Entstehung des Sonnensystems (Kosmogonie)

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Entstehung des Sonnensystems (Kosmogonie)
Zu erklärende Fakten:
• Planetenbahnen fast koplanar, in einer Ebene mit Sonnenäquator
• Umlaufbahnen fast kreisförmig
• Alle Planeten bewegen sich gegen den Uhrzeigersinn
• Rotation ebenfalls gegen Uhrzeigersinn (außer Venus und Uranus)
• Drehimpuls: Planeten: 98% Sonne: 2%
• Masse:
Planeten: 1,5% Sonne: 97,5%
• Zweiteilung: terrestrische Planeten und Gasriesen
n
• [Titius-Bode-Reihe für Bahnradien in AU an=0.4+0.3·2 (n = -∞,0,1,2,...)
wohl Zufall, keine physikalische Bedeutung]
Karl Schwarzschild (1873-1916)
„Die Kosmogonie ist nämlich von jeher
der Tummelplatz von Menschen
gewesen, die zwar phantasiebegabt
sind, denen aber die wissenschaftliche
Bildung gänzlich mangelt, und die aus
diesem Grunde nicht beurteilen
können, ob ihre Ideen mit den
Gesetzen der Mechanik und den
Beobachtungstatsachen
übereinstimmen.“
Modellvorstellung (erste gute Idee: Kant 1755 Nebelhypothese)
Sonne und Planeten sind vor ca. 4,6 Mrd. Jahren gleichzeitig entstanden bei:
• Kollaps einer interstellaren Gaswolke, Rotation → protoplanetare Scheibe
• Im Zentrum entsteht Protosonne
• Magnetfelder: führen Drehimpuls in Scheibe nach außen
• In der Scheibe: Kondensation von Staub, dabei chemische
Differenzierung nach Kondensationstemperatur; Scheibe in Sonnennähe
(Merkurbahn) heiß (1500 K), in Sonnenferne (Neptunbahn) kalt (50 K)
• Bildung von Planetesimalen (etwa Asteroidengröße)
• Zusammenballung zu Protoplaneten
• Protojupiter verhindert Entstehung eines „Asteroidenplaneten“
• Sonnenwind und Sonnenstrahlung „fegen“ Restgas und –staub weg
Künstlerische Darstellung einer
protoplanetaren Scheibe
Simulation zur Planetenentstehung
(W.Kley, Computational Physics, Tübingen)
Stern- und Planetenentstehung
• Kontraktionsphase bis zum „fertigen“ Stern (Zünden der Kernfusion) stark
massenabhängig: bis zu 100 Mio. Jahren (Details zur Sternentstehung
später im Laufe der Vorlesung)
• Aber: Stern leuchtet schon vorher (Freisetzung von Gravitationsenergie),
sog. Protostern
• Beobachtung von Protosternen und ganz jungen Sternen gelingt
manchmal im Infrarot- und Röntgenlicht
Optisch
Infrarot
Beobachtung eines Sternentstehungsgebiets mit Hubble
Optische Kamera
Infrarotkamera
Institut für Astronomie und Astrophysik, Universität Tübingen
23. Okt. 2007
Der kosmische Materiekreislauf
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Sternentstehung in der Molekülwolke M16 (Adlernebel)
versteckte
Protosterne
• Weiterer Materieeinfall aus dem Gasnebel Richtung Protostern
• Wegen Drehimpuls: Materie sammelt sich in einer Akkretionsscheibe an:
protoplanetare Scheibe
• Materie „spiralt“ im Laufe der Zeit auf den Protostern
• Ein Teil der Materie wird jedoch in Form schneller Jets wieder
fortgeschleudert
Zum Vergleich: Sonnensystem ca. 80 AU
Institut für Astronomie und Astrophysik, Universität Tübingen
23. Okt. 2007
Der kosmische Materiekreislauf
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Nov. 2008: Entdeckung eines Planeten um β Pictoris
ESO
Planetenentstehung (künstlerische Darstellung)
Lebensdauer der protoplanetaren Scheibe etwa 1 Mio. Jahre (Evaporation
durch Zentralstern). Planetenbildung muss also schnell ablaufen.
