dem Vorgehen, vorgestellt im
Kapitel 2, kann das Raster keine umfassende Ergebnisse liefern, d.h. die Analyse
ist Basis für die Positionierungs- und Profilierungsentscheidung und ist vor dem
Einsatz des Rasters durchzuführen;
Analyse der Kundenbedürfnisse im Rahmen der Umfeldanalyse und spezifisch
zu den Profilierungsvorhaben des Unternehmens ist durchzuführen;
403
Vgl. Rudolph, 1993a, S. 67f.
5.4 Zusammenfassung des Kapitels
245
Die unmittelbare Übertragung der idealtypischen Ausgestaltung der
Geschäftsmodelle kann irreführend sein. Deshalb ist mittels Konkurrenzanalyse
die branchentypische Ausgestaltung der einzelnen Geschäftsmodelle zu
analysieren (wie in Kapitel 4 vorgenommen).
5.4 Zusammenfassung des Kapitels
Im Kapitel fünf wurde das Vorgehen der zweiseitigen Profilierung erarbeitet und
am ausführlichen Beispiel von einem Grosshandelsunternehmen angewendet.
Der theoretische Raster basiert auf der strategischen Marketingplanung im
Allgemeinen und auf dem Porter’schen Vorgehen zur Erlangung von Kostenund Differenzierungsvorteilen im Speziellen. Die allgemeinen Ausführungen
wurden durch die Grosshandelsspezifika vervollständigt, wobei die Grosshandelsliteratur berücksichtigt wurde und die Erkenntnisse aus der qualitativen
Forschung dieser Arbeit integriert wurden.
Das Vorgehen der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel verläuft in sieben
Schritten:
–
Zweiseitig werden die Zielkunden analysiert und kategorisiert. Die für den
Grosshändler relevanten Zielgruppen unter den Herstellern und Einzelhändlern werden in zwei Schritten analysiert. Erstens geben ihre Charakteristika
erste Annahmen über ihre Bedürfnisse. Zweitens werden Segmentierungskriterien zur Kategorisierung der Kunden angewendet.
–
Zweiseitig wird der Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmt.
Durch die Erbringung von logistischen, Marketing- und Finanzdienstleistungen seine Zielkunden senkt der Grosshändler ihre Kosten und / oder
erhöht die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen. Dies erfolgt in den
Bereichen, welche die Kunden nicht als ihre Kernkompetenz betrachten.
–
Für jede Grosshandelsbranche können situativ spezifische Bedürfnisse der
Hersteller- und Einzelhandelskunden beobachtet werden. Diese Bedürfnisse
beziehen sich auf die Kostensenkung, Qualitätssteigerung oder Lösung (so
genannte Kundennutzen) und auf die Reputation und das Image (so
genannte Unternehmensidentität). Die für den analysierten Markt relevanten Bedürfnisse werden herausgefiltert, eine Gewichtung durch die
Kunden und durch den Grosshändler wird vorgenommen und anschliessend
werden die Basis- und Zusatzbedürfnisse identifiziert.
–
Durch eine Gegenüberstellung der wertschöpfenden Grosshandelsaktivitäten und der Bedürfnisse der Hersteller- und Einzelhandelskunden
246
5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung
werden die profilierungsrelevanten Aktivitäten identifiziert. Dabei ist
wichtig, die Frage zu beantworten, in welchen Aktivitäten sich der Grosshändler von seiner Konkurrenz unterscheidet. Anschliessend werden die
Profilierungspoteziale und Kostentreiber untersucht. Sie sind in den
unterstützenden und in den primären wertschöpfenden Aktivitäten sowie in
den zahlreichen Verknüpfungen zu finden.
–
Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen werden gewählt. Bei
der Positionierungsstrategie geht es um die Wahl zwischen einem Kostenführer, Produktführer oder Problemlöser. Jede dieser Strategien wird durch
ausgewählte Profilierungsmassnahmen umgesetzt. Bei den ersten zwei
Strategien handelt es sich um zweiseitige Profilierungsmassnahmen und bei
dem Problemlöser – um zweistufige Profilierungsmassnahmen. Die
Profilierungspotenziale im Unternehmen und die Ist-Positionierung werden
verglichen. Bei einer Übereinstimmung werden Wege zur Profilstärkung
gesucht und bei einem Unterschied wird der Grosshändler umpositioniert.
–
Die Nachhaltigkeit der gewählten Positionierungsstrategie wird durch den
Aufbau von Imitationsbarrieren, durch den Einsatz von Kundenbindungsinstrumenten und durch eine starke Unternehmensidentität sichergestellt.
–
Die Auswahl der Positionierungsstrategie und die zweisetigen oder
zweistufigen Profilierungsmassnahmen führen zu einer Allokation der
Unternehmensressourcen zu den Profil gebenden Aktivitäten. Dabei
ergeben sich Anpassungen nicht nur in der Wertkette, sondern auch in allen
Elementen des Geschäftsmodells.
6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise
247
6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und
Ausblick
Im folgenden letzten Kapitel 6 werden die Erkenntnisse aus der qualitativen
Forschung zusammengefasst und die zukünftigen Forschungsmöglichkeiten
sowie die Potenziale für die Praxis werden im Ausblick festgehalten.
6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise
In der vorliegenden Arbeit wurden die Besonderheiten der Positionierung und
der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel am Beispiel des Pharmagrosshandels in der Schweiz untersucht. Das Hauptziel dieser Dissertation ist, ein
Konzept der Positionierung und zweiseitigen Profilierung im Grosshandel zu
erarbeiten, welches einen Beitrag zur Beantwortung von zwei Fragen im Grosshandel zu leisten versucht: „Welche Positionierungs- und Profilierungsmöglichkeiten bestehen?“ und „Wie wird bei der Positionierung und bei der
zweiseitigen Profilierung vorgegangen?“ Dabei handelt es sich gleichzeitig um
eine langfristige und eine kurzfristige Zielsetzung. Die kurzfristige Zielsetzung
bezieht sich auf die Probleme und Spezifika des Pharmagrosshandels und
langfristig wird ein Beitrag zur Schliessung der theoretischen Forschungslücke
allgemein für den Grosshandel geleistet.
Um das Hauptziel zu erreichen, hat sich die Dissertation vier Subziele gesetzt:
–
Die Veränderungsprozesse im Pharmamarkt der Schweiz als grundlegende
Voraussetzung für die Entwicklung von Positionierungs- und Profilierungsstrategien zu analysieren,
–
die Besonderheiten der Wertschöpfung des Grosshandels, insbesondere
deren Zweiseitigkeit, theoretisch herauszuarbeiten,
–
den Begriff der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel abzuleiten,
strategische Optionen der Positionierung und zweiseitigen Profilierung
aufzuzeigen und anhand von Beispielen zu beschreiben und
–
ein Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung auszuarbeiten.
Durch die Erreichung dieser Subziele strebt die Dissertation einen theoretischen
Erkenntnisfortschritt und eine hohe Praxisrelevanz an.
