Quo vadis We rbewirkung

Werbung
Prognos und BILD Quo vadis? • Media • Mensch • Werbung • Mediennutzung
Quo vadis
Werbewirkung?
Zusammenfassung
und Analyse von
bestehenden Modellen
und Meßverfahren
Vorwort „Quo vadis Werbewirkung“
Werbewirkung was ist das, und wie mißt man sie?
Allein das Wort „Werbewirkung“ erzeugt in den Köpfen von Marketing- und Agenturfachleuten
eine Vielzahl von Bildern und Interpretationsansätzen.
Bei der Fragestellung „Wie mißt man Werbewirkung?“ ergeben sich viele weitere Teilaspekte
und Lösungsansätze, die jedoch nicht an eine ganzheitliche Beantwortung der Frage heranführen.
Unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen in den einzelnen Märkten und differenzierende
Zielsetzungen in den Unternehmen lassen es nicht zu, eine ganzheitliche, allgemeingültige
Definition zur „Werbewirkung“ und schon gar nicht zur „Messung des Werbewirkungserfolges“ zu formulieren.
Daß in einzelnen Bereichen durchaus anwendbare Modelle existieren, möchten wir Ihnen in
diesem Kompendium, das die Prognos AG, Basel, für uns erstellt hat, aufzeigen.
Wir wünschen uns, daß Sie auf den nachfolgenden Seiten Instrumente finden, die Ihnen in der
täglichen Praxis helfen oder zumindest Gedankenanstöße geben.
Ihr BILD-Anzeigenteam
3
Inhaltsverzeichnis
Seite
1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung und Ziele
7
1.2 Inhalt
8
2 WERBEWIRKUNGSTHEORIE UND -FORSCHUNG
9
2.1 Funktion von Modellen in der Forschung
9
2.2 Entwicklung der Werbewirkungsmodelle - senderorientierte Modelle
4
7
10
2.2.1 Stimulus-Response-Modelle - Wirkungsebene Aufmerksamkeit
10
2.2.2 S-O-R-Modelle - Entdeckung der Wirkungsebene
Verarbeitungsleistung
11
2.2.3 Konsonanz-/Dissonanztheoretische Ansätze Wirkungsebene physische Aktivierung
12
2.2.4 Erweiterung der Wirkungsebene Verarbeitungsleistung
12
2.2.5 Konsistenztheorien - Wirkungsebene Gedächtnisleistung
14
2.3 Paradigmawechsel - von senderorientierten zu empfängerorientierten Modellen
15
2.4 Neuere Ansätze und Modelle
16
2.4.1 Partialmodelle des Konsumentenverhaltens von J. Mazanec (1978)
17
2.4.2 Elaboration Likelihood Model (ELM)
von Richard E. Petty und John T. Cacioppo (1983)
18
2.4.3 Impact-Modell von Hartwig Steffenhagen (1984)
18
2.4.4 Dynamisch-transaktionaler Ansatz von Werner Früh (1982/1991)
19
2.4.5 Modell der Wirkungspfade von Werner Kroeber-Riel (1992)
19
2.5 Zusammenfassung - Werbewirkungsmodelle
20
2.6 Von Werbewirkungs- zu Werbeerfolgsmodellen
25
2.7 Meßverfahren der Werbewirkung
26
2.7.1 Vorbemerkungen
26
2.7.2 Verfahren für die Ebene physische Aktivierung
27
2.7.3 Verfahren für die Ebene Aufmerksamkeitsleistung
28
Seite
2.7.4 Verfahren für die Ebene Verarbeitungsleistung
29
2.7.5 Verfahren für die Ebene Gedächtnisleistung
29
2.7.6 Verfahren für die Ebene Verhalten
31
2.8 Zusammenfassung - Meßverfahren der Werbewirkung
3 WERBEWIRKUNGSTHEORIE UND -FORSCHUNG IN DER PRAXIS
3.1 Werbewirkungstests in der Praxis
32
33
35
3.1.1 Einleitung
35
3.1.2 Recognition-Tests
37
3.1.3 Recall-Tests
37
3.1.4 Werbetracking-Tests
38
3.2 Werbeerfolgsmessung in der Praxis
40
3.2.1 Einleitung
40
3.2.2 Werbewert-Formel
41
3.2.3 Advertising Response Modell (ARM)
42
3.2.4 STAS-Differential
42
3.2.5 Nettaps-Modell und Noreen-Verfahren
43
3.2.6 Panelerhebungen und Testmärkte
43
4 ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG
45
AUSWAHL VERWENDETER UND ZITIERTER LITERATUR
46
5
Abbildungsverzeichnis
6
Abb. 2/1
Weiterentwicklung der Modellvorstellungen
16
Abb. 2/2
Elemente von Wirkungsmodellen: die „Wirkungskette“
21
Abb. 2/3
Fünf Wirkungsebenen unterscheidbar
22
Abb. 2/4
Wirkungsebenen und Wirkungsindikatoren
23
Abb. 2/5
Wirkungsindikatoren und Wirkungsmaße
24
Abb. 2/6
Vereinfachung auf Werbeerfolgsmodelle
26
Abb. 2/7
Von der Theorie zur Praxis: Meßverfahren
26
Abb. 2/8
Wirkungsmaße und Meßverfahren
32
Abb. 3/1
„Wirkungskette“ und „Werbekette“
33
Abb. 3/2
Überblick über Werbewirkungstests
35/36
1
Einleitung
1.1
Problemstellung und Ziele
(1) Für alle, die in der Praxis mit Werbung zu tun haben, steht zweifelsfrei fest: Werbung
wirkt! Immerhin werden in Deutschland inzwischen mehr als 56 Mrd. DM pro Jahr allein in
die „klassische“ Werbung investiert. Hinzu kommen weitere Milliardenausgaben für das
Direktmarketing. Angesichts dieser enormen Summen scheint die Frage, wie und warum
Werbung wirkt, eigentlich beantwortet - schließlich ist anzunehmen, daß soviel Geld nicht ausgegeben würde, wenn dem nicht die entsprechende Leistung entgegenstünde.
(2) Vielleicht ist es jedoch gerade die stetig wachsende Summe der Werbeinvestitionen, die
die Frage nach der Werbewirkung immer wieder neu aufwirft: der Kosten- und Renditedruck
in den Unternehmen macht vor den Werbebudgets nicht halt. Ein besseres Verständnis von
Wirkungszusammenhängen könnte Optimierungs- und Einsparungseffekte möglich machen
und zudem einen Wettbewerbsvorteil für das einzelne Unternehmen oder auch für den einzelnen Werbeträger bedeuten.
(3) Die permanente Strukturveränderung des Werbemarktes und speziell des Mediamixes
deuten darauf hin, daß die Erkenntnisse über die Werbewirkung nicht so eindeutig und unverrückbar sind, daß es sich nicht (mehr) lohnen würde, diese Thema aufzugreifen. Zudem gibt
es neben erfolgreichen und befriedigenden auch nicht erfolgreiche Werbemaßnahmen, bei
denen der Aufwand wirkungslos verpufft.
(4) Das Risiko, die gesteckten Wirkungsziele nicht oder nur suboptimal zu erreichen, erzeugt
einen permanenten Handlungsdruck und Rechtfertigungsbedarf für alle Akteure im
Wertschöpfungsnetzwerk Werbung. Die dazu erforderlichen Argumente und Nachweise
erwartet man sich von der Werbewirkungsforschung.
(5) Eine allgemein anerkannte Werbewirkungstheorie gibt es jedoch bislang nicht. Die
Werbewirkung scheint von unzähligen Einflußfaktoren abzuhängen, die zudem noch alle miteinander interagieren. Die von der Medien-/Werbewirkungsforschung bis heute vorgelegten
Modelle repräsentieren jeweils unterschiedliche Ausschnitte aus diesem Wirkungsgeflecht,
nie jedoch den Gesamtzusammenhang. Das hat auch dazu geführt, daß die Verständigung
über das Thema nach wie vor schwierig ist, da auch begrifflich immer erst geklärt werden
muß, von was die Rede ist.
(6) Da die Werbewirkungsforschung die erwartete Orientierung nur in Ansätzen bietet, gibt es
in der Praxis kein einheitliches, allgemein akzeptiertes Verfahren zum Nachweis der
Werbewirkung oder des Werbeerfolges. Je nach zugrundeliegendem Theoriemodell werden
unterschiedliche Einflußfaktoren gemessen und in Beziehung gesetzt. Werbewirkung wird als
das ausgewiesen, was unter pragmatischen Bedingungen gemessen werden kann. Als Folge
ergibt sich eine Konkurrenz der Nachweisverfahren, aus der sich die verschiedenen Akteure
auf dem Werbemarkt je nach Bedarf und Interesse bedienen können. Das führt in der Regel
dazu, daß die Verantwortung für die Wirkung einer Werbemaßnahme zwischen Werbeauftraggebern, Kreativagenturen, Werbemittelproduzenten, Mediaagenturen und Werbeträgern
hin- und hergeschoben wird. Dieser „Schwarze-Peter“-Mechanismus verhindert oft das
wünschenswerte konstruktive Zusammenwirken aller Beteiligten.
(7) Angesichts dieser Situation ist die Zielsetzung der vorliegenden Broschüre, die wichtigsten (noch) aktuellen Werbewirkungsmodelle und Verfahren zum Nachweis der
Werbewirkung/des Werbeerfolgs systematisch zusammenzutragen und zu einer verstärkten
Beschäftigung mit diesem Thema anzuregen. Dabei stehen die Stärken und Schwächen der
7
Theorie/Modelle, ihre Selektivität im Hinblick auf die wirkungsrelevanten Faktoren sowie die
Praxis- und Handlungsrelevanz der Methoden zum Wirkungsnachweis auf dem Prüfstand.
1.2
Inhalt
(1) Die Broschüre gliedert sich in zwei Teile, von denen sich der eine mit der Theorie und der
andere mit der Praxis der Werbewirkung beschäftigt.
(2) Wir beginnen zunächst mit einem historischen Rückblick auf die kurze Geschichte der
Wirkungsforschung. Die meisten dieser frühen Vorstellungen über Werbewirkung erweisen
sich in der Praxis immer noch als aktuell, die identifizierten Wirkungsfaktoren sind auch heute
noch relevant.
(3) Neuere Modelle und Ansätze der Werbewirkungsforschung aus den 80er und 90er Jahren
sind schon deutlich komplexer, da mit ihnen versucht wird, mehrere bis dahin bezugslos
nebeneinander stehende Elemente und Faktoren des Wirkungsprozesses zu verknüpfen. Auf
der anderen Seite gibt es weiterhin Bestrebungen, die schwer faßbare Komplexität des
Werbewirkungsprozesses auszublenden, Werbewirkung auf den ökonomischen Werbeerfolg
zu reduzieren und diesen möglichst genau berechenbar zu machen.
(4) Als Bindeglied zwischen Theorie- und Praxisteil fungiert ein Überblick über die theoretisch
möglichen Verfahren zum Nachweis der Werbewirkung. Der anschließende Praxisteil enthält
neben der Erörterung der wichtigsten grundsätzlichen Fragen zur praktischen Anwendung der
Werbewirkungstheorie und -forschung eine Übersicht über die heute angebotenen Verfahren
der Werbewirkungs- und Werbeerfolgsmessung und eine kurz gehaltene Darstellung ihrer
Einsatzmöglichkeiten und Grenzen.
(5) Ein Literaturverzeichnis rundet die Broschüre ab und gibt Anregungen für eine weitere
Beschäftigung mit dem Thema.
8
2
Werbewirkungstheorie und -forschung
2.1
Funktion von Modellen in der Forschung
(1) Mit Hilfe von Modellen versucht die Werbewirkungsforschung, das Phänomen Werbewirkung erklärbar zu machen. Die Aufgabe eines Modells ist es, ein auf die wesentlichen
Grundzüge reduziertes und dennoch allgemeingültiges Abbild der Wirklichkeit zu liefern, um
dadurch ein Verständnis der vielfältigen und komplexen Strukturen von Werbewirkung zu
ermöglichen.
(2) Die Fokussierung auf jeweils wenige Wirkungsfaktoren hat sich jedoch im Zuge der weiteren Forschung als unzulänglich erwiesen. Neue Wirkungsebenen und -indikatoren wurden
gefunden, deren Bedeutung für die Werbewirkung nicht ignoriert werden konnte. Nur teilweise ließen sich diese neuen Faktoren in bereits bestehende Modelle einbauen; in der Regel
zogen neu entdeckte Faktoren auch neue Modellvorstellungen nach sich. Deshalb stehen
heute mehrere Modelle nebeneinander.
(3) Jeder Modellkonstruktion geht eine (implizite oder explizite) Entscheidung darüber voraus, welchen Vorstellungen vom Reizwahrnehmungs- und Reizverarbeitungsprozeß des
Menschen gefolgt werden soll. Das bedeutet im Umkehrschluß, daß die Anwendung eines
bestimmten Meßverfahrens auch eine Entscheidung für einen theoretischen Ansatz bzw. ein
Modell der Werbewirkung und für die damit verbundene Vorstellung von Reizwahrnehmungsund Reizverarbeitungsprozessen ist.
(4) In der täglichen Praxis wird dieser Zusammenhang zwischen den Meßverfahren und der
dahinter stehenden wissenschaftlichen Vorstellungswelt meist ausgeblendet. Wünschenswert
wäre jedoch, daß bei jedem praktischen Einsatz von Meßverfahren immer der Bezug zum
theoretischen Umfeld erhalten bliebe.
(5) In der folgenden Übersicht über die wichtigsten Werbewirkungsmodelle wird versucht,
für alle Wirkungsebenen, Wirkungsindikatoren, Wirkungsmaße und Meßverfahren, die in der
angewandten Forschung gebräuchlich sind, diesen Zusammenhang Stück für Stück wieder
herzustellen.
(6) Die Übersicht ist zunächst chronologisch aufgebaut (Kapitel 2.2 bis 2.4) und mündet in
einer systematischen Zusammenfassung (Kapitel 2.5). Die Zusammenfassung dient als
Ausgangsbasis für die Vorstellung der Meßverfahren, die ja ein Bindeglied zwischen Theorie
und Praxis darstellen.
9
2.2 Entwicklung der Werbewirkungsmodelle senderorientierte Modelle
2.2.1 Stimulus-Response-Modelle - Wirkungsebene Aufmerksamkeit
(1) Als ein Teilbereich der sich in den 1920/30er Jahren konstituierenden Medienwirkungsforschung ging auch die sich parallel entwickelnde Werbewirkungsforschung von dem damals
geltenden, noch rein behavioristischen Bild des von Instinkt beherrschten Menschen aus, der
passiv auf Reize mit einem angeborenen, verhältnismäßig uniformen Reaktionsprogramm
antwortet. In diesem linear-kausalen Wirkungsmodell, dem sogenannten StimulusResponse- oder abgekürzt S-R-Modell , ist das Verhalten des Werberezipienten dementsprechend die Folge eines bestimmten Reizes oder einer Reizkonstellation (deutsche Übersetzung:
Reiz-Reaktions-Modell).
(2) Dieser theoretische Erklärungsansatz des Werbewirkungsprozesses fügte sich in die
damalige Vorstellung von der Vereinzelung des isolierten Individuums in der Massengesellschaft ein, das keine Unterstützung oder Korrektur durch gesellschaftliche Primärgruppen wie die Familie oder die Dorfgemeinschaft mehr findet, da diese sich mit der
Industrialisierung auflösen. Dadurch ist das Individuum dem Einfluß der Medien immer
stärker ausgesetzt (Burkart, S.184).
(3) Durch die in der damaligen Medienwirkungsforschung herrschende Theorie der starken
Medienwirkung (Brosius, S. 13) geprägt, übernahm die Werbewirkungsforschung ein
Rezeptionsmodell, das durch die Metaphern wie hypodermic needle oder magic bullet
umschrieben wurde: Der homogenen Masse der Werbekonsumenten wird mit der
Durchdringungskraft einer Injektionsnadel oder einer Pistolenkugel der Stimulus einer
Werbemaßnahme ohne Widerstand übermittelt und löst dort Reaktionen aus.
(4) Die Gesetzmäßigkeiten dieser unterstellten mechanistischen Beziehung zwischen Input
(Werbemaßnahme) und Output (Erreichen der Werbezielsetzung) waren Untersuchungsgegenstand der ersten Wirkungsstudien. Die zentrale Frage war: Welche Vorgänge auf der
Inputseite lösen welche Reaktionen auf der Outputseite aus? Die komplexeren und nicht beobachtbaren Zusammenhänge zwischen der Werbemaßnahme (Stimulus) und der Werbewirkung bzw. dem Werbeerfolg (Response) blieben in diesem sogenannten Black-Box-Modell
unberücksichtigt und aufgrund der Meßmethodik zunächst auch unentdeckt. Es wurde nicht
gefragt, wie und warum bei dem Werberezipienten eine Reaktion entsteht.
(5) Als Wirkungsebene identifizierten die ersten Werbeforscher die Aufmerksamkeit , die
durch die Werbung geweckt wird. Wie schon erläutert, ergab sich der kausale Zusammenhang
zwischen Werbereiz und Aufmerksamkeitsreaktion gemäß der damals herrschenden
Denkmodelle. Bei diesem auch als Reklamemodell bezeichneten Modell der Werbewirkung
wird davon ausgegangen, daß die Werbekonsumenten problemlos zu beeinflussen sind, wenn
erst einmal ihre Aufmerksamkeit gewonnen werden kann (Wilkens, S. 16).
