1.2 Eigenschaften der ganzen Zahlen

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c Rudolf Scharlau
Lineare Algebra – 2016/17
1.2
15
Eigenschaften der ganzen Zahlen
Dieser Abschnitt handelt von den gewöhlichen ganzen Zahlen Z und ihren Verknüpfungen plus” und mal”. Man kann die natürlichen Zahlen
”
”
durch die sogenannten Peano-Axiome einführen; sie handeln von der Addition +1” und beinhalten insbesondere das Prinzip der vollständigen
”
”
Induktion”. Die Erweiterung von den natürlichen auf die ganzen Zahlen,
also die Einführung der negativen Zahlen, kann man dann ohne allzu
großen Aufwand konstruktiv durchführen. Wir verzichten in dieser Vorlesung auf eine solche detaillierte Begründung und nehmen die ganzen
Zahlen als gegeben an. Allerdings fassen wir, um eine klare Grundlage
zu geben, unter 1.2.1 und 1.2.5 die strukturellen Merkmale von N und Z
einmal geordnet zusammen.
Unter 1.2.6 besprechen wir dann die fundamentale Eigenschaft der
Division mit Rest“, die den Einstieg in das eigentliche Thema dieses
”
Abschnittes liefert. Wir erinnern weiter an den bekannten Begriff einer
Primzahl“, also einer Zahl, die bezüglich Multiplikation nicht weiter
”
zerlegt werden kann. Es ist wohlbekannt und nicht schwer zu zeigen, dass
jede natürliche Zahl in ein Produkt von Primzahlen zerlegt werden kann.
Deutlich schwieriger ist es, exakt und lückenlos zu begründen, dass eine
solche Zerlegung eindeutig ist (bis auf die Reihenfolge der Faktoren).
Zusammengenommen bilden diese beiden Tatsachen den sogenannten
Fundamentalsatz der Arithmetik“. Sein vollständiger Beweis liegt für
”
uns eher am Rande, zentral und wichtig ist jedoch ein dabei benutztes
Konzept, nämlich der größte gemeinsame Teiler, kurz ggT, zweier Zahlen
sowie der euklidische Algorithmus, der den ggT berechnet. Hier liegt
der Schwerpunkt des folgenden Abschnitts. Wir besprechen auch den
sogenannten erweiterten euklidischen Algorithmus, mit dessen Hilfe man
den ggT von zwei Zahlen a und b in der Form g = xa + yb mit x, y ∈ Z
darstellen kann (sog. Lemma von Bezout“).
”
1.2.1 Beschreibung der natürlichen Zahlen:
1. Zu jedem Paar (a, b) ∈ N × N natürlicher Zahlen ist eine Zahl
a + b ∈ N definiert derart, dass für alle a, b, c ∈ N gilt
(a) (a + b) + c = a + (b + c) (Assoziativgesetz)
(b) a + b = b + a (Kommutativgesetz)
2. Wenn man eine Relation” a < b zwischen Elementen a, b ∈ N
”
durch
a < b :⇐⇒ ∃x ∈ N : a + x = b,
definiert, dann gilt für zwei beliebige Elemente a, b ∈ N genau eine
der folgenden drei Alternativen:
a < b ∨ a = b ∨ b < a.
Man sagt auch: < ist eine totale Ordnung auf N.
3. Es gibt eine kleinste natürliche Zahl, bezeichnet mit 1. (Es gilt also
1 < x für alle x ∈ N mit x 6= 1.)
4. Induktionsprinzip: Es sei M ⊆ N eine Teilmenge, für die gilt
(a) 1 ∈ M
(b) x ∈ M ⇒ x + 1 ∈ M .
Dann ist M = N.
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In der üblichen Formulierung handelt das Induktionsprinzip von einer
Aussage A(n), in deren Formulierung eine natürliche Zahl n vorkommt.
(Z.B. kann die Aussage eine Summenformel für Summen der Länge n
sein.) Das diesbezügliche Beweisprinzip lautet wie folgt:
1.2.2 Das Beweisprinzip der vollständigen Induktion
Es sei A(n) eine Aussage, die von einer natürlichen Zahl n abhängt.