248
6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick
Im Kapitel zwei wurden die Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld als
Grundlage für die Entwicklung Erfolg versprechender Positionierungs- und
Profilierungsstrategien analysiert. Diese wurden aus der Perspektive der
unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette, des Marketingkanals und aus
der Perspektive des unmittelbaren Umfeldes, der Grosshandelsbranche wo ein
Grosshändler konkurriert, untersucht.
Der Marketingkanal und die Branche sind eng miteinander verbunden. Einerseits
strebt der Grosshändler eine Positionierung in einem wettbewerbsfähigen
Marketingkanal an, den er in Zusammenarbeit mit den Herstellern und Einzelhändlern zu einer optimalen Endkundenorientierung gestaltet. Andererseits
spielen dabei die Attraktivität der Grosshandelsbranche und die Möglichkeit, auf
Ebene des einzelnen Grosshandelsunternehmens einen Wettbewerbsvorteil zu
erlangen, eine entscheidende Rolle. Nur durch die Berücksichtigung dieser zwei
Perspektiven lassen sich vertiefende Einblicke in die Konkurrenzverhältnisse und
Wechselbeziehungen unter den Marktteilnehmern gewinnen.
Die Identifizierung der Trends und der Faktoren der Dynamik einerseits im
Marketingkanal und andererseits innerhalb der Branche erfasst die Veränderungsprozesse in ihrer Komplexität und in allen Facetten. Zu den drei
Haupteinflussfaktoren der Handelsentwicklung, identifiziert von Rudolph (1999)
für den Einzelhandel, sind im Grosshandel zwei weitere Haupteinflussfaktoren
einzubeziehen: die Trends in den Branchen der Hersteller- und Einzelhandelskunden. Die Kräfte, welche sich auf die im Rahmen des Marketingkanals
wahrgenommenen Aufgaben und auf die Faktoren der Branchenattraktivität
auswirken, bergen strategische Chancen und Gefahren für die Grosshandelsunternehmen.
Das Vorgehen lässt sich in drei Schritten beschreiben:
–
Durch die Analyse des Marketingkanals werden erstens die Struktur des
Marketingkanals und die Unternehmen festgestellt, welche auf jeder Stufe
tätig sind. Zweitens werden die Aufgaben identifiziert, die jede Gruppe von
Unternehmen ausführt. Drittens wird das Konzept der Marketingflüsse zur
Strukturierung der Aufgaben und zu einer unternehmensübergreifenden
Prozessbetrachtung eingesetzt. Anschliessend werden die Trends
identifiziert, welche sich auf den Marketingkanal auswirken.
–
Die Branchenanalyse umfasst die Untersuchung von acht Faktoren der
Branchenattraktivität: Bedrohung des Markteintritts, Rivalität unter den
bestehenden Unternehmen, Bedrohung durch Substitute, Verhandlungsmacht der Abnehmer, Verhandlungsmacht der Lieferanten, Rolle des
6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise
249
Staates, komplementäre Produkte, Verhandlungsmacht der Endkonsumenten. Die Dynamik der Faktoren lässt auf branchenspezifische Trends
schliessen.
–
Die Trendveränderungen werden analysiert und zweiseitig strategische
Chancen und Gefahren abgeleitet. Die Trends im Marketingkanal und die
branchenspezifischen Trends können in fünf Gruppen von Haupteinflussfaktoren strukturiert werden. Aus der Wirkung jeder treibenden Kraft
werden zweiseitig strategische Chancen und Gefahren für den Grosshandel
abgeleitet.
Im dritten Kapitel wurde die zentrale Besonderheit des Grosshandels, die
Zweiseitigkeit seiner Wertschöpfung, theoretisch analysiert und konzeptionell
strukturiert. Als mögliche Ausprägung der Zweiseitigkeit wird auch die Zweistufigkeit der Wertschöpfung vorgestellt. die Die theoretischen Ausführungen
über die Einschaltung der Grosshandelsbetriebe sowie auch die zahlreichen
Kataloge der Grosshandelsfunktionen deuten auf die zweiseitige Ausrichtung der
Geschäftstätigkeit des Grosshandels hin. Der Grosshandel schafft durch Ausführung der Marketingfunktionen für Hersteller und Einzelhändler einen
Mehrwert. Basierend auf dem zweiseitigen Raster der Marketingfunktionen von
Rosenbloom (1987) und weiteren theoretischen Beiträgen werden folgende
Charakteristika der Grosshandelswertkette festgehalten:
–
die primären wertschöpfenden Aktivitäten in der Grosshandelswertkette
entsprechen den zweiseitigen Marketingfunktionen;
–
jede Marketingfunktion ist mit einer Kernkompetenz verbunden;
–
je nach der zugrunde liegenden Kernkompetenz lassen sich die primären
Aktivitäten in zweiseitige Wertschöpfungsbündel gruppieren: Das Bündel
„logistische Dienstleistungen“ präsentiert die Kompetenz des Warendistributors, das Bündel „Marketingdienstleistungen“ die Kompetenz des
Marketingspezialisten und das Bündel „Finanzdienstleistungen“ die
Kompetenz des Finanzierers;
–
vier Gruppen von Verknüpfungen können idetifiziert werden, welche
Quellen für schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile sind: zwischen den
unterstützenden und den primären Aktivitäten, innerhalb der Wertschöpfungsbündel, unter den Wertschöpfungsbündeln und vertikal zu den
Wertketten von Hersteller- und Einzelhandelskunden.
Diese konzeptionelle Strukturierung erlaubt nicht nur die nachvollziehbare
Darstellung der Kernkompetenzen der Grosshandelsunternehmen, sondern auch
250
6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick
die transparente Analyse der zahlreichen spezifischen Verknüpfungen in der
Grosshandelswertkette.
Im Kapitel vier werden die Erkenntnisse aus dem ersten Schritt, d.h. die
strategischen Chancen und Gefahren, mit den Erkenntnissen aus dem zweiten
Schritt, d.h. der zweiseitigen Wertschöpfung des Grosshandels, kombiniert.
Anders formuliert: Die zweiseitigen strategischen Chancen und Gefahren werden
den zweiseitigen Stärken und Schwächen der Grosshändler gegenübergestellt.
Dabei wurden zwei Ziele verfolgt: erstens den Begriff der zweiseitigen bzw,
zweistufigen Profilierung zu definieren und zweitens Erfolg versprechende
Profilierungsoptionen je nach gewählter Positionierungsstrategie aufzuzeigen
und zu strukturieren.
Bei der Positionierung im Grosshandel wird der Differenzierungsvorteil
gegenüber anderen Grosshändlern, den Hersteller- und Einzelhandelskunden,
basierend auf Kernkompetenzen und Überbrückungsbedürfnissen der Hersteller
und Einzelhändler, festgelegt. Die Positionierungsstrategie ist somit der „Rote
Faden“ für die Umsetzung durch den Einsatz der Profilierungsinstrumente. Da
sich die Profilierungspotenziale in den zweiseitigen primären und in den unterstützenden Aktivitäten der Wertschöpfungskette sowie in den Verknüpfungen
befinden, ist die Profilierung des Grosshändlers zweiseitig. So liegt das Ziel der
Profilierung im Grosshandel im Erzielen von Wettbewerbsvorteilen durch
zweiseitige Profilierungsmassnahmen.