(6) Als Meßverfahren für die Aufmerksamkeit wurden der Recognition- Test und - anfänglich
konkurrierend - der Recall- Test entwickelt. Die Wiedererkennung (recognition) und - als qualitativ besseres Konzept propagiert - die Wiedererinnerung (recall) in einer späteren Befragung
wurden als meßbarer Ausdruck für die Aufmerksamkeit gedeutet, die eine Werbemaßnahme
hervorgerufen hat. Erst später wurde deutlich, daß mit diesen beiden Meßverfahren eigentlich
die Gedächtnisleistung gemessen wird und nicht die Aufmerksamkeitsleistung (s. u.).
10
(7) Auf dieser einfachen Grundvorstellung (Aufmerksamkeit als Basis der Beeinflussung)
hatte E. St. Elmo Lewis bereits im Jahre 1898 mit seinem Stufenmodell AIDA ein
Ablaufschema für das Verkaufsgespräch herausgearbeitet. Die Aufmerksamkeit (attention)
steht dabei am Anfang eines aufeinander abgestimmten, in hierarchischer Stufenfolge ablaufenden Modells der Beeinflussung. Zentral für diesen Erklärungsansatz ist die Annahme, daß
die einzelnen Wirkungsstufen wie eine Kettenreaktion ablaufen. Dadurch bekam die an den
Anfang gestellte Wirkungsstufe Aufmerksamkeitsweckung die für den Wirkungserfolg entscheidende Stellung zugeschrieben. Beim AIDA-Modell folgten auf die Aufmerksamkeit
(Attention) als nächste Stufen Interesse (Interest), Wunsch (Desire) und schließlich Handlung
(Action).
Implizit gingen die Anhänger dieses hierarchischen Ansatzes davon aus, daß eine erfolgreiche
kommunikative Wirkung auch eine Wirkung auf der Verhaltensebene hat (Kauf). In empirischen Untersuchungen ist eine solche Kausalität aber bis jetzt kaum nachzuweisen. Die
Aufmerksamkeit allein ist keine Garantie für einen Kauf.
In der Werbeforschung führte dies zu unterschiedlichen Reaktionen: Einerseits versuchten die
Verfechter, das Wirkungsstufenkonzept durch neue Erkenntnisse aus der soziologischen und
psychologischen Forschung zu modifizieren und zu verfeinern, andererseits suchten die
Kritiker nach Ersatzkonzepten.
2.2.2 S-O-R-Modelle - Entdeckung der Wirkungsebene
Verarbeitungsleistung
(1) Neue Ansätze der psychologischen Forschung, die in den 1940/50er Jahren die bis dahin
in diesem Bereich vorherrschende Instinkttheorie massiv in Frage stellten, führten auch in der
Werbewirkungsforschung zur Revision der Vorstellung von den Wirkungsprozessen. Der klassische Stimulus-Response-Ansatz erfuhr eine Modifikation durch die Erweiterung zum
Stimulus-Organism-Response-Modell oder S-O-R-Modell . Statt den Rezipienten als nicht zu
erschließende Blackbox zu negieren, rückte er als entscheidender und wirkungsrelevanter
Faktor in den Mittelpunkt. Durch das neue Paradigma der Lerntheorie vom individuell und
nicht uniform und instinktgesteuert auf Reize reagierenden Menschen konnte nicht mehr vom
Stimulus allein auf ein entsprechendes Response-Verhalten geschlossen werden. Die individuelle psychische Disposition des Rezipienten mit seinem Repertoire an sogenannten intervenier enden V ariablen wurde neuer Untersuchungsgegenstand der Werbewirkungsforschung.
(2) Der Werbewirkungsprozeß wurde analog zu diesem neuen Ansatz beschrieben: Nach dieser sogenannten Lernhierarchie begann der Rezipient von Werbung damit, etwas über das
beworbene Produkt zu lernen, gegebenenfalls daraufhin seine Einstellung und schließlich sein
Verhalten zu ändern. Es genügte also nicht mehr, nur die richtigen Stimuli auszusenden, um
eine gewünschte Reaktion zu erreichen. Die Einstellung des Rezipienten wurde als die Variable
angesehen, die es zu beeinflussen galt. Jede Werbung sollte nach dieser Prämisse darauf
abzielen, einen Lernprozeß im Rezipienten auszulösen. Der neue Ansatz, die Einstellung des
Rezipienten in den Mittelpunkt zu stellen, eröffnete der Werbewirkungsforschung eine neue
Dimension. Die Verarbeitungsleistung des Rezipienten rückte in den Vordergrund. Zu der
bereits erkannten Wirkungsebene Aufmerksamkeitsleistung trat also eine zweite hinzu.
Dabei wird zwischen einer affektiven (emotionalen) und einer kognitiven (rationalen)
Komponente der Verarbeitungsleistung unterschieden. Die konative Komponente bezieht sich
auf die latente Bereitschaft, ein bestimmtes Verhalten gegenüber dem Einstellungsobjekt zu
äußern.
11
2.2.3 Konsonanz-/Dissonanztheoretische Ansätze - Wirkungsebene
physische Aktivierung
(1) Der nächste Anstoß für die Werbewirkungsforschung kam von der nun einsetzenden
Einstellungsforschung. Die in diesem Zusammenhang entwickelten neuen konsonanz- bzw.
dissonanztheoretischen Ansätze postulieren ein Streben des einzelnen nach Harmonie und
seelischem Gleichgewicht im Rahmen seines Lebensablaufs und seiner Einstellungen.
Das kognitive Gleichgewicht, also die Übereinstimmung zwischen Einstellungen und
Verhaltensweisen, wird durch das Vermeiden oder Beseitigen von störenden Spannungszuständen erreicht. Leon Festingers Theorie von der kognitiven Dissonanz (1957) beschrieb
auch das Kommunikationsverhalten des Individuums unter dieser Prämisse. Um eine kognitive Dissonanz zu vermeiden, tendiere der Mensch zu einem selektiven Informations- und
Wahrnehmungsverhalten (Burkart, S. 195).
(2) Für die Werbewirkung bedeutete das, daß ein Selektionsfilter des Rezipienten überwunden werden muß. Dies bestätigte zunächst theoretisch die Relevanz der Aufmerksamkeitsleistung für die Werbewirkung, die deshalb nun wieder stärker beachtet wurde. Durch die
Entwicklung von apparativen Methoden sollte die Messung der Aufmerksamkeitsleistung verbessert werden. Dabei wird jedoch die physische Aktivierung als weitere, eigenständige
Wirkungsebene entdeckt, die der Aufmerksamkeitsebene vorgelagert ist. Die unwillkürlichen
physiologischen Reaktionen wie Pupillenbewegung, Veränderung des Hautwiderstandes oder
der Pulsfrequenz, geben ohne kognitive Verzerrung die Aktivierungsleistung eines Werbestimulus wieder.
Aufmerksamkeit wurde nun als Mittler zwischen der reinen Sinneswahrnehmung und der
Aufnahme ausgewählter Reize in das Kurzzeitgedächtnis definiert.
2.2.4 Erweiterung der Wirkungsebene Verarbeitungsleistung
(1) Mehr oder minder parallel zur Entwicklung der Theorie der kognitiven Dissonanz erkannte die empirische Einstellungsforschung (Yale-Gruppe um Carl I. Hovland), daß sämtliche
Faktoren des Wirkungsprozesses (Sender, Medium und Empfänger) einen Einfluß ausüben.
Auch die Werbewirkungsforschung erweiterte ihr Forschungsspektrum entsprechend.
Glaubwürdigkeit und Attraktivität des Senders und des Mediums, die von Rezipienten oft
nicht getrennt erfahren werden, werden als zentrale Größe für die Wirksamkeit der beeinflussenden Kommunikation erkannt (Behrens, S. 322). In der Werbeforschung wird versucht, mit
den Wirkungsmaßen Likeability (Gefallen) und Sympathie die als relevant für den
Verarbeitungsprozeß erkannte Akzeptanz zu erfassen. In diesem Umfeld ist auch das Modell
der Schwerin-Kurve (nach Horace Schwerin) zu sehen, die einen kausalen Zusammenhang
zwischen dem angenehmen oder unangenehmen Gefühlston einer Werbebotschaft und dem
Grad der Erinnerung verdeutlichen will.
(2) Der verwandte Wirkungsindikator Anmutungsqualität setzt hingegen schon im Bereich
der Aufmerksamkeit an. Bezogen auf die Vorstellung der Ganzheitspsychologie (Leipziger
Schule), die die Wahrnehmung als eine psychische Ganzheit aus dem Reiz und dem dadurch
ausgelösten Gefühl definiert, werden hierbei die Ebenen Aufmerksamkeit und Verarbeitung
gleichermaßen berührt. Um diese gefühlsmäßige (affektive) Komponente der Einstellung des
Rezipienten gegenüber einer Werbung zu eruieren, werden verschiedene Verfahren aus der
psychologischen Forschung eingesetzt, z. B. die Likert-Skalierung oder das semantische
Differential , die non-verbale Magnitudeskalierung bzw. der Programmanalysator (Schweiger,
S. 268 und 275).
12
Interessanterweise scheint bei der Testfrage „Wie hat Ihnen diese Werbung (Anzeige,
Fernsehspot etc.) gefallen?“ weniger der Werbeinhalt (Werbebotschaft) als die
Werbegestaltung im Mittelpunkt zu stehen. Der emotionale Wirkungsprozeß scheint untrennbar mit der Werbegestaltung verbunden, so daß beide Komponenten nur schwer getrennt
erfaßt werden können.
(3) Die Entwicklung von Märkten, in denen sich die Produkte kaum mehr durch Qualität oder
Preis unterscheiden (homogene Güter) und die Konsumenten sich offensichtlich an anderen
Kaufkriterien orientieren, führte zur Einführung des Images als Werbewirkungsindikator.
Images entstehen nach der Theorievorstellung in einem Entwicklungsprozeß als ein
Gesamtbild der Vorstellungen zu einem Objekt. Dabei spielen neben den schon erläuterten
affektiven Prädispositionen auch die kognitiven Komponenten der Einstellung eine ebenbürtige Rolle, d.h. das subjektive Wissen (auch ein Pseudowissen), Erfahrungen und Erkenntnisse
des Rezipienten (Koschnick, S. 254). Image wird deshalb auch als mehrdimensionale
Einstellung definiert (Wilkens, S. 47). Da in der empirischen Forschung die gleichen
Verfahren zur Messung des Images wie zur Messung von Einstellungen gebraucht werden, ist
die Trennung nie ganz eindeutig gewesen. Als Konsequenz wird der Imagebegriff seit ca. 1970
in zunehmendem Maße unter dem Einstellungsbegriff subsumiert (Koschnick, S. 449 und
Wilkens, S. 46).
(4) Eine Studienauswertung des Medienwirkungsforschers Joseph Klapper (1960) brachte
parallel zu diesen Entwicklungen in der Werbewirkungsforschung die Vorstellung von der
Omnipotenz der Medien zu Fall. Stattdessen setzte sich seine Erkenntnis durch, daß die
Massenmedien in der Regel als Verstärker von Prädispositionen (Einstellungen) des
Rezipienten wirken und nur bei neuen Themen und Produkten direkt beeinflussend sein
können, da dort noch keine Voreinstellungen des Rezipienten als intervenierende Variablen
wirken (Burkart, S. 208). Diese sogenannte Verstärkerhypothese führte bis in die 1980er
Jahre zu der weitverbreiteten Vorstellung, daß Medien und Werbung, wenn überhaupt, nur
langfristig Wirkung zeigen.
(5) Die Anhänger der Wirkungsstufen-Ansätze arbeiteten diese Forschungstheorien und
empirischen Erkenntnisse der verschiedenen Wissenschaftsgebiete ebenfalls in ihre Modelle
des Werbewirkungsprozesses ein. Dieser Modelltyp ist in der Folgezeit in großer Anzahl entwickelt worden (Koschnick, S. 924). Eines der bekanntesten und noch heute gebräuchlichsten
Stufenmodelle ist das sogenannte Hierarchy of Effects-Modell von Robert Lavidge und Gar y
Steiner von 1961 (deshalb auch als Lavidge-Steiner-Modell bekannt), das von der klassischen Vorstellung des kausalen Wirkungsablaufs ausgeht. Diesem Schema der KognitionAffekt-Konation-Sequenz setzt sich aus den Stufen Lernen (Kognition), Einstellungsänderung
(Affekt) und Verhaltensänderung (Konation) zusammen (Moser, S. 273).
Im sechsstufigen Modell von Lavidge/Steiner sind das die Stufen:
1. Aufmerksamkeit: Wissen um die Existenz des Produkts (awareness of its existence)
2. Wissen: Kenntnis der Produkteigenschaften (knowledge, what the product has to offer)
3. Sympathie: Gefallen des Produkts (liking)
4. Präferenz: Vorliebe für das Produkt (preference)
5. Überzeugung: Bereitschaft zum Kauf (desire to buy and the conviction that the purchase
would be wise)
6. Kauf (purchase) (Mayer, S. 40).
13
Eine ebenfalls bekannte Variation des Lernhierarchie-Schemas (Moser., S. 272) entwickelten
John Howard und Jagdish Sheth (1969) mit ihrer Version eines Stufenmodells:
1. Aufmerksamkeit (attention) / Marke (brand)
2. Einsicht (comprehension)
3. Einstellung (attitude)
4. Kaufabsicht (intention)
5. Kaufhandlung (purchase) (Koschnick, S. 927)
Sämtliche vorgestellten Modelle gehen davon aus, daß eine Einstellungsänderung zu einer
Verhaltensänderung führt. Ein Einfluß nicht erfaßter Drittfaktoren, die dieser Zwangsläufigkeit
entgegenwirken können, bleiben dabei unberücksichtigt.
2.2.5 Konsistenztheorien - Wirkungsebene Gedächtnisleistung
(1) Aufgrund der schon beschriebenen Entwicklung von Märkten, die sich durch Homogenität
der Güter auszeichnen, rückte nicht nur das Image eines Produktes oder eines Unternehmens
in den Blick der Werbewirkungsforschung. Als weiterer Wirkungsfaktor wurde auch der
Bekanntheitsgrad, insbesondere die Markenbekanntheit , identifiziert. Nach dem affektiven und
kognitiven Verarbeitungsprozeß steht hier nun die Gedächtnisleistung des Rezipienten als weitere Wirkungsebene im Mittelpunkt. Im Rahmen der Konsistenztheorien wurde nicht nur eine
selektive Wahrnehmung, sondern auch ein selektives Behalten der Werbebotschaft postuliert.
(2) Da in der Werbewirkungsforschung oft nicht - wie in der psychologischen Gedächtnisforschung üblich - zwischen den beiden Gedächtnisleistungskomponenten Behalten
(Speichern) und Erinnern (Reproduktion) differenziert wird, wurden in der Meßmethodik die
für die Aufmerksamkeitsleistung entwickelten Wirkungsindikatoren Wiedererinnerung (Recall)
und Wiedererkennung (Recognition) verwendet.
(3) Dabei wird anhand der Vorgaben der Lernpsychologie (z. B. dem bekannten
Speichermodell von Atkinson/Shiffrin, 1968) von der Existenz eines sensorischen Speichers,
eines Kurzzeit- und eines Langzeitspeichers ausgegangen. Nach der sehr kurzfristigen
Aufnahme in den sensorischen Speicher über die Sinne gelangt das Gedächtnismaterial in das
Kurzzeitgedächtnis, das als „Arbeitsspeicher“ nur über eine begrenzte Kapazität verfügt. Diese
Informationen werden selektiv an das Langzeitgedächtnis weitergegeben. Nach diesem allgemein gebräuchlichen Gedächtnisspeichermodell werden die dort aufgenommenen
Informationen auf Dauer gespeichert. Das Phänomen des Vergessens wird als ein Versagen
des Zugriffs verstanden (Interferenztheorie) . Danach können weitere aufgenommene
Informationen den Zugriff auf bereits gespeicherte Informationen behindern. Dieser Interferenzeffekt zeigt sich vor allem bei als ähnlich definiertem Speichermaterial (Felser, S. 117).
(4) Als empirischer Beweis dieses Grundmodells wurde der sogenannte Primacy-RecencyEffekt angeführt, der das Phänomen umschreibt, daß die am Anfang und zum Schluß
wahrgenommenen Stimuli einer Abfolge besser vom Rezipienten erinnert werden als die sich
zeitlich in der Mitte befindlichen Reize (Mayer, S. 93). Weitere empirische Forschungen (von
Herbert A. Zielske, 1959, und die Rochester-Studie von Alfred Politz, 1960) zeigten zudem
einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kontakte mit der Werbebotschaft
und dem Ausmaß der Gedächtnisleistungen (Koschnick, S. 289). Bei der Werbegestaltung
spielen beide Phänomene eine wichtige Rolle, insbesondere die S-förmige Lernkurve gehört
zum Standardrepertoire (Schweiger, S. 92).
14
2.3 Paradigmawechsel - von senderorientierten zu
empfängerorientierten Modellen
(1) Die bis jetzt vorgestellten Wirkungsindikatoren und ihre implizit oder explizit zugrunde
gelegten Modelle und theoretischen Ansätze gehen alle von einer senderorientierten
Vorstellung der Werbewirkung aus, wie sie auch in der Kommunikationsforschung traditionell
vertreten worden war.