Folgendes sei vorausgesetzt:
1. Die Aussage A(1) ist wahr (Induktionsanfang).
2. Für alle n ≥ 1 gilt: Wenn die Aussage A(n) wahr ist, dann ist auch
die Aussage A(n + 1) wahr (Induktionsschluss).
Dann ist die Aussage A(n) für alle n ∈ N wahr.
Innerhalb des Induktionsschlusses (auch als Induktionsschritt bezeichnet) nennt man die Aussage A(n) auch Induktionsvoraussetzung und
A(n + 1) die Induktionsbehauptung.
Um dieses Beweisprinzip auf die vorher als Induktionsprinzip bezeichnete
Eigenschaft von N zurückzuführen betrachtet man die Menge M := {n ∈
N | A(n) ist wahr} und wendet hierauf 1.2.1.4 an; es ergibt sich M = N.
Beispiel 1.2.3 Für alle natürlichen Zahlen n gilt
n
X
k=1
k2 =
n(n + 1)(2n + 1)
.
6
(A(n))
Beweis durch vollständige Induktion:
Induktionsanfang: Die Aussage A(1) ist wahr, denn auf beiden Seiten
der Gleichung steht 1.
Induktionsschluss: Die Voraussetzung besagt, dass A(n) gilt. Wir rechnen die linke Seite von A(n + 1) aus:
n+1
X
k2 =
k=1
n
X
k=1
k 2 + (n + 1)2 =
n(n + 1)(2n + 1)
+ (n + 1)2 .
6
Einfaches Weiter-Rechnen liefert auf der rechten Seite
(n(2n + 1) + 6(n + 1))(n + 1)/6 = (n + 1)(n + 2)(2n + 3)/6.
Das ist genau die rechte Seite von A(n + 1).
1.2.4 Beweis von Satz 1.1.15 durch Induktion nach n = |M |.
Induktionsanfang: Für n = 0, also M = ∅ ist die Behauptung richtig,
denn P(∅) = {∅}.
Induktionsschluss: Die Behauptung sei für Mengen der Mächtigkeit n
bewiesen. Sei M eine Menge mit |M | = n+1. Wähle ein Element a ∈ M ,
setze M 0 := M r {a}. Es gilt also |M 0 | = n. Wir teilen die Teilmengen
X ⊆ M in zwei Klassen ein: Mengen mit a ∈
/ X, das sind genau die
Teilmengen von M 0 , und Mengen mit a ∈ X. Auf diese Art haben wir
eine Darstellung P(M ) = P(M 0 ) ∪ P 0 als disjunkte Vereinigung, wobei
P 0 = {X ⊆ M | a ∈ X}. Die Mengen in P 0 sind alle von der Form X =
X 0 ∪ {a}, wobei X 0 eine (durch X eindeutig bestimmte) Teilmenge von
M 0 ist. Von diesen Mengen gibt es also genau so viele wie Teilmengen von
M 0 , m.a.W. |P 0 | = |P(M 0 )|. Nach Induktionsannahme gilt |P(M 0 )| = 2n .
Insgesamt folgt also
|P(M )| = |P(M 0 )|+|P 0 | = |P(M 0 )|+|P(M 0 )| = 2|P(M 0 )| = 2·2n = 2n+1 ,
wie gewünscht.
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Man kann das Induktionsprinzip in etwas modifizierter Form auch für die
Definition von gewissen Rechenoperationen oder Termen benutzen. Wir
wollen das nicht weiter formalisieren, aber an einem typischen Beispiel
erläutern, nämlich der Multiplikation natürlicher Zahlen. Die Multiplikation a·b (meist einfach als ab geschrieben) wird durch Zurückführung auf
die Addition definiert: 1·b := b, 2·b := b+b, 3·b := b+b+b := (b+b)+b,
und so weiter. In dem und so weiter” steckt das Induktionsprinzip: wenn
”
a · b schon definiert ist, für ein bestimmtes a ∈ N und alle b ∈ N, dann
definiert man für beliebiges b ∈ N
(a + 1) · b := a · b + b.
Die so definierte Multiplikation erfüllt die üblichen Eigenschaften des
normalen Zahlenrechnens, die wir hier nicht mehr separat auflisten, da
sie gleich bei den ganzen Zahlen noch einmal vorkommen.
