Waffenstarrende Eleganz -

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Waffenstarrende Eleganz Neolamprologus pleuromaculatus
Kai Arendt
Leider gehört atchNeolamprologus pleuromaculatus zrt den Cichliden, die sich in der
Aquaristik nie recht durchsetzten konnten. Ich möchte mit diesem Artikel das Interesse
an diesem fast vergessenen Fisch des Tanganjikasees wecken. Die Tiere sah ich zum
erstenmal 1985 bei einem Berliner Zoohändler. Die vier ungefähr zwölf Zentimeter
Iangen Fische faszinierten mich sofort; das starke Gebiß und der lauernde Blick dieser
Cichliden, die mit gesenktem Kopfund ständig gespreizten Flossen Abstand zueinander haltend in dem Aquariurn standen, machten sie zu ungemein beeindruckenden
,,Persönlichkeiten". Natürlich kamen sie zu mir nach Hause, wo sie in einem großen
Gesellschaftsbecken längere Zeit lebten, ohne jedoch für Nachwuchs gesorgt zu
haben. Der Grund dafür sollte mir lange ein Rätsel bleiben.
NeoLamprologus pleuromacttlatus kommt nur im nördlichen Teil des Tanganjikasees
vor und wird dofi vor allem über Sand- und Schlammgrund angetroffen, wo er sich bis
in relativ große Tiefen vorwagen kann. Er ist allerdings nicht nur auf den Sandboden
beschränkt, sondern wandert auch in das Geröllitoral sowie in die Gebiete der Flußmündungen und Röhrichtgürtel Es sind schnel1e. kraftvolle Schwimmer von langgestreckter, zylindrischer Gestalt, die sich wohl vorwiegend von kleinen Fischen, Insektenlarven und Garnelen ernähren. Der große Kopf und die starken Fangzähne irn
immer klaffenden, kräftigen MauI läßt die Fische als ,,Räuber" erscheinen. Die Färbung ist auf den Fotos gut ersichtlich, kann jedoch stimmungsabhängig variieren. So
zeigen zum Beispiel dominierende Tiere sehr viel dunkle Marmorierung, während bei
unterdrückten die Flecken ganz verschwinden bzw. nur einer auf der Flankenmitte
übrigbleibt. lm natürlichen Lebensraum stellt diese Färbung natürlich eine hervorragende Tarnung dar.
Eng verwandt ist N. pleurontaculatus mit den Schneckencichliden Neolamprologtrs
boulengeri , N. hequirndN. meeli einerseits sowie Lepidiolamprologws attenuatLts auf
der anderen Seite. Alle fünf Buntbarsche zeigen in bezug auf Körperform , Färbung und
auch einige Verhaltensweisen viel Gemeinsames.
Nachdem ich dann lange Zeit nichts von N. pleuromaculatlls gesehen hatte,entdeckte
ich endlich einige halbwüchsige, rund sieben Zentimeter lange Wildfangtiere bei
einem Händler. Ich nahm die Gruppe mit nach Hause in der Hoffnung, ein Paar werde
sich schon finden. Aber trotz guter Fütterung - die Tiere sind gierige Fresser - und
regelmäßigen Wasserwechsels wollte sich keine Paarbildung einstellen. So gab ich
von den nun ausgewachsenen Tieren a1le bis auf zwei etwas unterschiedlich große ab,
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von denen ich hoffte, daß es vielleicht doch ein Pärchen sei. Jedoch auch diese Hoffnung zerschlug sich rasch, denn das größere Exemplar war immer recht aggressiv zum
kleineren, und nie war ein Balzen zu sehen.
Nun schwamm ntderzeitbet einem mir bekannten Berliner Händler noch ein einzelner N. pleuromacttlatus, der allerdings nur gerade sechs Zentimeter groß war. Aus diesem Grund hatte ich mich bisher gescheut, dieses Tier mit nach Hause zu nehmen, da
ich glaubte, daß die größeren Artgenossen den ,,Kleinen" wohl zerpflücken würden.
Da das Tier aber schon ungefähr zwei Jahre alt war und in einer Ecke des Beckens mit
einem Männchen von N. boulengeri in aller Eintracht zusammenstand, kam mir der
Gedanke, daß die Weibchen von N. pleuromaculatus vielleicht gar nicht größer werden und ich bisher nur Männchen erwischt hatte. Um es vorwegzunehmen: Meine
Annahme erwies sich als richtig! Ich nahm das Tier also trotz des Risikos mit nach
Hause. Beim Herausfangen fiel mir auf, daß es in einem Weinbergschneckenhaus
Znflucht nahm, und es zeigte sich auch später, daß das Tier immer wieder diese
Schneckengehäuse aufsuchte.
