1.4.2 Kontinuierliche Zufallsvariablen als Grenzwerte diskreter

Werbung
1.4.2 Kontinuierliche Zufallsvariablen als Grenzwerte
diskreter Zufallsvariablen
Sei X eine kontinuierliche Zufallsvariable. Wir können aus X leicht
eine diskrete Zufallsvariable konstruieren, indem wir für ein festes
δ > 0 definieren
Xδ = nδ ⇐⇒ X ∈ [nδ, (n + 1)δ[ für n ∈ Z.
Für Xδ gilt
Pr[Xδ = nδ] = FX ((n + 1)δ) − FX (nδ) .
DWT
©Ernst W. Mayr
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
234/467
1,0
FX (x)
FXÆ (x)
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
-3,0
-2,0
-1,0
0,0
1,0
2,0
3,0
Für δ → 0 nähert sich die Verteilung von Xδ der Verteilung von X
immer mehr an.
DWT
©Ernst W. Mayr
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
235/467
1.4.3 Erwartungswert und Varianz
Definition 95
Für eine kontinuierliche Zufallsvariable X ist der Erwartungswert
definiert durch
Z ∞
t · fX (t) d t,
E[X] =
−∞
sofern das Integral
R∞
−∞ |t|
· fX (t) d t endlich ist.
Für die Varianz gilt entsprechend
2
Z
∞
Var[X] = E[(X − E[X]) ] =
(t − E[X])2 · fX (t) d t,
−∞
wenn E[(X − E[X])2 ] existiert.
DWT
©Ernst W. Mayr
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
236/467
Lemma 96
Sei X eine kontinuierliche Zufallsvariable, und sei
Y := g(X) .
Dann gilt
Z
∞
E[Y ] =
g(t) · fX (t) d t .
−∞
DWT
©Ernst W. Mayr
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
237/467
Beweis:
Wir zeigen die Behauptung nur für den einfachen Fall, dass g eine
lineare Funktion ist, also Y := a · X + b für a, b ∈ R und a > 0.
Es gilt (siehe obiges Beispiel)
Z ∞
Z
E[a · X + b] =
t · fY (t) d t =
−∞
∞
t · fX
−∞
t−b
a
·
1
d t.
a
Durch die Substitution u := (t − b)/a mit d u = (1/a) d t erhalten
wir
Z ∞
E[a · X + b] =
(au + b)fX (u) d u.
−∞
DWT
©Ernst W. Mayr
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
238/467
Beispiel 97
Für Erwartungswert und Varianz der Gleichverteilung ergibt sich
Z b
1
1
E[X] =
dt =
·
t·
t · dt
b−a
b−a a
a
1
=
· [t2 ]ba
2(b − a)
a+b
b2 − a2
=
,
=
2(b − a)
2
Z b
1
b2 + ba + a2
2
E[X ] =
·
t2 · d t =
,
b−a a
3
(a − b)2
Var[X] = E[X 2 ] − E[X]2 = . . . =
.
12
Z
DWT
©Ernst W. Mayr
b
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
239/467
1.4.4 Laplace-Prinzip in kontinuierlichen
Wahrscheinlichkeitsräumen
Das folgende Beispiel zeigt, dass im kontinuierlichen Fall die
Bedeutung von gleichwahrscheinlich“ nicht immer ganz klar sein
”
muss.
Bertrand’sches Paradoxon
Wir betrachten einen Kreis mit einem eingeschriebenen
gleichseitigen Dreieck. Was ist die Wahrscheinlichkeit, mit der die
Länge einer zufällig gewählten Sehne die Seitenlänge dieses
Dreiecks übersteigt (Ereignis A)?
DWT
©Ernst W. Mayr
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
240/467
r
2
S
120Æ
M
DWT
©Ernst W. Mayr
d
S
M
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
'
241/467
Beobachtungen:
Die Seiten des Dreiecks haben Abstand 2r vom Mittelpunkt M .
Die Lage jeder Sehne ist (bis auf Rotation um M ) durch einen
der folgenden Parameter festgelegt:
Abstand d zum Kreismittelpunkt,
Winkel ϕ mit dem Kreismittelpunkt.
Wir nehmen für jeden dieser Parameter Gleichverteilung an und
ermitteln Pr[A].