Als Basis für die Strukturierung der Positionierungsoptionen dienen die
generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter (1985) und der Geschäftsmodellansatz, der neben der Positionierungstrategie und den zweiseitigen Profilierungsmassnahmen Anpassungen in der Organisationsstruktur, im Managementsystem,
in der Personalpolitik und beim Technologieeinsatz vorsieht. Bei der Anwendung
des Geschäftsmodellansatzes auf den Grosshandel lassen sich drei idealtypische
Modelle identifizieren: der Kostenführer, der Produktführer und der Problemlöser. Die Verfolgung der Positionierungsstrategie der Kostenführer und der
Produktführer ist mit der zweiseitigen konsequenten Ausgestaltung der Profilierungsaktivitäten gegenüber dem Hersteller und gegenüber dem Einzelhändler
verbunden. Die Strategie des Problemlösers ist durch den Fokus auf einer oder
einigen wenigen Zielgruppen, vorwiegend auf der Einzelhandelsseite, und durch
eine zweistufige Ausgestaltung der Profilierungsmassnahmen gekennzeichnet.
Dabei liegt der Wettbewerbsvorteil sowohl in der Kombination der Aktivitäten
als auch in der Art und Weise, wie sie ausgeführt werden.
Die strategischen Chancen im Umfeld eröffnen für die etablierten Grosshändler
Möglichkeiten, neue Geschäftsfelder aufzubauen. Die Analyse wurde am
6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise
251
Beispiel des neuen Geschäftsfeldes „Prewholesale“ durchgeführt, welches jedes
grössere Grosshandelsunternehmen in der Schweiz im zeitlichen Rahmen dieser
Untersuchung aufgebaut hat oder aufzubauen beabsichtigte. Als Erfolg
versprechend erweisen sich dabei die Strategien, welche auf dem im
Geschäftsfeld „Grosshandel“ erlangten Wettbewerbsvorteil basieren. Dabei
werden die Verflechtungen zwischen den Geschäftsfeldern wirksam. Die gute
Kenntnis dieser Verflechtungen und die Berücksichtigung der Chancen und
Risiken verbunden mit einer expliziten Horizontalstrategie sind die Voraussetzungen, einen Wettbewerbsvorteil auf Unternehmensebene zu erlangen.
Im Kapitel fünf werden in einem Vorgehensmodell der zweiseitigen Profilierung
die Erkenntnisse aus der qualitativen Forschung in den vorherigen Schritten
integriert. Am ausführlichen Beispiel eines Pharmagrosshändlers werden
zusätzliche die Besonderheiten bei einer zweistufigen Profilierung vorgestellt.
Das Vorgehen der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel verläuft in sieben
Schritten:
–
Die für den Grosshändler relevanten Zielgruppen unter den Herstellern und
Einzelhändlern werden zweiseitig analysiert und kategorisiert.
–
Durch die Erbringung von logistischen, Marketing- und Finanzdienstleistungen für die Hersteller- und Einzelhandelskunden senkt der Grosshändler ihre Kosten und / oder erhöht die Qualität ihrer Produkte und
Dienstleistungen.
–
Für jede Grosshandelsbranche können unterschiedliche Bedürfnisse der
Hersteller- und Einzelhandelskunden beobachtet werden. Diese Bedürfnisse
beziehen sich auf die Kostensenkung und Qualitätssteigerung (Kundennutzen) und auf die Reputation und das Image (Unternehmensidentität).
–
Durch eine Gegenüberstellung der wertschöpfenden Grosshandelsaktivitäten und der Bedürfnisse der Hersteller- und Einzelhandelskunden
werden die Profilierungspotenziale und die Kostentreiber identifiziert. Sie
sind in den unterstützenden und in den primären wertschöpfenden
Aktivitäten sowie in den zahlreichen Verknüpfungen zu finden.
–
Die Profilierungspotenziale und die Ist-Positionierung werden verglichen.
Bei einer Übereinstimmung werden Wege zur Profilstärkung gesucht und
bei einem Unterschied wird der Grosshändler umpositioniert.
–
Die Nachhaltigkeit der gewählten Positionierungsstrategie wird durch den
Aufbau von Imitationsbarrieren, durch den Einsatz von Kundenbindungsinstrumenten und durch den Aufbau einer starken Unternehmensidentität
sichergestellt.
252
–
6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick
Die Auswahl einer Positionierungsstrategie bzw. die Massnahmen zur
Profilstärkung führen zu einer neuen Allokation der Unternehmensressourcen zu den Profil gebenden Aktivitäten. Dabei ergeben sich
Anpassungen in allen Elementen des Geschäftsmodells.
Das Ziel des Vorgehensmodells besteht darin, die Entscheidungen und kritischen
Fragen bei einer Positionierungs- und Profilierungsentscheidung im Grosshandel
aufzuzeigen. Besondere Aufmerksamkeit wird dem situativen Charakter dieser
Entscheidungen geschenkt. Wichtige Voraussetzungen für den Einsatz des
Vorgehensmodells sind deshalb eine umfassende Umfeld- und Konkurrenzanalyse, keine Übertragung der Resultate aus anderen Branchen, Analyse der
Kundenbedürfnisse im Rahmen der Umfeldanalyse und spezifisch zu den
Profilierungsvorhaben des Unternehmens. Mittels Konkurrenzanalyse ist die
branchentypische Ausgestaltung der einzelnen Geschäftsmodelle zu analysieren.
Die unmittelbare Übertragung der idealtypischen Ausgestaltung kann irreführend
sein.
6.2 Ausblick
6.2.1 Ausblick für die weitere Forschung
Die in dieser Dissertation entwickelten Handlungsempfehlungen wurden im
Rahmen einer Grosshandelsbranche validiert. Dies hat erlaubt, theoretisch wenig
behandelte Phänomene und Begriffe vertieft in einem situativ abgegrenzten
Umfeld entsprechend zu analysieren und zu definieren. Damit die Erkenntnisse
der Arbeit breite wissenschaftliche Akzeptanz und Anwendung in der Praxis
finden, ist eine zusätzliche Forschung notwendig. Mögliche Schwerpunkte dieser
Forschung sind:
1. Die wertschöpfenden Aktivitäten sowie die zweiseitige Profilierung der
Geschäftsmodelle wurden in einer Branche untersucht. Für eine weitere
Validierung ist die Durchführung von Fallstudien in weiteren konsumgüterorientierten Branchen sowie im technischen Grosshandel erforderlich, wo
Dienstleistungen anstatt für den Einzelhandelskunden für den industriellen
Weiterverwender erbracht werden.
2. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit beziehen sich auf einen begrenzten
Zeitraum und stellen aus strategischen Gesichtspunkten Momentaufnahmen der
Positionierungs- und Profilierungsstrategien dar. Durch umfassende historisch
unterlegte Fallstudien von Einzelunternehmen und Branchen kann der in dieser
6.2 Ausblick
253
Arbeit angedeutete Wandel der Grosshandelsstrategien und -geschäftsmodelle
untersucht werden.