1.2.5 Beschreibung der ganzen Zahlen:
1. Die ganzen Zahlen Z enthalten die natürlichen Zahlen N als Teilmenge.
2. Zu jedem Paar (a, b) ∈ Z × Z ganzer Zahlen ist eine Zahl a + b ∈ Z
definiert derart, dass für alle a, b, c ∈ Z gilt
(a) (a + b) + c = a + (b + c) (Assoziativgesetz)
(b) a + b = b + a (Kommutativgesetz)
Für a, b ∈ N hat + die frühere Bedeutung.
3. Es gibt ein Element 0 ∈ Z mit 0 + a = a für alle a ∈ Z.
4. Zu jedem Element a ∈ Z gibt es ein Element −a ∈ Z (das sogenannte Negative zu a) derart, dass a + (−a) = 0 ist.
5. Zu jedem Paar (a, b) ∈ Z × Z ganzer Zahlen ist eine Zahl a · b ∈ Z
definiert derart, dass für alle a, b, c ∈ Z gilt
(a) (a · b) · c = a · (b · c) (Assoziativgesetz)
(b) a · b = b · a (Kommutativgesetz)
Für a, b ∈ N hat a · b die frühere Bedeutung.
6. Für je drei Zahlen a, b, c ∈ Z gilt
a · (b + c) = a · b + a · c (Distributivgesetz).
7. Die unter 1.2.1.2 gegebene Definition für a < b definiert auch auf
ganz Z eine totale Ordnung. Für jedes a ∈ Z gilt genau eine der
drei Alternativen 0 < a oder a = 0 oder a < 0.
Die aufgelisteten Eigenschaften lassen sich später mit den Begriffen Ver”
knüpfung”, neutrales Element”, inverses Element”, Gruppe”, Ring”
”
”
”
”
kürzer ausdrücken. Wir verlassen nun den Bereich der Beschreibung”
”
und halten nun eine grundlegende Eigenschaft der ganzen Zahlen als
Satz fest.
Satz 1.2.6 (Division mit Rest in Z)
Sei a ∈ Z und m ∈ N. Dann gibt es eindeutig bestimmte Zahlen q ∈ Z
und r ∈ {0, 1, . . . , m − 1} so, dass
a = qm + r .
q heißt der Quotient, r heißt der Rest von a bei Division durch m.
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Der Beweis beruht auf folgendem Hilfssatz: Jede nach oben beschränkte
Menge ganzer Zahlen besitzt ein größtes Element. Dieser Hilfssatz wird
auf die Menge M := {z ∈ Z | zm ≤ a} angewendet.
Bezeichnung Der Rest von a bei Division durch m wird mit
a mod m oder a % m bezeichnet.
Beispiele:
m=6:
23
−2
4
m = 17 : 100
−50
= 3·6+5
= −1 · 6 + 4
= 0·6+4
= 5 · 17 + 15
= −3 · 17 + 1
Rest
Rest
Rest
Rest
Rest
r
r
r
r
r
=5
23 mod 6 = 5
=4
−2 mod 6 = 4
=4
4 mod 6 = 4
= 15 100 mod 17 = 15
= 1 −50 mod 17 = 1
Man sagt, dass a durch m teilbar ist, wenn die Division aufgeht, d.h. der
Rest r = 0 ist. Die so definierte Teilbarkeitsrelation“ zwischen ganzen
”
Zahlen a, b wird mit
b | a ( b teilt a“ bzw. a ist Vielfaches von b“)
”
”
bezeichnet. Definitionsgemäß gilt also
b|a
⇐⇒
∃q ∈ Z : a = q · b.
Dieses kann natürlich auch definiert werden, ohne dass man vorher von
der Division mit Rest gesprochen hat. Die Teilbarkeitsrelation wird im
folgenden für beliebige a, b ∈ Z benutzt, d.h. b kann auch Null oder
Negativ sein. Für die Verneinung schreiben wir b - a.
Der folgende Begriff ist sicher bekannt.
Definition 1.2.7 Eine natürliche Zahl p mit p > 1 heißt Primzahl, falls
sie nicht als Produkt zweier kleinerer Zahlen dargestellt werden kann.
