Schlecht heilende Wunden

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Schlecht heilende Wunden
(Sendung im MDR am 27. Mai 2010)
Ein kleiner Schnitt mit dem Küchenmesser, eine Verletzung beim Rasieren, ein abgeschürftes
Knie nach dem Sturz mit dem Fahrrad – eine Wunde hat man sich schnell zugezogen. In der
Regel repariert der Körper solche Defekte schnell und effizient. Mitunter kommt es aber auch
zu Komplikationen. Dann ist ärztlicher Sachverstand gefragt.
Der menschliche Organismus verfügt über einen ausgeklügelten Mechanismus, Wunden zu heilen.
Unmittelbar nach einer Verletzung wird in einer ersten Phase zunächst die Blutung durch Gerinnung
gestoppt und die Lücke im Gewebe durch Wundsekret verschlossen. Danach beseitigen weiße
Blutkörperchen und Fresszellen zerstörtes Gewebe und Keime und bauen die geschädigten Ränder
der Wunde ab. Ab dem dritten Tag nach der Verletzung beginnt der Körper neue Zellen, Blutgefäße
und Bindegewebe aufzubauen. Danach bildet sich neue Haut. Eine Narbe entsteht, die Wunde ist
vollständig verheilt. Doch manchmal versagt dieser Selbstheilungsmechanismus auch.
Chronische Wunden
Ist eine Verletzung nach vier Wochen trotz sachgerechter Behandlung nicht verheilt, sprechen
Mediziner von einer chronischen Wunde. Vier Millionen Deutsche leiden darunter. Vor allem nach
Operationen treten Wundprobleme auf, jede zweite Operationswunde heilt schlecht. Dafür können
mangelnde Sorgfalt des Operateurs oder unzureichende Nachbehandlung verantwortlich sein.
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Die Hauptursache chronischer Wunden liegt jedoch darin, dass der Betroffene an Erkrankungen
leidet, die zu einer Wundheilungsstörung führen. Dazu zählen vor allem:
Durchblutungsstörungen (arterielle Verschlusskrankheit, Abflussstörungen in den Venen)
Stoffwechselerkrankungen (Diabetes)
bösartige Tumore
Immunschwäche und Infektionskrankheiten (HIV, Hepatitis, Röteln, Tuberkulose, Syphilis)
starkes Übergewicht
sogenannte Neuropathien, also Beeinträchtigungen des Nervensystems.
Wie gut eine Wunde heilt, hängt aber auch vom Lebensalter und Allgemeinzustand des Patienten ab.
Eine unzureichende Ernährung mit einem Mangel an Eiweiß, Vitaminen und Spurenelementen kann
für eine Wundheilungsstörung verantwortlich sein. Mitunter sind auch Medikamente (Kortikoide,
Psychopharmaka, Krebsmedikamente) die Auslöser des Problems. Heilt eine Wunde schlecht,
muss immer die zugrunde liegende Ursache oder Erkrankung ermittelt und behandelt werden!
Hartnäckig: das „offene Bein“
Das Unterschenkelgeschwür, im Volksmund auch "offenes Bein" genannt, ist die häufigste und
hartnäckigste Form chronischer Wunden. Ursache ist meistens eine Störung im venösen
Blutzirkulationssystem. Die Beinvenen sorgen für den Rücktransport des sauerstoffarmen Blutes zum
Herzen. Es muss also entgegen der Schwerkraft transportiert werden. Dabei hilft die Muskelpumpe,
vor allem die der Wadenmuskulatur. Außerdem verhindern Klappen in den Venen den Rückfluss des
Blutes.