3. Die Besonderheiten beim Vorgehen der zweiseitigen und zweistufigen
Profilierung sind durch die Durchführung von geeigneten Fallstudien weiter zu
untersuchen, zu vergleichen und zu präzisieren. Sie können mittels quantitativen
Erhebungen validiert werden und allgemeingültige Erkenntnisse können erreicht
werden.
4. Diese Arbeit umfasst den Einfluss des Umfeldes und der unternehmenseigenen
Kompetenzen auf das Erlangen von Wettbewerbsvorteilen. Dies erfolgt durch
Unternehmensentscheidungen der Positionierung und der zweiseitigen
Profilierung. Im Rahmen von quantitativen Erhebungen kann der Einfluss der
gewählten Positionierungsstrategien und Geschäftsmodelle auf den finanziellen
Erfolg untersucht werden. Die besonders erfolgreichen Positionierungs- und
Profilierungsstrategien können für einzelne Branchen identifiziert werden und
die Effektivität und die Effizienz einzelner Profilierungsmassnahmen können
gemessen werden.
6.2.2 Ausblick für die Praxis
Die Idee für diese Arbeit ist durch die festgestellte schwierige Situation in
zahlreichen Grosshandelsbranchen und aus dem Mangel an anwendungsorientierten Beiträgen entstanden. Die Konsolidierungsprozesse unter den Grosshandelskunden werden weiter stattfinden, die Umgehung wird weiter die Grosshandelsgewinne gefährden, die Konsumentenbedürfnisse werden sich noch dynamischer ändern und die Zeit für strategische Entscheidungen wird immer kürzer.
Die Dissertation hat sich zum Ziel gesetzt, das Grosshandelsmanagement für die
grundlegenden Entscheidungen der Positionierung und der zweiseitigen
Profilierung zu sensibilisieren und zu begeistern. Die vorhandene gute Kenntnis
der eigenen Wertkette und der Wertketten der Kunden eröffnet zahlreiche
Möglichkeiten zu einer Profilstärkung und Umpositionierung im Einklang mit
den Kundenbedürfnissen. Die Positionierung und die zweiseitige Profilierung
sollten zu einem zentralen und festen Traktandum in der Agenda des
Grosshandelsmanagers werden. Damit man nicht nur über die sinkenden Margen,
sondern auch über die Erfolgsgeschichten im Grosshandel spricht. Dann hat diese
Arbeit ihre Aufgabe für die Praxis erfüllt.
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Geschäftsberichte und Unternehmensbroschüren:
Alliance-UniChem 2002–2004
Amedis-UE, 2003
Celesion Gruppe 2003–2004
Galenica 1999, 2002, 2003, 2004
Lonza, 2004
Phoenix AG 2003/2004, 2004/2005
Volg Konsumwaren AG 2004
Alloga-Newsletter 01/2003
Broschüre “Prewholesale auch bei Amedis-UE” 03/2005
Broschüre „Phoenix: Preholesale europaweit“, 2005
Broschüre „Voigt Industrieservice“ 2005
Brancheninformationen und Internet-Links:
www.admin.ch
www.aerztekasse.ch
www.alliance-unichem.com
www.alloga.ch
www.amedis.ch
www.bag.admin.ch
www.bluecare.ch
www.destatis.de
www.drogistenverband.ch
www.efpia.org
http://emagazine.credit-suisse.com
www.fmh.ch
www.gehe.de
www.galexis.ch
www.galenica.ch
www.globopharm.ch, Zugriff Oktober 2005
www.iha-ims.ch
www.interpharma.ch
www.medpoint.ch
www.netdoctor.de, 10.02.04
www.noweda.de
www.noweda-dialog-service.com
www.pharmavista.ch, 12.09.2000
www.phoenix-ag.de
www.polymed.ch
www.rethmann.ch
www.sanacorp.de
www.sl-preise.ch
www.spiromed.ch
www.swissmedic.ch
www.sycat.de
www.vips.ch
www.wirtschaftswoche.de, 18.08.2004
www.zur-rose.ch und www.aporose.ch
www.zukunftsinstitut.de
Brancheninformation Interpharma, 2004
Bundesamt für Statistik Schweiz, 2001-2003
Detailhandel Schweiz 2005
Gesundheitsmarkt Schweiz 1999–2004, www.interpharma.ch
Gesundheitsmonitor Schweiz 2004, www.gfs,ch
IKS-Statistik, 2000, www.swissmedic.ch
Kreisschreiben 3/04 der Schweizer Detaillistenverband
Pharmamarkt 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005
UBS Branchenspiegel, 2001–2003
US Bureau of Census, 2001–2003
Verhaltenskodex der pharmazeutischen Industrie in der Schweiz (Pharmakodex),
4.12.2003 Jahresbericht, http://www.sgci.ch/plugin/template/sgci/*/17284
Verordnung für die Arzneimittelwerbung
Anhang
Anhang 1:
Explorative Expertengespräche mit Grosshandelsexperten
Anhang 2:
Problemzentrierte Experteninterviews mit Verbandsvertretern
Anhang 3:
Qualitatives Auswertungsraster zur Bestimmung des
Geschäftsmodells
Anhang 4:
Checkliste zur Validierung der Positionierung und der zweiseitigen
Profilierung
Anhang 5:
Leitfaden für Expertengespräche mit Vertretern der Voigt AG
Anhang 1: Explorative Expertengespräche mit Grosshandelsexperten
1.1 Leitfaden „Aktuelle Situation im Grosshandel“
Firma, Name, Position, Tel., E-Mail:
Was wird unter dem Begriff Grosshandel in der Praxis verstanden?
Wie beurteilen Sie die heutige Situation des Grosshandels im Allgemeinen und in
Ihrer Grosshandelsbranche im Speziellen?
Welches sind die aktuellen Probleme, mit denen der Halbleitergrosshandel aus
Ihrer Sicht am stärksten konfrontiert ist?
Welche Grosshandelsdienstleistungen sind von Ihren Kunden und Lieferanten
nachgefragt?
Welche Funktionen können bzw. wollen Sie nicht selbst
übernehmen?
Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Aktivitäten – auf der Kunden- oder auf der
Lieferantenseite?
Welche Dienstleistungen sind im Laufe der Zeit weniger attraktiv für Ihre
Kunden und Lieferanten geworden? Welche Trends sehen Sie für die Zukunft?
Wie begegnet Ihr Unternehmen diesen Trends? Welche konkreten Massnahmen
erwiesen sich in den letzten Jahren als besonders erfolgreich? Wie ist Ihr
Unternehmen dabei vorgegangen?
Welche konkreten Misserfolge können Sie nennen? Wo sind die meisten
Schwierigkeiten entstanden?
Kennen Sie andere Erfolgsunternehmen im Grosshandel im Allgemeinen und in
Ihrer Branche im Speziellen?