Die Vorstellung des auschließlich passiv rezipierenden Menschen erwies sich jedoch als
unzulänglich zur Erklärung aller Medien- und Werbewirkungsphänomene. Der Paradigmawechsel zur Grundvorstellung eines aktiven Publikums (Burkart, S. 213) wurde in der
Kommunikationsforschung mit dem sogenannten Nutzenansatz oder auch Uses-and-gratifi cations-Ansatz vollzogen. Ausgangspunkt ist die Annahme, daß die Rezeption von Medien
zielorientiert aufgrund einer erwarteten Bedürfnisbefriedigung erfolgt und insofern der subjektive und individuelle Nutzwert des Rezipienten zentrales Auswahlkriterium ist. Dabei stehen
dem aktiven Publikum neben der Medienrezeption noch andere konkurrierende Möglichkeiten
der Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung.
(2) Korrelierend mit diesem Perspektivenwechsel formulierte Herbert E. Krugman (1965) das
Involvement-Konzept . Bei diesem Ansatz ist der individuelle Grad der Involviertheit, das Maß
der inneren Beteiligung des Rezipienten, Ausgangspunkt eines potentiellen Werbewirkungsprozesses. Bezogen auf die Werbewirkung bedeutet das, daß bei einer geringen Intensität,
einem Low-Involvement- Zustandes des Empfängers, keine oder nur eine geringe kognitive
Auseinandersetzung mit der Werbebotschaft stattfindet. Aus dieser Hypothese wurde abgeleitet, daß bei einem Low Involvement der Rezipient eher emotional ansprechbar sei.
(3) Bemerkenswert an dieser Entwicklung ist, daß mit der Annahme eines aktiven Suchens
zwar die Gründe für einen Reizwahrnehmungs- und -verarbeitungsprozeß komplett auf den
Kopf gestellt wurden, die potentiellen Wirkungsebenen und -indikatoren jedoch identisch blieben.
(4) Die bis jetzt dargestellten theoretischen Ansätze, die darauf basierenden Modelle und die
im Laufe der Entwicklung als relevant aufgedeckten Wirkungsebenen bilden die Grundbausteine der Werbewirkungsforschung. Aus diesem Repertoire entwickelte sich seitdem eine
große Vielfalt von Werbewirkungsmodellen, die sich vor allem in der Gewichtung der einzelnen Elemente des Wirkungsablaufs unterscheiden und jeweils andere Wirkungsebenen bzw.
Wirkungsindikatoren in den Mittelpunkt stellen. Zudem wird in vielen neueren Modellen versucht, die verschiedenen unabhängig voneinander entstandenen Ansätze konstruktiv zu einem
Totalmodell zu verbinden.
15
2.4 Neuere Ansätze und Modelle
(1) Wie gesehen, wurden zu Beginn der Werbewirkungsforschung zunächst fast ausschließlich kommunikator-/senderorientierte Modelle untersucht, die von der Passivität und
Beeinflußbarkeit der Rezipienten ausgingen. Aufgrund ihrer immer klarer zu Tage tretenden
Beschränkungen wurden diese Modelle in den 60er und 70er Jahren um empfänger-/nutzenorientierte Modelle ergänzt, die eine Aktivität des Empfängers und dessen Suche nach
Bedürfnisbefriedigung unterstellten („Uses and Gratifications“-Ansatz).
(2) Auch dieser entgegengesetzte Blickwinkel konnte jedoch nicht alle Phänomene der
Werbewirkung ausreichend erklären. Deshalb versuchen die neuesten Modellüberlegungen,
Erkenntnisse beider Ansätze zu kombinieren, entweder durch eine Abgrenzung bestimmter
Ausgangs- und Problemlagen, für die dann jeweils ein bestimmtes Erklärungsmodell zutrifft
(sog. Partialmodelle), oder durch eine Integration verschiedener Elemente in ein neues Modell
(integrierende Modelle). Die neueren Ansätze und Modelle stehen nicht zuletzt für die
Erkenntnis, daß es ein einfaches und zugleich eindeutiges Gesamtmodell des Werbewirkungsprozesses nicht geben kann.
Abb. 2/1
Weiterentwicklung der Modellvorstellungen
Kommunikator-/
Senderorientierte Modelle
Passivität und Beeinflußbarkeit
des Empfängers,
Reiz-Reaktions-Modell
Partialmodelle, integrierende
Modelle
Empfänger-/Nutzenorientierte
Modelle
Passivität und/oder Aktivität des
Empfängers, Einbezug des
Involvement
gezielte Aktivität des
Empfängers, Suche nach
Bedürfnisbefriedigung
16
2.4.1 Partialmodelle des Konsumentenverhaltens von J. Mazanec (1978)
(1) Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht nicht der kommunikativ-psychologische
Werbewirkungsprozeß, sondern das Kaufverhalten der Konsumenten. Damit wird eine weitere Wirkungsebene in die Werbewirkungsforschung explizit eingeführt.
Anhand von vier Partialmodellen wird die Bandbreite des Kaufentscheidungsprozesses unter
jeweils verschiedenen Vorzeichen erläutert. Mazanec unterscheidet dabei ein Einstellungsmodell , ein Imagemodell , ein Risikomodell und ein Modell der kognitiven Dissonanz.
(2) Die beiden ersten Modelle gehen von einem positiven Nutzenansatz aus und bieten für
unterschiedliche Produktarten unterschiedliche Erklärungskonzepte. Das Einstellungsmodell erklärt den Kaufentscheidungsprozeß bei Produkten, die auf Basis von bedürfnisbefriedigenden Produkteigenschaften beurteilt und gegebenenfalls gekauft werden. Die
Einstellung entwickelt sich laut Mazanec aus einem Konglomerat von Emotionen, Motiven,
aber vor allem durch das Produktwissen. Die Kaufentscheidung basiert auf sachhaltigen
Informationen (sogenannten Denotationen), bei der Kaufentscheidung steht ein kognitiver
Verarbeitungsprozeß im Vordergrund (Schweiger, S. 96).
(3) Das Imagemodell hat Mazanec hingegen für die Produkte entwickelt, für die eine kognitive Kaufentscheidung weniger wahrscheinlich ist, weil es keine klar erkennbaren
Unterschiede bei den Produkteigenschaften gibt. Stattdessen werden Anmutungsinformationen und Assoziationen herangezogen. Das Image entwickelt sich hier aus einem
Konglomerat von Emotionen, Motiven, vor allem aber der Markenbekanntheit. Die
Kaufentscheidung basiert beim Imagemodell auf emotionalen Informationen (sogenannte
Konotationen): bei diesen Produkten steht ein affektiver Verarbeitungsprozeß im Vordergrund
(Schweiger, S. 98).
(4) Das Modell des erlebten Risikos leitet sich - allerdings unter umgekehrten Vorzeichen ebenfalls vom Nutzenansatz ab. Statt der rational (Einstellungsmodell) oder emotional
(Imagemodell) bewerteten Produktvorteile rücken die subjektiv erfahrenen Produktrisiken/nachteile als Entscheidungskriterium ins Blickfeld. Der Konsument hat das Bedürfnis, einen
Mißerfolg bei der Produktauswahl zu vermeiden. So wird einem Produkt der Vorzug gegeben,
das keine oder weniger negative Konsequenzen für den Konsumenten erwarten läßt. Als
Einflußfaktoren sieht Mazanec bei diesem Modell des Kaufentscheidungsprozesses das
Selbstvertrauen und die Risikobereitschaft des Konsumenten. Als Konsequenz auf das subjektiv erlebte Risiko werden von Mazanec mehrere Vermeidungsstrategien aufgeführt:
Markentreue, die Informationssuche und -bewertung und ein Probekauf einer neuen Marke
(Schweiger, S.100).
(5) Mit dem Modell der kognitiven Dissonanz versucht Mazanec eine Erklärung für
Entscheidungsprozesse in der Phase nach einem erfolgten Kauf zu finden. Mazanec geht
davon aus, daß der unerwünschte Spannungszustand auch nach einer Kaufhandlung fortbestehen kann - insbesondere dann, wenn der Konsument stark involviert und die Kaufalternativen wenig differenzierbar erschienen. Das Wissen um die Vorteile der nicht gekauften
Konkurrenzprodukte bewirkt eine kognitive Dissonanz, die zu einer nachträglichen
Rechtfertigung des Kaufes durch verstärkte Informationssuche und Auswahl von bestätigender Information führt. Durch Markentreue und positive Einstellung zum einmal gewählten
Produkt versuchen die Konsumenten, diesen inneren Konflikt zukünftig zu vermeiden
(Schweiger, S.102).
(6) Mazanecs Partialmodelle der Kaufentscheidungsprozesse erweiterten durch ihre andere
Fragestellung (Wie werden Kaufentscheidungen getroffen?) und durch das Einbeziehen der
Produktebene den Blick der Werbewirkungsforschung. Macanec geht in allen seinen Modellen
vom Nutzenansatz aus und formuliert in jedem Modell ein anderes Bedürfnis und den spezifischen Prozeß seiner Befriedigung. Bei diesem Prozeß übernimmt die Werbung die Funktion
eines Informationenzulieferers. Je nach Modell hat die Werbung einen spezifischen
17
Kommunikationsinhalt zu übermitteln. Beim Einstellungsmodell sind Produktinformationen
gefragt, beim Imagemodell Image- und Markeninformationen, beim Risikomodell
Sicherheitsinformationen und beim Dissonanzmodell sind es Argumentations- und
Rechtfertigungshilfen. Anhand dieser Modellvorgaben lassen sich jeweils spezifische
Werbeziele formulieren, die in der Werbewirkungsforschung zu überprüfen sind.
2.4.2 Elaboration Likelihood Model (ELM) von Richard E. Petty und
John T. Cacioppo (1983)
(1) Ursprünglich im Jahr 1981 als sozialpsychologisches Modell zur Beschreibung von allgemeinen Einstellungsänderungen konzipiert, wurde das Elaboration Likelihood Modell ELM
(Verarbeitungs-Wahrscheinlichkeits-Modell) bald in die Werbewirkungsforschung übertragen
(Meyer, S. 45). Grundgedanke ist die Vorstellung, daß Rezipienten bei der Informationsverarbeitung von Werbung neue Stimuli mit schon vorhandenem themenspezifischen Wissen
verknüpfen. Diese sogenannten cognitive responses können in ihrer Qualität für die Werbung
unterstützend, neutral oder ablehnend sein.
(2) Das Modell unterscheidet zwei grundsätzliche Wirkungswege der beeinflussenden
Werbung, die sich nach dem Maß des Involvement des Rezipienten richten. Der sogenannte
zentrale Weg der Beeinflussung wendet sich an die High-Involvement-Rezipienten, deren
kognitive Verarbeitungs-Wahrscheinlichkeit der Werbestimuli hoch anzusetzen ist.
(3) Dies führt zu einer dauerhaften und stabilen Einstellungsänderung. Dagegen wird beim
peripher en Weg der Beeinflussung von einem Low-Involvement des Rezipienten
ausgegangen, so daß aus mangelnder kognitiver Auseinandersetzung mit den Werbestimuli
periphere und eher gefühlsmäßige Stimuli rezipiert werden, die zu instabilen Einstellungsänderungen führen.
(3) Der ELM-Ansatz verabschiedet sich von einem einheitlichen Wirkungsmodell und erfordert eine grundsätzliche Berücksichtigung der Involvementunterschiede beim Empfänger. Bis
jetzt wurde in der Werbewirkungsforschung implizit stets von einem High Involvement der
Rezipienten ausgegangen, so daß eine im Sinne der Werbenden erfolgreiche Stimulationen in
erster Linie durch die inhaltliche Seite der Werbung, der Argumentationsqualität, erreichbar
schien. Wenig involvierte Rezipienten orientierten sich dagegen an situationsgebundenen
Reizen (sog. cues), wie etwa die äußere Gestaltung, die gefällige Aufmachung der Werbung
oder die Glaubwürdigkeit des Kommunikators (Koschnick, S. 267, Unger, S. 85).
2.4.3 Impact-Modell von Hartwig Steffenhagen (1984)
Dieses Modell von Hartwig Steffenhagen stellt einen sehr engen kausalen Zusammenhang
zwischen Markenbekanntheit und Kaufwahrscheinlichkeit her. Gültigkeit beansprucht dieser
Ansatz insbesondere bei Produkten, die sich nur wenig voneinander unterscheiden, weshalb
der Konsument für seine Kaufentscheidung nach anderen Orientierungshilfen sucht (vgl.
Mazanecs Imagemodell). Steffenhagen verbindet diese Vorstellung mit dem InvolvementKonzept. Bei niedriger Involviertheit hat der Rezipient keine Prädispositionen (Einstellungen)
gegenüber den Produkten oder Marken entwickelt, deshalb ist die Markenbekanntheit ausschlaggebend für den Kauf. Dabei trifft der Konsument laut Steffenhagen seine Entscheidung
anhand einer „Bekannheitshierarchie“ der Marken, die er in seinem Gedächtnis gespeichert
hat (Koschnick, S. 455).
18
2.4.4 Dynamisch-transaktionaler Ansatz von Werner Früh (1982/1991)
(1) Dieses Kommunikationsmodell aus der Medienwirkungsforschung versucht Elemente
des klassischen S-O-R-Modells mit dem Nutzenansatz zu verbinden. Der Rezipient ist demnach gleichermaßen passiver als auch aktiver Teilnehmer im Kommunikationsprozeß. Die
passive Rolle als Empfänger eines determinierten Angebots an Werbestimuli wird durch die
aktive Rolle des Rezipienten im Selektions- und Verarbeitungsprozeß dieser Stimuli ergänzt
(Wilkens, S.105). Aus diesem Paradigma leitet sich eine neue Sichtweise des
Kommunikations- und Werbewirkungsprozesses ab, in der sich Ursache und Wirkung in
einem dynamischen Wechselspiel befinden.
Eine eindeutige Trennung in unabhängiger und abhängiger Variable ist im Verlauf dieses
Prozesses der Wechselwirkungen nicht mehr gegeben.
(2) Bei der Vorstellung des Selektions- und Verarbeitungsprozesses wird dabei auf das
Schema- oder Frame-Konzept zurückgegriffen, das keine negative Selektion der Vermeidung
wie in den klassischen Ansätzen postuliert, sondern - auf Basis der bestehenden Prädispositionen - eine positive Auswahl der aktiven Sinnkonstruktion aus den Stimuli unterstellt. Die
Sinnkonstruktion bedient sich dabei Schemata, die als Grundgerüst für die Selektion und die
Verarbeitung fungieren und eine eigene Realität schaffen, die nicht unbedingt ein genaues
Abbild der Wirklichkeit sein müssen.
(3) Der dynamisch-transaktionale Ansatz steht in der Tradition der seit den 70er Jahren vorherrschenden Theorie von den selektiven Medienwirkungen. Diese ist auch heute weitgehend
aktueller Stand der Medienwirkungsforschung (Brosius, S. 16).
Dabei werden Ansätze aus den Anfängen der Medienwirkungsforschung wieder aufgenommen, allerdings mit entscheidenden Einschränkungen: Während früher den Medien generell
eine starke Wirkung unterstellt wurde, ist dies in dieser Theorie nur unter bestimmten
Bedingungen möglich: eine entscheidende Rolle spielen verschiedene Einflußgrößen, die in
einem Selektionsprozeß den Wirkungsgrad der Medien bestimmen. Übertragen auf die
Werbewirkungsforschung müssen heute statt der noch eindeutigen Fragestellung nach dem
Input/Output eines Werbewirkungsprozesses aus den behavioristischen Anfängen der
Werbewirkungsforschung viel komplexere Fragen beantwortet werden: Welche
Werbebotschaft führt bei welchen Rezipienten unter welchen Umständen und zu welchen
Zeiten zu welchen Wirkungen? Der dynamisch-transaktionale Ansatz ist heute der aktuellste
Versuch, darauf eine Antwort zu finden.
2.4.5 Modell der Wirkungspfade von Werner Kroeber-Riel (1992)
Bei diesem Modell, einer Weiterentwicklung des Stufenmodellansatzes, wird nicht mehr von
einem sequentiellen Ablauf der Werbewirkung ausgegangen. Je nach den beiden
Wirkungsdeterminanten, Involvement des Empfängers und Charakter der Werbung, werden
verschiedene Verläufe herausgearbeitet. Kroeber-Riel unterscheidet drei Arten der
Werbegestaltung, die sich, verknüpft mit den beiden möglichen Involvementzuständen, zu
sechs potentiellen Wirkungspfaden kombinieren lassen:
Bei emotional gestalteter Werbung werden laut Kroeber-Riel direkt emotionale Prozesse
beim Empfänger ausgelöst. Je nach Grad des Involvements kommt es in Wechselwirkung mit
indirekt ausgelösten kognitiven Prozessen zu einer Einstellungsänderung und in der Folge zu
einer Kaufabsicht oder direkt (ohne vorausgehende Einstellungsänderung) zum Kauf. Bei
informativer Gestaltung der Werbung werden hingegen zuerst kognitive Prozesse ausgelöst.
Sekundär treten dann auch hier emotionale Prozesse auf, die in Wechselwirkung mit den
zuerst ausgelösten kognitiven Prozessen eine Einstellungsänderung bzw. Kaufabsicht oder
unmittelbar ein Kaufverhalten bewirken. Ob ein vorwiegend affektiver oder kognitiver
19
Wirkungspfad eingeschlagen wird, hängt nach diesem Ansatz entscheidend von der Art der
Werbung selbst ab. Dabei berücksichtigt das Modell von Kroeber-Riel auch die Mischformen
aus emotionaler und informativer Werbung (Schweiger, S. 60, Behrens, S. 284).