Bewegungsmangel, langes Stehen und Rauchen beeinträchtigen diesen Mechanismus. Oft liegt auch
eine angeborene Schwäche der Venenwände vor. Es kommt zu Krampfadern, bei denen die
Venenklappen nicht mehr vollständig schließen. Die Folgen sind eine schlechte Durchblutung und
eine Mangelversorgung des Gewebes. Anfangs treten vor allem am Knöchel Gewebsschwellungen,
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Verhärtungen und eine bräunliche Verfärbung der Haut auf. Bei einer weiteren Verschlechterung der
Nährstoffversorgung sterben Hautzellen ab und es kommt zu einem Geschwür. Es ist am Anfang noch
sehr klein, kann aber schnell wachsen und sich auf den gesamten Unterschenkel ausdehnen, was zu
heftigen Schmerzen führt. Infektionen verschlimmern das Problem.
Von einer Selbstbehandlung mit Salben und Tinkturen raten Mediziner ab. Solche Versuche führen
häufig zu Allergien, die eine wirksame Therapie zusätzlich erschweren können. Ein Arzt wird durch
eine gründliche Untersuchung die Ursachen des Unterschenkelgeschwürs ermitteln. Hinter dem
"offenen Bein" kann auch eine arterielle Verschlusskrankheit (Schaufensterkrankheit, Raucherbein)
stecken. Und bei bis zu 15 Prozent der Erkrankungen ist Hautkrebs die eigentliche Ursache.
Der Arzt wird die Wunde reinigen und versuchen, die lokale Sauerstoffversorgung zu verbessern. Bei
einer Venenschwäche ist oft eine konsequente Kompressionstherapie erforderlich. Mitunter ist auch
eine Operation angeraten, um Krampfadern zu beseitigen oder die Wunde durch eine Eigenhauttransplantation abzudecken. Die Behandlung ist oft langwierig. Aber bei konsequenter Therapie heilt
das Unterschenkelgeschwür in 90 Prozent der Fälle aus. Die Rückfallquote ist allerdings hoch.
Vorsicht Mythos!
Vor allem bei älteren Menschen hält sich der alte Glaube, dass der Tod unmittelbar bevorstehe, wenn
ein offenes Bein verheilt ist. Manche Betroffene vermeiden deshalb sogar den Arztbesuch. Bei dem
Mythos handelt es sich aber um einen Irrglauben! Eine erfolgreiche Behandlung verbessert immer
Lebensqualität und Lebenserwartung!
Gefürchtet: diabetischer Fuß
Das diabetische Fußsyndrom ist eine häufige Folge des Diabetes mellitus. Rund 14 Prozent aller
Diabetiker sind wegen Fußproblemen in ärztlicher Behandlung. Der diabetische Fuß ist die häufigste
Ursache für Amputationen. Innerhalb von vier Jahren müssen bei der Hälfte der Betroffenen der
zweite Fuß oder ein Unterschenkel entfernt werden.
Ursache des diabetischen Fußes ist meistens eine Neuropathie. Ein langjähriger hoher Blutzucker
schädigt die Nervenenden, sie werden unempfindlich. Der Betroffene verspürt keine Schmerzen.
Druckstellen und Verletzungen werden nicht oder nicht rechtzeitig wahrgenommen. Dadurch kann sich
auch ein winziger Kratzer nach und nach zu einer großen Wunde entwickeln. Zusätzlich führt die
Zuckerkrankheit zu Durchblutungsstörungen. Die Schädigung der Blutgefäße aber erschwert die
Heilung von Wunden zusätzlich. In vielen Fällen liegt eine Kombination beider Faktoren (Neuropathie,
Durchblutungsstörung) vor. Ein über Jahre schlecht eingestellter Blutzucker verändert außerdem den
gesamten Stoffwechsel, Blutgerinnung und Zellreparaturmechanismen sind gestört. Die durch hohe
Zucker- und Blutfettwerte verhärteten und verengten Arterien stellen ein weiteres Hindernis für die
Wundheilung dar.
