Nachträge Teil 1 - Uni

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Die Bauleistung und ihr Preis
Rechtliche Grundlagen für die Ermittlung der
geschuldeten Bauleistung und die Beurteilung von
Nachtragsforderungen
RiBGH Prof. Stefan Leupertz
§ 631 Abs. 1 BGB
Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur
Herstellung des versprochenen Werkes, der
Besteller zur Entrichtung der vereinbarten
Vergütung verpflichtet.
Unternehmereinsatzformen
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Hauptunternehmer
Subunternehmer
Generalunternehmer
Generalübernehmer
Totalunternehmer/Totalübernehmer
ARGE
Baubetreuer
Bauträger
Grundformen Ausschreibung
• Leitungsbeschreibungen mit
Leistungsverzeichnis (vgl. 7 Abs. 9-12 VOB/A)
• Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm
(vgl. § 7 Abs. 13-15 VOB/A)
Vertragsformen
• Einheitspreisvertrag
 Abrechnung nach tatsächlich verbauten Mengen
• Detailpauschalvertrag
 Abrechnung der im Vertrag angesetzten Mengen = Mengerisiko für
beide Vertragsparteien.
• Einfacher Globalpauschalvertrag
 Detailpauschalvertrag mit aufgesetzter Komplettheitsklausel (nur als
Individualvereinbarung wirksam)
• Komplexer Globalpauschalvertrag
 Vertrag mit (streng) funktionaler Ausschreibung
• Stundenlohnvertrag
 Abrechnung nach Zeitaufwand
• Selbstkostenerstattungsvertrag
 Abrechnung nach eigenem Aufwand
Werkerfolg
Der Unternehmer muss alle Leistungen
erbringen, die unter Berücksichtigung der
Vorgaben des Bestellers für die Herstellung
eines funktionstauglichen Werkes
erforderlich sind.
Wesentlicher Vertragsinhalt
• Für den wirksamen Abschluss eines Vertrages
über Bauleistungen müssen die Vertragsparteien
festlegen, welche Leistung(en) der Unternehmer
erbringen soll.
• Eine Einigung über die Gegenleistung des
Bestellers ist wegen § 632 Abs. 1 BGB idR
nicht zwingend erforderlich.
Unwägbarkeiten
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Komplexe bautechnische Zusammenhänge
Baugrund
Baubegleitende Ausführungsplanung
Witterung
Transportwege
Genehmigungssituation
Finanzierungsprobleme
Vorunternehmerleistungen
Kernfrage
Wer trägt die Risiken, die sich aus diesen, in
der Struktur des Bauvertrages verankerten
Unwägbarkeiten ergeben?
Ausgangspunkt: Auslegung
Auslegungskriterien
• Totalitätsprinzip
• Wortlaut; maßgebend: objektive Sicht des Auftragnehmers.
• Auftragnehmer darf grundsätzlich auf die Vollständigkeit und
Richtigkeit der vom Auftraggeber gefertigten und ihm zur Verfügung
gestellten Planunterlagen vertrauen.
• § 9 VOB/A: Öffentlicher Auftraggeber will dem Auftragnehmer im
Zweifel kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen. Dieser
Grundsatz lässt sich als Auslegungshilfe auch auf private
Bauverträge anwenden.
• Die technischen Normen der VOB/C
• Erst dann: Prioritätenregelung in § 1 Nr. 2 VOB/B. Ansonsten
greift die allgemeine Regel: „Speziell vor Allgemein“
• Schließlich: Unklarheitenregel
Wichtige Urteile: Auslegung
BGH, Urt. v. 27.06.1996 – VII ZR 59/95 („Kammerschleuse“)
1. Eine Ausschreibung, die neben bestimmt formulierten Mindestanforderungen festlegt,
dass weitere Leistungen der von dem Auftragnehmer als Vertragsleistung
übernommenen Tragwerksplanung zu entsprechen haben, legt den Vertragsinhalt
hinreichend bestimmbar fest.
2. Für die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses ist nicht von Bedeutung, dass die
übernommenen Verpflichtungen kalkulierbar sind.
