Cyto-Info 4-2007 für CD

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Repetitorium
10. Einführung in die Virologie – H. Flenker
“Auch mit einem kleinen Beil kann man große Bäume
fällen”, diese chinesische Weisheit beschreibt treffend unser Thema. Viren sind nur wenige nm groß Epithelzellen sind 1000fach größer - und doch haben
sie nachhaltig die Geschichte der Menschheit beeinflusst, z. B. durch Virusepidemien mit ihren oft katastrophalen Auswirkungen. Die aktuelle Grundlagenforschung in Biologie und Medizin verdankt der Virologie
entscheidende Impulse.
Definition und Aufbau eines Virus
Viren sind - ohne ihren Wirtsorganismus - leblose, infektiöse Partikel, es sind 20 nm (Parvoviren) bis 300
nm (Pockenviren) große Makromoleküle ohne Zellorganellen. Viren infizieren Bakterien, Pflanzen und Tiere1, 3.
Sie bestehen lediglich aus Genom und dem ProteinKapsid. Einige Viren sind zusätzlich von einer Hülle (Envelope) umgeben, sie ähnelt biochemisch den Membranen der Zelle (Abb. 1). Viren sind intrazelluläre
Parasiten, Stoffwechsel und Replikation übernimmt
die infizierte Zelle.
Virusfamilien
Die Einteilung der Viren in Familien erfolgt nach dem
Vorhandensein oder Fehlen einer Hülle und dem Aufbau ihres Genoms3. RNA Viren haben gewöhnlich ein
Einzelstrang-Genom, DNA Viren ein Doppelstrang-Genom (Tab. 1). Aber auch Doppelstrang-RNA bzw. Einzelstrang-DNA finden sich bei Viren; sie spielen in unseren Breiten für die Humanmedizin keine Rolle. Die
Subklassifikation erfolgt nach der unterschiedlichen
Basensequenz des Genoms.
Erkrankungen
Familie
Genom*
Virushülle
des Menschen
Picornaviren
RNA bis
nein
Poliomyelitis Hepatitis A
8.000 bp
Flaviviren
RNA
ja
10.000 bp
Paramyxoviren
RNA bis
Rhinitis (Schnupfen)
Hepatitis C - Frühsommer- Meningoen-
ja
zephalitis
Mumps - Masern
ja
AIDS -
20.000 bp
Retroviren
RNA bis
T-Zellen-Leukämie
12.000 bp
Hepadnaviren
DNA
ja
Hepatitis B (und
Papillomaviren
3.000 bp
DNA
nein
Leberzellkarzinom)
Hautwarzen - CIN,
VIN etc. (und anoge-
8.000 bp
nitale Karzinome)
Herpesviren
DNA bis
250.000 bp
ja
Herpes simplex Cytomegalie, infektiöse Mononukleose
Windpocken und
Gürtelrose
* DNA Genom = Doppelstrang, RNA Genom = Einzelstrang, bp = Basenpaare
Abb. 1: Virus in schematischer Darstellung; li: Virus mit Genom und Protein-Kapsid;
re: Virus mit äußerer Phospholipid-Hülle und Molekülen für zelluläre Membranrezeptoren
Viren und Gentechnologie
Bereits 1960 war bekannt, dass Bakterien durch (virale) Bakteriophagen infiziert werden. Den Befall wehren
die Bakterien mit Restriktionsendonukleasen ab. Diese
Enzyme sind die Grundlage unserer gentechnologischen Verfahren1.
Folgen der Virusinfektion
Wirtszelle und Organe werden durch die Virusinfektion
unterschiedlich geschädigt:
a. die Zellen werden lytisch zerstört z. B. bei Hepatitis
A, B oder C
b. die Zellen überleben, sie sind dann chronisch infiziert z. B. bei Herpes simplex oder Papillom Viren
c. Zellen werden immortalisiert, d. h. die Apoptose
wird unterbunden; dies kann der erste Schritt zur
malignen Transformation sein1, 3.
Virusinfektion der Zelle
Die Infektion der Zelle verläuft - trotz Unterschieden im
Detail - in vergleichbaren Phasen1, 3 :
a. Adsorption: Viren binden an Membranrezeptoren der
Zelle. Die Rezeptoren sind offenbar für die normalen Zellfunktionen erforderlich, besitzen aber zugleich eine besondere Affinität zu Virusproteinen.
