Organische Quecksilberverbindungen

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Schwermetalle in der Umwelt
•
Durch die zivilisatorischen Tätigkeiten sind die geochemischen Kreisläufe einer
Anzahl metallischer Elemente beschleunigt
•
natürlichen Flüsse: durch Verwitterung der Gesteine, vulkanische Emissionen,
Verbreitung natürlicher Aerosole aus Böden und Meerwasser
•
Die anthropogenen Flüsse übersteigen oft die natürlichen Flüsse. Die Gewässer sind
dadurch besonders betroffen
•
Anthropogene Quellen für Schwermetalle sind z.B. Erzgewinnung,
metallverarbeitende Industrien, Verbrennung fossiler Brennstoffe, Zementproduktion
•
Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe werden z.B. die Flüsse von As, Cd, Se,
Hg, Zn in die Atmosphäre stark erhöht. Dadurch werden auch die Konzentrationen
dieser Elemente im Wasser und in den Böden erhöht.
Bleibelastung durch Autoabgase in den 1970er
Jahren
Bleitetraethyl
Quelle: General
Chemistry,
Petrucci et al.,
Pearson, 2010
Minamata Krankheit
1956-1970
Quelle: Japanisches
Umweltministerium,
2012
•
Minamata Disease, was first discovered in 1956,
around Minamata Bay in Kumamoto Prefecture.
•
Since the discovery of the disease, investigation of
the cause has been made, and finally in 1968, the
government announced its opinion that Minamata
Disease was caused by the consumption of fish
and shellfish contaminated by methylmercury
compound discharged from a chemical plant
(Chisso Co., Ltd).
•
Japanisches Umweltminsterium, 2012
•
Beginning in the Taisho period (1912-1926), pollution of the ocean
by the wastewater from the Chisso factory occasionally became a
problem.
•
However, from 1932 to 1968 the company continued to use
inorganic mercury as a catalyst in producing acetaldehyde, which
was used to produce acetic acid and vinyl chloride.
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Methyl mercury, a by-product of the production process, was
discharged virtually untreated into the sea until 1966.
•
Even after Chisso knew its factory wastewater was the cause of
Minamata disease, it did not suspend operations.
•
12,617 people have been officially recognized as patients affected
by mercury
•
http://www.soshisha.org/english/10tishiki_e/10chisiki_3_e.pdf
Schwermetall-Entgiftungsstrategien der
Organismen
•
•
•
Enzymatische Umwandlungen von toxischen zu weniger toxischen oder
flüchtigen Spezies:
Hg2+→Hg0
As(OH)3→(CH3)3As+-CH2COO- “Arsenobetain“
•
Spezielle Membranen können den Durchtritt von Metallionen in besonders
gefährdete Bereiche wie Gehirn, Fetus verhindern
•
Hochmolekulare Verbindungen wie z. B. die Metallthionein-Proteine (=kleine
Proteine mit hohem Cysteinanteil von 20-30%) können toxische
Metallionen binden und damit aus dem Verkehr ziehen
Speziierung der Schwermetalle in der Umwelt
•
Gelöst oder an feste bzw. kolloidale Phasen gebunden
•
Komplexbildung mit verschiedenen Liganden in Lösung
•
Verschiedene Redoxzustände
•
Metallorganische Verbindungen
•
Das Schicksal von Schwermetallen in den Gewässern hängt von der
Speziierung ab (z.B. Transport in die Sedimente, Mobilisierung aus
Sedimenten, Infiltration ins Grundwasser, Anreicherung in
Organismen)
•
Die Toxizität ist stark von der jeweiligen chemischen Spezies
abhängig.
Hg als umweltrelevantes Schwermetall
4x10-5 Massen% Hg in der Erdkruste
Hg22+ ↔Hg0 + Hg2+
sehr schwerlösliche Minerale: Hg2Cl2 und HgS
HSAB-Prinzip → Thiophilie des Quecksilbers: Starke
Wechselwirkung mit schwefelhaltigen Liganden
z.B. Thiole = „Mercaptane“ = Quecksilberfänger
Quecksilberdampfdruck in Abhängigkeit von der Temperatur
Metallisches
Quecksilber ist
gegenüber
Luftsauerstoff bei
Raumtemperatur
kinetisch stabil:
keine Oxidhaut
Bei 20°C im Gleichgewicht 13,6 mg/m3 Hg in der Luft
MAK-Wert: 0,1 mg/m3
Chronische Quecksilbervergiftung z.B. durch
Einatmen von Quecksilberdämpfen oder Stäuben
•
Durchblutungsstörungen
•
Beeinträchtigung der Koordination z.B. beim
Schreiben
•
Erregbarkeit “Mad Hatter Syndrom“ der
verwendenden Hutmacher im 18. und 19. Jh (vgl.