2.5 Zusammenfassung - Werbewirkungsmodelle
(1) Sämtliche vorgestellten theoretischen Ansätze und Modelle finden heute noch Verwendung. In der aktuellen Forschung beherrschen vor allem die integrierenden Modelle die
Diskussion, die kommunikatororientierte und rezipientenorientierte Ansätze miteinander verknüpfen. Der Verarbeitungsprozeß des Rezipienten wird dabei im Gegensatz zu den klassischen Ansätzen aus der Einstellungsforschung zunehmend nicht nur negativ als selektives
Vermeiden des Rezipienten, sondern als positiver Selektions- und Sinnbildungsprozeß in der
aktiven Auseinandersetzung mit einer multidimensionalen Umwelt gesehen.
(2) Trotz der Fortschritte bei der Modellbildung behaupten die älteren, auf einem einfachen
Reiz-Reaktions-Schema beruhenden kommunikator-/senderorientierten Modellvorstellungen
nach wie vor ihren Platz. Das wird oft mit dem Bestreben erklärt, eine möglichst einfache bzw.
einfach zu vermittelnde Erklärung für das Phänomen „Werbewirkung“ zu haben. Gerade die
neuesten Modellvorstellungen zeigen jedoch, daß diese Beharrlichkeit auch damit zu tun hat,
daß diese Modellvorstellungen für bestimmte, eingrenzbare Problemlagen weiterhin ihre
Gültigkeit besitzen. Unzulässig ist lediglich die Verallgemeinerung, da die Komplexität des
Phänomens Werbewirkung als erwiesen betrachtet werden kann. Dies zeigt sich vor allem
daran, daß im Zuge der skizzierten Entwicklung der Ansätze und Modellvorstellungen die Zahl
der für die Werbewirkung als relevant zu bezeichnenden Einflußfaktoren immer größer wurde.
(3) Aus den für diese Untersuchung ausgewerteten Quellen läßt sich folgende allgemeine
Beschreibung von Werbewirkungsmodellen zusammenstellen:
•
Ausgangspunkt ist in der Regel eine Modellvorstellung , die auf einem theoretischen
Ansatz beruht und den prinzipiellen Wirkungszusammenhang beschreibt.
•
•
Diese Modellvorstellung erstreckt sich auf eine oder mehrere Wirkungsebenen.
•
Diese Wirkungsindikatoren bzw. deren Veränderung sind durch bestimmte Wirkungsmaße erfaßbar.
Jeder dieser Wirkungsebenen läßt sich eine variierende Zahl verschiedener Wirkungsindikatoren zuordnen, die allein oder gemeinsam als Zeichen für die Wirkung stehen.
Ausgehend von der Modellvorstellung wird das komplexe Thema Werbewirkung also
schließlich auf erfaßbare Wirkungsmaße reduziert. Für diese Wirkungsmaße stehen diverse
Meßverfahren zur Verfügung, auf die im nächsten Kapitel näher eingegangen wird. Zunächst
soll jedoch der Zusammenhang zwischen theoretischem Hintergrund und praktisch
erfaßbaren Wirkungsmaßen systematisch hergestellt werden.
(4) Für das oben erläuterte Elaboration Likelihood Modells ELM sieht z. B. das konkret wie
folgt aus (vgl. Abb. 2/2):
•
20
Entscheidend für den Kauf eines Produktes ist nach der Modellvorstellung des ELM eine
positive Einstellung des Rezipienten gegenüber dem Produkt. Wirkungsziel der Werbung
muß also möglichst dauerhafte positive Einstellung sein. Die Chance, dieses Ziel zu erreichen, hängt vom (Produkt-)Involvement des Rezipienten ab: je höher das Involvement,
umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Rezipient die Werbestimuli mit bereits
vorhandenem Wissen verknüpft und seine Einstellung dauerhaft ändert. Je geringer das
Involvement, umso instabiler ist eine Einstellungsänderung und umso öfter muß sie neu
hervorgerufen werden. Daraus leitet das ELM zwei Wege der Beeinflussung ab: den zentralen Weg (bei High Involvement Produkten) und den peripheren Weg (bei Low
Involvement Produkten).
•
Als zentrale Wirkungsebene betrachtet das ELM also die Verarbeitungsleistung des
Rezipienten. Das schließt weitere Wirkungsebenen nicht aus; Wirkungen auf diesen
Ebenen werden jedoch im Rahmen des ELM nicht näher betrachtet.
•
Wirkungsindikator für eine stattgefundene Verarbeitungsleistung ist im ELM die
Einstellung bzw. die Einstellungsänderung.
•
Als Wirkungsmaße für die Stabilität einer Einstellungsänderung können das Wissen über
ein Produkt oder die Assoziationen verwendet werden (vorher/nachher).
Abb. 2/2
Elemente von Wirkungsmodellen:
Die „Wirkungskette“
Modellvorstellung
Wirkungsebene(n)
Wirkungsindikatoren
Wirkungsmaße
Beispiel Elaboration Likelihood Modell ELM
Zwei Wege zur
Beeinflussung
zentr./peripher
Verarbeitungsleistung
Einstellungsänderung
Wissen,
Assoziationen
Für die Werbepraxis werden aus dem ELM folgende Schlüsse gezogen: für low involvement
Produkte, z. B. Produkte des täglichen Bedarfs, bei denen die Konsumenten der Kaufentscheidung keine große Bedeutung zumessen (manchmal auch „low interest products“
genannt), kann die Kaufwahrscheinlichkeit nur durch einen permanenten Werbedruck mit
hohen Bruttokontaktzahlen auf einem bestimmten Level gehalten werden. Je höher das Involvement, umso mehr kann man sich auf die Optimierung der Nettoreichweite konzentrieren.
(5) Wie im Überblick über die Entwicklung der Werbewirkungsforschung gesehen, lassen
sich - relativ unabhängig von theoretischen Ansätzen und Modellvorstellungen - fünf verschiedene Wirkungsebenen unterscheiden (vgl. Abb. 2/3), die hier als physische Aktivierung,
Aufmerksamkeitsleistung, Verarbeitungsleistung, Gedächtnisleistung und Verhalten bezeichnet werden.
21
In manchen Modellen wird „Wahrnehmung“ als eine der Wirkungsebenen bezeichnet. Bei
näherer Betrachtung kann Wahrnehmung jedoch als ein Oberbegriff für die ersten drei Ebenen
verstanden werden, so daß sie in der Übersicht nicht explizit auftaucht.
Abb. 2/3
Fünf Wirkungsebenen unterscheidbar
Kommunikator-/
Senderorientierte
Modelle
Empfänger-/
Nutzenorientierte
Modelle
Partialmodelle,
integrierende
Modelle
physische Aktivierung
Aufmerksamkeitsleistung
Verarbeitungsleistung
Gedächtnisleistung
Verhalten
Die Teilergebnisse der Werbewirkungsforschung legen den Schluß nahe, daß bei jedem erfolgreichen Werbewirkungsprozeß alle diese Wirkungsebenen durchlaufen werden, wahrscheinlich in individuell oder auch produkt- und werbespezifisch sehr unterschiedlichen
Geschwindigkeiten und in sehr unterschiedlichen zeitlichen Abständen zur Werbemaßnahme.
Ein empirischer „Gesamtbeweis“ existiert jedoch nicht.
Als gesichert gelten kann jedoch die Erkenntnis, daß der Sprung von einer Wirkungsebene auf
die nächste nicht zwangsläufig oder automatisch erfolgt. Eine im Sinne der Werbemaßnahme
erfolgreiche Verarbeitungsleistung ist noch keine Garantie für die Produkt- bzw.
Markenverwendung. Das ist unmittelbar einsichtig, da auch Faktoren wie die Produktverfügbarkeit oder die Ausgabenspielräume der potentiellen Verwender eine Rolle spielen.
22
7) Welche Wirkungsindikatoren sich jeder der fünf Wirkungsebenen zuordnen lassen, zeigt
die folgende Abbildung 2/4. Wie bei den Wirkungsebenen steht auch bei den Indikatoren der
Wirkungsprozeß im Vordergrund, eine Verarbeitungsleistung zeigt sich also z.B. in einer
Wissen- und/oder Einstellungsänderung. Da wie bei den Wirkungsebenen auch bei den
Indikatoren jeder einzelne (unabhängig) als wirkungsrelevant erkannt wurde, kann auch hier
vermutet werden, daß sich Werbewirkung durch Veränderungen auf allen Ebenen ergibt.
Abb. 2/4
Wirkungsebenen und Wirkungsindikatoren
Wirkungsebene
Wirkungsindikatoren
physische Aktivierung
physische Reizreaktion
Aufmerksamkeitsleistung
Aufmerksamkeitsstärke (Impact)
Anmutung
Prägnanz
Verarbeitungsleistung
Wissensänderung
Einstellungsänderung
Akzeptanz
Image
Gedächtnisleistung
Markenbekanntheit
Werbeerinnerung (Awareness)
Verhalten
Kauf
23
(8) Die verschiedenen Wirkungsindikatoren lassen sich nicht ohne weiteres messen, so daß
eine Zuordnung von aussagefähigen Wirkungsmaßen erforderlich ist. Letztendlich sind erst
diese Wirkungsmaße die Schnittstelle zwischen der theoretischen Modellvorstellung und der
Praxis in Form von anwendbaren Meßverfahren (vgl. Kapitel 2.7). In Abbildung 2/5 sind nicht
alle denkbaren Wirkungsmaße aufgeführt; vor allem für den Indikator „physische Reizreaktion“ gibt es weitere Maße.
Abb. 2/5
Wirkungsindikatoren und Wirkungsmaße
Wirkungsindikatoren
Beispiele für Wirkungsmaße
physische Reizreaktion
Hautwiderstand
Aufmerksamkeitsstärke (Impact)
Anmutung
Prägnanz
Wiedererinnerung
Assoziationen
Blickverlauf
Wissensänderung
Einstellungsänderung
Akzeptanz
Image
Wissen
Glaubwürdigkeit
Attraktivität
Sympathie
Markenbekanntheit
Werbeerinnerung (Awareness)
Wiedererkennung
Wiedererinnerung
Kauf
Markenverwendung
(9) Als vorläufiges Fazit zur Entwicklung der Werbewirkungstheorie und -forschung ergibt
sich eine beachtliche Zahl von zu berücksichtigenden Einflußfaktoren. Die Bestrebungen, den
Werbewirkungszusammenhang in eine allgemeingültige Theorie und ein einfaches Modell zu
kleiden, blieben angesichts der Komplexität des Phänomens wenig erfolgreich.
Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer Beliebigkeit oder Austauschbarkeit einzelner
Faktoren, sondern deutet an, daß die durch Zeit- und Geldrestriktionen erzwungene Auswahl
von Indikatoren, Maßen (und Meßverfahren) das eigentliche Problem in der Praxis darstellt.
24
2.6 Von Werbewirkungs- zu Werbeerfolgsmodellen
(1) Die Werbewirkungstheorie und -forschung hat wie gesehen im Laufe ihrer Entwicklung
immer neue wirkungsrelevante Einflußfaktoren identifiziert. Dabei wurde ein eindeutiger
Zusammenhang zwischen der Wirkung auf einer bestimmten kommunikativ-psychologischen
Ebene und dem Kaufakt (Verhalten) implizit immer unterstellt, ist jedoch weiterhin nicht so
eindeutig nachzuweisen, wie das vielleicht wünschenswert wäre.
Die Korrelationen z. B. zwischen Einstellungs- oder Wissensänderung und dem Kaufverhalten
sind nach dem heutigen Stand der Forschung wenig ausgeprägt. Das Kaufverhalten wird
durch eine Vielfalt von weiteren Faktoren beeinflußt, die bei der Messung der kommunikativen
Werbewirkung nicht berücksichtigt werden.
(2) Die ökonomische Wirkung, also der Absatz von Produkten, ist jedoch im überwiegenden
Fall das Ziel aller Werbemaßnahmen, unabhängig davon, wie direkt dieses Ziel im Einzelfall
angesteuert wird. Auch eine Imagekampagne soll ja zum Absatz- und Unternehmenserfolg
beitragen. Angesichts der Summen, die für Werbung inzwischen investiert werden, ist eine
Erfolgsprognose und -kontrolle gerade auf dieser Ebene für viele Unternehmen wünschenswert.
(3) Deshalb gibt es neben den Werbewirkungsmodellen, die Erklärungen und Aussagen über
den Zusammenhang zwischen Werbemaßnahmen und Wirkungen auf den kommunikativpsyochologischen Ebenen physische Aktivierung, Aufmerksamkeitsleistung, Verarbeitungsleistung und Gedächtnisleistung liefern, eine weitere Gruppe von Modellen (oft identisch mit
Verfahren), die als Werbeerfolgs modelle bezeichnet werden können: Diese Modelle reduzieren Werbewirkung auf die Verhaltensebene (vgl. Abb. 2/6). Kommunikativ-psychologische
Wirkungsebenen werden nicht explizit berücksichtigt („black box“), die Existenz und
Wichtigkeit dieser Ebenen wird jedoch auch nicht bestritten (was fälschlicherweise von
Kritikern oft unterstellt wird).
(4) Werbeerfolgsmodelle sind für die Praxis deshalb attraktiv, weil sie (a) den direkten
Zusammenhang zwischen Werbemaßnahmen und Absatz erklären (wollen), der unbestritten
das wichtigste Erfolgskriterium für Auftraggeber und Werbepraktiker ist, und (b) an tägliche
Entscheidungsprobleme anknüpfen, z. B. die Höhe des Werbebudgets oder die Mediaplanung
und den Mediamix. Eine konkrete Anweisung, „wann und wo ich oben 1,00 Mark reinstecken
muß, um unten 1,50 Mark herauszubekommen“ (Zitat eines Werbepraktikers), ist verlockender als die mühselige Beschäftigung mit der fast unüberschaubaren Komplexität der kommunikativ-psychologischen Wirkungen, die auch keine Erfolgsgarantie bieten.
25
Abb. 2/6
Vereinfachung auf Werbeerfolgsmodelle
Werbewirkungsmodelle
(kommunikativ-psychologische
Wirkungen)
Werbeerfolgsmodelle
(ökonomische Wirkung)
Werbemaßnahme
Werbemaßnahme
physische Aktivierung
Aufmerksamkeitsleistung
Verarbeitungsleistung
Gedächtnisleistung
Verhalten
physische Aktivierung
Aufmerksamkeitsleistung
Verarbeitungsleistung
Gedächtnisleistung
Verhalten
(5) Auf der anderen Seite wird die Übersicht über die verfügbaren Verfahren der
Werbeerfolgsmessung (Kapitel 3.2) zeigen, daß auch diese Möglichkeiten klare Grenzen
haben, und daß es in der Praxis vor allem darum geht, die Verfahren nicht mit zu hohen
Erwartungen zu überfordern und zu überlasten.
2.7 Meßverfahren der Werbewirkung
2.7.1 Vorbemerkungen
(1) Meßverfahren setzen an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis, den aus den
Modellvorstellungen über die Wirkungsebenen und -indikatoren abgeleiteten Wirkungsmaßen
an (vgl. Abb. 2/7). Dieser Ableitungszusammenhang ist - wie schon oben erwähnt - den Anwendern oft gar nicht mehr bewußt, z. B. dann, wenn ein Verfahren schon längere Zeit
routinemäßig zur Wirkungskontrolle eingesetzt wird, weil es sich bewährt hat.
Abb. 2/7
Von der Theorie zur Praxis: Meßverfahren
Modellvorstellung
26
Wirkungsebene(n)
Wirkungsindikatoren
Wirkungsmaße
Meßverfahren
(2) Prinzipiell ist hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem Meßverfahren eingesetzt werden, zu
unterscheiden zwischen Pretests und Posttests. Pretests vor dem Einsatz einer Werbemaßnahme dienen der Absicherung und der Wirkungsprognose, Posttests nach Abschluß der
Maßnahme der Wirkungskontrolle, jeweils bezogen auf die angestrebten kommunikativ-psychologischen Wirkungen. Auch sog. Inbetweentests werden gelegentlich zur Feinsteuerung
von Maßnahmen durchgeführt, vor allem bei TV-Spots.
Diese Unterscheidung gilt sinngemäß auch für die Verfahren der Werbeerfolgsprognose und
-kontrolle, auf die weiter unten eingegangen wird.
(3) Generell wird an Pretests die „Was-wäre-wenn“-Situation bemängelt, die wenig mit dem
zu tun habe, was dann in der Realität tatsächlich passiere. Die Prognosequalität sei deshalb
zu bezweifeln. So pauschal scheint diese Kritik überzogen. Es dürfte (und sollte) nur wenige
aufwendige Kampagnen geben, bei denen nicht zumindest versucht wird, das Vorgehen durch
Pretests abzusichern und dadurch das Risiko zu minimieren.
(4) Die folgende Darstellung der Verfahren zur Wirkungsmessung orientiert sich an den
bereits herausgearbeiteten Wirkungsebenen, so daß auch hinsichtlich der Meßverfahren eine
Anknüpfung an den theoretischen Hintergrund möglich ist.
