Projekt 1 AG Jahrsdörfer: Entwicklung regulatorischer B-Zellen als immunmodulatorisches Zelltherapeutikum Zusammenfassung: Als Hauptaufgabe humaner B-Lymphozyten im Immunsystem wird ihre Differenzierung zu Antikörper-sezernierenden Plasmazellen betrachtet. Als regulatorische Zellen dagegen sind sie bislang weniger bekannt. Kürzlich konnten wir zeigen, dass humane B-Zellen nach Aktivierung ihres B-Zell-Rezeptors durch spezifische Antigene und gleichzeitiger Stimulation mit Interleukin 21 (IL-21) beginnen, große Mengen der zytotoxischen Protease Granzym B (GzmB) zu sezernieren. Wir konnten nachweisen, dass + diese GzmB B-Zellen einen antiproliferativen Effekt auf T-Zellen ausüben, welcher an die Wirkung regulatorischer T-Zellen erinnert. Im Rahmen eines Nachfolgeprojekts soll nun dieser regulatorische Effekt genauer untersucht und optimiert werden, um mittelfristig solche sogenannten GraB cells als immunmodulatorisches Zelltherapeutikum weiterzuentwickeln. Detailbeschreibung: Das Akutphasezytokin Interleukin 21 (IL-21) gilt eigentlich als Schlüsselzytokin für die Differenzierung von B-Zellen zu Plasmazellen. IL-21 wird unter + anderem von aktivierten CD4 T-Helferzellen sezerniert, welche gleichzeitig über ihren T-ZellRezeptor stimuliert und über CD28 kostimuliert werden. Eine solche komplette Aktivierung ist auch mit einer starken Aufregulation des kostimulatorischen Moleküls CD40-Ligand (CD40L, CD154) verbunden. Wir konnten nun zeigen, dass die Aktivierung des T-Zell-Rezeptors bei gleichzeitig fehlender Kostimulation dazu führt, dass von T-Helferzellen zwar weiterhin IL-21 sezerniert wird, die Aufregulation von CD40L jedoch weitgehend ausbleibt. Wir wiesen nach, dass solche inkomplett aktivierten T-Zellen keine vollständige Differenzierung von B-Zellen zu Plasmazellen mehr bewirken können, sondern sie stattdessen zu einer starken Expression der Serinprotease GzmB bewegen (Abb. 1). Wir konnten weiterhin zeigen, dass GzmBexprimierende B-Zellen in der Lage sind, in bestimmten Zielzellen wie Tumorzellen Apoptose zu induzieren, obwohl sie kein Perforin produzieren. Dies ist dadurch erklärt, dass GzmB auch Perforin-unabhängig, z.B. durch Hitzeschockproteine oder Mannose-6-PhosphatRezeptoren, in das Zytoplasma von Zielzellen transferiert werden kann. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass GzmB-sezernierende B-Zellen in bestimmten Fällen auch eine Rolle bei der frühen Abwehr viraler und bakterieller Infektionen und auch bei der TumorImmunsurveillance spielen, bevor später dann antigenspezifische T-Zellen diese Aufgabe übernehmen und sich die betreffenden B-Zellen weiter zu Plasmazellen differenzieren. Die oben beschriebene zytotoxische Funktion GzmB-sezernierender B-Zellen stellt infolge des fehlenden Perforins jedoch nur eine Seite der Medaille dar. Aus Mausmodellen ist bekannt, dass IL-21 regulatorische B-Zellen induzieren kann, sogenannte B10-Zellen. B10Zellen sind phänotypisch und funktionell durch ihre Fähigkeit charakterisiert, das immunsuppressive Zytokin IL-10 zu produzieren. Ihre Hauptwirkung auf T-Zellen besteht daher in einer IL-10-vermittelten Modulation des Zytokinprofils von T-Zellen mit Hemmung von IFN-γ und TNF-α. Die Proliferation und Viabilität von Effektor-T-Zellen dagegen wird durch B10-Zellen nicht direkt beeinflusst, wodurch sie sich funktionell von regulatorischen TZellen unterscheiden. Im