Mit anderen Worten:
∀ a, b ∈ N :
p = ab =⇒ a = 1 ∨ b = 1.
Primzahlen sind nicht nur ein klassisches Thema der Mathematik, sondern auch –im Kontext dieser Vorlesung– für die Konstruktion algebraischer Strukturen von großer Bedeutung, mit Bezug auf die Informatik
etwa für viele Fragen der Codierung und Übertragung von Daten. Das
Gleiche gilt für den (theoretischen wie algorithmischen) Umgang mit
beliebigen ganzen Zahlen. Es ist lohnend, sich mit dieser Grundstruktur
etwas ausführlicher zu beschäftigen.
Der folgende Satz wird manchmal als Fundamentalsatz der Arith”
metik“ bezeichnet.
Satz 1.2.8 (Eindeutige Primfaktorzerlegung natürlicher Zahlen)
a) Zu jeder natürliche Zahl n > 1 existieren Primzahlen p1 , p2 , . . . , pr
derart, dass p1 · p2 · . . . · pr .
b) Diese Zerlegung ist eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren.
D.h., wenn auch n = q1 · q2 · . . . · qs ist mit qj prim für j = 1, . . . , s, so ist
r = s, und wenn wir ferner p1 ≤ p2 ≤ . . . ≤ pr und q1 ≤ q2 ≤ . . . ≤ qr
annehmen, so ist pi = qi für i = 1, . . . , r.
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1.2.9 Der Beweis der Existenz einer solchen Zerlegung ist sehr leicht:
wenn n schon selbst eine Primzahl ist, sind wir fertig. Anderenfalls schreibe
n = a · b, 1 < a < n, 1 < b < n .
Wenn a und b Primzahlen sind, sind wir fertig. Anderenfalls kann einer
der Faktoren weiter zerlegt werden, sagen wir b = c · d, 1 < c < b.
Einsetzen liefert
p = a · c · d.
Dieses Verfahren wird fortgesetzt, solange noch Faktoren nicht prim sind.
Da die Anzahl der Faktoren immer größer wird, bricht das Verfahren
nach höchstens m − 1 Schritten ab, wobei m die größte Zahl mit 2m ≤ n
ist, und wir haben die gewünschte Zerlegung gefunden.
Systematischer geht man wie folgt vor. Man schreibt vorbereitend die
Primzahlen der Größe nach geordnet in eine Liste:
p1 = 2, p2 = 3, p3 = 5, p4 , . . . , pk .
Dann überprüft man durch Probedivision” die Teilbarkeit der gegebe”
nen Zahl durch 2, 3, . . .. Sei pi die kleinste Primzahl mit pi | n. Ersetze
n durch n/pi und fahre so fort, wobei es reicht, nun mit der Primzahl pi
zu beginnen. Dieser
√ kleinste Primteiler pi ist tatsächlich ‘klein’, nämlich
höchstens gleich n, es sei denn, n ist selbst prim
√ (warum?!). Man muss
die Liste der Primzahlen also nur bis zur Größe n anlegen, wenn n die
zu zerlegende Zahl ist.
Das letzte Argument halten wir als eigenständige Bemerkung fest:
Bemerkung
√ 1.2.10 Wenn eine natürliche Zahl n durch keine Primzahl
p mit p ≤ n teilbar ist, dann ist n selbst eine Primzahl.
Beispiel: 97 ist nicht durch 2, 3, 5, 7 teilbar, also Primzahl. Denn nach
7 ist 11 die nächste Primzahl und 11 · 11 > 97.
Die Eindeutigkeit der Zerlegung in Primfaktoren ist erheblich schwieriger zu zeigen als die Existenz. Der Kern des Argumentes liegt in dem
folgenden Hilfssatz über Primzahlen.
Lemma 1.2.11 Wenn eine Primzahl p ein Produkt teilt, so teilt sie
wenigstens einen der Faktoren:
∀ k, ` ∈ N :
p | k` =⇒ p | k ∨ p | ` .
Wenn allgemeiner eine Primzahl p ein Produkt a1 a2 . . . as teilt, dann
teilt sie einen der Faktoren.