Die Therapie gestaltet sich kompliziert und langwierig –Antibiotika und Mittel zur Verbesserung der
Durchblutung. Physiotherapie sowie passende Einlagen oder orthopädische Schuhe tragen ebenfalls
dazu bei, eine Amputation zu verhindern. Grundsätzlich ist eine konsequente Behandlung des
Diabetes mit einer optimalen Einstellung des Blutzuckers, Gewichtsreduktion und
Ernährungsumstellung die unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg. Dadurch kann das diabetische
Fußsyndrom auch ganz vermieden werden. Dazu trägt auch eine intensive Fußpflege bei. In der
Fußambulanz oder der Diabetiker-Schulung lernen Patienten, die Füße täglich gründlich zu
begutachten, zu pflegen und die Nägel richtig zu schneiden.
Problem Druckgeschwür
Das Druckgeschwür (Dekubitus), das sogenannte Wundliegen, stellt ein großes Problem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen dar. Es entsteht dann, wenn ein Patient lange ans Bett gefesselt ist,
etwa nach schweren Operationen und durch Pflegebedürftigkeit im Alter. Hoher, länger anhaltender
Druck des Körpergewichts auf eine bestimmte Körperregion und Reibung behindern die
Sauerstoffversorgung und schädigen somit das Gewebe. Am häufigsten sind Steiß und Fersen
betroffen, also Regionen, an denen die Knochen direkt unter der Haut liegen. Das Druckgeschwür
kann schon nach wenigen Stunden auftreten. Dies ist auch abhängig vom Allgemeinzustand und
Gewicht des Betroffenen. Etwa 14 Prozent aller Krankenhauspatienten entwickeln ein mehr oder
minder schweres Druckgeschwür, bei alten Patienten beträgt der Anteil sogar 30 Prozent.
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Langwierige Therapie
Die Wunde kann oberflächlich sein aber auch bis in den darunterliegenden Knochen reichen. Für den
Betroffenen beginnt eine Zeit des Leidens. Er hat ständig starke Schmerzen, die sich durch Bewegung
noch verschlimmern. Häufige Verbandswechsel sind eine Tortur und auch für die Pflegekräfte eine
Belastung. Dies löst auch psychische Probleme und Depressionen aus. Die Therapie des Dekubitus
dauert oft Monate und erfordert große Sorgfalt und Geduld. Auch nach der Abheilung besteht an der
betreffenden Stelle weiterhin die Gefahr, dass der Dekubitus wieder auftritt.
Vorbeugen statt kurieren
Es kommt also darauf an, ein Druckgeschwür gar nicht erst entstehen zu lassen. Zu einer gezielten
Vorbeugung zählen die Mobilisierung des Patienten, seine richtige Lagerung und eine
Druckentlastung. Der Patient sollte regelmäßig bewegt und dadurch in eine andere Position gebracht
werden. Bei akuter Gefahr darf der Patient nicht länger als zwei Stunden in einer Position liegen oder
sitzen. Schon geringe Schwerpunktverlagerungen haben eine prophylaktische Wirkung. Kissen,
Handtücher oder Decken dienen dabei als Unterstützung, indem sie gefaltet oder gerollt zum Beispiel
unter die Schulter oder das Becken geschoben werden.
Gut geschultes Pflegepersonal kennt verschiedene spezielle Lagerungstechniken (beispielsweise
Mikrolagerung, V-Lagerung, Freilagerung), die je nach Fall eingesetzt werden. Mit modernen
Lagerungssystemen unterstützt die Technik das Pflegepersonal. Dabei handelt es sich um spezielle
Schaumstoffauflagen, Wechseldruckmatratzen oder wassergefüllte Kissen und Schläuche.
Angehörige, die ein bettlägeriges Familienmitglied zu Hause versorgen, sollten sich über die zur
Verfügung stehenden Hilfsmittel am besten bei professionellen Pflegekräften informieren und mit ihrer
Krankenkasse über eine mögliche Kostenübernahme sprechen.
