Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte V o t en des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht nach § 53 AMG 58. Sitzung, 16.01.2007 zu Positionen, deren Änderung abgestimmt wurde. 5. Podophyllum-peltatum radix et rhizoma und deren Zubereitungen Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses: Der Sachverständigen-Ausschuss empfiehlt, Podophyllum-peltatum radix et rhizoma und deren Zubereitungen, die nach den Herstellungsvorschriften 25 und 26 des HAB hergestellt sind von der Verschreibungspflicht nach § 48 AMG freizustellen Begründung: Hauptkomponenten von Podophyllum peltatum sind Lignane vom Aryltetralin-Typ, u.a. α-Peltatin (10%), β-Peltatin (5%) und Podophyllotoxin (20%). Podophyllotoxin wirkt durch Hemmung der Tubulinaggregation zytostatisch. Da Nebenwirkungen vergleichsweise häufig auftreten, werden die Naturprodukte als Zytostatika nicht mehr eingesetzt. Podophyllotoxin wirkt u.a. stark schleimhautreizend und per os abführend. Außerdem wirkt Podophyllotoxin virustatisch gegen Papillomviren. Da in spagyrischen Urtinkturen von Podophyllum peltatum mittels GC-MS keine Podophyllum-Bestandteile mehr nachweisbar sind, können spagyrische Zubereitungen von Podophyllum peltatum von der Verschreibungspflicht freigestellt werden. 6. Aprotinin Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses: Der Sachverständigen-Ausschuss empfiehlt, Aprotinin der Verschreibungspflicht nach § 48 AMG zu unterstellen. Begründung: Aprotinin, ein aus Rinderlungen gewonnenes Polypeptid, inaktiviert durch reversible Komplexbildung Serin-Proteasen wie Plasmin, Trypsin, Plasmaund Gewebekallikrein (Proteinaseninhibitor). Aprotinin kann aufgrund seiner Polypeptidstruktur nur parenteral verabreicht werden. Die Anwendung von Aprotinin erfolgt systemisch als Infusionslösung oder lokal als Zusatz in Fibrinklebern. In Deutschland ist Aprotinin zur Verminderung des perioperativen Blutverlustes bei aortokoronarer Bypassoperation mit extrakorporaler Zirkulation zugelassen (systemische Anwendung). Indikationen für Fibrinkleber mit Aprotininzusatz sind Blutstillung, Gewebeklebung und Unterstützung der Wundheilung. Fibrinkleber sind in Deutschland der Verschreibungspflicht unterstellt. Besondere Vorsicht ist bei Re-Expositionen insbesondere innerhalb von 6 Monaten geboten, da bei ca. 5% der re-exponierten Patienten anaphylaktische Reaktionen auftreten. Wegen eines erhöhten Risikos für Bypass-Verschlüsse muss eine adäquate Antikoagulation durchgeführt werden. Indikationsstellung und Nebenwirkungspotential erfordern die Anwendung durch den Arzt. 7. Weibliche Geschlechtshormone Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses: Der Sachverständigen-Ausschuss empfiehlt, die Position Weibliche Geschlechtshormone Follikelhormon, Corpus luteum-Hormon, Pflanzenstoffe sowie synthetische und halbsynthetische Stoffe mit den Wirkungen der weiblichen Geschlechtshormone, z.B. Abkömmlinge des Östrans und des Stilbens, ferner Bis(4-hydroxy-phenyl)hexen, sowie Zubereitungen, die die genannten Stoffe enthalten aufzulösen und zu ersetzen durch Aufnahme der nachfolgend genannten Stoffe (siehe Tabelle 1) Begründung: 1968 wurde die Position „Weibliche Geschlechtshormone“ aus der Polizeiverordnung der Bundesländer in die erste Verordnung zur Verschreibungspflicht übernommen und ist seither unverändert. Wichtiges Ziel der Überarbeitung der o.g. Position ist die Eindeutigkeit für den Anwender (u.a. Apotheker, Ärzte, Behörde, pharmazeutische Unternehmer). Die größte Eindeutigkeit bietet die konkrete Benennung einzelner Stoffe. Dadurch entfällt die „Interpretation“ einer Sammelformulierung oder die Notwendigkeit eines weiteren Rechercheschrittes für den Anwender, um beispielsweise festzustellen, welche Stoffe einer bestimmten chemischen oder therapeutischen Klasse zuzuordnen sind. Weiterhin bietet dieser Ansatz den Vorteil, dass neu zugelassene Stoffe „automatisch“ der Liste hinzugefügt werden. Die Überarbeitung einer Formulierung für eine Sammelposition, um zukünftigen neuen Erkenntnissen Rechnung zu tragen, wäre nicht notwendig. Die Aufnahme der in der Tabelle 1 genannten Stoffe führt zur rechtsneutralen Umstellung auf Einzelpositionen, d.h. die bisherige Verkaufsabgrenzung wird beibehalten. Tabelle 2 enthält alle Stoffe, die in der Vergangenheit als Einzelpositionen in die AmVV aufgenommen wurden, obwohl sie de facto unter die bisherige Sammelposition fielen. Diese Positionen bleiben erhalten. Stoffe zur Anwendung bei Tieren wurden bei allen Recherchen berücksichtigt, sie sind in beiden Tabellen enthalten. 