Gluck – Orfeo ed Euridice

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Repertorium zur Vorlesung
Musikgeschichte von der frühen Neuzeit
bis zur Aufklärung
Oper und Oratorium
von
ca. 1600 bis 1800
Opernkritik und
Opernreform
Christoph Willibald Gluck
Opernkritik und Opernreform
Die gängige musikwissenschaftliche
Forschung verbindet die Opernreform
mit der Uraufführung der
Azione teatrale Orfeo ed Euridice
von Chr. W. Gluck und Raniero
Calzabigi am 5. Oktober 1762 im
Theater bei der Hofburg in Wien.
Opernkritik und Opernreform
Allerdings stellt Glucks / Calzabigis
Orfeo keineswegs ein Werk von
singulärem Zuschnitt dar, sondern
muss im Kontext vergleichbarer Werke
eingeordnet werden.
Bereits in den 1750er Jahren lässt
Friedrich d. Große am Berliner Hof
seinen Kapellmeister C. H. Graun ital.
Bearbeitungen französischer Libretti
vertonen.
Opernkritik und Opernreform
Als Grundlage dienen Tragödien von
Corneille, Racine und Voltaire. Das
permanente Alternieren von Rezitativ
und Arie wird durch den intensiven
Einsatz von Duetten und Terzetten
aufgebrochen.
1750/51 werden mit Fetonte und
Armida gar zwei Tragédies lyriques
von Quinault vertont.
Opernkritik und Opernreform
Von 1754 bis 1768 komponiert zudem
Niccolò Jommelli am Stuttgarter Hof
Opern, die sich vom metastasianischen
Operntyp stark absetzen und im
Gegenzug der Tragédie lyrique
merklich annähern.
Dies gilt v.a. für Jommellis zweiten,
1768 aufgeführten Fetonte.
Opernkritik und Opernreform
Durch die politische und militärische
Allianz der Habsburger mit Frankreich
(1756) stand Wien ohnehin kulturell
unter französischem Einfluss.
Bereits 1761 – ein Jahr vor Glucks
Orfeo – wurde zum Geburtstag
Erzherzogin Isabella die Azione teatrale
Armida nach dem Libretto von Philippe
Quinault uraufgeführt. Die Vertonung
stammte von Tommaso Traetta (17271779).
Opernkritik und Opernreform
Glucks Orfeo kann damit nicht als
singuläres neues Opernmodell
betrachtet werden, sondern findet sich
bereits in einem breiteren Kontext von
Werken, die sich von der
metastasianischen Oper abwenden
oder diese zumindest modifizieren.
Opernkritik und Opernreform
Die Azione teatrale setzt sich deutlich von
der Opera seria ab. Merkmale sind:
- Allegorische oder moralische Stoffe
- Figuren aus der Mythologie
- Obligate Verwendung des Chors
- Einheitliche Handlung
- Keine Nebenhandlungen, keine
Nebenfiguren
- Sprache am pastoralen Charakter
orientiert
Opernkritik und Opernreform
- Die Arien sind keine Abgangsarien
- Arien sind daher flexibel einsetzbar
- Arien gehen teilweise in Ariosi über
oder werden mit Chören gekoppelt
- Die Recitativi accompagnati werden
auch für Dialoge verwendet
- Die Orchesterbegleitung ist in der
Regel illustrativer, nicht dramatischer
Natur
Opernkritik und Opernreform
Glucks Orfeo, der in der Partitur als
„Azione teatrale“ bezeichnet wurde,
fügt sich in dieses Schema ein.
Neu ist eher die Ästhetik – der Einsatz
des Orchesters auch für dramatische
Zwecke – und die Teilung in drei Akte
anstatt der in der „Azione teatrale“
üblichen zwei.