2.7.2 Verfahren für die Ebene physische Aktivierung
(1) Aktiviertheit beinhaltet keinerlei Kognitionen. Aktivierung ist ein Zustand vorübergehender
oder anhaltender innerer Erregung oder Wachheit, der dazu führt, daß sich der aktivierte
Organismus einem Reiz zuwendet. Ein Reiz führt demnach nicht direkt zu der anschließenden
Reaktion, sondern erst infolge von Aktivierung (Koschnik, S. 30ff). Zur deren Erfassung werden in der Regel Laboruntersuchungen durchgeführt. Laboruntersuchungen sind aufwendig
und können aus methodischen und ökonomischen Gründen nicht großflächig angelegt werden. Deshalb wird die Aktivierungsmessung meistens nur als Pretest eingesetzt. Zur Messung
werden apparative Verfahren herangezogen. Qualitative Aussagen über die Art der Erregung
lassen sich durch diese Meßverfahren nicht machen.
Die am häufigsten angewandte Methode ist die Messung des elektrischen Hautwiderstandes ,
der sich mit der Stärke der Aktivierung ändert. Dabei werden einer Versuchsperson während
der Rezeption z. B. eines TV-Spots zwei Elektroden an den Fingern angelegt und ein schwacher Strom durch die Haut geschickt. Die Elektroden sind an ein Meßgerät angeschlossen,
welches die Änderungen des Hautwiderstandes aufzeichnet. Da mit steigender Erregung auch
die Schweißabsonderung steigt, wird der Strom besser geleitet und der Hautwiderstand
nimmt proportional dazu ab (z. B. Felser, 1991, S. 26).
(2) Andere Verfahren, die zur Untersuchung der Aktivierung herangezogen werden, sind
Messungen von Hirnströmen, Herz-, Atem- und Pulsfrequenz, Blutdruck und periphere
Durchblutung sowie Pupillometer oder Speichelflußreflexmessung (Felser, 1991, S. 26;
Koschnik, 1996, S. 35).
Der Aufwand der apparativen Messungen ist im Verhältnis zu den erzielten Ergebnissen zu
groß, so daß diese Verfahren heute kaum noch angewandt werden. Einerseits gelingt es,
gewisse Reaktionsweisen zu ermitteln, ohne daß sich die Testpersonen Gedanken darüber
machen, andererseits muß aber zur Erklärung von gemessenen Verhaltensmustern auf das
Interview zurückgegriffen werden, was die Objektivität der erhaltenen Resultate relativiert.
27
2.7.3 Verfahren für die Ebene Aufmerksamkeitsleistung
(1) Die äußere Aufmerksamkeit bezeichnet den Grad der Hinwendung auf einen bestimmten
Umweltreiz. Der von Umweltreizen bedingten äußeren Aufmerksamkeit wird die durch
Gedanken und Gefühle ausgelöste, innere Aufmerksamkeit gegenübergestellt. Die innere
Aufmerksamkeit ist im Gegensatz zu der äußeren Aufmerksamkeit bedingt willentlich steuerbar. Für beide Arten der Aufmerksamkeit gilt, daß jene Reize, die keine Aufmerksamkeit auszulösen vermögen, aus dem Wahrnehmungs- und Informationsprozeß ausgeschlossen werden. Die Aufmerksamkeit fungiert somit als Filter, bei dem einigen Reizen der Vorzug vor
anderen gegeben wird.
Das Kriterium Aufmerksamkeitsleistung ist nur eine, allerdings notwendige Voraussetzung für
den Wirkungserfolg, jedoch nicht als hinreichend anzusehen. Aufmerksamkeit allein garantiert
noch nicht das erwünschte Verhalten. Dazwischen liegen weitere Wirkungsebenen, auf denen
die „Wirkungskette“ jederzeit unterbrochen werden kann. Meßverfahren, die alleine die
Aufmerksamkeitsleistung zum Gegenstand haben, spiegeln nur diese wider und nichts anderes (Pepels, 1996, S. 191).
(2) Als wichtigste Indikatoren für eine Aufmerksamkeitsleistung werden die Prägnanz und die
Anmutung von Werbemitteln betrachtet. Beide werden unter der Vorlage von Rohentwürfen,
wie z. B. Layouts, Storyboards, Animatics, Scripts etc., die möglichst genau der definitiven
Werbung entsprechen, ermittelt.
Dabei versteht man unter Prägnanz die äußere Gestaltfestigkeit eines Werbemittels in bezug
auf die Gestaltung und die damit verbundene Fähigkeit, sich gegenüber konkurrierenden
Umweltreizen, insbesondere aber gegenüber anderen Werbebotschaften, durchzusetzen.
Allgemein gelten diejenigen Werbemittel als prägnant, die - im Vergleich zu anderen - auch
unter ungünstigen Wahrnehmungsbedingungen erkannt werden. Als prägnante Eigenschaften
gelten: Regelmäßigkeit, Symmetrie, Geschlossenheit, besonders auch Kürze und Klarheit.
Mittels des Tachistoskops können diese Eigenschaften ermittelt werden.
Das Tachistoskop ist ein Diaprojektor mit angeschlossenem Steuergerät, durch das die
Darbietungszeit variiert werden kann. Bei extrem kurzer Vorlage von Werbemitteln werden
allererste Eindrücke im sogenannten „vorbewußten“ Bereich und die Geschwindigkeit, mit der
eine Botschaft erfaßt wird, gemessen (Unger, Dögel, S. 144). Anhand psychologischer
Tiefeninterviews lassen sich anmutende Elemente einer Werbung ermitteln. Die weitere
Verarbeitung dieser Elemente wird mit dieser Methode nicht erfaßt.
Ebenso kann die Prägnanz eines Werbemittels mit Hilfe der Blickaufzeichnung ermittelt
werden. Dabei wird beobachtet, welche Elemente von Anzeigen, Plakaten und TV-Spots
tatsächlich betrachtet werden, in welcher Reihenfolge und wie lange. Daraus läßt sich ableiten, welche Elemente einer Werbung prägnant sind und welche nicht. Die Blickaufzeichnung
kann aber keine genauen Angaben darüber liefern, ob und wie das tatsächlich Betrachtete
gedanklich verarbeitet wurde. Hier ist man wieder auf eine zusätzliche Befragung angewiesen.
(3) Die Anmutung bezeichnet den ersten unreflektierten Eindruck, den ein Gegenstand beim
Betrachter auslöst. Dabei treten positive oder negative Stimmungen oder Gefühle in bezug auf
ein Objekt auf, die in der Frühphase der Rezeption ausgelöst werden, und die die weitere
Informationsverarbeitung beeinflussen.
Zur Messung der Anmutung werden meistens assoziative Verfahren angewandt. Eines der
bekanntesten Verfahren ist das semantische Differential. Darunter versteht man einen Satz
von Ratingskalen, an deren Polen jeweils gegensätzliche Eigenschaften stehen. In der
Forschung wird oft auf Gegensatzpaare verzichtet und nur mit einzelnen Reizworten gearbeitet. Die Befragung wird meist noch durch apparative Meßverfahren ergänzt.
28
(4) Ein weiteres Verfahren zur Erfassung allererster Eindrücke wird in der Cognitive
Response-Forschung angewandt. Die Versuchspersonen werden gebeten, alles das, was
ihnen während der Rezeption eines Spots durch den Kopf geht, wiederzugeben. Daraus entstehen sogenannte Gedächtnisprotokolle , die danach qualitativ ausgewertet werden können.
An dieser Methode wird kritisiert, daß sich die relative Häufigkeit positiver und negativer
Responses nach mehrmaliger Wiederholung ändert.
2.7.4 Verfahren für die Ebene Verarbeitungsleistung
(1) Obwohl gerade im Bereich der Wirkungsebene Verarbeitungsleistung viele relevante
Wirkungsindikatoren und zugeordnete Wirkungsmaße identifiziert wurden, gibt es keine standardisierten Meßverfahren.
Die Ausprägung fast aller Wirkungsmaße (Wissen, Glaubwürdigkeit, Attraktivität, Sympathie
etc). wird durch Befragungen ermittelt. Die Erforschung vor allem der „weichen“ Begriffe wie
Sympathie erweist sich durch deren Vielschichtigkeit als besonders schwierig. Deshalb gibt
es auf dieser Ebene keine einheitlichen Verfahren, sondern nur Methoden. Die Forschung
bedient sich zur Erfassung der Wirkungsmaße z. B. psychologischer Tests oder projektiver
Techniken (Beispiel: Assoziationstests ). Ebenso werden Paarvergleiche, Rangreihen und insbesondere Ratingskalen eingesetzt. Man verwendet wie auf der Ebene der Aufmersamkeitsleistung das semantische Differential (Polaritätsprofil) oder Verfahren der Multidimensionalen Skalierung.
(2) Auch für die Imageanalyse gibt es keine Standardverfahren. Die am häufigsten verwendeten Verfahren stammen aus der Psychologie und wurden für die Marktforschung adaptiert
(Schwäger, 1995, S. 277).
2.7.5 Verfahren für die Ebene Gedächtnisleistung
(1) Auf der Ebene der Gedächtnisleistung werden insbesondere die Wirkungsmaße Wiedererkennung (Recognition) und Wiedererinnerung (Recall) ermittelt. Beide Maße werden zudem
dem Indikator Awareness (Werbeerinnerung) zugeordnet.
(2) Recognition-Tests messen den Wiedererkennungswert von Werbemaßnahmen durch
Vorlage der Werbemittel (z. B. Anzeigen) in Verbindung mit der Frage, ob diese Werbung vorher gesehen wurde. Die kennzeichnenden Merkmale der vorgelegten Objekte werden mit den
„kognitiven Repräsentanten“ verglichen. Übereinstimmung signalisiert, daß eine passive
Kenntnis bzw. passive Markenkenntnis, vorliegt. Der Recognition-Test überprüft also vor
allem den „Identifikationsspeicher“ der Versuchspersonen (Schwäger, 1995, S. 156)
Da Versuchspersonen oft dazu neigen, ihr „gutes Gedächtnis“ zu beweisen, wird häufig mehr
wiedererkannt, als tatsächlich gesehen wurde. Es ist somit notwendig, Kontrollfragen einzubauen, z. B. in Form von Werbemitteln, die noch nie gesehen werden konnten (Schwäger,
1995, S. 274).
(3) Das Recall-Verfahren mißt die Erinnerung an ein Produkt oder eine Marke sowie an einzelne Elemente eines Werbemittels. Im Gegensatz zu den Recognition-Tests wird hier die aktive Gedächtnisleistung untersucht. Die Versuchspersonen werden gebeten, eine Anzeige oder
einen Spot zu reproduzieren. Dabei unterscheidet man zwischen dem unaided (ungestützten)
Recall, bei dem die Versuchspersonen ohne Vorgaben antworten, und dem aided (gestützten)
Recall, wo dem Rezipienten eine Liste mit Marken, Produkten oder Einzelheiten gezeigt wird.
29
Je nach Zeitpunkt, an dem ein Recall-Test durchgeführt wird, unterscheidet man zwischen
Same Day Recall (SDR) oder Day after Recall (DAR), welcher die Erinnerung am Tage nach
der Schaltung eines Werbemittels abtesten soll. Um einer erhöhten Aufmerksamkeit der
Testpersonen bei der bewußt aufgenommenen Darbietung (forced exposure) entgegenzuwirken, wurde der CEDAR-Test (Controlled Exposure Day After Recall-Test) entwickelt. Dabei
wird eine Testperson in das Studio eingeladen und mit einer fingierten Wartesituation konfrontiert. Um die Zeit scheinbar zu verkürzen, wird ein Werbespot ausgestrahlt. Die Testperson
wird danach über eine andere Werbung befragt. Erst am Tag danach werden die Versuchspersonen dann telefonisch über das eigentliche Untersuchungsobjekt befragt.
Da der Recognition-Test Falschangaben Vorschub leistet (s.o.), gibt die Praxis dem RecallTest den Vorzug. Hinsichtlich der Objektivität und der Validität bestehen bei beiden Verfahren
Zweifel. Oft werden Ergebnisse von Recognition- oder Recall-Tests auch als Grad für die
Aufmerksamkeit interpretiert, obwohl eigentlich passive oder aktive Gedächtnisleistungen
gemessen werden. Dennoch gehören beide Methoden zu den Hauptinstrumenten der
Werbewirkungsmessung (Huth/Pflaum; 1991, S. 223).
(4) Pressehäuser und Forschungsinstitute bieten auf der Methodenbasis der Recall- und
Recognition-Verfahren sogenannte Copy-Tests an. Unter dem Begriff Copy-Test werden
methodisch komplexere Varianten der Recall- und Recognition-Testverfahren subsumiert. Bei
den meisten Copy-Tests handelt es sich um turnusmäßige, von den Pressehäusern ohnehin
durchgeführte Befragungen zu den redaktionellen Inhalten bei den Lesern. Die Verlage bieten
den Anzeigenkunden an, sich mit Zusatzfragen kostenlos der Erhebung anzuschließen
(Pepels, 1996, S. 246).
(5) Ein weiterer Wirkungsindikator, der zur Ebene Gedächtnisleistung gehört, ist die
Awareness . Darunter wird in der Regel die Werbeerinnerung verstanden. Das Verfahren
kommt vor allem in Kampagnen-Verlaufstudien zur Anwendung. Die Awareness wird anhand
persönlicher Interviews unter Vorlage der Markennamen eines Produktfeldes oder
Servicebereichs ermittelt. Dabei wird zwischen der allgemeinen und der medienspezifischen
Awareness unterschieden. Bei der allgemeinen Awareness wird im Gegensatz zu Recall-Tests
nicht nach Inhalten der Werbung gefragt, sondern lediglich ermittelt, zu welchen Marken in
einem bestimmten vorhergehenden Zeitraum Werbung gesehen wurde (Konkrete Frage: Zu
welchen Marken haben sie in letzter Zeit Werbung gesehen?). Bei der medienspezifischen
Awareness wird zusätzlich gefragt, in welchem Medium diese Werbung gesehen wurde. Im
Unterschied zu Recognition wird nach der Wiedererinnerung von Marken und nicht nur nach
der Wiedererkennung gefragt. Die Erhebung der Awareness führt meist zu starken
Verzerrungen, da die Befragten oft dazu neigen, eine für sie plausible Antwort zu geben, die
aber nicht unbedingt den Tatsachen entspricht.
So wird bei der medienspezifischen Awareness von Befragten, die sich nicht mehr erinnern,
in welchem Werbeträger sie die Werbung gesehen haben, meistens das Medium Fernsehen
angegeben, was zu einer typischen TV-lastigen Verzerrung dieser Befragungsmethode führt.
Zur Erhebung der Werbeawareness, das heißt der Bekanntheit von laufenden Kampagnen, bieten verschiedentliche Institute sog. Werbetracking-Tests an. Als Tracking-Verfahren bezeichnet man Wellenerhebungen, die kontinuierlich die Marktentwicklung auf Verbraucher- und
Handels-Ebene mittels fester Stichproben und verbunden mit kontinuierlichen Impact- bzw.
Recall-Tests erfassen (Pepels, 1996, S. 140).
Für sich alleine ist die Erhöhung des Bekanntheitsgrades ein trügerischer Maßstab für die
Werbewirkung, weil die Wirkung einer Werbekampagne ebenso davon abhängt, ob der
Produktname von den Zielpersonen auch mit positiv bewerteten Merkmalen assoziiert wird.
(Koschnik, 1996, S. 152).
30
2.7.6 Verfahren für die Ebene Verhalten
(1) Da alle bisher erläuterten Meßverfahren in der Regel keine direkten Anhaltspunkte über
das tatsächliche Verhalten einer Testperson liefern, kann - quasi als Bindeglied zwischen der
kommunikativ-psyochologischen Ebene Gedächtnisleistung und der ökonomisch wirksamen
Ebene Verhalten - die Kaufabsicht untersucht/gemessen werden.
Dies geschieht in der Regel über die Ermittlung der sogenannten Mittel-Zweck-Relationen.
Dabei werden in offen geführten Intensivinterviews bei den Konsumenten der vermutete oder
wahrgenommene Produktnutzen sowie die subjektive Bedeutung eines Produktes erfragt.
(2) Für eine direktere Messung der Kaufabsicht muß die Versuchsperson gedanklich vorwegnehmen, wie wahrscheinlich der Kauf eines bestimmten Produktes innerhalb eines definierten Zeitraumes ist. Neben Befragungen verwendet man auch Flächenskalen : Der
Auskunftsperson werden Kärtchen verschiedener Größe mit der Aufschrift „Würde ich kaufen“
vorgelegt. Die Intensität der Kaufabsicht drückt sich durch die Größe des vom Probanden ausgesuchten Kärtchens aus.
31
2.8 Zusammenfassung - Meßverfahren der Werbewirkung
(1) Um die in diesem Kapitel angestrebte Verbindung von Theorie und Praxis weiterzuführen,
zeigt Abbildung 2/8 die erläuterten Meßverfahren nochmals im Überblick und in ihrer
Zuordnung zu den Wirkungsmaßen, für die sie geeignet sind.
Das Beispiel des Recall-Tests, der in der Wirkungsebene Aufmerksamkeitsleistung und in der
Wirkungsebene Gedächtnisleistung auftaucht, ist als Zugeständnis an eine vielgeübte, theoretisch jedoch etwas fragwürdige Praxis zu werten.
Spätestens der Überblick über die konkret in der Praxis angebotenen Tests und Verfahren wird
ohnehin deutlich machen, daß sich eine gewisse Unschärfe und Vermischung kaum vermeiden läßt.