Ausweg Wundbehandlungszentrum
Experten beklagen die starken Qualitätsunterschiede beim Wundmanagement in Deutschland. Die
Behandlung chronischer Wunden ist deshalb so kompliziert, weil mehrere Faktoren für ihre
Entstehung verantwortlich sind. Neben der ursächlichen Grunderkrankung hat sich die Wunde zu
einem eigenen Problem entwickelt. Hinzu kommen Entzündungen, Schmerzen und psychische
Probleme. Eine Wundbehandlung kann daher nur erfolgreich sein, wenn verschiedene Spezialisten
gemeinsam und fachübergreifend für den Patienten da sind.
Deswegen sind in vielen Städten und Kliniken spezielle Behandlungszentren für Patienten mit
schlecht heilenden Wunden entstanden. Dort arbeiten Chirurgen, Gefäßexperten, Diabetologen,
Wundschwestern und Schmerztherapeuten zusammen. Ein Vorteil solcher Zentren besteht darin,
dass sie die Patienten nach standardisierten Leitlinien behandeln, große Erfahrungen mit der
Problematik haben und eng mit den überweisenden Hausärzten zusammenarbeiten. Erstes Ziel der
Ärzte ist es immer, die genaue Ursache der Wunde zu ermitteln. Die Diagnose ist Voraussetzung für
die richtige Versorgung und eine effektive Therapie, die immer individuell auf den Einzelfall
abgestimmt werden muss. Grundlage ist immer auch die Behandlung der Grunderkrankung. Die
Erfahrungen belegen, dass die Zusammenarbeit von Spezialisten im Wundzentrum selbst bei
langwierigen und scheinbar aussichtslosen Fällen helfen und zu einer Heilung beitragen kann. Dies
bedeutet für die Patienten eine höhere Lebensqualität, schnellere Schmerzfreiheit und verbesserte
Mobilität.
Die Diagnose ist Voraussetzung für die richtige Versorgung und eine effektive Therapie, die immer
individuell auf den Einzelfall abgestimmt werden muss.
Moderne Wundauflagen
Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, die jeweils passende Wundauflage zu verwenden. Die
Auswahl hängt vom Ausmaß und Zustand der Wunde ab. Traditionelle Verbandsmaterialien finden
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heute kaum noch Verwendung. Die klassische Mullbinde, direkt auf die Wunde gelegt, saugt sich
rasch mit Blut und Sekret voll und trocknet an. Dies lässt Keime in die Wunde gelangen; außerdem ist
der Verbandswechsel sehr schmerzhaft und führt zu neuen Mikro-Verletzungen.
Moderne Materialien enthalten keine Stoffe, die in die Wunde gelangen können, halten
Mikroorganismen fern, verkleben nicht und sind leicht zu wechseln. Das Wichtigste ist, ein feuchtes
Klima zu schaffen, da darin die Heilung am besten erfolgt. Je nach Heilungsphase und Zustand haben
die Auflagen unterschiedliche Aufgaben. Sie können zum Beispiel die Selbstreinigungsmechanismen
der Wunde unterstützen oder bei Infektionen Sekret und Eiter aufnehmen.
Zunehmend setzen sich auch Behandlungsmaterialien durch, die heilungsfördernde Substanzen
enthalten. Bisher mussten solche Wirkstoffe immer extra aufgetragen werden – zum Beispiel in Form
einer Salbe. Eine Wundauflage, die von den Hohenstein-Instituten in Bönnigheim gemeinsam mit der
Gesellschaft zur Förderung von Medizin-, Bio- und Umwelttechnologien e. V. in Dresden entwickelt
wurde, eröffnet neue Möglichkeiten. Mithilfe der sogenannten Nanosol-Technik werden verschiedene
Wirkstoffe in das textile Material eingebunden und schrittweise an die Wunde abgegeben. Wirkstoffe
können je nach Bedarf Vitaminvorläufer, heilungsfördernde Enzyme oder Antibiotika sein. Die
jeweiligen Substanzen werden durch die Nanosol-Technik nach und nach genau in der erforderlichen
Dosierung abgegeben.