Menschen kann IL-21 wie oben beschrieben eine Induktion von GzmB in B-Zellen bewirken, während IL-10 nur sehr schwach induziert wird. Dieser Effekt wird durch gleichzeitige antigenspezifische Stimulation des B-Zell-Rezeptors (BCR) synergistisch verstärkt. Wir stellten daher die Hypothese auf, dass humane GzmBexprimierende B-Zellen in antigenspezifischer Weise eine regulatorische Funktion gegenüber Effektor-T-Zellen übernehmen, und zwar in erster Linie über einen GzmB-abhängigen Mechanismus, ähnlich wie dies auch bei regulatorischen T-Zellen und tolerogenen plasmazytoiden dendritischen Zellen (pDC) bereits nachgewiesen wurde. Abbildung 1. Illustration des Unterschiedes zwischen normaler T-Zell-Hilfe verglichen mit inkompletter TZell-Hilfe. Stimulation des T-Zell-Rezeptors (TCR) über MHC/Peptid-Komplexe sowie Kostimulation von CD28 durch + B7-Moleküle führen zu normaler Aktivierung von CD4 T-Zellen (linke Seite). Solchermaßen aktivierte T-Zellen sezernieren IL-21 und exprimieren in hohem Maße CD40-Ligand, was die Induktion von Plasmazellen aus B-Zellen erlaubt, welche gleichzeitig eine Stimulation über ihren B-Zell-Rezeptor (BCR) erhalten. In bestimmten + pathophysiologischen Situationen wird der TCR von CD4 T-Zellen direkt stimuliert (im Fall einer HIV-Infektion durch das virale Protein Nef), ohne dass gleichzeitig eine Kostimulation über CD28 vorhanden ist (rechte Seite). Dies führt zu einer inkompletten Aktivierung der T-Zelle, welche daraufhin IL-21 sezerniert, jedoch kaum CD40-Ligand exprimiert. Das wiederum resultiert in der Induktion von GraB cells mit regulatorischem Potential. Tatsächlich konnten unsere Arbeiten der letzten Jahre bestätigen, dass GzmB-exprimierende B-Zellen einen stark proliferationshemmenden Effekt auf Effektor-T-Zellen ausüben können. Zur Abgrenzung gegenüber B10-Zellen nennen wir diesen Typ humaner regulatorischer BZellen inzwischen GraB cells. Ein wichtiger zugrunde liegender Mechanismus des immunsuppressiven Effekts von GraB cells besteht dabei in einer GzmB-vermittelten Degradation der ζ-Kette des T-Zell-Rezeptors. Da verschiedene Studien die Annahme unterstützen, dass B-Zellen in Form von tumorinfiltrierenden B-Zellen ein immunsuppressives Milieu in soliden Tumoren unterstützen, begannen wir, gezielt in Paraffinschnitten solcher Tumoren nach GraB cells zu suchen. Dieses Screening ergab, dass bestimmte solide Tumoren wie Mamma-, Ovarial-, Zervix- und Kolonkarzinome tatsächlich von GzmBexprimierenden B-Zellen sowie IL-21-exprimierenden T-Zellen infiltriert werden. Da die Infiltration von Tumoren mit B-Zellen mit einer ungünstigen Prognose einhergehen kann, weisen unsere Befunde darauf hin, dass GraB cells ähnlich wie regulatorische T-Zellen zu einem immunsuppressiven Milieu in Tumoren beitragen können. In einem weiteren Teilprojekt gelang es uns inzwischen, viable GraB cells direkt in vivo nachzuweisen und zu isolieren. Wir konnten zeigen, dass bei unbehandelten HIV-Patienten bis zu 98% der im peripheren Blut zirkulierenden B-Zellen GzmB exprimieren und ein GzmBabhängiges regulatorisches Potential aufweisen. GraB cells bei HIV-Patienten zeichnen sich außerdem durch eine erhöhte Expression von CD5, CD43, CD86 und CD147 aus, produzieren jedoch kein IL-10, weshalb sie sich sowohl phänotypisch als auch funktionell von regulatorischen B10-Zellen unterscheiden. Das augenfälligste