Man kann dieses Lemma gern erst einmal glauben und benutzen, ohne
es zu beweisen. Allerdings sollte man sich klar machen, dass die Aussage
nicht einfach aus der Definition einer Primzahl folgt. Der Beweis wird
am Ende dieses Abschnittes nachgetragen.
1.2.12 Beweis des Hauptsatzes 1.2.8, Teil b):
Sei also p1 p2 . . . pr = q1 q2 . . . qs , wobei die pi und die qj Primzahlen
sind. Wir beweisen die Behauptung durch Induktion über r, wobei wir
voraussetzen, dass r ≤ s ist (sonst vertausche man die Rollen der pi und
der qj ). Für r = 0 muss auch s = 0 sein, und es ist nichts zu zeigen. (Ein
Produkt mit null Faktoren ist definitionsgemäßgleich 1.)
Sei nun r ≥ 1, dann ist auch s ≥ 1. Wir wenden das Lemma 1.2.11
auf die Primzahl p = p1 und das Produkt q1 q2 . . . qs an. Es gilt p1 | qi für
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(wenigstens) einen der Faktoren qi . Bei passender Nummerierung der qj
ist i = 1, also p1 | q1 . Da q1 Primzahl ist, muss p1 = q1 sein. Wir teilen
nun beide Seiten durch p1 und wenden die Induktionsannahme auf die
Gleichung
p2 p3 . . . pr = q2 q3 . . . qs
an. Es folgt r − 1 = s − 1 und p2 = q2 , . . . , pr = sr bei geeigneter
Nummerierung, also die Behauptung.
Wir werden unten den Beweis von Lemma 1.2.11 nachtragen und dafür
den größten gemeinsamen Teiler” zweier Zahlen benutzen. Dieser Be”
griff ist sowohl theoretisch als auch für diverse rechnerische Fragen von
größter Bedeutung. Deshalb wollen wir das Konzept und die zugehörigen
Algorithmen ausführlich darstellen.
Satz 1.2.13 (Satz vom größten gemeinsamen Teiler)
Gegeben seien zwei ganze Zahlen a und b.
a) Es gibt eine natürliche Zahl g mit folgenden Eigenschaften:
(1) g | a ∧ g | b,
(2) ∀d ∈ Z :
d | a ∧ d | b =⇒ d | g.
In Worten: g ist ein Teiler von a und von b, und jede Zahl, die
gleichzeitig a und b teilt, ist ein Teiler von g.
b) Die Zahl g ∈ N0 aus Teil a) ist durch die Eigenschaften (1) und
(2) eindeutig bestimmt. Sie wird mit ggT(a, b) bezeichnet und heißt
größter gemeinsamer Teiler von a und b. Zwei Elemente a, b ∈ Z
heißen teilerfremd, wenn ihr größter gemeinsamer Teiler gleich 1
ist.
Beispiel:
a = 45,
a = 198,
b = 21, g = 3
b = 42, g = 6
Die Menge der positiven gemeinsamen Teiler von 198 und 42 ist die
Menge T = {1, 2, 3, 6}. Tatsächlich ist die Zahl 6 nicht nur das größte
Element dieser Menge, sondern T besteht aus den Teilern von 6, wie in
Teil (2) des Satzes gefordert.
Der Beweis des Satzes von ggT wird sich aus folgendem Verfahren ergeben.
1.2.14 Der Euklidische Algorithmus
1. Eingabe: a ∈ Z, b ∈ N.
2. Teile a durch b mit Rest r.
3. Ersetze a durch b, ersetze b durch r.
4. Wiederhole Schritt 2 und Schritt 3 mit den neuen Zahlen.
Führe dieses durch bis der Rest 0 wird. Dieses geschieht in endlich
vielen Schritten, da b (bzw. r) im Laufe des Verfahrens immer
kleiner wird.
5. Ausgabe: der letzte von Null verschiedene Rest
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Beispiel:
21
Eingabe a = 198, b = 42
198 : 42 = 4 Rest 30
42 : 30 = 1 Rest 12
30 : 12 = 2 Rest 6
12 :
6 = 2 Rest 0
Ausgabe:
6
Zum Beweis des Satzes 1.2.13 vom ggT zieht man sich leicht auf den Fall
b > 0 zurück. Damit ergibt sich der Satz aus folgendem Lemma:
Satz 1.2.15 Gegeben a ∈ Z und b ∈ N, so hat die mit dem euklidischen Algorithmus bestimmte Zahl g die beiden in Satz 1.2.13 genannten
Eigenschaften (1) und (2).
