(AMK) für Apotheken über die Verwendung von Jod

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Informationen der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) für
Apotheken über die Verwendung von Jod-Tabletten bei einem kerntechnischen
Unfall
Stand: 16. März 2011
Das Wichtigste in Kürze:
Kaliumjodid-Tabletten sind keine universell wirksamen, risikoarmen "Strahlenschutztabletten". Sie können nur bei einer zeitgerechten Einnahme die Schilddrüse vor radioaktivem Jod, das durch Atmung oder Nahrung in den Körper gelangt, schützen. Sie schützen jedoch nicht gegen Strahlung, die von außerhalb den Körper trifft, oder vor den
Auswirkungen anderer Radionuklide (z. B. Caesium 137, Strontium 90, Plutonium). Im
Katastrophenfall mit radioaktiver Strahlung sind hochdosierte Kaliumjodid-haltige Tabletten (65 mg pro Tablette) zur Jodblockade im Körper erforderlich. Die Arzneimittelrisiken
einer solchen hochdosierten Kaliumjodid-Gabe sind um ein Vielfaches höher, als die
Jod-Supplementation zur Prophylaxe bzw. Behandlung eines Jodmangelstruma. Erwachsene über 45 Jahren (Ausnahme: Schwangere) sollen keine hochdosierten JodTabletten zur (vermeintlichen) Strahlenprophylaxe einnehmen.
Die Einnahme und häusliche Bevorratung mit Kaliumjodid-Tabletten zum Schutz und zur
Prophylaxe von Strahlenschäden aufgrund der Reaktorkatastrophen in Japan ist derzeit
rational nicht begründet und wird deshalb auch nicht empfohlen. Die japanische Botschaft weist darauf hin, dass Mittel zur Jodblockade im Ernstfall durch die japanischen
Behörden in den Evakuierungszentren bereitgestellt werden. Ein Versand von JodTabletten von Deutschland nach Japan wird gegenwärtig nicht als sinnvoll angesehen.
Wie kann radioaktives Jod in den menschlichen Körper gelangen?
Wie andere Stoffe aus der Umwelt kann radioaktives Jod auf drei Wegen in den
menschlichen Körper gelangen:
1. mit der Luft über die Atemwege (Inhalation),
2. mit Nahrung und Getränken über Magen und Darm und
3. über die Haut nach Kontamination.
Die Aufnahme über die Haut ist üblicherweise so geringfügig, dass sie außer Betracht
bleiben kann. Die Aufnahme mit Wasser oder Nahrung kann erheblich sein, wenn z.B.
Milch getrunken wird, die von Kühen stammt, die auf der Weide mit radioaktivem Jod
verunreinigtes Gras gefressen haben.
Diese Aufnahme ist jedoch beim Strahlenunfall zu verhindern: solche Milch oder auch
Gemüse von Flächen, auf denen sich radioaktives Jod niedergeschlagen haben kann,
werden dem unmittelbaren Verzehr entzogen. Die Aufnahme von radioaktivem Jod
durch die Atemluft lässt sich durch Verbleiben im Haus nur geringfügig herabsetzen.
Welchen Stellenwert hat die vorbeugende Einnahme von Jod-Tabletten?
Die Einnahme von Jod-haltigen Tabletten schützt ausschließlich gegen die Aufnahme
von radioaktivem Jod-131 in die Schilddrüse, nicht gegen die Wirkung anderer radioaktiver Stoffe (Radionuklide) wie Caesium, Strontium, Krypton, Tritium, Uran oder Plutoni-
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um, die bei Kernreaktorschäden freigesetzt werden. Der Schutz ist somit begrenzt und
überhaupt nur wirksam, wenn die Jod-Tabletten kurz vor (oder praktisch zeitgleich) mit
dem Einatmen von radioaktivem Jod eingenommen werden. Erfolgt die Jod-TablettenEinnahme wenige Stunden nach dem Einatmen von radioaktivem Jod wird nur noch ein
niedriger Schutzeffekt erzielt sein. Später als ein Tag nach der Aufnahme des radioaktiven Jods schützt die Einnahme von Jod-Tabletten nicht mehr; sie ist dann eher schädlich. Für zu früh eingenommene Jod-Tabletten sind keine wirklichen Schutzeffekte zu
erwarten.