Gefährliche Brandverletzungen
Oberhalb einer Temperatur von 50 Grad wird die Haut geschädigt. Sonne, Hitze, Feuer, elektrischer
Strom, aber auch extreme Kälte können so zu Brandverletzungen führen. Je nach Zustand und Größe
des verletzten Areals werden vier Schweregrade unterschieden. Bei einer leichten Verbrennung ist die
Haut lediglich gerötet. Bei einer schwereren Verbrennung bilden sich Blasen und nässende Stellen.
Eine völlig verbrannte Haut ist lederartig schwarz. In diesem Fall muss der Patient sofort ins
Krankenhaus. Es besteht die Gefahr eines Schocks. Verbrannte Kleidung sollte am Patienten bleiben,
weil eine Entfernung zu weiteren Verletzungen führen kann. Im Krankenhaus erfolgen eine
Schmerzbehandlung und die unverzügliche Flüssigkeitsversorgung. Spezialkliniken, sogenannte
Zentren für Brandschwerverletzte, halten entsprechende Intensivbetten vor und verfügen über
modernste Behandlungsmethoden. Spezialverfahren ermöglichen beispielsweise die Züchtung neuer
Hautzellen.
Die wichtigste Ersthilfe bei allen Brandverletzungen ist die unverzügliche Kühlung mit kaltem Wasser.
Verbrennungen werden mit Salben behandelt, ein Verband schützt vor Infektionen. In schweren Fällen
sind Operationen und Hauttransplantationen erforderlich. Da bei einer Verbrennung das Gewebe
nachhaltig beeinträchtigt wird, können auch solche Verletzungen zu schweren Heilungsproblemen
führen. Daher ist die Vermeidung von Brandunfällen im Alltag sehr wichtig. Im Haushalt, beim Grillen
oder Heimwerken sollten die einschlägigen Sicherheitsregeln befolgt werden. Kinder sind sehr häufig
betroffen – Eltern und Aufsichtspersonen müssen bei ihnen besonders aufmerksam sein!
Gefürchteter Wundstarrkrampf
Verletzungen können zum lebensgefährlichen Wundstarrkrampf führen. Das ist eine schwere
Erkrankung des Nervensystems, die durch das Tetanus-Bakterium ausgelöst wird. Die Muskulatur
erstarrt krampfartig. Der Patient kann nicht mehr sprechen, die Atmung wird gelähmt. Weltweit sterben
rund 50 Prozent der Infizierten. Der Erreger findet sich praktisch überall im Boden und kann selbst
durch minimale Wunden in den Körper geraten. Besondere Vorsicht ist daher bei der Gartenarbeit
geboten, bei der es häufig zu kleinen Verletzungen und Kratzern kommt, die der Betroffene als
harmlos einstuft.
Der einzig sichere Schutz ist die vorbeugende Impfung. Sie wird für Menschen jedes Alters
empfohlen. Die Grundimmunisierung findet normalerweise bei Säuglingen zusammen mit anderen
Standardimpfungen statt. Danach erfolgen mehrere Auffrischungen, Erwachsene sollten sich alle zehn
Jahre erneut impfen lassen. Dann ist der Impfschutz sehr zuverlässig. Für Ungeimpfte, die sich
verletzen, gibt es auch eine passive Impfung mit fertigen Antikörpern. Diese Impfung kann den
Ausbruch von Tetanus verhindern oder aber den Krankheitsverlauf zumindest mildern.
Unser Tipp: Kleine Wunden selbst behandeln
Ist eine Wunde stark verschmutzt oder lässt sich die Blutung nicht stoppen, sollte unverzüglich ein
Arzt aufgesucht werden. Dies gilt auch bei Verletzungen durch Tierbisse (hohe Infektionsgefahr) und
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wenn Fieber oder Schüttelfrost auftreten. Kleine Kratzer, Schnitte oder Stiche kann man dagegen
selbst behandeln. Entfernen Sie Fremdkörper vorsichtig mit einer Pinzette und reinigen Sie
gegebenenfalls nur die Wundränder mit einer antiseptischen Flüssigkeit. Gehen Sie sparsam vor,
denn ein übermäßiger Gebrauch von Jod oder Alkohol verzögert eher die Wundheilung.
