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Der Teilchenbeschleuniger am CERN - Fragen und Antworten
Im Large Hadron Collider (LHC) sollen Protonen mit bislang noch nie dagewesener Energie
aufeinanderprallen. Die Physiker am CERN erhoffen sich von dem Experiment grundlegende
Einblicke in den Aufbau des Universums. Neun Fragen und Antworten zu dem Megaprojekt:
1. Was ist das CERN?
Die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) betreibt bei Genf mit 7.000
Wissenschaftlern aus 80 Ländern das weltweit größte Forschungszentrum für Teilchenphysik. Dort
wird seit 1954 nach Antworten auf Fragen zur Beschaffenheit und Entwicklung des Universums
gesucht. Am CERN wurden auch die Grundlagen des World Wide Web entwickelt, um
Wissenschaftlern die Kommunikation zu erleichtern. Seit dem Baubeginn 1999 fiebern die Physiker
den Experimenten am LHC entgegen.
2. Was ist der Large Hadron Collider?
Der LHC ist der größte jemals gebaute Teilchenbeschleuniger. In dem 27 Kilometer langen und
knapp 4 Meter hohen Tunnel werden die kleinsten Bausteine der Materie, sogenannte
Elementarteilchen, fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Starke
Magneten halten sie auf der Kreisbahn. Die Anlage liegt rund 100 Meter unter der Erde im
schweizerisch-französischen Grenzgebiet; mit einer Temperatur von minus 271 Grad Celsius ist sie
zugleich der größte Kühlschrank der Welt.
3. Was hat der LHC gekostet?
Die Kosten der Anlage belaufen sich laut CERN auf 6,5 Milliarden Schweizer Franken (rund 4,5
Milliarden Euro).
4. Warum ist der Beschleuniger so groß?
Je kleiner die Teilchen sind, die beobachtet werden sollen, desto größer muss das «Mikroskop» sein.
Zellen einer Pflanze lassen sich mit einem einfachen Lichtmikroskop betrachten, für Atome braucht
man schon ein Elektronenmikroskop. Für die Beobachtung noch viel kleinerer Elementarteilchen
benötigen die Forscher eine extrem hohe Auflösung, also besonders viel Energie und deshalb
besonders große Beschleuniger.
5. Was passiert im LHC?
Protonen werden nahezu mit Lichtgeschwindigkeit aufeinandergeschleudert. Deren elementare
Bestandteile - Quarks und Gluonen - erzeugen neue Teilchen und Energie. Es werden Temperaturen
erreicht wie in der ersten Billionstelsekunde nach dem Urknall. Die Beobachtung der Prozesse im
LHC ist daher wie ein Blick auf einen Moment kurz nach der Entstehung des Universums.
6. Versinkt die Erde wegen der LHC-Experimente in einem Schwarzen Loch?
Diese Befürchtungen, die sogar schon den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
beschäftigten, werden von nahezu allen ernstzunehmenden Physikern belächelt. Falls winzige
Schwarze Löcher entstehen, werden sie kaum etwas mit ihren sternenverschlingenden
Namensvettern im Weltall gemein haben. Sie dürften unmittelbar nach ihrem Auftreten schon
wieder zerfallen - und hätten gar keine Zeit, durch das «Verschlucken» von Materie zu wachsen.
Die bei der Kollision zweier Protonen freiwerdende Energie ist für ihre Größe gewaltig, im
größeren Maßstab aber gering: Sie entspricht der zweier Mücken, die im Flug zusammenstoßen.
Für das schlagkräftigste Gegenargument halten die Physiker ihre eigene Existenz: Denn die im
LHC ablaufenden Prozesse spielen sich ständig ab, wenn kosmische Strahlung zum Beispiel auf die
Erdatmosphäre trifft. Und dabei ist ganz offenbar noch kein bedrohliches Schwarzes Loch
entstanden.
7. Wonach suchen die Teilchenphysiker am CERN?
Erster Kandidat ist das Higgs-Teilchen, von manchen auch «Gottesteilchen» genannt. Die Physiker
erklären die Existenz und das Verhalten aller Elementarteilchen mit dem sogenannten
Standardmodell. Leider gehen die Berechnungen nur auf, wenn die Teilchen keine Masse hätten.
Der englische Physiker Peter Higgs rettete das Modell 1964, indem er die Existenz eines Felds oder
Teilchens voraussagte, das den anderen Teilchen ihre Masse verleiht - so als steckten diese in einem
zähen Sirup. Seitdem sind die Wissenschaftler auf der Suche nach dem Higgs-Teilchen.
8. Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?
Trotz der gigantischen Leistungsfähigkeit des LHC glauben die Forscher, dass sie beim Experiment
etwa zwei bis drei Jahre brauchen, bis sie genug Daten gesammelt haben, um das Higgs-Teilchen
nachzuweisen. Im Vollbetrieb lassen die Physiker im LHC pro Sekunde eine Milliarde Mal
Elementarteilchen mit einem anderen Proton zusammenstoßen. Dabei dürfte aber nur einmal pro
Minute ein Higgs-Teilchen entstehen, was an die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im
Heuhafen erinnert. Wird das Higgs-Teilchen tatsächlich nachgewiesen, dürfte seinem heute 79jährigen Namensgeber der Nobelpreis sicher sein.
9. Wären mit der Entdeckung des Higgs-Teilchen alle Fragen geklärt?
Keineswegs. Der LHC soll den Physikern danach weitere Hinweise zu den großen Rätseln des
Universums verschaffen. Bislang gibt es noch zwei Arten von Elementarteilchen, die die Physiker
gern in einer Theorie zusammenführen möchten. Die Verfechter der sogenannten Supersymmetrie
sind überzeugt, dass es zu jedem Teilchen ein passendes Gegenteilchen gibt, den sogenannten
Superpartner. Der LHC könnte Hinweise auf deren Existenz bringen.
Eines dieser Teilchen ist eng verbunden mit der rätselhaften Tatsache, dass 95 Prozent des
Universums aus Dunkler Materie und Dunkler Energie bestehen. Das haben Astronomen und
Astrophysiker aus der Beobachtung des Universums errechnet, von dieser dunklen Seite unserer
Welt weiß man aber nahezu nichts. Eins der Gegenteilchen zu den Elementarteilchen steht im
Verdacht, Baustein der Dunklen Materie zu sein.
Schließlich erhoffen sich die Physiker von den LHC-Ergebnissen neue Erkenntnisse auf ihrem
mühevollen Weg zu einer «Weltformel». Einsteins allgemeine Relativitätstheorie erklärt die Welt im
Großen, die Quantenfeldtheorie im Kleinen. Beide passen leider mathematisch nicht recht
zusammen, was einige Wissenschaftler mit der sogenannten String-Theorie auflösen wollen. Diese
setzt aber einfach mal die Existenz von zehn Dimensionen voraus. Der LHC, so hoffen die
Theoretiker, könnte Phänomene entdecken, die ein völlig neues Licht auf die letzten großen
Geheimnisse der Natur werfen.
http://www.cern.ch
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