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Julian Müller / Ludwig-Maximilians-Universität / Institut für Soziologie / SS 2014
Vorlesung
Soziologische Theorien
14. April 2014
Max Weber
Soziologie (im hier verstandenen Sinn des sehr
vieldeutig gebrauchten Wortes) soll heißen: eine
Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend
verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen
Wirkungen ursächlich erklären will.
(Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 1, §1)
2
»Handeln« soll dabei ein menschliches Verhalten
(einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen
oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder
die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn
verbinden. »Soziales« Handeln aber soll ein solches
Handeln heißen, welches seinem von dem oder den
Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten
anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf
orientiert ist.
(Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 1, §1)
3
Sinnhaftes, d.h. verstehbares, Handeln [...].
(Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 2, §1)
4
Es lassen sich innerhalb des sozialen Handelns tatsächliche
Regelmäßigkeiten, d.h. in einem typisch gleichartig
gemeinten Sinn beim gleichen Handelnden sich
wiederholende oder (eventuell auch: zugleich) bei
zahlreichen Handelnden verbreitete Abläufe von Handeln.
Mit diesen Typen des Ablaufs von Handeln befaßt sich die
Soziologie, im Gegensatz zur Geschichte als der kausalen
Zurechnung wichtiger, d.h. schicksalhafter,
Einzelzusammenhänge.
(Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 14, §4)
5
Wie jedes Handeln kann auch das soziale Handeln bestimmt sein
– 1. zweckrational: durch Erwartungen des Verhaltens von
Gegenständen der Außenwelt und von anderen Menschen und
unter Benutzung dieser Erwartungen als »Bedingungen« oder als
»Mittel« für rational, als Erfolg, erstrebte und abgewogene eigne
Zwecke, – 2. wertrational: durch bewußten Glauben an den –
ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie auch immer sonst zu
deutenden – unbedingten Eigenwert eines bestimmten
Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg, – 3.
affektuell, insbesondere emotional: durch aktuelle Affekte und
Gefühlslagen, – 4. traditional: durch eingelebte Gewohnheit.
(Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 12, §2)
6
Er [der Idealtypus] wird gewonnen durch einseitige Steigerung
eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss
einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger,
stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die
sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu
einem in sich einheitlichen Gedankenbilde. In seiner
begrifflichen Reinheit ist dieses Gedankenbild nirgends in der
Wirklichkeit empirisch vorfindbar, es ist eine Utopie [...]. Für den
Zweck der Erforschung und Veranschaulichung aber leistet jener
Begriff, vorsichtig angewendet seine spezifischen Dienste.
(»Die ›Objektivität‹ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis«. In:
Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen 1951: 191)
7
Sehr selten ist Handeln, insbesondere soziales Handeln, nur
in der einen oder anderen Art orientiert. Ebenso sind diese
Arten der Orientierung natürlich in gar keiner Weise
erschöpfende Klassifikationen der Arten der Orientierung
des Handelns, sondern für soziologische Zwecke
geschaffene, begrifflich reine Typen, denen sich das reale
Handeln mehr oder minder annähert oder aus denen es –
noch häufiger – gemischt ist.
(Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 13, §2)
8
Eine tatsächlich bestehende Chance einer
Regelmäßigkeit der Einstellung sozialen Handelns soll
heißen Brauch [...]. Zum Brauch gehört auch die
»Mode«. »Mode« im Gegensatz zu »Sitte« soll Brauch
dann heißen, wenn die Tatsache der Neuheit des
betreffenden Verhaltens Quelle der Orientierung des
Handelns daran wird.
(Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 15, §4)
9
»Wirtschaftlich orientiert« soll ein Handeln heißen, als
es seinem gemeinten Sinne nach an der Fürsorge für
einen Begehr nach Nutzleistungen orientiert ist.
»Wirtschaften« soll eine friedliche Ausübung von
Verfügungsgewalt heißen [...].
(»Soziologische Grundkategorien des Wirtschaftens«. In: Wirtschaft und
Gesellschaft. Tübingen 1976: 31)
10
Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen
Beziehung den eigenen Willen auch gegen
Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese
Chance beruht.
Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl
bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen
Gehorsam zu finden.
(Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 28, §16)
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Für unsere begrenzten Zwecke hier gehen wir aber auf
diejenigen Grundtypen der Herrschaft zurück, die sich
ergeben, wenn man fragt: auf welche letzten Prinzipien
die »Geltung« einer Herrschaft [...] gestützt werden
kann?