Schnellverbände, wie Pflaster oder Kompressen, sollten in jeder Hausapotheke vorhanden sein. Die
Qualitätsunterschiede sind allerdings sehr groß. Billige Produkte halten schlecht oder kleben auf der
Wunde fest, was eher schadet als nutzt. Überlagerte Schnellverbände sollten nicht mehr eingesetzt
werden. Auch Fixierbinden sind von unterschiedlicher Qualität. Empfehlenswert sind selbsthaftende
Produkte, die nicht verrutschen. Kleine, oberflächliche Schürfwunden heilen meistens ohne jegliche
Abdeckung am besten.
Achtung: Noch immer halten sich hartnäckige "Hausrezepte", bei denen Mehl, Öl oder Honig auf die
Wunde aufgetragen werden. Mediziner raten von solchen Praktiken dringend ab!
Tipps von Naturheilärztin Dr. Anke Gronmayer
Mein Rat: Heilen mit Beinwellwurzel
Eine der wichtigsten Substanzen zur Heilung von Wunden ist organisches Allantoin. Es löst
Wundsekrete auf, verflüssigt Eiter und regt zur Gewebsneubildung (Granulation) des Wundgrundes
an. Keine der einheimischen Heilpflanzen enthält soviel Allantoin wie der Beinwell (Symphytum
Officinalis). Die Beinwellwurzel verfügt außerdem über Cholin, welches die Hautgefäße erweitert und
damit für eine bessere Durchblutung der Wundregion sorgt. Daneben enthält die Beinwellwurzel
Gerbstoffe, Flavonoide und Vitamine. Dieser Reichtum an Wirkstoffen ist für die Heilerfolge der
Beinwellwurzel verantwortlich, selbst dann, wenn herkömmliche Therapien versagen, zum Beispiel bei
"offenen Beinen", chronischen Eiterungen und Zellgewebsentzündungen.
Zur Behandlung von schlecht heilenden Wunden kann die Beinwellwurzel verschieden zubereitet
werden. Je nach Einsatzzweck sind ein warmer Breiumschlag, ein alkoholischer Auszug (Tinktur) oder
ein wässriger Auszug möglich. Für einen Breiumschlag benötigt man je nach Wundgröße 2 bis 4
Esslöffel pulverisierte Beinwellwurzel aus der Apotheke (keine Selbstsammlung von Wurzeln wild
wachsender Pflanzen!) und vermengt diese mit kleinen Mengen abgekochtem heißen Wasser bis ein
dickflüssiger Brei entsteht. Dieser Brei wird auf dünne Mullkompressen messerrückendick
aufgetragen, mit einer zweiten Mullkompresse abgedeckt und auf die Wunde so warm wie verträglich
aufgelegt. Nach 2 bis 4 Stunden sollte die Wundauflage entfernt oder erneuert werden. Für einen
alkoholischen Auszug werden ca. 50 g getrocknete und geschnittene Beinwellwurzel mit 250 ml 96prozentiger Alkohollösung übergossen und 3 Wochen bei Zimmertemperatur gut verschlossen aufbewahrt. Nach 3 Wochen wird abgeseiht und mit 250 ml abgekochtem ausgekühltem Wasser vermischt.
Diese Tinktur ist besonders zur Behandlung eitriger Wunden und zur Erstversorgung von
verschmutzten Wunden geeignet, indem eine feuchte Mullkompresse mit der Tinktur beträufelt und
direkt auf die Wunde aufgebracht wird. Für einen wässrigen Auszug benötigt man 50 g
Beinwellwurzel, die in 500 ml Wasser 10 Minuten gekocht werden. Danach abseihen und die so
gewonnene Flüssigkeit für Umschläge und Wickel verwenden.