1.2 Liste der Gesprächspartner
Unternehmen/Standort
Gesprächspartner/Funktion
Datum
Interview
Amedis-UE AG,
Pharmagrosshandel
Herr Andreas Hofer, Vorsitzender der
Geschäftsleitung
Vereinigung des
Schweizerischen Importund Grosshandels (VSIG)
Voigt AG, Romanshorn
Pharmagrosshandel
Herr Dr. Jürg Zeller, Direktor
Frau Gabriela Felix, Assistentin des
Direktors
Herr Fredy Gremlich, Mitglied der
Geschäftsleitung
Frau Gabriele Kleine, Leiterin
Verkaufsinnendienst
Herr Kurt Eberle, CEO
11.04.02,
Unterentfelden
04.04.03,
Basel
Apotheke zur Rose AG
Pharmagrosshandel
Kiener & Wittlin AG
Technischer Grosshandel
Spoerle Vertriebs GmbH
Halbleitergrosshandel
30.04.03,
Romanshorn
25.04.03,
Frauenfeld
05.05.03,
Zollikofen
Herr Dieter Tschan, Teilhaber und
Mitglied der Geschäftsleitung
(kein offizieller Protokoll geführt)
Herr Erwin Folini, Area Sales Manager 09.05.03,
(kein offizieller Protokoll geführt)
Rümlang
Anhang 2: Problemzentrierte Experteninterviews mit
Verbandsvertretern
2.1 Leitfaden Herstellerverband
1. Welches sind die aktuellen Trends und Herausforderungen, mit denen der
Pharmahersteller aus Ihrer Sicht am stärksten konfrontiert ist? (z.B. bezogen auf
Technologieinnovationen, Konsumentenbedürfnisse, gesetzliche Veränderungen,
Pharmamarken und Generika, Outsourcing)
2. Wie werden die Distributionspartner gewählt? Welchen Anteil haben dabei der
Verkauf über den Grosshandel und der Direktverkauf?
3. Welche Grosshandelsdienstleistungen werden von den Herstellern in Anspruch
genommen?
4. Welche Unterschiede bestehen dabei zwischen den Herstellern
patentgeschützter Medikamente, den Generikaproduzenten und den Herstellern
freiverkäuflicher Medikamente?
5. Welche sind die wichtigen Herstellerbedürfnisse? Welche stellen ein Basis(B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar?
6. Wie unterscheiden sich die Bedürfnisse der Hersteller patentgeschützter
Medikamente, der Generikaproduzenten und der Hersteller freiverkäuflicher
Medikamente?
7. Wenn Sie aus Herstellersicht die Dienstleistungen der verschiedenen
Pharmagrosshändler in der Schweiz beurteilen würden, wie unterscheiden sich
die Grosshändler voneinander? Welchen Marktanteil am Vertrieb der Hersteller
haben sie?
8. Welche Alternativen zur Grosshandelsleistung bestehen? Wie oft werden sie in
Anspruch genommen? (spezialisierte Logistikunternehmen, die Post,
Kurierdienste etc.)?
9. Wie gebunden ist ein Hersteller, wenn er über den Grosshandel die
Medikamente vertreibt? Wie gestaltet sich die Beziehung zum Pharmagrossisten?
2.2 Leitfaden für das Gespräch mit dem Apothekerverband
1. Welches sind die aktuellen Trends und Herausforderungen, mit denen der
Apotheker aus Ihrer Sicht am stärksten konfrontiert ist? (z.B. bezogen auf
Technologieinnovationen, Konsumentenbedürfnisse, gesetzliche Veränderungen,
mögliche neue Konkurrenz wie Versand- und Online-Apotheken)
2. Wie werden die Lieferanten gewählt? Welchen Anteil haben dabei der Einkauf
über den Grosshandel und der Direkteinkauf?
3. Welche Grosshandelsdienstleistungen werden von den Apotheken in Anspruch
genommen?
4. Welche Unterschiede bestehen dabei zwischen einer unabhängigen Apotheke
und einer Apothekenkette?
5. Welche sind die wichtigen Apothekenbedürfnisse? Welche stellen ein Basis(B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar?
6. Wie unterscheiden sich die Bedürfnisse einer unabhängigen Apotheke von
jenen einer Apothekenkette?
7. Wenn Sie aus Apothekersicht die Dienstleistungen der verschiedenen
Pharmagrosshändler in der Schweiz beurteilen würden, wie unterscheiden sich
die Grosshändler voneinander?
8. Welche Alternativen zur Grosshandelsleistung bestehen? Wie oft werden sie in
Anspruch genommen? (spezialisierte Logistikunternehmen, die Post,
Kurierdienste etc.)
9. Wie gebunden ist eine Apotheke, wenn sie über den Grosshandel einkauft?
Wie gestaltet sich die Beziehung zum Pharmagrossisten?
2.3 Leitfaden für das
Spezialitätengrossisten
Gespräch
mit
dem
Verband
der
Schweizer
1. Welches sind die aktuellen Trends und Herausforderungen, mit denen die
Pharmagrossisten aus Ihrer Sicht am stärksten konfrontiert sind? (z.B. bezogen
auf gesetzliche Veränderungen, Technologieinnovationen, Konsumentenbedürfnisse)
2. Wie entwickelt sich der direkte Vertrieb bzw. die direkte Beschaffung unter
Umgehung des Grosshandels?
3. Wo bestehen die weiteren Gefahren für den Pharmagrosshandel? (z.B.
Substitution durch spezialisierte Logistikunternehmen, Markteintritt)
4.1 Nachstehend werden Herstellerbedürfnisse aufgelistet, welche durch einen
Grosshändler zu erfüllen sind. Welche sind aus Herstellersicht besonders
wichtig? Welche stellen ein Basis- (B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar?
4.2 Nachstehend werden Fachhandelsbedürfnisse aufgelistet, welche durch einen
Grosshändler zu erfüllen sind. Welche sind aus Apothekersicht besonders
wichtig? Welche stellen ein Basis- (B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar?
5. Wo liegen die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen dem
Grosshandels- und dem Prewholesale-Geschäft?
6. Welche Konsequenzen für die Strategie, die Organisationsstruktur und das
Dienstleistungsangebot ergeben sich für ein Unternehmen, das gleichzeitig
Grosshandel und Prewholesale betreibt?
7. Wie unterscheiden sich die Pharmagrossisten in der Schweiz? (Strategie,
Dienstleistungsangebot)
8. Wie lassen sich die Unternehmen unterscheiden, welche Prewholesale
betreiben? (Strategie, Dienstleistungsangebot)
9. Welche von den aufgezählten Profilierungsinstrumenten werden im
Pharmagrosshandel genutzt? Welche von denen sind am wichtigsten? Benutzen
Sie die Skala von 1 bis 10.