3. Eine mit § 9 VOB/A unvereinbare Ausschreibungstechnik führt nicht dazu, dass
anstelle der ausgeschriebenen Leistung eine mit § 9 VOB/A übereinstimmende
Vertragsinhalt wird. § 9 VOB/A enthält kein zwingendes Vertragsrecht.
4. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei der öffentlichen Vergabe von Bauleistungen die
Überbürdung eines besonderen Wagnisses auf den Auftragnehmer den Missbrauch
einer marktbeherrschenden Stellung darstellen kann. Das könnte zu
Schadensersatzansprüchen des Auftragnehmers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 26
GWB führen.
5. Es ist erwägenswert, § 9 VOB/A im Rahmen einer europarechtskonformen
Auslegung als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Ein
Verstoß gegen § 9 VOB/A könnte Schadensersatzansprüche gegen den
Auftraggeber auslösen.
Wichtige Urteile: Auslegung
BGH, Urt. v. 09.01.1997 – VII ZR 259/95
(„Bodenpositionen“)
Kann ein Leistungsverzeichnis, das einer Ausschreibung nach
VOB/A zugrunde liegt, auch so ausgelegt werden, dass es den
Anforderungen von § 9 VOB/A entspricht, so darf der Bieter das
Leistungsverzeichnis in diesem VOB/A-konformen Sinne verstehen.
Wichtige Urteile: Auslegung
BGH, Urt. v. 11.11.1993 – VII ZR 47/93
(„Wasserhaltung II“)
1. Auch bei eindeutigem Wortlaut der Leistungsbeschreibung können
nach den Umständen des Einzelfalls völlig ungewöhnliche und von
keiner Seite zu erwartende Leistungen von der
Leistungsbeschreibung ausgenommen sein.
2. Bei der öffentlichen Ausschreibung muss sich der Auftraggeber im
Rahmen der Auslegung der Leistungsbeschreibung nach Treu und
Glauben daran festhalten lassen, dass er nach eigenem Bekunden
den Auftragnehmern kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen will
(§ 9 VOB/A).
Streitige LV-Position: "Trockenhaltung der Kanalbaugrube durch
Wasserhaltungsmaßnahmen nach Wahl des Auftragnehmers."
Wichtige Urteile: Auslegung
BGH, Urt. v. 28.02.2002 - VII ZR 376/00
(„Konsoltraggerüst“)
Enthält das Leistungsverzeichnis ein überhängendes Betonteil, fehlt
aber eine nach den DIN-Regelungen gebotene Leistungsposition für
das erforderliche Traggerüst, ist das Leistungsverzeichnis
dahingehend auszulegen, dass das Traggerüst auch ohne
besondere Erwähnung im Leistungsverzeichnis zu dem mit der
vereinbarten Vergütung abgegoltenen Leistungsumfang gehört.
Wichtige Urteile: Auslegung
BGH, Urteil vom 27.07.2006 - VII ZR 202/04
(„Dachdeckergerüst“)
Für die Abgrenzung, welche Leistungen von der vertraglich
vereinbarten Vergütung erfasst sind und welche Leistungen
zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der
Leistungsbeschreibung an. Diese ist im Zusammenhang des
gesamten Vertragswerks auszulegen. Haben die Parteien die
Geltung der VOB/B vereinbart, gehören hierzu auch die Allgemeinen
Technischen Bestimmungen für Bauleistungen, VOB/C (Ergänzung
von BGH, Urt. v. 28.02.2002 - VII ZR 376/00, BauR 2002, 935 „Konsoltraggerüst“).
These
Der Bauvertrag mit funktionaler Ausschreibung
entspricht dem Leitbild des § 631 Abs. 1 BGB.
Detaillierte Ausschreibung
• Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass der
geschuldete Bauerfolg durch die Ausführung der
ausgeschriebenen und bepreisten Leistungen
realisiert werden kann. Diese gemeinsame
Vorstellung gehört zur Geschäftsgrundlage (str.).
• Die vereinbarte Vergütung erhält der
Unternehmer für die Erbringung der
ausgeschriebenen und von ihm bepreisten
Leistungen. Darin besteht das vertragliche
Äquivalenzgefüge.