Achtung: Die Behandlung von offenen Wunden mit Beinwellwurzel sollte nur unter ärztlicher Aufsicht
erfolgen, da Beinwell giftige Substanzen enthält und diese bei innerlicher Aufnahme zu Leberschäden
führen können! Außerdem: keine Anwendung in der Schwangerschaft!
Richtige Wundversorgung
Von Judith Kotra Stand: 02.07.2010 Sendung im BR
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"Lass Luft an die Wunde, dann heilt sie besser!" Diesen Ratschlag hat jeder schon einmal
gehört. Doch er ist falsch, denn Trockenheit ist schlecht für die Heilung. Warum das so ist, und
wie Sie kleine Wunden optimal reinigen und versorgen, erklärt Ihnen Gesundheit!
Sommer, Sonne und leichte Bekleidung. Das Leben spielt sich vor allem im Freien ab. Unsere Haut
aber, unsere wesentliche Barriere gegen Bakterien und Infektionen, ist schutzlos. Und schon passiert
es: ein Sturz beim Radeln, das Messer rutscht ab beim Kochen, eine Verletzung bei der Gartenarbeit.
Wie versorgt man solche Wunden richtig?
Was zu tun ist, hängt zunächst von der Art der Verletzung ab: wie groß und wie tief sie ist und ob sie
stark verschmutzt ist. Die oberflächlichsten Wunden sind Schürfwunden. Die Haut ist zwar abgeledert,
aber sie blutet nicht so stark. Dann gibt es Platz-, Biss- oder Stichwunden sowie Riss- oder Schnittverletzungen, die bis in die Unterhaut, in das Fettgewebe oder noch tiefer reichen können.
Hilfe bei Verbrennungen 1. Grades
Brandwunden teilen Ärzte zum Beispiel in vier Schweregrade ein. Maßstab ist auch da die Tiefe und
das Ausmaß der Verbrennungsfläche. Eine Verbrennung 1. Grades entspricht zum Beispiel einem
Sonnenbrand. Sie heilt ohne weiteren Eingriff nach fünf bis zehn Tagen. Verbrennungen 1. Grades
kann man selbst behandeln. Man kühlt sie mit viel Wasser und verbindet die Verletzung dann. Auf
keinen Fall sollte man "Hausmittel" wie Mehl, Butter, Öl, Kernseife oder Desinfektionsmittel verwenden. Auch Gels, Talgpuder oder Salben sind tabu. Eine solche Behandlung ist nicht nur falsch,
sondern auch schädlich. Eine Hausmittelbehandlung kann die Wundheilung behindern und ist bei
keiner Art von Wunde angebracht.
Erste Hilfe-Kasten immer griffbereit
Zur fachgerechten Wundversorgung - ob daheim oder unterwegs - sollte stets ein Verbandskasten
griffbereit sein. Im Auto ist er Pflicht. Ein Erste Hilfe-Basis-Set in Kleinformat gibt es bereits für knapp
20 Euro, und damit sind nicht nur Familien mit Kindern, sondern auch Sportler und Outdoor-Fans stets
gut versorgt unterwegs. Ein Erste Hilfe-Set kann man sich auch selber zusammenstellen.
In so einem Set sollte enthalten sein:
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Kompressen

Gazeverband

Binden

Pflaster

Feuchtpflaster

Wundgel

Schere
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Pinzette

Einmalhandschuhe
Erste Hilfe im Verletzungsfall
Wunde Stellen sollte man nicht berühren. Verschmutzte Schürfwunden nicht sauber wischen, sondern
- wenn möglich - unter fließendes, kaltes Wasser halten oder mit kaltem Wasser übergießen. Hilfreich
ist eine Pinzette. Ist kein Desinfektionsmittel zur Hand, reicht ein Feuerzeug, um die Pinzette zu
sterilisieren. So können kleine Steinchen oder größere Schmutzpartikel problemlos entfernt werden.