Zu Hause kam das Exemplar zusammen mit dem größeren meiner ,,alten" N. pleuromacwlatus in ein 160-Liter-Aquarium, das die beiden mit einem paar Telmatochronüs
bm'geoni sowie einigen Ancistrus teilen mußten. Eingerichtet ist das Becken mit zwei
Steinhaufen an jedem Ende einer Sandfläche, auf die ich mehrere Weinbergschneckenhäuser legte. An der Rückwand hatte ich eine große Meeresschnecke der
Gattung Tritonium plaziert, die ich beim Tauchen im Mittelmeer gefunden hatte. Als
Bepflanzung wählte ich Riesenvallisnerien und Javai'arn. GefüIlt wurrie das Becken
mit mittelhartem Berliner Leitungswasser, das ich aü 2i Grad celsius eingestellt
hatte.
Das kleine Tier bekam natürlich zuerst,,keinen Stich", konnte sichjedoch bereits am
zweiten Tag aus seiner Deckung wagen, ja, es wurde sogar bald von dem mit ungefähr
zwölf Zentimeter immerhin fast doppelt so großen ,,Pleuro" im Revier geduldet, das er
um die Meeresschnecke herum belegt hatte. Bald verstanden sich beide Tiere prächtig.
Nun war ich sicher, daß ich endlich ein Paar hatte, und es war schon ein eigenartiger
Anblick, das ungleiche Duo in seinem Revier stehen zu sehen. Oft lag das Weibchen
auch auf dem Boden vor dem Eingang eines Weinbergschneckenhauses. Im Gegensatz
zum Männchen, das sehr dunkel gefärbt war, war das Weibchen heller, und es trat auf
den Körperseiten eine Reihe von sechs Flecken auf, von denen sich der erste auf dem
Kiemendeckelrand und der letzte am schwanzflossenansatz befand. Dabei war der
dritte Fleck, der sich etwa in der Körpermitte befand, am kräftigsten. Auch färbten sich
die Bauchflossen, besonders des Weibchens, dunkel.
Wenn das Männchen einmal aggressiv war, wurde es vom Weibchen sofort durch
Bauchzuwenden und Zittern, eine typische Unterlegenheitsgeste der LamprologwsArtigen, beschwichtigt. Ich konnte nun auch immer öfter beobachten, wie das Weibchen das Männchen anbalzte. Es schwamm das Männchen frontal oder seitlich an, biß
es vorsichtig in die Bauchgegend oder die Unterseite des Kopfes und drehte darauf
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Oben: Portrait von N. pleuromaculatus
Unten: Ausgewachsenes Männchen in meinem Aquarium
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ti5-t8t
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sofortab. Dannstelltees sichzitternd, demMännchendieBauchseitezugewandt, quer
vor ihm auf und versuchte so. es zt reizen. Während dieser Zeit lockte das Weibchen
sein Partner zu einigen Weinbergschneckenhäusern, in denen es dann auch verschwand. Das Männchen schaute mit Interesse in die Gehäuse. Auch wurden in der
Umgebung dieser Schneckenhäuser einige flache Gruben ausgehoben, so daß ich
annahm, die Tiere wür'den nun in einem dieser Häuser laichen.
Nach ungefähr einer Woche jedoch zeigte das Paar zusehends mehr Interesse an der
Meeresschnecke, die bislang nur von dem Männchen bewohnt gewesen war. Das
Anbalzen des Weibchens wurde nun immer häufiger, und beide Tiere begannen, das
Innere der Schnecke zu säubern. Auch wurde vor dem Eingang eine Grube ausgehoben. Immer unermüdlicher wurde nun die Werbung des Weibchens, und das Männchen folgte immer öfter vor den Schneckeneingang, wobei es jedoch immer äußerst
wachsam blieb. Sobald sich ein potentieller Feind blicken ließ, schnellte es blitzschnell
zum Angriff vor und vertrieb ihn.
Nun dauefte es auch nicht mehr lange, bis die Paarung erfolgte. Das Weibchen hatte
den Partner vor den Eingang gelockt, verschwand zitternd in der Schnecke und legte
die Eier ab, während er, draußen wartend, die Umgebung beäugte. Dann schwamm
auch er hinein und besamte das Gelege. Beide Tiere kamen dann heraus und ,,heizten"
ersteinmaldenMitinsassen,,ein",wobeiesoftzuDrohgefechtenmitden
T.burgeoni
kam. Sie gingen immer ohne Verletzungen ab. An diesen Auseinandersetzungen war jedoch nur das Männchen beteiligt, das mit gesenktem Mundboden und gespreizten Flossen seinem Kontrahenten ,,Auge in Auge gegenüberstand" ein sehr beeindruckender Anblick! Das Weibchen blieb meist direkt vor der Bruthöhle.
Das Ablaichen wiederholte sich noch mehrere Male. und ich konnte dabei beobachten.
daß das Männchen manchmal zitternd, über dem Eingang zum Schneckenhaus stehend, Sperma abgab, das vom Weibchen zu den Eiern gefächelt wurde. Dieses Verhalten erinnerte mich stark an das von N. boulengeri.