8. Gonadotropine Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses: Der Sachverständigen-Ausschuss empfiehlt, die Position Gonadotropine zu streichen und durch die Nennung der entsprechenden Einzelstoffe ( siehe Tabelle) zu ersetzen. Begründung: Im Rahmen der Überprüfung der Position zu weiblichen „Geschlechtshormonen“ fiel auf, dass in der AmVV-Liste sowohl der Oberbegriff „Gonadotropine“ im Sinne einer Sammelposition als auch einzelne Wirkstoffe, die den Gonadotropinen zugeordnet werden, aufgeführt sind. Es gibt nur die drei Hormone FSH, LH und HCG, die unter den Oberbegriff „Gonadotropine“ fallen. Für diese drei Wirkstoffe werden verschiedene Synonyme verwendet. Ergänzt werden müssen die Positionen Follitropin, Lutropin, Choriogonadotropin und Gonadotropin (humanes und Pferdeserum), während die für rekombinant hergestelltes FSH, LH und HCG stehenden Bezeichnungen bereits in der Liste enthalten sind Der Vorteil in der Auflösung der Sammelposition Gonadotropine liegt darin, dass alle Gonadotropine aufgeführt werden, die unter die Verschreibungspflicht fallen. Dadurch besteht keine Unklarheit, um welche Gonadotropine es sich handelt. 10. Epidermis vom Schwein als Hautverband Der Sachverständigen-Ausschuss empfiehlt, die Position Epidermis vom Schwein als Hautverband aus der Verschreibungspflicht-Verordnung zu streichen. Begründung: Epidermisschicht der Haut vom Schwein – zur Anwendung als biologischer Verband ist gemäß § 3 Ziffer 1 MPG als Medizinprodukt eingestuft. In der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Medizinprodukten (MPVerschrV, s. Anlage) ist in § 1 Absatz 1 geregelt, welche Medizinprodukte der Verschreibungspflicht unterliegen; gemäß Ziffer 1 dieses Absatzes sind Medizinprodukte, die in der Anlage 1 zur MPVerschrV aufgeführt sind, verschreibungspflichtig. Epidermisschicht der Haut vom Schwein – zur Anwendung als biologischer Verband – ist unter Position 2 dieser Anlage aufgeführt. 11. Praziquantel - zur Anwendung bei Zierfischen - Der Sachverständigen-Ausschuss empfiehlt, die Position Praziquantel - zur Anwendung bei Zierfischen von der Verschreibungspflicht freizustellen. Begründung: Bei dem Stoff Praziquantel handelt es sich um ein Anthelmintikum. Ein seit 2004 vertriebenes Präparat wurde unter der Annahme seiner Freiverkäuflichkeit nach § 4 der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel in Verbindung mit § 60 AMG in den Handel gebracht. Da Arzneimittel nach § 60 AMG für spezielle Tierarten generell ohne behördliche Prüfung in Verkehr gelangen, liegen Studien über Wirksamkeit, Sicherheit und auch über pharmazeutische Qualität nicht vor. Desgleichen fehlen Daten über die Resistenzsituation und über ökologische Auswirkungen bei der Anwendung in Freilandteichen. In den letzten Jahren ist es laut den Abgabezahlen zu mindestens 20 000 Behandlungen mit diesem Präparat bei Zierfischen gekommen. UAW-Meldungen liegen nicht vor, erfahrungsgemäß werden bei freiverkäuflichen Präparaten keine Nebenwirkungen gemeldet. Entsprechend den vorliegenden Daten ist zweifelhaft, ob die angegebene Dosierung klinische Effekte erzielt. Bei der angegebenen Dosierung kommt es zwar zu einer Reduktion der Wurmbürde, eine Eradikation wird aber nicht erzielt, so dass regelmäßige Folgebehandlungen nötig sind. Ein prophylaktischer Effekt, wie er als Anwendungsgebiet in Anspruch genommen wird, ist für diese Substanz nicht bekannt. Dagegen erhöht die unterdosierte Behandlung das Risiko der Resistenzbildung. In der Literatur werden gleichzeitig erfolgende Maßnahmen der Hygiene und der Verbesserung der Haltungsbedingungen als wesentliche Voraussetzung einer erfolgreichen Behandlung beschrieben. Hinweise dazu finden sich in der Gebrauchsinformation nicht. Dennoch empfiehlt der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht die Freistellung von Praziquantel zur Anwendung bei Zierfischen aus der Verschreibungspflicht.