(»Soziologie der Herrschaft«. In: Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 549)
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Die »Geltung« einer Befehlsgewalt kann ausgedrückt sein
entweder in einem System gesatzter rationaler Regeln, welche
als allgemein verbindliche Normen Fügsamkeit finden, wenn der
nach der Regel dazu »Berufene« sie beansprucht. [...] Oder sie
ruht auf persönlicher Autorität. Diese kann ihre Grundlage in der
Heiligkeit der Tradition, also des Gewohnten, immer so
Gewesenen finden, welche gegen bestimmte Personen
Gehorsam vorschreibt. Oder, gerade umgekehrt, in der Hingabe
an das Außerordentliche: im Glauben an Charisma, das heißt an
aktuelle Offenbarung oder Gnadengabe einer Person, an
Heilande, Propheten und Heldentum jeglicher Art.
(»Soziologie der Herrschaft«. In: Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1976: 549)
13
In ihrer pathetischen Unmenschlichkeit mußte diese Lehre [der
calvinistischen Theologie] nun für die Stimmung einer
Generation, die sich ihrer grandiosen Konsequenz ergab, vor
allem eine Folge haben: ein Gefühl einer unerhörten inneren
Vereinsamung des einzelnen Individuums. In der für die
Menschen der Reformationszeit entscheidendsten
Angelegenheit des Lebens: der ewigen Seligkeit, war der Mensch
darauf verwiesen, seine Straße einsam zu ziehen, einem von
Ewigkeit her feststehenden Schicksal entgegen. Niemand konnte
ihm helfen. Kein Prediger [...]. Kein Sakrament [...]. Keine Kirche
[...]. Endlich auch: − kein GoO.
(Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I. Tübingen 1988: 93f.)
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Der Gott des Calvinismus verlangte von den Seinigen nicht
einzelne »gute Werke«, sondern eine zum System
gesteigerte Werkheiligkeit. Von dem katholischen, echt
menschlichen Auf und Ab zwischen Sünde, Reue, Buße,
Entlastung, neuer Sünde oder von einem durch zeitliche
Strafen abzubüßenden, durch kirchliche Gnadenmittel zu
begleichenden Saldo des Gesamtlebens war keine Rede. Die
ethische Praxis des Alltagsmenschen wurde so ihrer Planund Systemlosigkeit entkleidet und zu einer konsequenten
Methode der ganzen Lebensführung ausgestaltet.
(Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I. Tübingen 1988: 114)
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Dieser asketische Lebensstil aber bedeutete eben, wie wir sahen, eine
an Gottes Willen orientierte rationale Gestaltung des ganzen Daseins.
Und diese Askese war nicht mehr ein opus supererogationis, sondern
eine Leistung, die jedem zugemutet wurde, der seiner Seligkeit gewiß
sein wollte. Jenes religiös geforderte, vom »natürlichen« Leben
verschiedene Sonderleben der Heiligen spielte sich – das ist das
Entscheidende – nicht mehr außerhalb der Welt in
Mönchsgemeinschaften, sondern innerhalb der Welt und ihrer
Ordnungen ab. Diese Rationalisierung der Lebensführung innerhalb
der Welt im Hinblick auf das Jenseits war die Wirkung der
Berufskonzeption des asketischen Protestantismus.
(Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I. Tübingen 1988: 163)
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Der Puritaner wollte Berufsmensch sein, – wir müssen es sein. [...]
Indem die Askese die Welt umzubauen und in der Welt sich
auszuwirken unternahm, gewannen die äußeren Güter dieser Welt
zunehmende und schließlich unentrinnbare Macht über den
Menschen, wie niemals zuvor in der Geschichte. Heute ist ihr Geist –
ob endgültig, wer weiß es? – aus diesem Gehäuse entwichen. Der
siegreiche Kapitalismus jedenfalls bedarf, seit er auf mechanischer
Grundlage ruht, dieser Stütze nicht mehr. Auch die rosige Stimmung
ihrer lachenden Erbin: der Aufklärung, scheint endgültig im
Verbleichen und als ein Gespenst ehemals religiöser Glaubensinhalte
geht der Gedanke der Berufspflicht in unserm Leben um.
(Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I. Tübingen 1988: 163)
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Weiterführende Literatur
• Hartmann Tyrell: »Potenz und Depotenzierung der Religion – Religion
und Rationalisierung bei Max Weber«. In: Saeculum 44 (1993), 300347.
• Friedrich Tenbruck: »Die Glaubensgeschichte der Moderne«. In:
Zeitschrift für Politik 23 (1976), 1-15.
• Stefan Breuer: Max Webers tragische Soziologie. Tübingen 2006.
18
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