Lewis Carrol‘s Alice im Wunderland)
Hg ( NO2 ) 2  2H 2O
•
Gedächtnisverlust
•
Bei extrem hoher Belastung: Lähmung, Taubheit,
Blindheit, Tod
The United States public Health
Service banned the use of mercury in
the felt industry in December 1941.
The levels of exposure were 0.7 mg
per cubic meter of air.
Quecksilberverbindungen haben nur mit sehr harten
Basen wie Fluorid und Nitrat den Charakter von
Ionenkristallen.
In anderen Fällen besitzen die Bindungen des
Quecksilbers einen ungewöhnlich hohen kovalenten
Anteil → geringe elektrische Leitfähigkeit der wässrigen
Lösungen, gute Löslichkeit auch in organischen
Lösungsmitteln, z.B. Löslichkeit von HgCl2:
Quelle: Heiko Potgeter
Quecksilber(II)verbindungen bilden mit vielen in
Gewässern vorkommenden Anionen stabile
Komplexe, dadurch kann die Wasserlöslichkeit stark
erhöht werden.
mit Halogenidionen: HgX3-, HgX42- (vor allem im
Meerwasser)
Ungewöhnlich stabile Komplexe mit Huminstoffen
(„gelöste“ kolloidale Phase in Fließgewässern, Seen,
Grundwasser)
HS entstehen vor allem aus pflanzlichem Material
wie Lignocellulose
Partikelgrößenverteilung von Huminstoff-Kolloiden
Huminstoffe: ubiquitär in aquatischen Systemen,
binden Schwermetalle
Funktionen:
1. Entgiftung
2. Transport
Bindungsform: Chelatkomplexe
Huminstoffe können bei pH≤3
Fe(III) zu Fe(II) reduzieren
/Anthrahydrochinon
D. Kleinhempel: Theory of the condition of humic
substances, Abrecht-Thaer-Archiv 1970, 14(1), 3-14
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Organische Quecksilberverbindungen
•Wichtig ist ausschließlich die Oxidationsstufe +II
•Monoorganyle RHgX, Diorganyle R2Hg
•linear gebaut
•Kovalente Bindung Hg-C
•relativ geringe Bindungsenergien 50 – 200 kJ/mol
•kann leicht homolytisch unter Bildung von Radikalen
gespalten werden (thermische oder photolytische
Zersetzung)
•Lebensdauer in der Atmosphäre nur wenige Stunden
Synthesechemie: die einfach durchzuführende homolytische
Spaltung der Hg-C Bindung wird für die Bildung von Radikalen
ausgenutzt.
In der Umwelt ist die Hg-C Bindung gegenüber Wasser und Luft
weitgehend inert (aus kinetischen Gründen)
Charakteristische Abbaureaktionen in der Umwelt:
Acidolyse: RHgX + HA → RH + AHgX
Reduktion: RHgX + 2 H2O + 2 e- → RH + HX + 2 OH- + Hg0
Homolyse: R2Hg → 2 R· + Hg0
Gefährlichkeit des Dimethylquecksilber
Karen Wetterhahn (1948-1997) war Chemikerin und Professorin in
New Hampshire. Sie beschäftigte sich mit der Toxizität von
Schwermetallen.
1996 wenig beachteter Unfall im Labor: verschüttetes
Dimethylquecksilber drang durch ihre Latexhandschuhe und kam auf
ihre Haut. Sie wusch sich einfach nur die Hände und wurde nicht
weiter untersucht/behandelt.