1
2
Sei d ∈ [0, r] gleichverteilt. A tritt ein, wenn d < 2r , und es
folgt Pr[A] = 12 .
Sei ϕ ∈ [0◦ , 180◦ ] gleichverteilt. Für A muss gelten
ϕ ∈]120◦ , 180◦ ], und es folgt somit Pr[A] = 31 .
Siehe auch diese graphischen Darstellungen!
DWT
©Ernst W. Mayr
1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen
242/467
2. Wichtige stetige Verteilungen
2.1 Gleichverteilung
(
1
b−a
für x ∈ [a, b],
0
sonst.


Z x
0
F (x) =
f (t) d t = x−a
b−a

−∞

1
f (x) =
E[X] =
DWT
©Ernst W. Mayr
für x < a,
für a ≤ x ≤ b,
für x > b.
(a − b)2
a+b
und Var[X] =
.
2
12
2.1 Gleichverteilung
243/467
2.2 Normalverteilung
Die Normalverteilung nimmt unter den stetigen Verteilungen eine
besonders prominente Position ein.
Definition 98
Eine Zufallsvariable X mit Wertebereich WX = R heißt
normalverteilt mit den Parametern µ ∈ R und σ ∈ R+ , wenn sie
die Dichte
(x − µ)2
1
· exp −
=: ϕ(x; µ, σ)
f (x) = √
2σ 2
2πσ
besitzt.
In Zeichen schreiben wir X ∼ N (µ, σ 2 ).
N (0, 1) heißt Standardnormalverteilung. Die zugehörige Dichte
ϕ(x; 0, 1) kürzen wir durch ϕ(x) ab.
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
244/467
Die Verteilungsfunktion zu N (µ, σ 2 ) ist
Z x
1
(t − µ)2
d t =: Φ(x; µ, σ) .
F (x) = √
·
exp −
2σ 2
2πσ −∞
Diese Funktion heißt Gauß’sche Φ-Funktion (ϕ ist nicht
geschlossen integrierbar).
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
245/467
Lemma 99
Z
∞
I :=
e−x
2 /2
dx =
√
2π.
−∞
Beweis:
Wir berechnen zunächst I 2 :
Z ∞
Z ∞
2
−x2 /2
−y 2 /2
I =
e
dx
e
dy
−∞
−∞
Z ∞Z ∞
2
2
=
e−(x +y )/2 d x d y .
−∞
−∞
Wir gehen nun zu Polarkoordinaten über und setzen x := r cos φ
und y := r sinφ. Dann ist
∂x ∂y sin φ ∂r ∂r cos φ
= r(cos2 φ + sin2 φ) = r
∂x ∂y = −r sin φ r cos φ ∂φ ∂φ DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
246/467
Beweis (Forts.):
und wir erhalten
Z 2π Z ∞
Z 2π h
i∞
2
2
I2 =
e−r /2 r d r d φ =
−e−r /2
dφ
0
0
0
0
Z 2π
1 d φ = 2π.
=
0
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
247/467
= 0;5
=1
=2
1,0
0,8
0,8
0,6
0,6
0,4
0,4
0,2
0,2
0,0
-3,0
-2,0
-1,0
= 0;5
=1
=2
1,0
0,0
1,0
2,0
3,0
0,0
-3,0
-2,0
Dichte und Verteilung von
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
-1,0
0,0
1,0
2,0
3,0
N (0, σ 2 )
248/467
Satz 100 (Lineare Transformation der Normalverteilung)
Sei X eine normalverteilte Zufallsvariable mit X ∼ N (µ, σ 2 ).
Dann gilt für beliebiges a ∈ R \ {0} und b ∈ R, dass Y = aX + b
normalverteilt ist mit Y ∼ N (aµ + b, a2 σ 2 ).
Beweis:
Wir betrachten zunächst den Fall a > 0“:
”
y−b
Pr[Y ≤ y] = Pr[aX + b ≤ y] = Pr X ≤
a
Z (y−b)/a
1
(u − µ)2
=√
·
exp −
d u.
2σ 2
2πσ −∞
Nach der Substitution u = (v − b)/a und d u = (1/a) · d v erhalten
wir
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
249/467
Beweis (Forts.):
Pr[Y ≤ y] = √
1
·
2πaσ
y
(v − aµ − b)2
exp −
dv.