Wie wirken Jod-haltige Tabletten?
Die Schilddrüse benötigt für ihre normale Funktion geringe Mengen Jod, die in der Regel
mit der Nahrung aufgenommen werden. Eine ausreichende Zufuhr durch die Nahrungsaufnahme kann unter Umständen aber individuell nicht erreicht werden. Deshalb wird
zur Vorbeugung von Jodmangelkrankheiten die Verwendung von jodiertem Speisesalz
oder die Einnahme von Tabletten mit niedrigem Jodgehalt (0,1 bis 0,2 mg) empfohlen.
Diese niedrigdosierten Tabletten sind jedoch nicht zur Jodblockade der Schilddrüse als
Strahlenschutzmaßnahme geeignet. Zur Jodblockade sind nur hochdosierte Jod-haltige
Präparate geeignet, da für eine Jodblockade der Schilddrüse hohe altersabhängige Einzeldosen zwischen 12,5 und 100 mg Jodid (entsprechend 16,25 bis 130 mg Kaliumjodid) an einem Tag erforderlich sind.
Zusammensetzung von Tabletten zur Jodblockade
Eine Tablette aus der Notfallbevorratung in Deutschland enthält 65 mg Kaliumjodid (entsprechend 50 mg Jodid). Im Ausland sind auch Jod-Tabletten mit einem Gehalt von 130
mg Kaliumjodid (entsprechend 100 mg Jodid) erhältlich. Da diese Tabletten der Apothekenpflicht unterliegen, ist eine direkte Bestellung durch die Bevölkerung beim Hersteller
nicht möglich. Der Vertrieb ist gesetzlich nur über Apotheken erlaubt, was jedoch nicht
gleich bedeutet, dass Apotheken diese Präparate jederzeit bestellen und bereitstellen
können. Im Artikelstamm sind folgende apothekenpflichtige Präparate zur Jodblockade
(Vorbeugung der Einlagerung von radioaktivem Jod (Iod131) in die Schilddrüse) gelistet
(Stand 16.3.2011):
Kaliumjodid "Lannacher" 65 mg-Tabletten, Lannacher Heilmittel GmbH, Packung à 20
Stück, PZN 5556222
K-Jodid "Lannacher" 65 mg-Tabletten, Lannacher Heilmittel GmbH, Packung à 20
Stück, PZN 1385373 (derzeit nicht lieferbar).
Dosierung und Einnahmehinweise zur Jodblockade
Die hochdosierten Jod-Tabletten sättigen bei Einnahme zum empfohlenen Zeitpunkt die
Schilddrüse mit nichtradioaktivem Jod und verhindern so weitgehend die Speicherung
radioaktiven Jods (Jodblockade). Für die Anwendung zur Jodblockade sind die niedrigdosierten Kaliumjodid-haltigen Präparate nicht geeignet und behördlich auch nicht zugelassen.
Personen im Alter von 13 bis 45 Jahren nehmen einmalig 2 Tabletten (KaliumjodidGehalt pro Tablette 65 mg) ein. Kinder von 3 bis 12 Jahren nehmen einmalig eine Tablette (Kaliumjodid-Gehalt pro Tablette 65 mg) ein. Säuglingen und Kindern bis zum 3.
Lebensjahr wird eine Tagesgabe von 16,25 bis 32,5 mg Kaliumjodid empfohlen.
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Erwachsene über 45 Jahren (Ausnahme: Schwangere) sollen keine Jod-Tabletten einnehmen, da bei ihnen das Gesundheitsrisiko für schwerwiegende Schilddrüsenerkrankungen (z.B. durch Jod ausgelöste Schilddrüsenüberfunktion) infolge der Tabletteneinnahme vergleichsweise hoch ist.
Schwangere und Stillende erhalten die gleiche Jod-Dosis wie die Gruppe der 13- bis 45Jährigen (130 mg Kaliumjodid). Schwangeren mit aktiver Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktionsstörung) dürfen Kaliumjodid-Tabletten nicht einnehmen.