Christoph
Willibald
Gluck (1775)
Christoph Willibald Gluck
- geb. 2. Juli 1714 in Erasberg
(Oberpfalz)
- gest. 15. November 1787 in Wien
- Ab 1731 in Prag, Studium der Logik
Mathematik
- Dann in Italien
- Ausbildung von Sammartini
- Erste Opern in den 1740er Jahren
(Artaserse 26. Dez. 1741 in Mailand)
Christoph Willibald Gluck
-
1747-1752 Wanderjahre durch Europa
Dann in Wien, fest ab 1755
1762 Orfeo
1767 Alceste
Ab 1774 in Paris
1774 Iphigénie en Aulide, Orphée
1776 Alceste
1777 Armide
1779 Iphigénie en Tauride
Christoph Willibald Gluck
Orfeo ed Euridice
Gluck – Orfeo ed Euridice
Akt I Am Grab Euridikes
Trauerchor, Rec.+Arie d. Orpheus
Amor ermutigt Orpheus und stellt die
Bedingung zur Rettung Euridikes
Akt II In der Unterwelt
Furientanz, Orpheus‘ Besänftigungsarie
Reigen der Seligen, Orph. erhält Euridike
Akt III Auf dem Weg
Eur. zweifelt an Orph. Liebe, er dreht sich
um und verliert sie. Arie „Che faro“. Amor
greift als „deus ex machina“ ein und
Orpheus erhält Euridike zurück. Ballett,
Vaudeville
Christoph Willibald Gluck
Orfeo ed Euridice
Akt 1
Gluck – Orfeo ed Euridice
Akt I
- Die Handlung der Oper ist
dramaturgisch konzentriert: Der Tod
Euridices wird bereits vorausgesetzt
- Der Akt kann daher mit einem
Trauerchor aus Hirten und Nymphen
eröffnet werden, in den Orpheus‘ Klage
integriert wird
- Auch die weitere Handlung des Aktes
wird auf das Wesentliche konzentriert:
Gluck – Orfeo ed Euridice
- Orpheus schickt die Freunde weg, er
will alleine trauern
- Orpheus entschließt sich, in die
Unterwelt hinabzusteigen, um Euridike
wieder zurück zu holen
- Amor erscheint und bestärkt ihn in
seinem Vorhaben
- Er nennt zugleich die Bedingung:
Orpheus darf sich nicht umdrehen und
Euridike ansehen
Gluck – Orfeo ed Euridice
Die musikalische Umsetzung ist schlicht:
Trauerchor
- c-Moll
- Halbetakt
- Schwerer, jambischer Rhythmus
- Bläser aus Zink, 3 Posaunen als
typische Instrumentierung einer
Begräbnismusik
- Streicher
Gluck – Orfeo ed Euridice
-
Einfache i,V,iv-Harmonik
Großteils ganztaktig wechselnd
Mittelteil in g, Es; T. 48 wieder c-Moll
Doch keine reine ABA-Form
Den Lamento-Aspekt bringt der 6-4Vorhalt zur Geltung (T. 4 u.ö.)