2.4 Liste der Gesprächspartner
Verband/Ort
Gesprächspartner/Funktion
Datum
Interview
Geschäftsstelle Vereinigung
der Pharmafirmen in der
Schweiz (VIPS)
Walter Hölzle, Geschäftsführer
06.12.04,
Zug
Apothekenverein der Kantone Marion Molnar, Vorsitzende
SG/AI/AR, St. Gallen
09.12.04,
St. Gallen
Verband schweizerischer
Spezialitäten-Grossisten
09.02.05,
Bern
René Jenny, Vorsitzender
Anhang 3: Qualitative Auswertungen zur Bestimmung des
Geschäftsmodells
3.1 Kriterien zur Auswertung
Kriterium
I. Allgemeines
1. Unternehmensgrösse
2. Marktanteil
3. Zielgruppen und Zielmärkte
4. Allgemeine Positionierung
5. Leitbild und Werte
6. Organisationsstruktur
7. Personalpolitik
8. Technologie
9. Prozessorganisation
II. Geschäftsfelder
Grosshandel
- Dienstleistungen für Lieferanten
- Dienstleistungen für den Fachhandel
Prewholesale
Produktion
Retail
Andere
International
III. Ausgestaltung der Wertschöpfungsbündel
(Geschäftsfeld Grosshandel)
Logistische Dienstleistungen
Marketingdienstleistungen
Finanzdienstleistungen
3.2 Analysierte Unternehmen
Phoenix Pharmahandel AG, Deutschland
Amedis-UE AG, Schweiz
Anzag AG, Deutschland
Alliance UniChem, Grossbritannien
Galexis AG, Schweiz
GEHE Celesio AG, Deutschland
Zur Rose AG, Schweiz
Voigt AG, Schweiz
Noweda eG Apothekengenossenschaft, Deutschland
Sanacorp Pharmahandel AG, Deutschland
Anhang 4: Qualitative Checklisten zur Validierung der Positionierung
und der zweiseitigen Profilierung
4.1 Checkliste zur Validierung der Positionierung und der zweiseitigen
Profilierung des Geschäftsmodells Kostenführer – Amedis-UE
1. Für die heutige Strategie von Amedis-UE AG sind folgende Dienstleistungen
wichtig (kreuzen Sie das Zutreffende an):
Dienstleistungen für die Lieferanten
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
nationale Marktabdeckung
drei Verteilzentren online im Verbund – integriertes Warenwirtschaftssystem
Lager mit modernster Automaten- und Regaltechnik
automatisierte Bestellabwicklung bis zu 70%
Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen
Arbeitszeiten)
Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren
Spezialdienstleistungen wie Entsorgung
Online-Bestellung, E-Shopping und Online-Lagerauskunft
Abdeckung des Marktverhaltens der Apotheken, Drogerien etc. und
Fachhandelsumfragen
attraktive Vertriebskonditionen für die Lieferanten
Sammlung von Marktinformationen
Werbeunterstützung des Lieferanten
Marketingberatung für den Lieferanten
Kreditunterstützung und Finanzierung des Lieferanten
Beratung des Lieferanten in Finanzfragen
Weitere Bemerkungen
Dienstleistungen für die Abnehmer
–
–
–
–
hohe Produktverfügbarkeit (98%)
Feinverteilung mehrmals täglich und einmal in der Nacht
Online-Bestellungen, E-Shopping und Online-Lagerauskunft
Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen
Arbeitszeiten
– Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren
– Spezialdienstleistungen wie Entsorgung
– Logistik- und Lagermanagementberatung
– breites Sortiment (40'000 Artikel auf Lager, 100'000 Artikel im
Informationssystem) und klare Schwerpunkte aus Kundensicht
– transparente Einkaufskonditionen, verpackt in Konditionenmodellen je nach
der Anzahl der Lieferungen und nach dem Einkaufsvolumen
– Werbeunterstützung für den Fachhandel
– Marketingmanagementberatung: Schulungen
– Kreditunterstützung und Finanzierung des Fachhandels
– Beratung des Fachhandels in Finanzfragen
– Weitere
2. Beurteilen Sie das Profilierungspotenzial der in Frage 1 aufgelisteten
Dienstleistungen (nur eine Antwort aus vier untenstehenden Alternativen ist
möglich):
Bieten alle anderen
Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle
Noch kein
Pharmagrossisten
Pharmagrossisten
Pharmagrossisten
anderen Pharma- Pharma-
an; Amedis-UE
an; Amedis-UE
an; Amedis-UE
grossisten an;
grossist bietet
weist keinen
weist das beste
erbringt diese
Amedis-UE
diese Dienst-
Unterschied zu den
Preis-Leistungs-
Dienstleistung
bietet komplette
leistung an.
anderen auf.
Verhältnis auf.
innovativ.
Kundenlösungen
an.
3. In welchen in der Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen möchten Sie Ihre
Kompetenzen in der Zukunft weiterentwickeln und entsprechende Investitionen
tätigen?
4.2 Checkliste zur Validierung der Positionierung und der zweiseitigen
Profilierung des Geschäftsmodells Produktführer – Galexis AG
1. Stimmen Sie den folgenden Aussagen zu: Für die heutige Strategie von
Galexis AG sind folgende Dienstleistungen wichtig
Dienstleistungen für die Lieferanten
– nationale Marktabdeckung
– drei Verteilzentren online im Verbund – integriertes Supply-ChainManagement-System
– automatisierter Wareneingang durch drahtlose Scanner
– automatisierte Bestellabwicklung
– Warenabholung mit eigenen Fahrzeugen
– Online-Bestellung auf www.e-galexis.com
– Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen
Arbeitszeiten)
– Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren
– umweltfreundliche Entsorgungsprogramme mit Spezialisten
– Spezialdienstleistungen auf www.e-galexis.com wie Lieferscheine,
Rechnungen, Verfügbarkeit, Geschichte der Einkaufslisten etc.
– umfassende Kenntnisse über den Gesundheitsmarkt (Synergien mit anderen
Geschäftsfeldern)
– kundenspezifische Konditionen (Kuko)
– Plattformen für gemeinsame Lancierung von Sonderangeboten PharmaHIT,
OTC-Hit, Para-Hit
– Exklusivvertretungen im Bereich der Medizintechnik
– Marktinformationen via e-galexis.com und Geschäftsfeld „Healthcare
Information“
– Werbemöglichkeiten online, Fachzeitschriften, bei Praxiseröffnungen
– Mailings an Kundengruppen
– Verkaufsförderungsprogramm „GalExklusiv“
– Kreditunterstützung und Finanzierung des Lieferanten
– Beratung des Lieferanten in Finanzfragen
– Weiteres/Bemerkungen
Dienstleistungen für die Abnehmer
– hohe Produktverfügbarkeit – integriertes Supply-Chain-Management-System
– Feinverteilung mehrmals täglich und in der Nacht
– Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen
Arbeitszeiten)
– Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren
– umweltfreundliche Entsorgungsprogramme mit Spezialisten
– Online-Bestellungen via e-galexis.com
– Spezialdienstleistungen auf www.e-galexis.com wie Lieferscheine,
Rechnungen, Verfügbarkeit, Geschichte der Einkaufslisten etc.