Im Regelfall ist eine einmalige Einnahme der Kaliumjodid-Tabletten ausreichend. Die
Tabletteneinnahme ist jedoch bei Neugeborenen stets auf 1 Tag, bei Schwangeren und
Stillenden auf 2 Tage zu beschränken.
Den Eltern von Säuglingen und Kleinkindern sowie Schwangeren und Stillende wird eine ärztliche Konsultation zur Jodeinnahme empfohlen.
Die Jod-Tabletten sollen möglichst nicht auf nüchternen Magen eingenommen werden.
Die Tabletten können geschluckt oder in Flüssigkeit gelöst eingenommen werden. Die
Einnahme kann – vor allem für Säuglinge und Kinder – durch Auflösen der Tablette in
einem Getränk, z.B. Wasser oder Tee, erleichtert werden. Die Lösung ist jedoch nicht
haltbar und sollte sofort getrunken werden.
Hinweis: Die Jod-Tabletten sind – wie andere Arzneimittel – vor Licht und Feuchtigkeit
und geschützt und für Kinder unzugänglich aufzubewahren. Nach Herstellerangaben
dürfen die Tabletten nicht über 30 °C und nicht im Kühlschrank gelagert werden oder
einfrieren.
Wer darf keine hochdosierten Jod-Tabletten einnehmen?
Personen, die über 45 Jahre alt sind, dürfen keine hochdosierten Jod-Tabletten zur Jodblockade einnehmen. Bei diesen Personen wird ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis
bezüglich des Auftretens von Stoffwechselstörungen und bösartigen Erkrankungen der
Schilddrüse angenommen.
Jod-Tabletten dürfen ferner nicht eingenommen werden bei:
•
•
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bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Jod (tritt sehr selten auf; darf nicht mit
der verbreiteten Allergie gegen Röntgenkontrastmittel verwechselt werden),
Dermatitis herpetiformis Duhring,
Hypokomplementämischer Vaskulitis (allergisch bedingter Entzündung der Blutgefäßwände).
Personen, die an einer Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) leiden oder litten,
sollen Jod-Tabletten nur nach Rücksprache mit einem Arzt einnehmen. Gleiches wird
auch Patienten, die an einer knotig veränderten Schilddrüse leiden empfohlen, da das
Risiko einer Verschlechterung des Zustandes bzw. für das Auslösen einer Schilddrüsenüberfunktion erhöht ist.
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Welche gesundheitlichen Risiken bestehen unter einer hochdosierten JodEinnahme?
Eine Reizung der Magenschleimhaut kann insbesondere bei Einnahme von JodTabletten auf nüchternen Magen auftreten. Die Einnahme von Jod-Tabletten kann weiterhin zu allergischen Reaktionen wie Hautausschlägen sowie Gewebswassereinlagerungen, Halsschmerzen, Augentränen, Schnupfen, Speicheldrüsenschwellungen oder
Fieber führen.
Personen, bei denen nach Einnahme der Tabletten Beschwerden auftreten, die auf eine
Schilddrüsenüberfunktion hinweisen, wie Unruhezustände, Herzklopfen, Gewichtsabnahme oder Durchfall, sollten einen Arzt konsultieren.
Weiterführende Informationen und Ansprechpartner
Strahlenschutzkommission (SSK)
www.ssk.de  Merkblätter für Ärzte/Apotheker und Bevölkerung unter „Beratungsergebnisse/2004/Verwendung von Jod-Tabletten zur Jodblockade der Schilddrüse bei einem kerntechnischen Unfall“)  Siehe Anlage
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
www.bmu.de/atomenergie_sicherheit/doc/47094.php (--> Fragen & Antworten zur aktuellen Situation)
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
http://www.bbk.bund.de
Deutsche Botschaft in Tokyo
http://www.tokyo.diplo.de/
Auswärtiges Amt
http://www.auswaertiges-amt.de
The Japan Times onlines
http://www.japantimes.co.jp/
Fachinformation Kaliumjodid G.L. 65 mg Tabletten der Firma Gerot Lannach (G.L.)
Pharma GmbH (Stand 12/2003)  siehe Anlage
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