Abb. 2/8
Wirkungsmaße und Meßverfahren
Beispiele für Wirkungsmaße
Meßverfahren
Hautwiderstand
Hautwiderstandsmessung
Wiedererinnerung
Assoziationen
Blickverlauf
Recall
Assoziationstest
Blickverlaufsaufzeichnung
Wissen
Glaubwürdigkeit
Attraktivität
Sympathie
Befragung
Verbalprotokolle
Semantisches Differential
Assoziationstest
Wiedererkennung
Wiedererinnerung
Recognition
Recall
Werbetracking
Markenverwendung
Marktanteil
(2) Der manchmal geführte akademische Streit darum, welches Instrument der
Werbewirkungsforschung das bessere sei, ist dann absurd, wenn man erkennt, daß jedes
Instrument einen anderen Aspekt der Werbewirkung zu messen in der Lage ist (Unger, Dögl,
1995, S. 165). Für eine optimale Erfassung der Werbewirkung wären also in der Regel mehrere Meßverfahren miteinander zu kombinieren.
32
3
Werbewirkungstheorie und -forschung in der Praxis
(1) Werbewirkungstheorie und -forschung bieten wie gesehen verschiedene Modellvorstellungen, Erklärungsmuster und Meßverfahren für Werbewirkung an. Fast zwangsläufig drängt
sich nun die Frage auf, welchen Stellenwert diese „Wirkungskette“ für die Werbepraxis hat.
Als Werbepraxis im weitesten Sinne kann das Geschäft mit Werbung betrachtet werden.
Dieses Geschäft hat unabhängig von der zugrundeliegenden Werbemarktabgrenzung gewaltige
Dimensionen: Die Bruttowerbeaufwendungen der Wirtschaft für die Werbung in den sogenannten klassischen Medien beliefen sich 1997 auf rund 27,4 Mrd. DM, die Summe der Direktmarketing-Aktivitäten auf 33 Mrd. DM, die Nettowerbeeinnahmen der Medien auf 38,7 Mrd. DM.
(2) Bieten Theorie und Forschung relevante Richtwerte und Handlungsanweisungen, die für
die tägliche Werbepraxis von Bedeutung sind? Inwieweit fließen die theoretischen und forscherischen Erkenntnisse in die „Werbekette“ ein, also in die Definition von Werbezielen, in
die Werbekonzeption, in die Gestaltung von Werbemitteln, in die Entscheidung über den
Media-Mix und das Angebot der Werbeträger (Abb. 3/1)?
Abb. 3/1
„Wirkungskette“ und „Werbekette“
Modellvorstellung
Wirkungsebene(n)
Wirkungsindikatoren
Wirkungsmaße
Meßverfahren
Richtwerte und Handlungsanweisungen aus Theorie und Forschung?
Produkt/
Werbeziele
Werbekonzeption
Werbemittel
MediaMix
Werbeträger
(2) Workshops und Fachgespräche, die zu diesen Fragen mit Werbeforschern, Werbekunden,
Mediaplanern und Werbeträger-Vermarktern duchgeführt wurden, ergaben ein ambivalentes
Bild:
•
Generell wurde ein Bedarf nach einem größeren Wissen über Wirkungszusammenhänge und nach praktisch nützlichen Navigations- und Entscheidungshilfen
bejaht. Die Auffüllung der bestehenden Wissenslücken durch die Forschung wurde angemahnt.
•
Es war ein deutliches Mißtrauen gegenüber den bislang angebotenen Instrumenten und
Tools zu spüren, die als unzureichend empfunden werden.
•
Die Einbindung von Erkenntnissen der Werbewirkungsforschung scheitert jedoch auch an
Zeit-, Budget- und Personalrestriktionen, durch die das Tagesgeschäft gekennzeichnet ist.
33
(3) Dieses ambivalente Bild soll zunächst am Beispiel des zur Zeit besonders aktuellen
Themas „Mediamix“ verdeutlicht werden. Seit 1990 hat sich der Anteil des Fernsehens an den
Bruttowerbeaufwendungen um über 18 Prozentpunkte auf 43 % im Jahr 1997 erhöht. Bei drei
der 20 werbeintensivsten Produktgruppen lag der Anteil des Fernsehens an den
Bruttowerbeaufwendungen über 90 %, bei der Hälfte über 50 %.
Diese Situation - obwohl großteils hausgemacht - wird von einigen Werbeauftraggebern und
Mediaplanern aus verschiedenen Gründen als unbefriedigend empfunden. Es stellt sich jedoch
das Problem, wie eine Kursänderung begründet und verantwortet werden kann. Kein Product
Manager und kein Mediaplaner will ein unnötiges Risiko eingehen. Deshalb erwartet die Praxis
von der Forschung eine verläßliche Antwort auf die Frage „Was passiert eigentlich, wenn ich
1 Mio. DM aus TV ‘rausnehme und in Print stecke?“.
Die kommunikativ-psychologisch orientierte Werbewirkungsforschung tut sich von vorneherein schwer, auf diese Frage eine konkrete Antwort zu geben. Die ökonomisch orientierte
Werbeerfolgsforschung hat zwar Verfahren entwickelt, die genau die Aspekte Mediaplanung
bzw. Mediamix beleuchten. Diese Verfahren, am bekanntesten ist sicher die sogenannte
Werbewert-Formel, werden jedoch aus verschiedenen Gründen als nur eingeschränkt verwendbar betrachtet (vgl. Punkt 3.2). Das Mißverständnis besteht vor allem darin, von dieser
retrospektiv angelegten Analyse über den Zusammenhang von Werbeaufwendungen,
Mediamix und Absatz/Marktanteil eine alleinige Garantie für zukünftig erfolgreiche Werbemaßnahmen zu erwarten.
Es zeigt sich also der Bedarf der Praxis, die Wissenslücken der Wirkungsforschung, das
Mißtrauen gegenüber den angebotenen Werbeerfolgsmodellen und eine „Anwendungslücke“
in Form von unrealistischen Erwartungen.
(4) Die Kritik an den zur Verfügung stehenden Instrumenten und Tools wurde jedoch durchaus auch im Zusammenhang gesehen mit den Restriktionen des Tagesgeschäftes: es fehlt an
Zeit, Geld und auch qualifiziertem Personal, das die zur Verfügung stehenden Instrumente
angemessen einsetzen kann. Der Wissens- und Ausbildungsstand hinsichtlich der
Möglichkeiten und Grenzen der angebotenen Instrumente wird auch von den Praktikern selbst
als zu niedrig eingeschätzt.
(5) Hinzu kommt, daß das zentrale Erfolgskriterium in der Praxis letztendlich doch immer der
Werbeerfolg, also die ökonomische Wirkung von Werbemaßnahmen ist. Positive kommunikativ-psychologische Wirkungen werden gerne „in Kauf“ genommen, die Bereitschaft der
Werbeauftraggeber, zusätzlich in umfassende Pretests zur Optimierung der Wirkungswahrscheinlichkeit zu investieren, hält sich jedoch in Grenzen.
Insoweit muß aus der Palette möglicher nutzbringender Test- und Kontrollverfahren, wie sie
unten (Punkt 3.1 und 3.2) vorgestellt werden, zwangsläufig eine Auswahl getroffen werden.
Eine Kosten-/Nutzen-Abschätzung, die gerade bei begrenzten Budgets ein Auswahlkriterium
sein könnte, war jedoch für keinen der Tests zu finden.
(6) Ein letzter Aspekt darf in diesem Zusammenhang nicht unterschlagen werden: viele
Akteure in der Werbepraxis leben in gewisser Weise davon, daß es keine endgültig und eindeutig feststellbaren Erkenntnisse zur Werbewirkung gibt. Dadurch verbleibt ein Spielraum, in
dem persönliche Bindung, Kommunikation, Erfahrung, informelle Kontakte etc. zu Erfolgsfaktoren werden.
(7) Insgesamt muß festgestellt werden, daß aus Sicht der Praxis eine erhebliche Diskrepanz
zwischen den Ansprüchen der theoretisch-akademischen Erklärungsansätze und der praktischen Operationalisierbarkeit besteht. Auf dem Weg von der Modellvorstellung zu konkret
durchführbaren Meßverfahren muß ein Großteil des theoretischen Anspruchs auf der Strecke
bleiben. Die Erklärungsmuster und Untersuchungsansätze erweisen sich als praxisfremd.
34
Nicht zuletzt ist auch das Thema Werbewirkung ein Geschäft. Die Untersuchungsdesigns der
im folgenden vorgestellten Meßverfahren und Tests müssen sich nicht zuletzt danach richten,
was sich verkaufen läßt.
3.1 Werbewirkungstests in der Praxis
3.1.1 Einleitung
(1) Werbewirkungstests werden von zahlreichen Instituten angeboten. Die Testverfahren
haben meist phantasievolle Namen, aus denen jedoch selten das Verfahren auf Anhieb zu
erkennen ist. Sie basieren auf Standardverfahren wie Recall-, Recognition-, Einstellungs- und
Imagemessung, die häufig vor dem Hintergrund institutseigener Erfahrungen modifiziert und
durch eigenentwickelte Testverfahren ergänzt werden (Pepels, 1996, S. 154).
Eine Einteilung der auf dem Markt angebotenen Testmethoden nach den Kriterien, die im theoretischen Teil (Kapitel 2) beschrieben werden, erweist sich als kaum möglich. Die
Werbeforschungsinstitute ermitteln Wirkungsmaße oft nicht isoliert, sondern verbinden mehrere Maße (und damit oft mehrere Wirkungsebenen) miteinander.
(2) Im folgenden werden einige der bekanntesten Angebote vorgestellt; die Auswahl richtete
sich nach Nennungen in der ausgewerteten Literatur und in Fachzeitschriften und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Abb. 3/2
Testname (Institut)
Untersuchungsgegenstand
(Wirkungsebene)
Verfahren/Kriterien
Starch-Test (INRA)
Aufmerksamkeit
Recognition
AdverTiming (INRA)
Durchsetzungsstärke
einer Marke
Kommunikationsleistung
Kampagnenqualität
Bekanntheit einer Marke
Recognition (aided, unaided)
Ad* Vantage (GfK)
(Werbewirkungsmessung bei lowInvolvement)
Durchsetzungsfähigkeit
einer Kampagne
Einstellungsänderung in
bezug auf Kaufverhalten
Schwächen und Stärken in
Konzeption und Gestaltung
einer Werbung
Motivationale Schubkraft
Pre-Post-Coice-Vergleich
Kommunikationsleistung
Recognition
Likeability
Imagewirkung
Blickaufzeichnung
R + R-Test (EMNID)
Aufmerksamkeit
Recall (aided und unaided)
Recognition
Medianutzung
35
Abb. 3/2 (Fortsetzung)
Testname (Institut)
Untersuchungsgegenstand
(Wirkungsebene)
Verfahren/Kriterien
Ad-Visor I (Burke)
Relevanz einzelner Elemente
für die Produktwahrnehmung
Recall
emotionale Akzeptanz
Ad-Visor ll (Burke)
Erreichung der Verbraucher
Anmutungsqualität
Recall
Erhebung von Likes u. Dislikes
Burke Persuation Index (BPI):
Kaufbereitschaft
Anzahl beworbene Marken
Marktanteil
Alter der Marke
Überzeugungsleistung
36
AdTrend (SAT.1)
Wirkungsverlauf von TV Kampagnen, nach Kontaktklassen
Recall
Recognition
Sympathie
Anzahl Kontakte der Rezipienten
GfK-Werbeindikator
(GfK)
Fähigkeit einer Kampagne,
zum Verbraucher durchzudringen
Werbeawarness
Recall
Recognition
Marken- und Produktimage
Präferenz- und
Verhaltensvariablen
IVE-Werbemonitor
(IVE)
Quantitative und qualitative
Werbeawareness
Werbebekanntheit
medienspezifische Werbebekanntheit
Active Processing
Kaufverhalten
Markenverwendung
Einstellungen
Werbewirkungskompass (IPA/RTL)
Kommunikative Werbewirkungsänderung durch Werbedruck
Recall (global und Details)
Kampagnensympathie
Markenbekanntheit (gestützt
und ungestützt)
Marken-Sympahtie
Kaufneigung
Markenverwendung bzw. Besitz
EFFIPUB (EMNID)
Erreichung von Werbezielen,
Erfolg der Media-Strategie
Markenbekanntheit (spontan,
gestützt)
Markennähe
Kaufverhalten anhand Regelmäßigkeiten und Präferenz
Impact (Recall, Recognition)
Media-Verhalten
3.1.2 Recognition-Tests
(1) Einer der bekanntesten Recognition-Tests ist der 1923 von Daniel Starch in den USA entwickelte Starch-Test. Ihm liegt ein Befragungsverfahren zugrunde, das den Wiedererkennungswert von Werbeanzeigen erfassen soll. Der Test wird von INRA bis heute weitergeführt
und inzwischen nicht nur für Anzeigen, sondern auch für TV- und Hörfunkspots angewendet.
Der Starch-Test kann sowohl als Pre- wie auch als Posttest durchgeführt werden. Die Meßkriterien sind der Wiedererkennungsgrad (recognition) der Anzeige oder des Spots, des
Werbeobjektes (seen, associated) und die Rezeption des Anzeigentextes.
(2) Ein anderes, ebenfalls vom INRA-Institut angebotenes Recognition-Meßverfahren ist der
AdverTiming-Test . Hier wird die Erhebung der klassischen Werbewirkungsmaße mit der
Erhebung der Mediennutzung kombiniert. Gemessen werden die Werbereichweite sowie die
Kommunikations- und Überzeugungsleistung. Recognition ist das optionale Modul zur
Messung der Bekanntheit einer Marke (PA, 02/97, S. 26).
AdverTiming wird täglich auf Basis einer Repräsentativstichprobe von 200 Fällen erhoben und
ermöglicht so die kontinuierliche Begleitung einer Kampagne. Zudem ist ein Pre-PostAbgleich möglich. Als besondere Leistung bietet AdverTiming eine kurzfristige Beteiligung an
den Untersuchungen an (Horizont, 27.3.1997, S. 6).
(3) In Anlehnung (Weiterentwicklung) an den Starch-Test bietet die GfK die Verfahren
Ad*Vantage Print und den Ad*Vantage/Act als Pretest an. Als Werbeträger werden beim
Ad*Vantage Print Publikumszeitschriften und beim Ad*Vantage/Act das Fernsehen untersucht. Der Test kann aber auch für Radio und Kino angepaßt werden.
Um Werbewirkung tatsächlich verstehen und bewerten zu können, müsse die Werbung von
den Probanden in einer der Realität entsprechenden „low-involvement“-Situation wahrgenommen werden. Während bei vielen anderen Pretests methodenbedingte Faktoren einen
starken und verzerrenden Einfluß auf die Wahrnehmung hätten, sei dies bei den Ad*VantageVerfahren nicht der Fall. Erzielt wird die „low-involvement“-Situation dadurch, daß Werbung
als normaler Bestandteil von Zeitschriften oder Fernsehprogrammen gezeigt würde
(Eigenangaben GfK-Broschüre). Bei Ad*Vantage Print wird das Leseverhalten zusätzlich noch
mit Hilfe eines Blickaufzeichnungsgerätes überprüft. Durch die zweistufige Vorgehensweise
von Befragung und Blickverlaufsmessung würden Aussagen über Qualität des Anzeigentextes
in Verbindung mit anderen relevanten Werbewirkungsmaßen ermöglicht.
Die Meßkriterien der beiden Tests sind Recognition, Gefallen (Likeability) sowie die
„Motivationale Schubkraft“. Diese wird definiert als positive Einstellungsänderung der
Verbraucher zu einem beworbenen Produkt. Die motivationale Schubkraft wird durch einen
Vergleich von Einstellungen bzw. Kaufverhalten vor dem Werbemittelkontakt mit Einstellungs/Präferenzdaten nach dem Werbemittelkontakt operationalisiert und liefere einen hinreichend
validierten Indikator für die Verkaufswirksamkeit der Werbung.
3.1.3 Recall-Tests
(1) Recall-Test wurden von George Gallup und Claude Robinson in den 30er Jahren entwickelt und ermitteln den Wiedererinnerungsgrad einer Werbemaßnahme durch deren
Reproduktion. Die Testpersonen erstellen dabei eine Liste der zuvor gesehenen Werbemittel
bzw. Werbelemente aus dem Gedächtnis. Der Recall kann mit (aided) oder ohne (unaided)
Hilfe von Erinnerungslisten (Marken, Produkte, Details) erfaßt werden.
37
Recall-Tests wurden ab 1960 vom deutschen Gallup Institut EMNID als Impact-Test in
Deutschland eingeführt. Wie der Recognition-Test war auch der Recall-Test zunächst ein
Anzeigen-Post-Test, der später auf andere Werbeträger ausgeweitet wurde. Anfang der 80er
Jahre kombinierte EMNID Recall- und Recognition-Testmethoden zu einem gemeinsamen
Befragungsverfahren, dem sog. R+R Test.
(2) Eine weitere Anwendung des Recall-Verfahrens stellen die beiden AD-VISOR I und II
Tests von Burke dar (Forschungstest von Procter & Gamble). Dabei wird der AD-VISOR I als
Pretest und der AD-VISOR II als Posttest eingesetzt.
Der AD-VISOR I wird vor der endgültigen Fertigstellung einer Kampagne durchgeführt. Durch
Testen von Roughs und Animatics zielt der Pretest auf erste Aussagen über die potentielle
Wirkung schon vor der Finalisierung einer kreativen Idee und ermöglicht die Auswahl eines
optimalen Konzepts aus verschiedenen Alternativen. Dadurch sollen vor allem AkzeptanzProbleme des Werbemittels vermieden werden. Der Recall wird am Tag nach der Rezeption
gemessen und soll Auskunft geben, wie nachhaltig die einzelnen Dimensionen einer Werbung
wirken und welche Relevanz sie für die Produktwahrnehmung haben (Informationsbroschüre
Infratest Burke).