Beweis: Dieser ergibt sich aus einer Anlayse des Algorithmus. Hierzu
schreibt man sich die verschiedenen Rekursionsschritte noch einmal als
Reihe von Gleichungen hin.
Zunächst machen wir das im obigen Beispiel:
(1)
(2)
(3)
(4)
198
42
30
12
=
=
=
=
4 · 42
1 · 30
2 · 12
2·6
+
+
+
30
12
6
Für Eigenschaft (1) argumentiert man von unten nach oben:
(4)
(3)
(2)
(1)
6 | 12
6|6
6 | 12
6 | 30
und
und
und
6 | 12
6 | 30
6 | 42
=⇒ 6 | 30
=⇒ 6 | 42
=⇒ 6 | 198
Für Eigenschaft (2) argumentiert man von oben nach unten. Sei d gegeben mit d | 198
und d | 42.
(1) d | 198 und d | 42 =⇒ d | 30
(2) d | 42
und d | 30 =⇒ d | 12
(3) d | 30
und d | 12 =⇒ d | 6
Nun der allgemeingültige Beweis: Wir haben die drei Variablen a, b, r,
weiter sei ` die Anzahl der Rekursionen, also r` = 0.
a
a1
a2
..
.
b
b1
b2
r
r1
r2
wobei a1 = b
wobei a2 = b1
b1 = r
b2 = r1
a`−1
a`
b`−1
b`
r`−1
r` = 0
wobei a` = b`−1
b` = r`−1
An jeder Stelle k gilt
ak
ak
= qk bk + rk
mit qk ∈ Z
= bk−1 , bk = rk−1 für k ≥ 1
Beweis der Eigenschaft (1) für die Zahl g = b` :
a` = q` b`
g | b`−1 ∧ g | r`−1
g | b`−2 ∧ g | r`−2
..
.
=⇒ g | a`
=⇒ g | a`−1
=⇒ g | a`−2
g | b1 ∧ g | r1
g |b∧g |r
=⇒ g | a1 d.h. g | b
=⇒ g | a
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Beweis der Eigenschaft (2) für die Zahl g = b` :
Sei d ein gemeinsamer Teiler von a und b
d|a∧d|b
d | a1 ∧ d | b1
..
.
=⇒ d | r
=⇒ d | r1
d | a`−1 ∧ d | b`−1
=⇒ d | r`−1
Also gilt d | g, wie gewünscht.
Satz 1.2.16 (Lemma von Bezout) Der größte gemeinsame Teiler g
zweier ganzer Zahlen a und b besitzt eine Darstellung
g = xa + yb mit x, y ∈ Z .
Dieses kann man leicht durch Rückwärts-Einsetzen in der obigen Reihe
von Gleichungen zeigen. Für die tatsächliche Berechnung von x und y ist
dieses Verfahren allerdings äußerst unzweckmäßig, ebenso für die Programmierung auf dem Computer. Ein praktisches Verfahren zur gleichzeitigen Berechnung des ggT und der Koeffizienten x und y erhält man,
indem man den euklidischen Algorithmus so erweitert, dass neben ak , bk , rk
noch zwei weitere Folgen xk und yk sukzessiv berechnet werden, für die
in jedem Schritt rk = xk a + yk b gilt. Am Ende der Rechnung (genauer
beim Schritt k = ` − 1) ergibt sich dann g = x`−1 a + y`−1 b. Diese Idee
wird im folgenden Satz und seinem Beweis ausgeführt.