- Chor homophon, syllabisch
- Orpheus singt seine Klagerufe in den
Chor hinein
Gluck – Orfeo ed Euridice
Orpheus‘ Arie „Chiamo il mio ben cosi“
- Der Text jeder Strophe besteht aus sechs
Versen
- Reimform aab ccb
- Der abschließende b-Reim ist als pianoEndung, a und c als tronco-Endung
ausgeführt
- Damit sind die Verhältnisse umgekehrt,
was als Hinweis auf die ausweglose
Situation von Orpheus verstanden
werden kann
Gluck – Orfeo ed Euridice
- Einfache Anlage:
-
abcc efgg g = 3+3+3+4 3+3+5 4
Einfache harmonische Anlage
Keine Ritornelle
Singstimme syllabisch
Die Tronco-Schlüsse werden durch
die überleitenden 8tel des
Generalbasses „überspielt“
Gluck – Orfeo ed Euridice
- Liedhafter Melodiebau
- Hoher Anteil an Sekundschritten
- Sextsprung als größtes Intervall nur
einmal T. 167f
- Anstatt Euridice antwortet das
Chalumeaux als Echo
- Die einzelnen Strophen sind gleich
vertont
- Sie werden nur durch Rezitative
unterbrochen
Orfeo ed Euridice
Akt 2
Gluck – Orfeo ed Euridice
Einleitung + Furientanz
- Hörner anstatt der Posaunen, die
bereits im Eingangschor Verwendung
fanden
- Als dramatische Elemente verwendet
der Furientanz in erster Linie:
Unisono des Chores
Sextolen-Tremolo der Streicher
c-Moll
Marcato
Gluck – Orfeo ed Euridice
- Die Furien singen keine Melodie im
eigentl. Sinne, sondern weitgehend
(bisweilen ausgefüllte) Terzschritte
-> Geister können nicht singen
- Auch der Ballo ist Großteils im Unisono
in Oktaven gebaut
- Im Folgenden lebt die Szene vor allem
durch den „Dialog“ zwischen Orpheus
und den Furien
Gluck – Orfeo ed Euridice
- Deren Aufgabe besteht zunächst in
radikaler Verweigerung
- Sie schreien Orpheus lediglich ein „No!“
entgegen
- Zweiteiliger Bau: Wiederholung des
Textes, nicht der Gesangsstimme
- In T. 134ff wird die Ablehnung durch die
tonartliche Rückung Orpheus B7 –
Furien vermind. Akkord über h verstärkt
Orfeo ed Euridice
Akt 3
Gluck – Orfeo ed Euridice
Orpheus: „Che farò senza Euridice?“
- C-Dur: Eher ungewöhnlich für einen
Klagegesang
- Das Stück ist eine Parodie =
Übernahme aus einer älteren Oper
- Einfacher Bau:
Rit – A – B1 – A – B2 – A+Erw – Rit
6 T. 10 13 10 8
10+2
6
C
C G-> C c-G C
C
Gluck – Orfeo ed Euridice
- Tendenziell liedhafter, syllabischer Bau
der Melodie
- Keine Melismen
- Einfache Begleitstruktur im Orchester
- Knappes Ritornell, nur am Beginn und
Ende der Arie
-> Keine Zwischenspiele
Gluck – Orfeo ed Euridice
Den Abschluss der Oper bildet nach
dem Ballo ein Vaudeville. Ein
Vaudeville besteht aus einer
Solistenstrophe, auf die jeweils
derselbe Chorrefrain folgt.
Im Orfeo treten alle drei Solisten auf:
Orpheus, Euridice und Amor.
La Révolution opérée dans
la Musique par
M. le Chevalier Gluck
Gluck in Paris
- in Frankreich bzw. Paris herrscht in den
Jahren um 1770 ein Streit zwischen
den Anhängern der franz. und der ital.
Oper.
- Rousseau hält zwar die ital. Libretti für
ungenügend, doch könne man in der
franz. Sprache gar nicht singen
- 1772 schlagen der franz. Botschafter in
Wien Du Roullet und Gluck dem
Direktor der Pariser Oper eine neue
Oper vor
Gluck in Paris
- Gluck trifft am 17. Januar 1774 in Paris
ein und wird am Hof empfangen
- 19. April 1774: UA der Iphigénie en
Aulide
- Nach anfänglicher Zurückhaltung wurde
die Tragédie lyrique ein großer Erfolg
- 2. August 1774 UA der französ. Fassung
des Orpheus Orphée et Euridice
- Die Oper wurde ein großer Erfolg
- Sehr positive Reaktion von Rousseau
Gluck – Orphée et Eurydice
Die ital. Fassung wurde für Paris
erweitert:
Akt I + Ariette „L‘espoir renaît dans mon
âme“ am Aktende
Akt II + Air des Furies Ende Szene 1 +
Erweiterung des Reigens
Akt III + Terzett zwischen Orph., Eur. Und
Amour + Ballet général am Ende der
Oper
Orpheus wird von einem Tenor gesungen
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