Im AD-VISOR II werden Recall-Werte, Überzeugungskraft sowie die Anmutungsqualitäten
einer Werbemaßnahme ermittelt. Für die qualitative Diagnose der Anmutung werden „Likes“
und „Dislikes“ erhoben. Die Ermittlung der Überzeugungskraft erfolgt durch den BPI (Burke
Persuasion Index). Er soll den Markteinflüssen Rechnung tragen und bewertet den Spot in
Relation zur aktuellen Marktsituation.
Dazu werden folgende Wirkungsmaße erhoben (nach Gewichtung): 1. Kaufbereitschaft, 2. Anzahl der beworbenen Marken, 3. Marktanteil, 4. Alter der Marke.
(3) Ein neueres Instrumentarium zur Messung des Wirkungsverlaufs von TV-Kampagnen ist
AdTrend, entwickelt von SAT.1. Die von 1996 bis 1997 durchgeführte Studie wird für 1998
erweitert und mißt Recall, Recognition und Sympathie einer Kampagne. Im Vordergrund stehen dabei die Anzahl der Kontakte, die ein Rezipient mit einer Werbebotschaft hat. Erste
Ergebnisse der Studie zeigen, daß der Zuschauer auch bei hoher Werbe-Dosierung nicht
ermüdet. Im Gegenteil, die Kaufbereitschaft und die Markenverwendung steige weiter an.
Allerdings steigen die Wirkungsmaße Erinnerung, Sympathie und Bekanntheit in den unteren
Kontaktklassen schneller an als in den höheren. So sei ein Kampagnen-Recall von bis zu 70%
mit konstanten Kontaktsteigerungen erreichbar, höhere Werte hingegen bedürften einer überproportionalen Erhöhung der Dosis (Horizont, 11.09.1997, S. 37).
3.1.4 Werbetracking-Tests
(1) Tracking-Studien sind kontinuierliche Wellenerhebungen, die in monatlichen oder halbjährlichen Abständen als Posttests durchgeführt werden. Die Erhebung erfolgt bei 200-400
repräsentativen, wechselnden Personen durch persönliche oder telefonische Interviews.
Abgefragt werden je nach Testanlage Recall, Recognition, Einstellung, Image, Motivationsänderungen, Markenpräferenzen, Kaufabsichten etc.
(2) Die Tests sollen Informationen zu folgenden Fragestellungen liefern: 1. Welche Wirkung
wird mit dem Werbeaufwand absolut erreicht? 2. Wie reagieren die untersuchten Werte auf
Änderungen beim Werbeaufwand? 3. Wie verändern sich die Werte im Zeitablauf der
Untersuchung? Handelt es sich bei diesen Veränderungen um einmalige Ereignisse oder kann
man von anhaltenden Trends sprechen (Pepels, 1997, S. 302)?
38
Gfk-Werbeindikator
(1) Zur Durchführung der Messung wird in der Regel eine Stichprobengröße von 300 verwendet. Die Befragten entsprechen der jeweiligen Definition der Marketing-Zielgruppe. Das
Grundprinzip der kontinuierlichen Erhebung ist die Unabhängigkeit der Stichproben voneinander. Da die Befragten bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Werbung nicht mehr Interesse
als gewohnt schenken, werden die telefonischen oder persönlichen Interviews unter realistischen Alltagsbedingungen durchgeführt.
(2) Mit Hilfe ungestützter und gestützter Werbeerinnerung mißt der Gfk-Werbeindikator die
Fähigkeit einer Kampagne, im Informationswettbewerb zum Verbraucher zu gelangen. Die
Messung der wahrgenommenen Werbeinhalte und der dahinter erkannten Hauptaussage vermitteln Aufschluß über die tatsächliche kommunikative Leistung einer Kampagne. Zudem
belegen Marken- und Produkt-Images, inwieweit es einer Kampagne gelingt, Werbebotschaften dauerhaft mit einer Marke zu verknüpfen. Die Erhebung von Präferenz- und
Verhaltensvariablen liefert Rückschlüsse über die Marktwirksamkeit der besetzten ImagePositionen (GfK-Broschüre GfK-Werbeindikator/ATS*).
IVE-Werbemonitor
(1) Der IVE-Werbemonitor ermittelt die Werbeawarness durch halbjährliche Face to Face
Interviews bei 600 Personen. Die Größe der Stichprobe ist vom Produktfeld abhängig. Als
Erfolgsindikatoren werden die Werbebekanntheit, die medienspezifische Werbebekanntheit,
Kaufverhaltensdaten, Markenverwendung und allgemeine Einstellungen erhoben. Die
Ergebniswerte werden den Werbeaufwendungen pro Kampagne und Medium gegenüber
gestellt.
(2) Die Werbeawareness stelle aber für sich alleine noch keine Wirkung dar, sondern nur eine
- wenn auch entscheidende - Voraussetzung für die Werbewirkung. Ist die Werbeawareness
sehr niedrig, könne man davon ausgehen, daß keine besondere Wirkung von dieser
Kampagne zu erwarten sei. Deshalb operiert der IVE-Monitor seit jüngster Zeit mit dem Begriff
Active Processing, mit dem man die Qualität der Awareness bestimmen könne.
Beim Active Processing werden die Befragten nach ihren Antworten klassifiziert. Befragte mit
allgemeinen, unspezifischen und passiven Erinnerungen werden als inaktive Gruppe
zusammengefaßt. Bei Befragten, die sich an werbespezifische Details und Argumente sowie
an die ganze Werbestory und an die implizierte Werbeidee erinnern können, kann von einem
positiv zu wertenden Active Processing ausgegangen werden.
Werbewirkungskompaß (IPA/RTL)
(1) Der Werbewirkungskompaß (WWK) wird seit 1992 in vierteljährlichen Abständen durchgeführt. Die Datenbasis bildet eine repräsentative Random-Erhebung bei insgesamt 2.000
Fällen (Pepels, 1996, S. 243).
In erster Linie mißt der WWK den Zusammenhang zwischen der Höhe der Mediainvestitionen
und der Medienauswahl auf der einen und der Werbewirkung auf der anderen Seite. Die kommunikative Wirkungsänderung durch Werbedruck wird anhand folgender acht Faktoren
gemessen: Globale Werbeerinnerung, Werbeerinnerung an Details, Kampagnen-Sympathie,
spontane und gestützte Markenbekanntheit, Marken-Sympathie, Kaufneigung und
Markenverwendung resp. Besitz (Edition IP, S. 42).
Diese acht erfaßten Indikatoren reagierten auf steigenden Werbedruck in der Regel erhöhten
Wirkungswerten, und zwar auf der reinen Kommunikationsebene und auch in bezug auf
Image, Kaufneigung und Verwendung (Werbewirkungskompaß-Kompendium, S. 3).
39
(2) Eine Besonderheit des WWK besteht darin, daß pro befragter Person auf der Grundlage
der individuellen Mediennutzung sowie der Bruttowerbeaufwendungen pro Marke ein personenindividueller Werbedruck berechnet werden kann, der Auskunft über die tatsächlichen
Kontaktkosten je Marke und erreichter Person gibt. Die Kontaktkosten werden als
„Mediapfennig“ bezeichnet und drücken den Werbedruck pro Person in Pfennig aus
(MediaTrend Journal 11/97, S. 25).
EFFIPUB (EMNID)
(1) EFFIPUB ist ein vom EMNID-Institut entwickelter Kampagnen-Posttest, der Informationen
über die gesetzten Werbeziele und den Erfolg der Media-Strategie liefert. Die Messung des
Werbeerfolges heutiger, in den Marketing-Mix eingebetteter Kommunikationsstrategien lassen
sich nicht mehr ausschließlich über die klassischen Indikatoren wie Recall- und Recognitionwerte lösen (EMNID-Broschüre).
(2) EFFIPUB wird sowohl für face to face-Interviews wie auch für Telefonbefragungen eingesetzt und arbeitet mit einer Stichprobe von 1.000 Personen ab 14 Jahren. Ermittelt werden folgende vier Wirkungsmaße: 1. Markenbekanntheit, spontan und gestützt; 2. Marken-Image
anhand der Attribute, die durch die jeweilige Kampagne vermittelt werden sollten; 3. Nähe zur
Marke anhand einer Benotung von 1 bis 10 sowie nach Kaufverhalten (Regelmäßigkeit und
Markenpräferenz) anhand einer Einkaufsliste; 4. Impact: gestützter Werbe-Recall und
Recognitionwerte zur Kampagne. Diese vier Wirkungsmaße werden mit der Erhebung des
Media-Verhaltens sowie sozio-demographischen Daten verknüpft.
3.2 Werbeerfolgsmessung in der Praxis
3.2.1 Einleitung
(1) Als Werbeerfolg (in Abgrenzung zur kommunikativ-psychologisch verstandenen
Werbewirkung) können die ökonomischen Wirkungen von Werbung verstanden werden,
gemessen an Größen wie Umsatz, Absatzmenge, Marktanteil etc. Dabei wird in der Regel ein
einfacher, linear-kausaler Zusammenhang zwischen der Werbemaßnahme und der
Wirkungsebene Verhalten unterstellt. Die zwischen dem Reiz „Werbemaßnahme“ und der
Reaktion „Kauf“ liegenden kommunikativen Prozesse bleiben unberücksichtigt (was nicht
heißt, daß diese Prozesse in der Realität nicht ablaufen).
(2) In einem engen Sinn tritt ökonomischer Werbeerfolg dann ein, wenn der Werbeertrag die
Werbeaufwendungen übersteigt. Als Werbeertrag bezeichnet man den durch die Werbung
hervorgerufenen Anteil am Umsatz(zuwachs). Da der Umsatzzuwachs jedoch durch zahlreiche
verschiedene Faktoren beeinflußt wird, ist die Erfassung des tatsächlichen Werbeertrages
schwierig. Korrelationen zwischen Werbeaufwendungen und Werbeertrag entstehen manchmal zufällig und dürfen nicht überinterpretiert werden.
(3) Die Attraktivität von Werbeerfolgsmodellen bzw. -meßverfahren, die trotz aller Kritik auch
weiterhin angeboten werden, hängt zusammen (a) mit der engen Verknüpfung dieser
Verfahren mit alltäglichen Problemstellungen in der Praxis (Einfluß der Höhe des
Werbeaufwandes und des Mediamix) und (b) mit dem herausragenden Stellenwert, der den
Erfolgskriterien Absatz/Marktanteil bei allem Wissen um kommunikative Wirkungen in der
Praxis letztendlich zukommt.
40
(4) Die meisten Verfahren der Werbeerfolgsmessung bzw. -kontrolle leiten sich von der Ökonometrie ab. Die Ökonometrie hat sich 1930 als eigenständiger Forschungszweig der
Wirtschaftswissenschaften etabliert. Ökonometrische Untersuchungen versuchen aus einem
zur Verfügung stehenden Datenmaterial bestimmte Gesetzmäßigkeiten und Formeln abzuleiten und diese zu Entscheidungs- oder Prognosezwecken nutzbar zu machen.
(5) Der Einsatz von ökonometrischen Modellen und Analysen in der Werbeerfolgsmessung
und -kontrolle geht prinzipiell von einer Berechen- und Planbarkeit des Werbegeschäfts und
von der Aussagefähigkeit und Übertragbarkeit von Durchschnittsbetrachtungen aus. Diese
Eigenschaften des Werbegeschäfts werden von den Kritikern solcher Modelle vehement
bestritten.
3.2.2 Werbewert-Formel und Werbewert ‘97
(1) Der jüngste diskutierte ökonometrische Ansatz der Werbeerfolgsmessung ist die sogenannte „Werbewert-Formel“, die in methodischer Anlehnung an die "Markt-Mechanik“ des
Axel-Springer-Verlags aus den 70er Jahren im Auftrag des Verbandes Deutscher
Publikumszeitschriften 1995/1997 entwickelt wurde.
Die Formel beschreibt den Einfluß von Werbeaufwand und Mediamix auf die
Marktanteilsveränderung eines Produktes in Abhängigkeit von der Marktstellung und der
Distribution. Zur Ermittlung der Formel wurden 195 Kampagnen aus 81 Produktgruppen über
einen Zeitraum von 18 mal zwei Monaten zwischen 1991 und 1994 untersucht. 1997 wurde
eine Aktualisierung mit 147 Marken aus 69 Produktbereichen durchgeführt. Datengrundlage
waren die von Nielsen/S+P gemessenen Werbeausgaben und Medienbelegungen sowie über
das Nielsen Handelspanel ermittelten Informationen über Marktanteile und Distributionsänderungen je Marke. Die zur Entwicklung der Werbewert-Formel untersuchten Güter stammen alle aus der Kategorie der „Fast Moving Consumer Goods“ (FMCG), der schnell umschlagenden Konsumgüter.
(2) In der aktuellen Version schreibt die Werbewert-Formel den Printmedien einen höheren
Beitrag zum Werbeerfolg zu als z. B. dem Fernsehen. Aus diesem und anderen Gründen wird
der Ansatz von der Praxis oft pauschal als nicht brauchbar disqualifiziert (immerhin wurden
1997 rund 43% aller Bruttowerbeaufwendungen ins Fernsehen geleitet - viele FMCG haben bis
zu 90% der Werbeaufwendungen in TV investiert). Bei aller zulässigen Methodenkritik wird
hier jedoch vor allem ein grundlegendes Mißverständnis deutlich, das oft im Zusammenhang
mit ökonometrischen Modellen auftritt:
Die Werbewert-Formel ist als Abbild der Marktbewegungen der letzten fünf Jahre zu verstehen und zeigt zuallererst auf, mit welcher Mediastrategie bei gegebenen Verhältnissen der
größte Werbeerfolg zu erzielen war (retrospektiv). Der höhere Wirkungsbeitrag von Print
erklärt sich schlicht dadurch, daß TV im Untersuchungszeitraum beim Mediaeinsatz stark
dominiert hat. Wer gegen diesen Trend einen höheren Printmedienanteil eingeplant hatte,
erhöhte seine Erfolgswahrscheinlichkeit für eine positive Marktanteilsveränderung. In dem
Maße, in dem die Werbeauftraggeber und Mediaplaner dieses Ergebnis berücksichtigen und
ihre Mediaplanung zugunsten von Print verändern, verändert sich zwangsläufig auch die
Formel. Wenn also künftig massiv in Print investiert würde, wird der aktuell nachweisbare
Vorsprung der Printmedien hinsichtlich ihres Beitrags zum Werbeerfolg sinken.
(3) Dieses Beispiel zeigt exemplarisch, daß vergleichbar mit den Ve rf a h ren zur
Werbewirkungsmessung auch die Werbeerfolgsmessung mit viel Sachverstand interpretiert
werden muß. Die Einschränkungen der Aussagefähigkeit sind stets zu beachten. Dies gilt
sinngemäß für alle weiteren vorgestellten Verfahren.
41
3.2.3 Advertising Response Modell (ARM)
(1) Das ARM wurde 1997 im Auftrag des Gesamtverbands Werbeagenturen (GWA) von der
GfK entwickelt. Es werden die Aufmerksamkeitsstärke und die Vermittlung von Markenpräferenzen durch TV-Spots in Werbemittel-Pretests erhoben. Damit sollte neben dem Einfluß
des Werbedrucks auch der Einfluß der Werbequalität auf den Marktanteil ermittelt werden. Die
Studie stellt insoweit eine Kombination von Werbewirkungs- und Werbeerfolgsmessung dar.
Untersucht wird die Veränderung des Marktanteils einer Marke in Abhängigkeit vom
Werbedruck, von der Markenpräferenz und von der Promotionsintensität. Als Gegenstand der
Untersuchung wurden 17 bekannte, starke und etablierte Marken aus Produktgruppen wie
Kaffee, alkoholfreie Getränke, Süßwaren, Mundhygiene und Fertiggerichte über einen
Zeitraum von zwei Jahren beobachtet.
(2) Wie bei der Werbewert-Formel wird auch beim ARM die Verallgemeinerungsfähigkeit in
Frage gestellt, da sich das ARM lediglich auf 17 Marken stützt. Zudem sei der Faktor
Werbequalität als solches schwierig zu definieren und nur bedingt meßbar.
3.2.4 STAS-Differential
(1) STAS steht als Abkürzung für „short term advertising strength“. Dieses Meßverfahren
wurde von John Philip Jones 1994 aus den Daten einer A.C. Nielsen Single-Source-Erhebung
entwickelt. Es lagen also Daten zum Kaufverhalten und zur Mediennutzung aus einer identischen Quelle vor. Die Single-Source-Analysemethode wurde bereits 1966 von Colin McDonald
entwickelt, konnte aber wegen technischer Probleme erst 1991 von A.C. Nielsen in den USA
auch in größerem Umfang implementiert werden. Die Single-Source-Forschung ermittelt, welche und wieviel Werbung ein Haushalt empfängt. Diese Werte setzt man zu den Käufen in
Beziehung, die die Haushalte tätigen.
Die Erhebung der Nielsen-Daten erfolgte in 2.000 Haushalten auf wöchentlicher Basis. Die
Nielsen Forscher hatten über einen Zeitraum von einem Jahr in zwölf Konsumgüterkategorien
142 Marken beobachtet.
(2) Das von Jones entwickelte STAS-Differential wird als kurzfristige Werbewirkung interpretiert und berechnet sich aus dem prozentualen Kauf einer Marke von
Haushalten A, die die Werbung empfangen haben (stimulated STAS) im Verhältnis zum Kauf
der Haushalte B, die keine Werbung sahen (baseline STAS). Die Ermittlung der Einkaufsdaten
erfolgt über einen Zeitraum von sieben Tagen. Nachdem Jones 1994 den Erfolg von
Kampagnen in den USA untersucht hatte, führte er in zwei Studien identische Analysen für 35
bzw. 28 Produktkampagnen in Deutschland durch.