– Lagermanagementberatung
– Sortimentsgestaltung (42’000 Artikel auf Lager, 65’000 Artikel im
Informationssystem) und Bildung innovativer Sortimente
– Angebot starker Eigenmarken wie „Vifor“
– Kundenspezifische Konditionen (Kuko)
– Abrechnungssystem Nova und myNovaClub
– Werbeunterstützung durch zahlreiche Fachzeitschriften und Publikationen
– Fachinformationen und Spezialdienstleistungen in Zusammenarbeit mit dem
Geschäftsfeld „Healthcare Information“
– akkreditierte Weiterbildungsseminare
– Beratung bei Apotheken-, Drogerien- und Arztpraxiseröffnung
– Kreditunterstützung und Finanzierung durch eigene Treuhandabteilung
– Beratung in Finanzfragen durch die eigene Treuhandabteilung
– Weiteres/Bemerkungen
2. Beurteilen Sie das Profilierungspotenzial der in Frage 1 aufgelisteten
Dienstleistungen (nur eine Antwort aus vier untenstehenden Alternativen ist
möglich):
Bieten alle anderen
Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle
Noch kein
Pharmagrossisten
Pharmagrossisten
Pharmagrossisten
anderen Pharma- Pharma-
an; Amedis-UE
an; Amedis-UE
an; Amedis-UE
grossisten an;
grossist bietet
weist keinen
weist das beste
erbringt diese
Amedis-UE
diese Dienst-
Unterschied zu den
Preis-Leistungs-
Dienstleistung
bietet komplette
leistung an.
anderen auf.
Verhältnis auf.
innovativ.
Kundenlösungen
an.
3. In welchen in der Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen möchten Sie Ihre
Kompetenzen in der Zukunft weiterentwickeln und entsprechende Investitionen
tätigen?
4.3 Checkliste zur Validierung der Positionierung und der zweiseitigen
Profilierung des Geschäftsmodells Problemlöser – Zur Rose AG
1. Stimmen Sie den folgenden Aussagen zu: Für die heutige Strategie der
Apotheke zur Rose sind folgende Dienstleistungen wichtig
Dienstleistungen für die Lieferanten
–
–
–
–
–
starke nationale Marktabdeckung der Zielgruppe SD-Ärzte
Lagerhaltung im modular aufgebauten Logistikzentrum
automatisierte und elektronisch gesteuerte Bestellabwicklung
Waren beim Hersteller mit der Hilfe der PolyRose abholen
Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen
Arbeitszeiten)
– Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren
– Spezialdienstleistungen wie Entsorgung
– Spezialdienstleistungen wie Medikamentendirektversand an Endkonsumenten
–
–
–
–
–
–
Lieferung von Bestellsoftware
hohe Abdeckung des Kaufverhaltens der Ärzte
Sammlung von Marktinformationen über den Ärztemarkt
Vertriebskontakt für die Lieferanten
Vertriebskonditionen für die Lieferanten
Weiteres bzw. Bemerkung
Dienstleistungen für die Abnehmer
– Produktverfügbarkeit einen Tag nach der Bestellung
– Lieferung einmal täglich bis mehrmals wöchentlich
– ASAS-Software in Zusammenarbeit mit Health-Info-Net zu hohen
Sicherheitsstandards bei der Online-Kommunikation
– Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen
Arbeitszeiten)
– Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren
– Spezialdienstleistungen wie Entsorgung von Röntgenapparaten und
medizinischem Abfall
– Lieferung von Bestellsoftware, Rosenpen, Strichcode-Katalog, Minikärtchen
– Inventur der Lagerbestände, Verfalldatenkontrolle, Einkaufsstatistiken
– Sortiment auf Lager, das 98% der Kundenwünsche deckt
– Angebot eigener Vitalstofftherapie
– attraktiver Beschaffungspartner für die Ärzte
– transparente Konditionen: Basispreis und Dienstleistungs- und
Logistikzuschlag (DLK)
– Fortbildungsangebot für Ärzte
– Errichtung einer neuen und Revision einer bestehenden Praxis
– Unterlagen und Software zum Angebot der Vitalstofftherapie
– Fachinformationen in Form eines Medikamentenkompendiums
– Beratung des Fachhandels in Finanzfragen
– finanzielle Beteiligung der Ärzte durch Kauf von Aktien
– Weiteres bzw. Bemerkungen
2. Beurteilen Sie das Profilierungspotenzial der in Frage 1 aufgelisteten
Dienstleistungen (nur eine Antwort aus vier untenstehenden Alternativen ist
möglich):
Bieten alle anderen
Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle
Noch kein
Pharmagrossisten
Pharmagrossisten
Pharmagrossisten
anderen Pharma- Pharma-
an; Amedis-UE
an; Amedis-UE
an; Amedis-UE
grossisten an;
grossist bietet
weist keinen
weist das beste
erbringt diese
Amedis-UE
diese Dienst-
Unterschied zu den
Preis-Leistungs-
Dienstleistung
bietet komplette
leistung an.
anderen auf.
Verhältnis auf.
innovativ.
Kundenlösungen
an.
3. In welchen in der Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen möchten Sie Ihre
Kompetenzen in der Zukunft weiterentwickeln und entsprechende Investitionen
tätigen?
4.4 Liste der Personen, welche die qualitative Checklisten ausgefüllt haben
Unternehmen
Gesprächspartner/Funktion
Amedis-UE AG,
Pharmagrosshandel
Zur Rose AG, Frauenfeld
Pharmagrosshandel
Galenica Gruppe
Andreas Hofer, Vorsitzender der
Geschäftsleitung
Kurt Eberle, CEO
Datum
Auswertung
wurde nicht
retourniert.
Juli 2005
René Jenny,
August 2005
Anhang 5: Leitfäden Fallstudie „Voigt“
5.1 Leitfaden zum Expertengespräch mit dem Leiter Einkauf
1. Wie lassen sich Ihre Lieferanten charakterisieren (Typ, Grösse)? Bezüglich
Kenntnissen über den Medikamentenabsatz und den Fachhandel? Bezüglich
Managementerfahrung?
2. Wie gehen Sie bei der Lieferantenselektion vor? Nach welchen Kriterien
erfolgt die Selektion?
3. Welche Vertriebsstrategien verfolgen Ihre Lieferanten?
4. In welchen Bereichen leistet Ihr Unternehmen Beitrag zur Kostensenkung
und/oder zur Qualitätssteigerung bei den Lieferanten (Pharmaindustrie und
Importeure)? (Bitte vermerken Sie auf der unten dargestellten Wertkette eines
Herstellers die von Ihnen angesprochenen Bereichen mit K und Q)
5. Nachstehend werden Lieferantenbedürfnisse aufgelistet, welche durch einen
Grosshändler zu erfüllen sind. Welche sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig?
Welche stellen ein Basis- (B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar?
6. Wie positionieren Sie die Dienstleistungen für Lieferanten?
7. Bei welchen von Ihnen angebotenen Dienstleistungen (siehe unten)
unterscheidet sich Ihr Unternehmen von der Konkurrenz?
8. Welche Einflussfaktoren wirken sich in Ihrem Bereich qualitätssteigernd
und/oder Kosten senkend aus? (In der Literatur werden Einflussfaktoren
beschrieben, welche sich auf die Art und Weise auswirken, wie eine
Dienstleistung erbracht wird. Sie können zu Kosteneinsparungen und/oder zu
Qualitätssteigerungen führen.)
9. Welches Angebot von Dienstleistungen für die Lieferanten ist vom Angebot
anderer Dienstleistungen abhängig? Welche Dienstleistungen können nur
zusammen angeboten werden? Welche können allein angeboten werden?