Zellspezifische Adhäsionsmoleküle bestimmen das
Wirtsspektrum eines Virus
b. Penetration: Viren penetrieren die Zellmembran
oder werden endozytotisch aufgenommen
c. Uncoating: virales Genom und Strukturproteine des
Kapsids werden getrennt
d. Genomreplikation: die infizierte Zelle repliziert zunächst das virale Genom
e. virale Genexpression: die Zelle synthetisiert virale
Enzyme und Strukturproteine
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Aus Cyto-Info 4/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V
Tab. 1: Beispiele für Virusfamilien und Erkrankungen des Menschen
f. Aufbau kompletter, nun wieder infektiöser Viren und
Freisetzung über die Zellmembran oder durch Zellzerfall (Lyse)
Aus Cyto-Info 4/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V
Viren können mit dem Blutstrom zirkulieren (virämische Phase) und weitere Zellen oder Organsysteme infizieren (z. B. Hepatitis, HIV), oder sie bleiben lokal ohne Virämie auf eine Region begrenzt (z.B. HPV). Die
Phase der Infektion und Replikation wird als produktiver Infektionszyklus bezeichnet. Bisweilen kann ein
Virus nicht alle Teilschritte durchlaufen, die Zelle ist
dann zwar infiziert, bildet aber keine infektiösen Partikel (nicht-produktiver oder abortiver Infektionszyklus).
Einige Viren weisen einen wiederkehrenden Wechsel
im Infektionszyklus auf, die latente Virusinfektion wie
z. B. bei Herpesviren.
Körpereigene Abwehrreaktionen
Neben den unspezifischen Abwehrmechanismen (Fieber, Phagozytose durch Granulozyten oder Monozyten)
sind Interferone wichtig: in der Frühphase der Infektion
interagierende Proteine, sie unterbinden im Infektionszyklus die Transkription des viralen Genoms oder die
Expression viral codierter Proteine, sie modifizieren exprimierte Proteine und hemmen die Neubildung infektiöser Viren. Interferone werden heute gentechnisch
hergestellt. Ihre praktische Anwendung ist durch teils
erhebliche Nebenwirkungen jedoch eingeschränkt1.
Antigene Areale in Hülle oder Kapsid aktivieren das Immunsystem. Lymphozyten reagieren nach dem Antigenkontakt dann spezifisch gegen die von ihnen als
fremd erkannte Struktur. B-Lymphozyten sezernieren
als Plasmazellen spezifische, zirkulierende Antikörper.
Die Antigen-Antikörper Reaktion inaktiviert Viren und
verhindert die Infektion (vorwiegend wirksam bei virämischer Infektion). T-Lymphozyten hingegen agieren
zytotoxisch, sie greifen auf zellulärer Ebene bereits infizierte Zellen an. Die Zelle wird durch Apoptose eliminiert (vorwiegend wirksam bei nicht virämischer Infektion, auch gegen die Oberflächenstruktur z. B. einer
Tumorzelle).
Die Impfung ist bei zahlreichen Virusinfektionen erfolgreich. Mögliche Mutationen stehen dem Erfolg entgegen. Insbesondere RNA Viren haben eine hohe Mutationsrate, die Proteine in Kapsid oder Hülle sind damit
ungewöhnlich variabel1, 3. Impfungen gegen HIV oder
gegen Rhinoviren dürften schwierig herzustellen sein.
Transformation der Zelle und Tumorbildung
In der Regel leiten nicht-produktive Infektionen - d. h.
latente und persistierende Verläufe - die maligne Zelltransformation ein. DNA Viren werden häufig in das
zelluläre Genom integriert, von der Zelle exprimierte virale Regulationsproteine können dann mit zellulären
Tumorsuppressor-Proteinen (p53, RB u. a.) interagieren2,3. Die Zelle wird zunächst immortalisiert, d. h. die
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physiologische Apoptose ist unterbunden: bei HPV Infektionen ist die Zellzahl stark vermehrt, es bilden sich
Warzen (Haut) oder Condylome. Weitere Co-Faktoren
können dann im Verlaufe von mehreren Zellgenerationen - nach mehr als 10 - 15 Jahren - die Zelle maligne
transformieren. Beispiele für tumortransformierende
Viren in der Humanmedizin : Hepatitis B (-> Leberzellkarzinom), infektiöse Mononukleose (-> nasopharyngeales Karzinom, Burkitt Lymphom) und HPV (-> Karzinome der anogenitalen Schleimhäute). 15 - 20% aller
humanen Karzinomfälle dürften durch Viren ausgelöst
sein. Durch RNA Viren hervorgerufene Malignome insbes. Leukosen - sind bei Vögeln und Säugern weit
verbreitet.
Zytopathologie
Spezifische Zellveränderungen bei Virusinfektionen
sind für zahlreiche Organerkrankungen beschrieben2.
Typisch sind Mehrkernigkeit z. B. bei HPV (Abb. 2),
HSV und Masern und nukleäre Einschlüsse (Milchglaskerne) z. B. bei Cytomegalie oder Herpes (Abb. 3).
Abb. 2: HPV Infektion mit mehrkernigen Koilozyten
Abb. 3: Herpes Infektion mit sog. "Milchglaszellen"
Literatur :
1. DOERFLER W: Viren. Fischer TB, Frankfurt M., 2002
2. KOSS LG, MELAMED MR: Koss´ diagnostic cytology. 5th ed., Lippincott Williams &
Wilkins, Philadelphia 2006
3. MODROW S, FALKE D, TRUYEN U, : Molekulare Virologie. 2. Aufl., Spektrum Gustav
Fischer, Heidelberg 2003
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