Obwohl N. pleuromaculatrs sicher kein Schneckencichlide im engeren Sinne ist, zeigen die Tiere eine deutliche Affinität zu Schneckengehäusen, die etwa die Größe der
im See beheimateten Neothauma-Schnecken haben. Gerade Jungfische bewohnen
zumindest im Aquarium oft Schneckengehäuse, selbst wenn genügend Felshöhlen vorhanden sind, die als Zuflucht geeignet wären. Ein weiterer Hinweis auf die Nähe zu
den Schneckencichliden ist der extreme Größenunterschied zwischen den Geschlechtern, der sonst so kraß eigentlich nur bei reinen Schneckenbuntbarschen ausgebildet
ist. Es sindjedoch auch Fälle bekannt, wo N. pleuromaculatus in Gefangenschaft in
normalen Felshöhlen ablaichte. Klarheit können wohl nur Beobachtungen vor Ort im
See bringen.
Nach dem Ablaichen sah die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern wie folgt
aus: das Weibchen blieb stets in der unmittelbaren Umgebung der Bruthöh1e, während
das Männchen die Ro1le der Fernverteidigung übernahm, und zwal so resolut. daß rran
sich beim Hantieren im Becken reselrecht in Acht nehmen mußte. Das Tier sriff dann
an der Reviergrenze
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nämlich blitzschnell an, biß mit seinen waffenstarrenden Kief crn zu. begann dann. rlrit
dem Körper zu rütteln, und konnte einem stark blutende Wunden zufügen, wenn man
die Hand nicht rasch wieder herauszog.
Am Morgen des zehnten Tages nach dem Ablaichen schwammen die Jungen frei am
Eingang des Schneckengehäuses. Sie zeigen eine charakteli sti sche Fleckenzeichnung,
die sie vorzüglich tarnt. Ich fütterte sogleich mit fl'isch seschliipften Artemia-Nav
plien, die gierig angenommen wurden. Es waren rttnd 80 JLrnge (bei späteren Gelegen
zäh1te ich bis zu 150 Nachkommen), die bei regelmäßigern Wasserwechsel schnell
wuchsen. Im Laufe der Brutpflege änderte sich an der Rollenverteilung nichts mehr.
Auffällig ist, daß sich die Jungfische bereits ab einer Länge von anderthalb bis zwei
Zentimetern bevorzugt in einigem Abstand zum Boden aufhalten, was ja sonst bei den
Jungtieren der Lamprologus-Y erwandten selten der Fall ist. Wie die lange Brutpflege die Jungen werden bis zu einer Länge von vier Zentimetern verteidigt - ist das eine
gewisse Parallele im Verhalten zu LepidiolamproLogus elongatus.
Paar mit Jungfischen am ersten Tag des Freischwimmens
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rao-rrfo
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t19
Ich kann diesen herrlichen cichliden nur jedem wärmstens empfehlen, der sich durch
das räuberische Außere der Tiere nicht abschrecken läßt. sollte man sich zur pflege
von N. pleuromaculatus entschließen, wird man in ihm einen eleganten, robusten und
schön gefärbten Pflegling mit ,,Charakter" finden, dessen Pflege allemal lohnt. Außerhalb der Brutpflege ist er sowohl Artgenossen als auch gegenüber anderen Mitbewohnern ein friedlicher Zeitgenosse, bei dem Kraft und remperament mit gelassener souveränität gepaart sind. Die Aggressivität während der Brutpflege hält sich im Rahmen,
ist jedoch wie bei fast allen Lamprologus-Artigen relativ ausgeprägt.
Mit einer Höchstlänge von ungefähr l3 Zentimetern im männlichen und sieben bis acht
zentimetern im weiblichen Geschlecht zähit N. pleuromacwlatas zu den mittelgroßen
Lamprologus-Yerwandten, was einen aber nicht dazu verleiten sollte, ihn in zu kleine
Becken zu sperren. Da er sehr gern und viel schwimmt, braucht er möglichst große
Aquarien mit viel Schwimmraum. Ein Meter Kantenlänge stellt dabei das absolute
Minirnum dar. Am wohlsten fühlt er sich in großen Gesellschaftsbecken ab 1,5 Meter
Seitenlänge, die ruhig etwas höher sein sollten, da N. pleuromaculatus gern tnden oberen Wasserschichten steht. So kann man ihn dann auch in kleinen Gruppen halten. Als
Mitinsassen empfehlen sich alle mittelgroßen und größerenTelmatochromis- und Jwlidochromis-Arten. Aber auch kleinere robuste Arten, wie zum Beispiel N. brichardi,
N. savoryi oder N. obscwrws, sind zur Vergesellschaftung gut geeignet.
Regelmäßiger Wasserwechsel und eine abwechslungsreiche Fütterung mit Fischfleisch, Mysis, Artemia und Mückenlarven, aber auch dann und wann mit großflockigem Trockenfutter sind eine wichtige voraussetzung für die erfolgreiche Haltung und
Zucht von N. pleuromaculatus. Sind alle diese Bedingungen erfüllt, wird man an diesem beeindruckenden Fisch lange seine Freude haben.
Literatur
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(t Aufl ):820,
821
Tanganjika Cichlidenr 169. 170
DCG-Info 23 (9) 1992:175-181@
Oben: Drohendes Pärchen - Fotos: Arendt
Unten: Acht bis zehn Wochen alter, 3,5 Zentimeter großer Jungfltsch
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