Mehrere Monate später wurde sie plötzlich krank. Sie erinnerte sich an
den Vorfall mit dem Dimethylquecksilber, und wurde untersucht. Die
Quecksilberkonzentration in ihrem Blut betrug das Achtzigfache des
toxischen Schwellenwerts. Trotz sofort begonnener Therapie mit
Dimercaptopropansulfonsäure starb sie an der Quecksilbervergiftung.
Aufgrund dieses Ereignisses wurden die Verwendung von
Dimethylquecksilber als Standard in der NMR-Spektroskopie
eingestellt.
Die Bildung des Methylquecksilbers in der
Umwelt
• kann auf biotischem als auch auf abiotischem
Weg erfolgen,
• wobei die biochemische Quecksilbermethylierung
durch Mikroorganismen verursacht wird
•Eine wichtige Bakteriengruppe für die
Quecksilbermethylierung sind Sulfat-reduzierende
Bakterien in Sedimenten
Methylcobalamin
Die Methylierung des
Quecksilbers erfolgt mit Hilfe
von Methylcobalamin.
Wird ausschließlich von
Mikroorganismen
synthetisiert. Besitzt ein
Corrin-Ringsystem.
Im Fall des
Methylcobalamins
(MeCoB12) ist das Kobaltion
mit einer Methylgruppe
substituiert. Diese
Methylgruppe kann als
Carbanion (CH3-) auf
Quecksilber(II) übertragen
werden. Beim Übergang der
Methylgruppe wird die
Oxidationsstufe des
Quecksilbers nicht
verändert.
Entstehung von Dimethylquecksilber bei der Zersetzung
von Monomethylquecksilber in Anwesenheit von H2S
(H2S wird durch die mikrobielle Sulfatreduktion in
reduzierenden Sedimenten gebildet):
2 CH3Hg+ + S2- → CH3Hg-S-HgCH3 → (CH3)2Hg + HgS
Methylquecksilber in Gewässern: Photolytischer
Abbau durch Sonnenlicht
•
Die Demethylierung von Methylquecksilber in Gewässern
erfolgt biologisch oder durch UV Licht (Wellenlänge <400
nm)
•
Der photolytische Prozess ist dominant
•
Der Abbau durch Sonnenlicht in Süßwasserseen erfolgt
relativ rasch,
•
jedoch wesentlich langsamer in marinen Gewässern!
•
Die Abbaurate hängt vom Liganden ab: CH3Hg-ThiolKomplexe mit Huminstoffen werden rasch abgebaut, da im
Zuge photochemischer Prozesse Singulett-Sauerstoff
entsteht
•
Bei hohen Chloridkonzentzrationen (wie im Meerwasser)
liegt Methylquecksilber als Chloridkomplex vor, der nur sehr
langsam abgebaut wird
(Lit.: Tong Zhang und Heileen Hsu-Kim, Nature Geoscience 3, 2010)
Eigenschaft
Hg0
Wasserlöslichkeit
g/L bei 25°C
6·10-5
5
Dampfdruck
Pa bei 25°C
0,25
1,76
CH3HgCl (CH3)2Hg
HgCl2
Hg2Cl2
HgS
3
73
4·10-4
1,9·10-24
8300
0,016
1,3·10-8
nicht
messbar
Cinnabar on Dolomite
http://de.wikipedia.org/wiki/Cinnabarit
Quelle: Heiko Potgeter
Verwendung von Quecksilber, Beispiele:
•Chloralkalielektrolyse –Amalgamverfahren (Hg-Kathoden). Wird
zunehmend ersetzt (Diaphramaverfahren)
•Dentaltechnik für Zahnplomben (Amalgam), wird zunehmend
ersetzt.
•Goldgewinnung durch Amalgamierung des Erzes, auch heute noch
im Amazonasgebiet, sehr problematisch.
•Batterien, Schaltelemente, Meßtechnik (Thermometer), in
Hochvakuumpumpen (Diffusionspumpen), wird zunehmend ersetzt,
in der EU in Batterien heute verboten.
•Organische Quecksilberverbindungen wurden als Saatbeizmittel
und Fungizide in der Landwirtschaft eingesetzt (ab 1984 verboten).
Dabei kam es im Irak 1971–1972 zu Massenvergiftungen infolge der
irrtümlichen Verwendung von Saatgut zum Brotbacken.
•Quecksilberorganische Verbindungen werden noch immer im
medizinischen und kosmetischen Bereich verwendet.