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Zitat
Dr. med. Johannes Rubenbauer, Klinikum Bogenhausen:
"Dass trockene Wunden besser verheilen, ist ein Aberglaube. Das Beste ist feucht, aber nicht zu
nass. Zu nasse Wunden quellen auf und fördern das Infektionsrisiko."
Reichlich Wundgel oder fertiges hydroaktives Verbandsmaterial hält die Wunde feucht. Denn trockene
Wundauflagen verkleben leicht mit der Wunde und können beim Verbandswechsel die neu gebildete
Haut wieder abreißen. Außerdem fördert ein feuchtes Wundmilieu die körpereigene Wundheilung. Ist
die Wunde nicht zu groß, eignet sich auch ein Pflaster. Aber kein "normales" trockenes Pflaster,
sondern ein spezielles Feuchtpflaster. Das ist zwar teurer, aber in so einem Fall besser geeignet.
Was tun bei einer Schnittwunde?
Messer, Scheren, Metallteile, Glas oder scharfe Papierkanten können Schnittwunden verursachen.
Diese schmerzen oft nur geringfügig, bluten jedoch stark. Bei solchen Wunden sollte man zuallererst
versuchen, die Blutung zu stoppen. Dafür ist ein Druckverband nötig. Notfalls helfen auch mehrere
zusammengefaltete Taschentücher, die um die Schnittwunde unter Druck mit einer Mullbinde
umwickelt werden.
Bildunterschrift: Wenn eine Wunde nicht aufhören will zu bluten, muss der Rettungsdienst verständigt
werden.
Auch bei so einer Verletzung gilt: Möglichst nicht berühren, weder auswaschen noch reinigen. Auf
keinen Fall "Hausmittel" wie Babyöl oder Puder, aber auch kein Desinfektionsspray oder Salben
verwenden. Falls die Wunde weiter blutet, muss ein zweiter stärker angezogener Druckverband
darauf. Notfalls die zuführende Ader abdrücken und den Rettungsdienst verständigen.
Wann sollte man zum Arzt?
Jede größere oder stark blutende Schnittwunde gehört so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung,
um zu klären, ob Nerven, Sehnen oder Blutgefäße verletzt sind. Der Arzt muss kontrollieren, ob
möglicherweise Nervenausfälle vorhanden sind.
Frische Wunden gelten als keimfrei und können gleich genäht, gestrippt oder geklammert werden.
Unter Umständen kann der Arzt die Wunde ausschneiden, denn glatte Wundränder ermöglichen eine
schnellere Heilung. Ist eine Wunde älter als sechs Stunden, sehr tief und verursacht Nervenausfälle,
kann sie nicht mehr in der Nothilfe versorgt werden, sondern muss im OP unter Vollnarkose oder in
örtlicher Betäubung behandelt werden.
Was tun bei infizierten Wunden?
Grundsätzlich werden infizierte Wunden nicht genäht, sondern ausschließlich offen behandelt. Hat
sich eine bereits genähte Wunde infiziert, muss der Arzt sie wieder öffnen, damit der Eiter abfließen
kann.
Zitat
Dr. med. Johannes Rubenbauer, Klinikum Bogenhausen:
"Eine infizierte Wunde sollte täglich kontrolliert, gereinigt und frisch verbunden werden. Baden in
freien Gewässern ist prinzipiell nicht anzuraten. Duschen vor dem Verbandswechsel dagegen ist
positiv zu sehen".
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Als infiziert gelten stark verschmutze Wunden, Stich- oder Bisswunden sowie Verletzungen mit
Holzsplittern oder Dornen. Diese Wunden gilt es, sauber zu halten. Wichtig ist vor allem: der
Tetanusimpfschutz! War die letzte Impfung vor über zehn Jahren, ist eine Auffrischimpfung nötig!
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