An der STAS-Formel wird insbesondere kritisiert, daß sie die Frage offen lasse, inwieweit die
festgestellten kurzfristigen Erfolge auf eine eventuell schon anhaltende langfristige Wirkung
zurückzuführen seien, bzw. wie ein solcher Effekt methodisch ausgeschlossen werden könne.
Ebenfalls würde nicht schlüssig begründet, wieso ausgerechnet ein Zeitraum von sieben Tagen
als Meßzeitraum für kurzfristige Effekte verwendet wird (Media Perspektiven 6/97, S. 331).
42
3.2.5 Nettaps-Modell und Noreen-Verfahren
(1) Als Werbeelastizität bezeichnet man das Verhältnis der relativen Änderung des Umsatzes
zur relativen Änderung des Werbeaufwandes. Die Ermittlung der Werbeelastizität ist in der
Praxis unrealistisch, da alle Größen, die neben den Werbeausgaben einen Einfluß auf das
Ergebnis haben könnten, entweder eliminiert oder konstant gehalten werden müssen. Diese
Praxisferne der Werbeelastizität hat zur Entwicklung des Nettaps- und des Noreen-Modells
geführt.
(2) Nettaps steht für „Net Ad Produced Purchases“, das sind die alleine durch Werbung
generierten Verkäufe. Dieses Verfahren wurde in den 30er Jahren von Daniel Starch entwickelt. Mittels Panelbefragungen wird das Verhalten von Personen mit Werbekontakt im
Vergleich zum Verhalten der Personen ohne Werbekontakt ermittelt. Auf dieser Basis werden
die ausschließlich auf Werbung zurückzuführenden Käufe errechnet.
Am Nettaps-Ve rf a h ren wird insbesondere kritisiert, daß nur derjenige Anteil des
Umsatzeffektes erfaßt wird, der unmittelbar nach deren Verbreitung auftritt. Längerfristige
Umsatzwirkungen bleiben somit von den Erhebungen ausgeschlossen (Pepels, 1996, S. 144).
(3) Das Noreen-Verfahren wurde von der amerikanischen Noreen Company entwickelt. Das
Grundprinzip dieser Methode ist die Isolierung des Faktors Werbeprogramm von allen übrigen, den Umsatzerfolg bestimmenden Faktoren.
Zur Ermittlung des Werbeerfolges werden vier räumlich voneinander getrennte Absatzmärkte
beobachtet, auf denen pro Jahr vier Werbeaktionen durchgeführt werden. Auf jedem dieser
Teilmärkte wird pro Saison nur eines der vier Werbeprogramme angewandt. Die Testdauer
liegt somit bei vier Jahren. Der lange Ermittlungszeitraum zeigt die Praxisferne dieses
Ansatzes. Das Verfahren verlangt, daß ein Unternehmen seine Werbemaßnahmen auf vier
Jahre hinaus festlegt. Anpassungen an die sich gewöhnlich schneller verändernden
Marktbedingungen würden die Ergebnisse wertlos machen. Von der Testanlage her kann das
Noreensche Modell zudem lediglich Durchschnittswerte ermitteln, liefert aber keinerlei
Informationen über exakte Ansatzpunkte zur Verbesserung einer Werbemaßnahme. Es sind
lediglich Aussagen über die relative Beurteilung der vier Werbeaktionen möglich, aber keine
Aussage über deren absolute Erfolgspotentiale.
3.2.6 Panelerhebungen und Testmärkte
(1) Unter Panelerhebungen versteht man Untersuchungen, die bei einem bestimmten gleichbleibenden Kreis von Untersuchungseinheiten in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Die Untersuchungseinheiten sind beispielsweise Personen, Haushalte, Unternehmen
oder Handelsgeschäfte.
In bezug auf die Werbeerfolgskontrolle sind vor allem die Verbraucher-Panels von Bedeutung.
Dabei unterscheidet man zwischen Individualpanel und Haushaltspanel. Individualpanel beziehen sich auf Einzelpersonen, Haushaltspanel dienen zur Beschaffung von haushaltsbezogenen
Daten.
Die in einem Panel erhobenen Informationen variieren stark und betreffen z. B. Packung,
Preis, Einkaufsstätte, Einkaufsanlaß, Anzahl Käufe, Kauffrequenz, Einkaufstage, Angaben über
Mediennutzung und soziodemographische Angaben.
(2) Das Kriterium der gleichbleibenden Untersuchungseinheit kann nicht zu eng ausgelegt
werden, da es bei den Untersuchungsteilnehmern oft zu Ausfällen kommt, die durch
Fluktuation und Panelroutine entstehen. Fluktuationen werden in diesem Kontext als Ausfälle
durch Geburt, Todesfall, Umzüge etc. verursacht. Das Problem der Panelroutine entsteht
43
durch Ermüdung der Versuchsteilnehmer und führt zu einer Verweigerung der weiteren
Teilnahme. Durch diese Ermüdungserscheinungen werden z. B. die Einkaufsberichte nicht
mehr genau und vollständig ausgefüllt, was zu Verzerrungen der Panelresultate führt.
Ein weiteres Problem der Panelerhebung ist der sogenannte Paneleffekt. Dieser bezeichnet die
Veränderung des Kaufverhaltens der Versuchsteilnehmer unter dem Eindruck der
Beobachtung. Diese Verzerrungen entstehen im wesentlichen durch Overreporting und
Underreporting.
Als Overreporting bezeichnet man Angaben über Käufe, die gar nicht getätigt worden sind.
Gründe für Overreporting sind soziale Erwünschtheit solcher Käufe wie zum Beispiel
Hygieneartikel oder auch Prestigegründe.
Als Underreporting bezeichnet man fehlende Angaben über Käufe, die getätigt wurden. Das
Verschweigen solcher Käufe kommt entweder durch einfaches Vergessen zustande oder
durch bewußtes Unterlassen der Angaben, insbesondere wenn es sich um Käufe von
Tabuartikeln handelt.
Panelroutine und Paneleffekte versucht man auf verschiedene Weise zu minimieren, durch
Incentives für die Teilnahme erhöhen und durch den systematischen Austausch der
Teilnehmer. Zudem wird bei den neuen Panelteilnehmern eine Lernphase eingeplant. Erst nach
Ablauf dieser Phase werden die Daten tatsächlich erfaßt. Diese Maßnahmen erhöhen allerdings alle die Kosten der Untersuchung.
(3) Eine besondere Form von Panelerhebungen sind Test- oder Micromärkte , in denen neben
neuen Produkten auch die Wirkung bzw. der Erfolg von Werbemaßnahmen getestet werden
können.
In Deutschland existieren derzeit zwei solcher Testmärkte: der Behavior Scan der GfK in
Haßloch an der Pfalz sowie Telerim von Nielsen in Reutlingen, Kreuznach und Buxtehude. In
beiden Testmärkten wird das kombinierte Mediennutzungs- und Kaufverhalten der Bewohner
ermittelt (Single-Source-Ansatz).
Die Testhaushalte mit Kabelfernsehen erhalten einen Decoderanschluß, der dem entsprechenden Institut direkt und zeitgenau übermittelt, welche Programme und welche Werbung gesehen werden. In die „reguläre“ Werbung der TV-Programme können unbemerkt Testspots plaziert und gezielt an bestimmte Haushalte ausgestrahlt werden. Die Läden der Testgemeinden
sind überdies mit Kassen ausgestattet, die das Kaufverhalten der Teilnehmer registrieren.
Diese verfügen über Identifikationskarten, die an der Kasse vorgewiesen werden. Die Daten
der Kaufakte werden ebenfalls dem jeweiligen Institut übermittelt.
Die Ausstattung der Testmärkte erlaubt vielfältige Untersuchungsansätze. In der Regel fungiert ein Teil der Haushalte als Testteilnehmer, während ein anderer Teil als Kontrollgruppe
dient. Durch den Vergleich des Kaufverhaltens beider Gruppen können z. B. Rückschlüsse auf
den Einfluß der Werbemaßnahmen gezogen werden.
44
4
Zusammenfassende Bewertung
(1) Obwohl in dieser Broschüre das Thema „Werbewirkung“ keinesfalls erschöpfend behandelt wurde, lassen sich doch folgende Feststellungen treffen:
•
Es gibt zwar keine allgemeingültige Theorie und kein Gesamtmodell zur Werbewirkung,
die Entwicklung der Werbewirkungstheorie und -forschung spiegelt jedoch die
Komplexität dieses Themas wider.
•
Die im Laufe der Zeit durch die Forschung als wirkungsrelevant identifizierten
Wirkungsebenen, -indikatoren und -maße sowie die zugehörigen Meßverfahren stehen
nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus.
•
Gleiches gilt für die prinzipiellen Ansätze hinsichtlich der Reizwahrnehmung und -verarbeitung: selbst die scheinbar überkommenen Reiz-Reaktionsvorstellungen aus den
Anfängen der Forschung haben in bestimmten Fällen noch Gültigkeit und werden in neuesten Ansätzen der Forschung wieder berücksichtigt.
•
Als eines der Hauptprobleme der Werbewirkungsforschung muß der auf theoretischer
Ebene weiter fehlende Zusammenhang zwischen dem Ausgangspunkt, also der Werbemaßnahme, und dem Endpunkt, dem Verhalten/Kauf, bezeichnet werden. Zu oft muß hier
unbewiesen unterstellt werden, daß positive Wirkungen auf einer bestimmten Ebene automatisch das erwünschte Verhalten hervorrufen.
•
Auch aus Sicht der Praxis weisen Theorie und Forschung noch erhebliche Wissenslücken
auf. Gerade auf die konkreten Fragen des täglichen Geschäfts (Werbeaufwand?
Mediamix?) lassen sich zwar allgemeine Hinweise (Werbewert), aber kaum markenspezifische Antworten finden.
(2) Die zur Verfügung stehenden Instrumente und Verfahren der Werbewirkungs- und
Werbeerfolgsmessung sind mit Schwächen behaftet. Theoretische und empirische Zweifel
können zwar zur Kenntnis genommen werden, lösen aber das Problem in der Praxis nicht.
Auch wenn es ein wenig befriedigendes Gefühl ist, daß Geld für Meßverfahren ausgegeben
werden muß, die noch nicht optimal sind, muß diese Tatsache in Ermangelung von besseren
Verfahren in Kauf genommen werden.
Solange die Werbewirkungsforschung die vorhandenen Wissenslücken nicht schließen kann,
hat diese Vorgehensweise auch ihre Berechtigung. Die Werbewirkungsforschung scheint insgesamt noch immer erfolgreicher bei der Falsifizierung von bestimmten Modellvorstellungen
denn bei der empirischen Bestätigung aufgestellter Hypothesen.
(3) Theorie und Forschungsergebnisse sind ebenso wie die Meßverfahren noch nicht so
belastbar, wie das vielleicht aus Sicht der Praxis wünschenswert wäre. Eine pauschale
Disqualifizierung aller Möglichkeiten der Werbewirkungsforschung und -messung, die angesichts der offensichtlichen Schwächen immer allzu naheliegt, ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Erforderlich ist eine ausreichende Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen sowie eine sorgfältige Vorgehensweise.
45
Auswahl verwendeter und zitierter Literatur
Bücher/Beiträge
•
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Behrens, Gerold: Werbung, Entscheidung, Erklärung, Gestaltung; München 1996
Bonfadelli, Heinz: Einführung in die Medienwirkungsforschung, Basiskonzepte und theoretische Perspektiven; Zürich 1998
•
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Brosius, Hans-Bernd: Modelle und Ansätze der Medienwirkungsforschung; Bonn 1997
•
•
•
•
Drabczynski, Michael: Kommunikationstheorie und Werbung; München 1998
Burkart, Roland: Kommunikationswissenschaft, Grundlagen und Problemfelder; Wien
1995
Felser , Georg: Werbe-und Konsumentenpsychologie, Stuttgart; 1997
Felser , Peter: Intensität der Werbeforschung großer Werbetreibender; Diss. Zürich 1991.
Koschnick, Wolfgang J.: Standard-Lexikon der Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit, 2 Bände; München 1996
•
•
Mayer , Hans: Werbepsychologie; Stuttgart 1993
•
Pepels, Werner: Lexikon der Marktforschung, Deutscher Taschenbuch Verlag; München
1997
•
•
Pepels, Werner: Werbeeffizienzmessung; Stuttgart 1996
Moser, Klaus: Modelle der Werbewirkung, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 43. Jg., 3/1997, S. 270-284
Schenk, Michael, Fugmann Jürgen, Gralla Susanne: Nutzung und Wirkung der Werbung,
in: Walter Hömberg, u.a.: Medientransformation, zehn Jahre dualer Rundfunk in
Deutschland; Konstanz 1996, S. 389-402
•
Schweiger, Günther, Schrattenecker Gertraud: Werbung; Gustav Fischer Verlag; Stuttgart
1995
•
•
•
Unger, Fritz; Dögel, Urs: Taschenbuch der Werbepraxis; Heidelberg 1995
Wilkens, Rainer: Werbewirkung in der Praxis; Essen 1994
Huth, Rupert, Pflaum, Dieter: Einführung in die Werbelehre, Verlag W. Kohlhammer;
Stuttgart 1991
Zeitschriften/Broschüren
•
Go with the Flow: Die Bedeutung der Emotionen für die Werbewirkungsforschung;
Engel, Dirk; in: Media-Spektrum Januar/Februar 1998
•
Wieviel Werbedruck braucht der Mensch: Welche Paramenter bei der Veranschlagung des
Werbedrucks berücksichtigt werden sollten; Koschnick, Wolfgang J.; in: Media Trend
Journal 1 / 2 1998
•
Werbewirkungsforschung: die Hälfte vergessen! Koschnick, Wolfgang J., in: Media Trend
Journal 11/97
•
Kampagnenerfolgen auf der Spur: SAT.1 entwickelt TV-Werbewirkungsstudie AdTrend
Kaufbereitschaft steigt auch in hohen Kontaktklassen stetig weiter an, in: Horizont
11.9.1997
•
•
•
Aktuelle Ansätze und Probleme der Werbeforschung; Gleich, Uli, in: Media Perspektiven, 6/97
•
•
•
Go with the Flow gibt neue Denkanstöße; Hofsaess, Michael; in: Horizont, 22.5.1997
Aktuelle Verfahren der Werbeforschung: Die Morphologische Scheren-Analyse; Melchers
Christoph B., Kretz, Klaus, Rudolf, Jeanette; in: Praxis und Analyse 4/97
Mehr als reine Nasenzählerei; Münzer, Barbara; in: W&V 4/97
Eiskalte Werbung, die ins Auge springt, in: Horizont, 27.3.97
Die Psychologie der Werbewirkung; Grünewald, Stephan / Szymkowiak, Frank; in: Praxis
und Analyse 2/97
•
•
Werbewirkung: Messen Sie doch, was Sie wollen, in: Praxis und Analyse, 2/97
•
Wissen wir wirklich, wie Werbung wirkt? Ein Plädoyer für die Eröffnung eines Dialogs;
Schuetzendorf, Robert; in: Praxis und Analyse 29.7.1996
•
„Active Processing“ - der wirksame Kern der Werbeawareness; Juchems, Arthur; in:
Praxis und Analyse 29.7.1996
•
STAS - Werbewirkung oder was?; Graf, Christine; Wildner, Raimund; in: Praxis und
Analyse 29.6.1996
•
•
Auf die Dosis kommt es an; Stanko, Michael K., in: Tele Images 3/95
Werbewirkung ist nachweisbar: Der Einsatz von Single-Source-Forschung zur Messung
der Werbewirksamkeit; Jones, John Philipp; in: Praxis und Analyse 29.7.1996
Werbeinstrumente und Werbewirkungen (I); Dr. Müller, Wolfgang / Weber Regina; in:
WISU 11/94
•
Werbeinstrumente und Werbewirkungen (II); Dr. Müller, Wolfgang / Weber Regina; in:
WISU 12/94
•
ARD-Forschungsdienst: Gestaltungsmerkmale von Werbung und ihre Wirkung auf
Konsumenten; Gleich, Uli; Media Perspektiven 2/94
•
Bringt mehr Werbung mehr Umsatz? Ökonomische Werbewirkungsmessung mit GfKBehaviorScan; Graf, Christine / Litzenroth, Heinrich; in: Media Perspektiven 11-12/93
47
48
•
ARD-Forschungsdienst: Methoden der Werbewirkungsforschung; Gleich, Uli / Groebel,
Jo; in: Media Perspektiven 6/93
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Im Fokus der Forschung, Research als Kundenservice, in: Edition IP
Informationsbroschüre EMNID: EFFIPUB
Informationsbroschüre GfK: AD*VANTAGE/ACT
Informationsbroschüre GfK: AD*VANTAGE/PRINT
Informationsbroschüre GfK: GfK-Werbeindikator/ATS*
Informationsbroschüre Infratest Burke: AD-VISOR l
Informationsbroschüre Infratest Burke: AD-VISOR ll
Morphologische Werbewirkungsforschung: Ein Beitrag zur Diskussion über Werbewirkung und Werbewirkungsforschung; Kretz, Klaus: BVM-Vortrag
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