Jet von einem jungen Stern (Herbig-Haro-Objekt)
ca. 200 km/s
HH30, Jet-Bewegung 1995-2000
Jets von 3 jungen Sternen
(Balkenlänge = 1000 AU)
Jet-Bündelung vermutlich durch Magnetfelder in Akkretionsscheibe
Jet
Magnet-Feldlinien
Protostern
Akkretionsscheibe
Extrasolare Planeten (Exoplaneten)
Bisher fast nur große Gasplaneten nachgewiesen. Notwendige Definition zur
Unterscheidung von Planeten von Braunen Zwergen und Sternen:
Planet: M < 13 MJup
evtl. Energiefreisetzung durch Gravitationskontraktion. Jupiter als
Referenz-Gasplanet: 0.001 Mʘ, 0.1 Rʘ, 2·10-9 Lʘ
Brauner Zwerg: 13—80 MJup
Energieerzeugung durch Deuterium-Fusion 2D(p,γ)3He
typische Zustandsgrößen: 0.1 Rʘ, 6·10-6 Lʘ
Stern: M > 80 MJup (entspr. 0.08 Mʘ)
Energieerzeugung durch Fusionsprozesse (H-, He-, C-, … Fusion)
Nebenbei: Mit Sternentstehung bei gravitativem Kollaps einer Gaswolke
entstehen auch einzeln stehende Objekte mit Planetenmassen (free
floating planets), also nicht in Umlauf um einen Stern (seit 2000
nachgewiesen)
Bis heute (Mai 2010): 453 Planeten entdeckt
Vier Suchmethoden:
1. Direkte Abbildung
Problem: Planet sehr (!) lichtschwach im Vergleich zum Zentralgestirn;
kleiner Winkelabstand. Beispiel: Unser Planetensystem aus 20 Lj.
Entfernung betrachtet: Winkelabstand Jupiter und Erde von Sonne beträgt
0.9 bzw. 0.2 ".
Große Entdeckungswahrscheinlichkeit: massereiche (d.h. große und
helle) Gasplaneten um leuchtschwache (d.h. massearme) Sterne. Suche
im IR-Spektralbereich (Leuchtkraftverhältnis Stern:Planet kleiner als im
optischen)
Infrarot-Imaging → bisher 3 Planeten (-systeme) detektiert (2009)
Simulation
Fomalhaut b, 3MJ
(erste optische Detektion)
HR 8799 (IR-Detektion)
3 Planeten, 7-10 MJ, 24-68 AU
2007: Entdeckung von Planeten um einen weißen Zwerg und einen
subdwarf B Stern (weit entwickeltes Objekt) durch timing der
Zentralsternpulsationen:
Die Periode der Helligkeitsvariation dient als hochpräzise Standarduhr. Uhr
geht vor bzw. nach, wenn sich der Zentralstern auf uns zu bzw. von uns weg
bewegt.
Indirekte Suchmethoden:
2. Beobachtung der Bewegung des Sterns um gemeinsamen Schwerpunkt
des Systems Stern & Planet. Im Prinzip zwei Möglichkeiten:
i) astrometrisch (Positionsmessung), bisher noch keine Neuentdeckung
ii) Radialgeschwindigkeitsmessungen, bisher erfolgreichste Methode
iii) Timing, falls Stern eine präzise „Uhr“ ist (Sternpulsation, -rotation [Pulsar])
Probleme:
i) Messung sehr kleiner Winkelbewegungen. Beispiel: Jupiter & Sonne,
gem. Schwerpunkt etwa an Sonnenoberfläche; aus 10pc Entfernung „von
oben“ betrachtet: Sonne beschreibt Kreisbahn mit Ø 10-3 ". Erde & Sonne:
ca. 10-6 "!! (< H-Atom auf Armlänge Entfernung)
Technisch machbar: 50·10-6 " von der Erde aus
10-6 " Interferometer im All
ii) sehr kleine Dopplerverschiebungen der Spektrallinien.