funktionelle Merkmal ihrer regulatorischen Aktivität ist die direkte GzmB-abhängige Degradation der ζ-Kette des T-ZellRezeptors, was zu einer signifikant reduzierten proliferativen Kapazität solcher T-Zellen führt. Der Grund für die Entwicklung von GraB cells bei HIV-Patienten scheint zu sein, dass das virale Protein Nef in der Lage ist, unabhängig von antigenpräsentierenden Zellen direkt den + T-Zell-Rezeptor von CD4 T-Helferzellen zu stimulieren und diese dadurch inkomplett zu aktivieren. Dies führt dann dazu, dass T-Helferzellen große Mengen an IL-21 sezernieren, gleichzeitig jedoch kaum CD40L exprimieren. Wie oben beschrieben, löst diese Konstellation die Differenzierung von B-Zellen zu GraB cells aus (Abb. 1). Entsprechend können IL+ 21 CD40L T-Helferzellen von HIV-Patienten auch in vitro direkt die Differenzierung von kokultivierten B-Zellen zu GraB cells induzieren. Werden zur Kontrolle agonistische CD40LMultimere zu diesen Kulturen gegeben, bewirkt dies erwartungsgemäß eine Verschiebung der Differenzierung der B-Zellen in Richtung Plasmazellen. Im Rahmen eines proof-of-principle-Experiments konnten wir den oben beschriebenen Mechanismus auch in einem Immundefekt-Patienten bestätigen, der durch eine Mutation des nuclear-factor-κ-B essential modulators (NEMO) eine Störung des CD40-Signalwegs in BZellen aufwies. Die Mehrzahl der in vivo gewonnenen B-Zellen dieses Patienten waren ebenfalls GraB cells und konnten in Kultur die Proliferation und Viabilität von T-Zellen eindrucksvoll supprimieren. Diese Daten zeigen, dass GraB cells eine hochwirksame regulatorische B-Zellpopulation darstellen, welche mit zur Schwächung der zellulären Immunität bei HIV-Patienten und bei Patienten mit bestimmten angeborenen Immundefekten beitragen und damit möglicherweise auch die schwachen Antikörperantworten nach Impfungen bei HIV-Patienten erklären. Die Verwendung löslicher CD40L-Multimere als Adjuvantien könnte möglicherweise dazu beitragen, bei dieser Gruppe von Patienten den Impferfolg zu erhöhen. Auch bei Autoimmunerkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes (SLE) + konnten wir GraB cells nachweisen, wobei es sich auch hierbei in erster Linie um CD5 BZellen zu handeln scheint. Auf der anderen Seite konnten wir zeigen, dass sowohl benigne + als auch maligne CD5 B-Zellen sich gegenseitig über einen GzmB-abhängigen + Mechanismus in die Apoptose leiten. Da aus Nabelschnurblut gewonnene CD5 B-Zellen ein deutlich stärkeres Potential besitzen, nach IL-21-Stimulation GzmB zu produzieren als CD5 B-Zellen, gehen wir davon aus, dass dieser Population eine besondere Bedeutung für die Regulation der zellulären Immunantwort zukommt, dass sie gleichzeitig aber auch in der Lage + ist, sich selbst zu regulieren. Es erscheint daher möglich, dass CD5 GraB cells sowohl bei der (erfolgreichen) Induktion von Toleranz während der Schwangerschaft als auch bei der (frustranen) Induktion von Toleranz während der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen + wie dem SLE eine Rolle spielen. Insbesondere bei Schwangerschaften könnte der CD5 BZell-Population des Fetus eine wichtige Schutzfunktion dabei zukommen, fehlgeleitete TZellen aus dem mütterlichen Kreislauf frühzeitig im fetalen Kreislauf an der Expansion zu hindern, bevor diese über die Erkennung MHC-exprimierter fetaler Antigene aktiviert werden. Durch das gleichzeitige