•In Energiesparlampen
•Die Quecksilber-Fördermenge betrug zwischen 1900 und 1940
jährlich ca. 4 000 t und stieg 1973 bis auf 10 000 t an. Heute beträgt
sie weltweit 4 000-6 000 Tonnen/Jahr. Zudem werden jährlich bis zu
3 000 Tonnen bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt.
Aufnahme mit der Nahrung:
gelangt vor allem beim Verzehr von Pilzen, Fischen und
Meerestieren über organische Quecksilberverbindungen in
den Körper.
Mit der Magensäure entsteht aus CH3Hg+ das wenig
dissoziierte CH3HgCl Molekül, das wegen seiner
Fettlöslichkeit gut resorbierbar ist
Grenzwerte
• Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat
eine „vorläufig duldbare wöchentliche
Aufnahmemenge“ für Methylquecksilber von 1,6
μg/kg Körpergewicht festgelegt,
• ein Erwachsener mit 70 kg Körpergewicht kann
von Fisch mit einem Quecksilbergehalt am
gesetzlich festgelegten Grenzwert von 1 mg/kg
fettreichem Fisch nur 112 g pro Woche essen,
um die wöchentlich tolerierbare Dosis von 1,6
μg/kg Körpergewicht nicht zu überschreiten.
Toxische Wirkung
Anorganische Hg-Verbindungen:
Giftigkeit hängt von der Wasserlöslichkeit der
jeweiligen Verbindung ab.
Hg2+ ist bei pH 7 in Wasser leicht löslich und
bildet mit den in Körperflüssigkeiten häufiger
vorkommenden Anionen keine unlöslichen
Verbindungen.
Hg2+ tritt mit den Thiol- und Disulfideinheiten der
Proteine in Wechselwirkung , blockiert aktive
Zentren, verändert Strukturen von Enzymen.
Körpereigene Entgiftung durch Binden an
Metallthioneine: Proteine, Molekulargewicht ca.
6500 g/mol, 35% Cystein-Anteil.
Organische Quecksilberverbindungen
Größte toxische Wirkung wegen des ambivalent
lipophilen/hydrophilen Charakters
Resorptionsrate bei oraler Aufnahme bis 95%
Am giftigsten ist Methylquecksilber(II) wegen der
(kinetisch) stabilen Hg-C Bindung
Weniger stabile quecksilberorganische Verbindungen
werden im Körper zu anorganischem Quecksilber
metabolisiert und wirken daher eher wie dieses
Wegen seines lipophilen/hydrophilen Charakters ist
Methylquecksilber(II)chlorid in der Lage, biologische
Membranen zu durchdringen und sogar die Blut-HirnSchranke und Plazenta-Membran zu überwinden.
Chronische Quecksilbervergiftung durch
Methylquecksilber
•
Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen,
Zahnfleischentzündungen, Zahnlockerung, vermehrter
Speichelfluss, Durchfälle und Nierenentzündungen
•
Schädigung des Nervensystems wie Muskelzuckungen,
Stimmungsschwankungen, Erregungs- und Angstzustände,
•
Hör-, Seh- , Gefühls-, Sprach- und Gangstörungen, bei
extrem hohen Belastungen Tod.
•
Methylquecksilber kann sowohl die Blut-Hirnschranke als
auch die Plazentaschranke überwinden.
•
Die Anreicherung im Gehirn kann auch schon bei relativ
geringen Belastungen zu geistigen Störungen und
Entwicklungshemmungen bei Kindern führen.
Mutagene Wirkung durch die
Bindung von CH3Hg+ an Nukleobasen,
z.B. 8-Aza-modifiziertes Adenin:
Quelle: Kaim/Schwederski
Wirkungsweise von Methylquecksilber im menschlichen Körper
Bioakkumulation und Biomagnifikation von Quecksilber
Bioakkumulation =
Anreicherung von Toxinen gegenüber
dem Medium (Wasser).
Biomagnifikation =
Anreicherung von Toxinen mit
steigendem trophischem Niveau,
z.B. lipophile
Organometallverbindungen, die sich der
Exkretion über Metallthioneine
entziehen.
Quecksilber in Fischen
(Fluss Thaya)
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