10. In welchen Bereichen bestehen Berührungspunkte zwischen den
Dienstleistungen für Lieferanten und den Dienstleistungen für die Apotheken,
Drogerien etc.? (z.B. gemeinsame Nutzung der Lagerflächen, des
Informationssystems etc.)
11. Welche Dienstleistungen für die Lieferanten können günstiger oder qualitativ
besser erbracht werden aufgrund einer engeren Lieferantenbeziehung? Welche
Lieferantenaktivitäten könnten noch integriert werden?
12. Welche Unterschiede bestehen zwischen den Dienstleistungsangeboten für
Stammlieferanten und jenen für Neulieferanten?
13. Welche Aktivitäten sind im Einkauf automatisiert und dank der Technologien
möglich? (z.B. elektronischer Einkauf)
14. Bei welchen Aktivitäten oder Gruppen von Aktivitäten bestehen Verfahrens-/
Prozessbeschreibungen? (z.B. Bestellungsabwicklung, Kundensupport etc.)
15. Welche Informations-/Kennzahlensysteme sind vorhanden?
16. Wie ist das Kompetenzniveau der Mitarbeiter und welche
Weiterbildungsmöglichkeiten bietet Voigt an?
5.2 Leitfaden zum Expertengespräch mit dem Leiter Verkauf
1. Wie lassen sich Ihre Handelskunden charakterisieren (Typ, Grösse)?
Bezüglich Kenntnissen über die Medikamentenbeschaffung und die
Pharmaindustrie? Bezüglich Managementerfahrung?
2. Wie gehen Sie bei der Handelskundenselektion vor? Nach welchen Kriterien
erfolgt die Selektion?
3. Welche Beschaffungsstrategien verfolgen Ihre Handelskunden (Apotheken,
Drogerien, Reformhäuser etc.)?
4. In welchen Bereichen leistet Ihr Unternehmen einen Beitrag zur
Kostensenkung und/oder zur Qualitätssteigerung beim Fachhandel (Apotheken,
Drogerien etc.)? (Bitte vermerken Sie auf der unten dargestellten Wertkette einer
Apotheke die von Ihnen angesprochenen Bereiche.)
5. Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Fachhandelsbedürfnisse? Welche
stellen ein Basis- (B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar?
6. Wie werden die Dienstleistungen für den Fachhandel positioniert?
7. Bei welchen von Ihnen angebotenen Dienstleistungen (siehe unten)
unterscheidet sich Ihr Unternehmen von der Konkurrenz?
8. Welche Einflussfaktoren wirken sich im Verkauf qualitätssteigernd und/oder
Kosten senkend aus? (In der Literatur werden Einflussfaktoren beschrieben,
welche sich auf die Art und Weise auswirken, wie eine Dienstleistung erbracht
wird. Sie können zu Kosteneinsparungen und/oder zu Qualitätssteigerungen
führen.)
9. Das Angebot welcher Dienstleistungen ist vom Angebot anderer
Dienstleistungen abhängig? Welche können nur zusammen angeboten werden?
Welche können allein angeboten werden?
10. In welchen Bereichen bestehen Berührungspunkte zwischen den
Dienstleistungen für Apotheken, Drogerien etc. und den Dienstleistungen für die
Lieferanten?
(z.B.
gemeinsame
Nutzung
der
Lagerflächen,
des
Informationssystems etc.)
11. Welche Dienstleistungen für den Fachhandel können günstiger oder
qualitativ besser erbracht werden aufgrund engeren vertikalen Beziehungen?
Welche Apothekenaktivitäten z.B. könnten noch integriert werden?
12. Welche Unterschiede bestehen zwischen den Dienstleistungsangeboten für
Stammkunden und jenen für Neukunden?
13. Welche Aktivitäten sind im Verkauf automatisiert und dank der neuen
Technologien möglich? (z.B. elektronische Kommissionierung)
14. Bei welchen Aktivitäten oder Gruppen von Aktivitäten bestehen Verfahrens-/
Prozessbeschreibungen? (z.B. Bestellungsabwicklung, Kundensupport etc.)
15. Welche Informations-/Kennzahlensysteme sind vorhanden?
16. Wie ist das Kompetenzniveau
Weiterbildungsmöglichkeiten bieten Sie an?
der
Mitarbeiter
und
welche
5.3 Tabelle der Interviewpartner
Gesprächspartner
Voigt
Funktion
Alfred Plammer, Projektleiter
AG Gesprächsthema
Allgemeine Informationen über
Voigt AG und Pre-Test der
Leitfaden zu den
Expertengesprächen
(kein offizieller Protokoll geführt)
Hans Giesler, Leiter Einkauf und Experteninterview
zur
Mitglied der Geschäftsleitung
Positionierung und Profilierung
gegenüber den Herstellern
zur
Fredy Gremlich, Leiter Verkauf und Experteninterview
Positionierung und Profilierung
Mitglied der Geschäftsleitung
gegenüber den Apotheken und
Gabriele Kleine, Leiterin
Drogerien
Verkaufsinnendienst
Datum
Interview
Mehrere
Treffen
Juni-Juli
2004
23.11.04,
Romanshorn
13.11.04,
Romanshorn
Lebenslauf
Persönliche Daten:
Name:
Albena Björck, geb. Uzunova
Geburtsdatum:
6. Juni 1974
Geburtsort:
Sofia, Bulgarien
Nationalität:
Bulgarin
Schul- und Hochschulausbildung:
Sept. 1988 – Juni 1993
Deutsches Gymnasium „K. Galabov“, Sofia
Sept. 1993 – Juli 1997
Universität für National- und Weltwirtschaft, Sofia
Fachrichtung: Internationale Wirtschaftsbeziehungen
mit deutschsprachiger Vertiefung
Okt. 1999 – Febr. 2000
Gastsemester an der Universität St. Gallen im
Rahmen des Management-Ausbildungsprojekts Ost –
West (MAPOW), AIESEC
Okt. 2000 – Okt. 2006
Doktorandenstudium an der Universität St. Gallen
Berufliche Erfahrung
Febr. 1995 – Okt. 1998
Praktikum bei Scorpion Shipping Ltd. International
Forwarders, Sofia, Bulgarien
Okt. 1998 – Sept. 1999
RUEN AG Internationaler Textilhandel und
-produktion, Sofia,
Abteilung: Eurotransport - Spedition und Transport
Febr. 2000 – Aug. 2005
Wegelin & Co. Privatbankiers, St. Gallen
Abteilung: Qualitätsmanagement
Tätigkeitsgebiet: Qualitätsmanagement-Projekte
Sept 2000 – Okt 2000
Praktikum am Gottlieb-Duttweiler-Lehrstuhl für
Internationales Handelsmanagement, IMH,
Universität St. Gallen
Tätigkeitsgebiet: Projekt „Grosshandel mit
Heimtextilien“
seit Nov 2000
Wegelin & Co. Privatbankiers, St. Gallen
Abteilung: Corporate Identity & Marketing
Tätigkeitsgebiet: Abteilungsleiterin und Leiterin
Qualitätsmanagement
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