Beispiel Jupiter & Sonne: Sonne kreist um gem. Schwerpunkt mit 13 m/s
→ ∆λ/λ = v/c = 4·10-8 → ∆λ ≈ 3·10-4 Å im optischen Bereich
Erde & Sonne: 9 cm/s
Auswahleffekt: vorwiegend Entdeckung von massereichen Gasplaneten in
relativ enger Umlaufbahn (sog. hot jupiters)
Grundsätzliches Problem: Bahninklination i unbekannt. Deshalb: Nur
untere Massengrenze bestimmbar: M·sin i
edge-on Systeme (i=90º) identifizierbar: eindeutige Massenbestimmung
1995: erste Endeckung eines extrasolaren Planeten; Stern: 51 Pegasi
(Mayor, Queloz)
Nebenbei: schon vorher (1992,1993) waren Planeten um zwei
Neutronensterne (Pulsare) gefunden worden (durch timing, also
Beobachtung der Änderung der Pulsarperioden). Aber: Planeten
wahrscheinlich erst nach Supernovaexplosion aus fallback-Material
entstanden
Radialgeschwindigkeitsmethode
Messung der Radialgeschwindigkeitskurve gibt:
Amplitude K
Periode P
Bahnexzentrizität e (aus Abweichung von Sinusform)
Sternmasse Mstar (aus Spektraltyp)
Daraus folgen:
Abstand a vom Stern (aus 3. Keplergesetz)
Masse des Planeten MP (nur Minimum, da Inklination i unbekannt):
MPsini = MstarK (P/2πGMstar)1/3
Indirekte Suchmethoden:
3. Planetentransit
Venustransit
Idee: bei edge-on Systemen kommt es zu Planetentransits vor
Zentralgestirn, analog zu Merkur- und Venustransits im Sonnensystem →
Abnahme der Sternhelligkeit. Beispiel Jupiter/Sonne: 1%
Helligkeitsabnahme. Systematische Suchprogramme: „Überwachung“
von großen Sternfeldern.
Vorteil: direkte Massen- und Radiusbestimmung möglich (aus
Radialgeschwindigkeits- bzw. Lichtkurve)
1999: erstmalige Beobachtung eines extrasolaren Planetentransits
Stern: HD 209458, sonnenähnlich (Spektraltyp G0V). Planet schon
vorher entdeckt durch Radialgeschwindigkeitsmethode.
Umlaufzeit 3.52 Tage, Masse 0.63 MJup, Radius 1.42 RJup
→ ρ=0.27 g/cm3 → Gasplanet
Indirekte Suchmethoden:
4. Gravitations-Mikrolinseneffekt
Idee: (Fast) über Sichtlinie Erde-Stern bewegt sich zufällig ein Stern mit
Planet. Ablenkung und Verstärkung des Lichts des Hintergrundsterns
durch vorüber ziehendes Planetensystem
Nachteil: einmaliges Ereignis, keine Nachbeobachtung des detektierten
Planetensystems möglich
Vorteil: leicht zu detektieren (Überwachung großer Sternfelder), viele
Ereignisse durch zukünftige Projekte zu erwarten, wichtig für statistische
Aussagen über extrasolare Planetensysteme
Institut für Astronomie und Astrophysik, Universität Tübingen
06. Dez. 2006
Mars
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• z.T. hohe Bahnexzentrizitäten. Enge
Orbits zirkularisiert
• Bisher meist massereiche Gasplaneten
gefunden (wenige terrestrische Planeten).
Massenverteilung nimmt zu großen
Massen hin ab. Kleinere Massen bei
kleinen Abständen
• Vorkommen von Planeten eng korreliert
mit Metallizität des Zentralgestirns.