Satz 1.2.17 (Der erweiterte euklidische Algorithmus) Gegeben seien ganze Zahlen a, b ∈ Z, b 6= 0. Definiere induktiv endliche Folgen
ak , bk , rk , qk , xk , yk ∈ Z
durch
a0 := a, b0 := b;
rk := ak mod bk , qk := (ak − rk )/bk solange bk 6= 0;
ak+1 := bk ; bk+1 := rk für k ≥ 0;
x−2 := 1; y−2 = 0;
x−1 := 0; y−1 = 1;
xk := xk−2 − qk xk−1 , yk := yk−2 − qk yk−1
Sei ` der kleinste Index mit r` = 0. Dann gilt für den größten gemeinsamen Teiler g := b` = r`−1 von a und b die Gleichung g = x`−1 a + y`−1 b.
Beweis: Wir überlegen uns, wie man Zahlen xk , yk ∈ Z definieren muss,
um in jedem Schritt die Gleichung xk a+yk b = rk zu erfüllen und werden
zwangsläufig auf obige Gestalt kommen. Es gilt
r0
r1
=
=
a − q0 b
a1 − q1 b1
=
=
=
b − q1 r0
b − q1 (a − q0 b)
−q1 a + (1 + q1 q0 )b .
Wir müssen also x0 := 1, y0 := −q0 und x1 = −q1 , y1 = 1 + q1 q0 =
1 − q1 y0 setzen. Sei schon gezeigt
rk−1
rk
= xk−1 a + yk−1 b
= xk a + yk b .
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Dann erhält man Entsprechendes auch für den nächsten Rest rk+1 :
rk+1
= ak+1 − qk+1 bk+1
= bk − qk+1 rk
= rk−1 − qk+1 rk
= (xk−1 a + yk−1 b) − qk+1 (xk a + yk b)
= (xk−1 − qk+1 xk )a + (yk−1 − qk+1 yk )b
Wir müssen also xk+1 := xk−1 − qk+1 xk und yk+1 := yk−1 − qk+1 yk
setzen.
Mit den obigen Werten für k = −2, −1 bleibt diese allgemeine Rekursionsformel auch für x0 , y0 , x1 , y1 richtig, denn sie liefert die oben berechneten Werte.
Beispiele zum erweiterten euklidischen Algorithmus:
Es sei a = 113, b = 77.
a
b q r
x
k
−2
1
−1
0
0 113 77 1 36 1
1
77 36 2 5 −2
2
36
5 7 1 15
5
1 5 0
3
Ergebnis: x = 15, y = −22.
y
0
1
−1
3
−22
Probe: 15 · 113 + (−22) · 77 = g = 1.
Es sei a = 19934, b = 3766.
k
a
b
q
r
x
y
−2
1
0
−1
0
1
0 19934 3766 5 1104
1
−5
1
3766 1104 3 454
−3
16
2
1104
454 2 196
7
−37
3
454
196 2
62
−17
90
196
62
3
10
58
−307
4
5
62
10
6
2
−365 1932
6
10
2
5
0
Ergebnis: x = −365, y = 1932.
Probe: −365 · 19934 + 1932 · 3766 = g = 2.
Wir tragen nun den bisher nicht gegebenen Beweis des Haupt-Lemmas”
”
zur eindeutigen Primfaktorzerlegung nach.
1.2.18 Beweis des Lemmas 1.2.11. Der Beweis beruht wesentlich auf
der Existenz von ggT’s. Wir benutzen g := ggT(p, a), h := ggT(p, b).
Es gilt g | p; weil p eine Primzahl ist, bestehen nur die Möglichkeiten
g = 1 oder g = p. Entsprechend kann nur h = 1 oder h = p sein. Wir
diskutieren nun die verschiedenen Möglichkeiten.
1. Fall g = p. Wegen g | a folgt dann p | a, wie gewünscht.
2. Fall h = p. Entsprechend folgt dann p | b.
3. Fall g = 1 und h = 1. Jetzt benutzen wir zwei Mal das Lemma
von Bezout (Satz 1.2.16): Es gibt ganze Zahlen x, y, x0 , y 0 mit
xp + ya = 1,
x0 p + y 0 b = 1 .
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Multiplizieren der beiden Gleichungen liefert
xx0 p2 + xy 0 bp + yx0 ap + yy 0 ab = 1 .
Nun verwenden wir die Voraussetzung p | ab. Hieraus folgt, dass p
die gesamte linke Seite der letzten Gleichung teilt. Also gilt p | 1.
Das ist unmöglich, also kann der 3. Fall gar nicht eintreten.
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