2a2 σ 2
−∞
Z
Also Y ∼ N (aµ + b, a2 σ 2 ). Für a < 0 verläuft der Beweis
analog.
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
250/467
Sei also X eine beliebige N (µ, σ 2 )-verteilte Zufallsvariable X und
Y := X−µ
σ .
Dann ist nach Satz 100 Y N (0, 1)-verteilt. Y heißt auch normiert.
Ferner gilt
b−µ
a−µ
<Y ≤
Pr[a < X ≤ b] = Pr
σ
σ
b−µ
a−µ
=Φ
−Φ
.
σ
σ
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
251/467
Satz 101
X sei N (0, 1)-verteilt. Dann gilt
E[X] = 0 und
Var[X] = 1.
Beweis:
1
E[X] = √
2π
∞
2
x
x · exp −
d x.
2
−∞
Z
Da der Integrand punktsymmetrisch zu (0, 0) ist, folgt E[X] = 0.
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
252/467
Beweis (Forts.):
Mittels Lemma 99 und durch partielle Integration erhalten wir
2
Z ∞
√
x
2π =
exp −
dx
2
−∞
2 ∞
2
Z ∞
x x
2
= x exp −
+
x · exp −
dx
2
2
−∞
−∞
|
{z
}
=0
Daraus folgt, dass E[X 2 ] = 1 ist und somit
Var[X] = E[X 2 ] − E[X]2 = 1.
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
253/467
Satz 102
X sei N (µ, σ 2 )-verteilt. Dann gilt
E[X] = µ und Var[X] = σ 2 .
Beweis:
Y := X−µ
ist standardnormalverteilt. Ferner gilt gemäß der
σ
Rechenregeln für Erwartungswert und Varianz
E[X] = E[σY + µ] = σ · E[Y ] + µ = µ
und
Var[X] = Var[σY + µ] = σ 2 · Var[Y ] = σ 2 .
DWT
©Ernst W. Mayr
2.2 Normalverteilung
254/467
2.3 Exponentialverteilung
Die Exponentialverteilung ist in gewisser Weise das kontinuierliche
Analogon zur geometrischen Verteilung. Wie die geometrische
Verteilung ist sie gedächtnislos“. Sie spielt daher vor allem bei der
”
Modellierung von Wartezeiten eine große Rolle.
DWT
©Ernst W. Mayr
2.3 Exponentialverteilung
255/467
Definition 103
Eine Zufallsvariable X heißt exponentialverteilt mit dem
Parameter λ, λ > 0, wenn sie die Dichte
(
λ · e−λx falls x ≥ 0,
f (x) =
0
sonst
besitzt.
Für die entsprechende Verteilungsfunktion gilt (für x ≥ 0)
Z x
ix
h
−λt
−λt
= 1 − e−λx .
F (x) =
λ·e
d t = −e
0
0
Für x < 0 gilt selbstverständlich F (x) = 0.
DWT
©Ernst W. Mayr
2.3 Exponentialverteilung
256/467
Z
E[X] =
∞
t · λ · e−λt d t
0
i∞ Z ∞
e−λt d t
+
= t · (−e−λt )
0
0
1
1 −λt ∞
= .
=0+ − ·e
λ
λ
0
h
DWT
©Ernst W. Mayr
2.3 Exponentialverteilung
257/467
Analog erhalten wir
2
Z
∞
E[X ] =
t2 · λ · e−λt d t
0
h
i∞ Z
2
−λt
+
= t · (−e )
0
=0+
∞
2t · e−λt d t
0
2
2
· E[X] = 2
λ
λ
und somit
Var[X] = E[X 2 ] − E[X]2 =
DWT
©Ernst W. Mayr
2.3 Exponentialverteilung
1
.
λ2
258/467
2,0
1,0
= 0;5
=1
=2
1,6
0,8
1,2
0,6
0,8
0,4
0,4
0,2
0,0
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
0,0
0,0
= 0;5
=1
=2
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
Dichte und Verteilung der Exponentialverteilung
DWT
©Ernst W. Mayr
2.3 Exponentialverteilung
259/467
Herunterladen