• Anteil der Sterne mit Planetensystemen
etwa 5-7%
Vergleich einiger extrasolarer Planetensysteme mit Sonnensystem
Suche nach „zweiter Erde“, terrestrischem Planeten (feste Oberfläche) in
habitabler Zone
2006: Entdeckung von Gliese 581c (3. Planet um Gliese 581), etwa 5
Erdmassen (bisher masseärmster Exoplanet), Umlaufzeit 13 Tage,
Abstand 1/14 AU, leuchtschwacher Stern (roter Zwerg), 1/50 Lʘ,
Oberflächentemperatur evtl. um 0 ºC.
Extrasolare Planeten: Ausblick
Seit 2009: NASA Mission Kepler. 1.4m Teleskop. Ziel: Auffinden terrestrischer
Planeten in habitablen Zonen (Transitmethode). Überwachung von
100.000 Hauptreihensternen bis 14 mag. Messgenauigkeit Lichtkurve
0.002% (vgl.: 1% nötig für jupitergroßen Planeten).
20?? Terrestrial Planet Finder (TPF, NASA). Formationsflug von vier 3.5mTeleskopen. Bilden Interferometer mit 1 km Basislänge → „Nullen“ der
Zentralgestirnstrahlung. Ziel: Suche nach terrestrischen Planeten und
Spektroskopie → chem. Zusammensetzung der Planetenatmosphären
(Leben möglich?) NASA homepage: „Launch deferred indefinitely“
Kepler
TPF
IR-Spektren von Planetenatmosphären: Venus, Erde, Mars
DARWIN (2015?): ESA Projekt; mehrere
3-4 m Teleskope im Formationsflug. In
Planung, nicht endgültig beschlossen
Habitable Zonen
Frage: in welchem Abstand vom Zentralgestirn muss ein Planet stehen, damit
sich auf ihm Leben entwickeln kann? Welche Zentralgestirne kommen
überhaupt in Frage?
Sonnensystem: Venus und Mars zu nah an bzw. zu fern von der Sonne.
Habitable Zone offenbar sehr schmal: Voraussetzung für Bildung von
Leben ist flüssiges Wasser.
Andere Sterne: Nur sonnenähnliche Sterne (also mit etwa gleicher Masse)
kommen in Frage:
Masseärmere (=kühlere) Sterne: zu hohe UV- und Röntgenaktivität (flares)
Massereichere (=heißere) Sterne: zu kurze Lebensdauer. Erste Lebensformen
auf der Erde erst nach >1 Mrd. Jahre
Weitere Einschränkungen: Erdmond stabilisiert Rotationsachse der Erde,
ansonsten: zu starke Klimaschwankungen. Mond erzeugt Ebbe und Flut:
beste Voraussetzungen für Entstehung und Entwicklung von Leben
Offensichtlich: Die Erde ist womöglich ein seltener, vielleicht einzigartiger
Planet im Universum. Antwort auf Frage: „Gibt es eine zweite Erde mit
Leben?“ sehr umstritten.
Auf jeden Fall: Kontaktaufnahme praktisch unmöglich: große Entfernungen;
Lebensdauer einer technischen Zivilisation?
Nov. 2007: Entdeckung des 5. Planeten um 55 Cancri A, bisher das
komplexeste extrasolare Planetensystem. Inklination gut bekannt, da Planet
d mit HST astrometrisch gefunden wurde. Vermutlich alle Planetenbahnen
koplanar und fast kreisförmig (sonst instabil).
Umlaufzeiten:
Bahnradien:
Massen:
2.8 Tage bis 14.7 Jahre
0.04 – 5.77 AU
0.043-4.9 MJup oder 13.5-1556 MErde (alles Gasplaneten)
NASA-Animation: 55 cancri system hires.mov
Zum Vergleich: unser Planetensystem
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