Fehlen kostimulatorischer Signale von professionellen antigenpräsentierenden Zellen (welche nur bei Vorhandensein von Gefahrensignalen wie TLR-Agonisten, etwa im Rahmen von Infektionen, aktiviert werden) ist in diesem Fall gewährleistet, dass entsprechende T-Helferzellen lediglich IL-21, nicht aber CD40L + exprimieren. Diese könnten fetale CD5 B-Zellen dann zu immunregulatorischen GraB cells differenzieren, welche ihrerseits die Proliferation von gleichzeitig vorhandenen Effektor-TZellen mit gleicher Antigenspezifität supprimieren würden. Unterstützung für diese Hypothese kommt aus einem verwandten Gebiet der Immunologie, nämlich der Organtransplantation. Kürzlich erschienene Forschungsarbeiten der Arbeitsgruppe von Prof. Sophie Brouard in + Nantes zeigen, dass GzmB-exprimierende CD5 B-Zellen eine wichtige Rolle bei der Induktion von Toleranz gegenüber Nierentransplantaten spielen, und zwar ebenfalls über GzmB-abhängige, jedoch IL-10-unabhängige Mechanismen. Es erscheint daher vielversprechend, die Rolle von GraB cells bei weiteren physiologischen und pathophysiologischen Situationen, welche die Induktion bzw. den Verlust von Immuntoleranz beinhalten, zu untersuchen. Hierzu könnten wie erwähnt Schwangerschaft, verschiedene Autoimmunerkrankungen, aber auch die akute und chronische GvHD nach allogener Stammzelltransplantation gehören. GraB cells stellen eine neue Form immunregulatorischer B-Zellen dar, welche die Wirkung von B10-Zellen zu ergänzen scheinen. GraB cells sind zentral in verschiedene Krankheitsprozesse involviert und ex vivo aus peripheren humanen B-Zellen differenzierbar. Die weitere Untersuchung von GraB cells könnte ihre zukünftige diagnostische und therapeutische Nutzung ermöglichen. So könnte die Quantifizierung von GraB cells bei Tumoren oder Infektionen eine prognostische Aussagekraft bezüglich des weiteren Krankheitsverlaufs haben. Zudem könnte sich die ex-vivo-Generierung von GraB cells oder ihre in-vivo-Induktion als nützlich für ihren therapeutischen Einsatz bei inflammatorischen Erkrankungen wie graft-versus-host disease oder verschiedenen Autoimmunerkrankungen erweisen (Abb. 2). Andererseits könnte die pharmakologische Hemmung von GraB cells im Sinne einer immunologischen checkpoint-Blockade die Effizienz alternativer immunologischer Therapieansätze bei Tumoren und Infektionserkrankungen erhöhen (Abb. 3). Abbildung 2. Illustration der Gewinnung und möglichen klinischen Anwendung regulatorischer B-Zellen. Abkürzungen: GvHD=graft-versus-host-disease, NEMO=nuclear-factor-κ-B essential modulator. Abbildung 3. Mögliche Angriffspunkte zur Hemmung von GraB cells. Sowohl eine Hemmung des B-ZellRezeptors, des IL-21-Rezeptors und des Fcγ-Rezeptors auf der Oberfläche von B-Zellen als auch eine Hemmung der nachgeschalteten intrazellulären Signalmoleküle könnten die Funktion von GraB cells soweit beeinträchtigen, dass sie ihre immunregulatorische Funktion verlieren (5). Analog wäre auf T-Helferzell-Ebene über Stimulation von CD28 oder Hemmung von CTLA-4 eine Induktion von CD40L möglich, was im Gefolge zu einer Differenzierung interagierender B-Zellen zu Plasmazellen anstatt zu GraB cells führen würde (6). Einen vergleichbaren Effekt hätte voraussichtlich auch eine direkte Stimulation von CD40 auf B-Zellen (7). Schließlich wäre auch eine direkte Hemmung des funktionellen Moleküls GzmB selbst denkbar (8).