Grundsatzfragen
• Muss der Unternehmer auch nicht
ausgeschriebene und bepreiste Leistungen
erbringen, wenn sie zur Herstellung eines
funktionstauglichen Gewerkes erforderlich sind?
• Wenn ja: Erhält er hierfür eine zusätzliche
Vergütung und woraus ergibt sich ein dahin
gehender Anspruch?
Sichtweise 1
Die werkvertragliche Erfolgsverpflichtung
des Unternehmers erschöpft sich in der
Abarbeitung der Leistungsvorgaben des
Bestellers.
Sichtweise 2
Die werkvertragliche Erfolgsverpflichtung
des Unternehmers besteht in der Herstellung eines
funktionstauglichen Werkes (Rspr. und h.L.)
Sachmangelbegriff
Die Erfüllung der Beschaffenheitsvereinbarungen
iSd § 633 Abs. 2 BGB führt nicht notwendig zur
Verwirklichung des funktionalen Erfolgs.
Beispiel:
Der Unternehmer soll einen Industrieestrich in einer Werkhalle des
Bestellers verlegen, die – zu seiner Kenntnis - mit schwerem Gerät
befahren wird. Im Leistungsverzeichnis sind Hersteller und Typ des
Estrichmaterials sowie dessen Verarbeitung konkret vorgegeben. Obwohl
der Unternehmer sich exakt an diese Vorgaben hält, zeigen sich im Estrich
alsbald Risse, weil dieser den Belastungen durch die nach dem Vertrag
vorausgesetzte Benutzung mit schwerem Gerät nicht standhält.
Modifizierter Sachmangelbegriff
Das Gewerk muss
1. Alternative
a) die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit haben (Bausoll)
und
b) für die vertraglich vorausgesetzte, sonst für die übliche
Verwendung geeignet sein (Erfolgssoll, funktionaler Mangelbegriff);
2. Alternative (Beschaffenheitsvereinbarung fehlt)
a) sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung, sonst für
die übliche Verwendung eignen
und
b) die übliche Beschaffenheit haben.
Bedenkenhinweispflicht
• Herleitung aus §§ 4 Abs. 3, 13. Abs. 3 VOB/B
• Nach Treu und Glauben (§ 242 BGBI) entsprechend
anwendbar auf BGB Bauvertrag
• Rechtssystematisch: Enthaftungstatbestand
• Problem: Enthaftung auch ohne Mitteilung, wenn AN die
Unzulänglichkeit der Leistungsvorgaben des AG nicht
erkennen konnte?
Bedenkenhinweispflicht:
Fallkonstellationen
Fall 1: Der Bedenkenhinweis wird erteilt; der Besteller
weist den Unternehmer an, wie geplant zu
bauen
• Faktisch: Teilkündigung
• Enthaftung nach § 13 Abs. 3 VOB/B
• AN darf Ausführung verweigern, wenn andernfalls
• gesetzliche o. behördliche Bestimmungen verletzt
• Gefahren für Leib und Leben geschaffen oder
• oder schwerste Baumängel drohen würden
• Ggfls.: Kündigung AN aus wichtigem Grund
Bedenkenhinweispflicht:
Fallkonstellationen
Fall 1: Der Bedenkenhinweis wird erteilt; der Besteller
weist den Unternehmer an, wie geplant zu bauen
• Besonderheiten BGB-Bauvertrag:
-
Kein Anordnungsrecht AG
Entscheidung AG = Mitwirkungsobliegenheit
Dann: rechtsgeschäftliche Einigung
Auf § 13 Abs. 3 VOB/B kommt es nicht an
Bedenkenhinweispflicht:
Fallkonstellationen
Fall 2: Der Bedenkenhinweis unterbleibt
• AN baut wie geplant
- Werkleistung mangelhaft
- AN haftet nur dann nicht, wenn er die Unzulänglichkeit der
Leistungsvorgaben des AG trotz gebotener Prüfung nicht erkennen
konnte.
• AN baut, wie er es – abweichend von den Leistungsvorgaben
des AG - für richtig hält
- Vertragsverstoß, wenn Beschaffenheitsvereinbarungen missachtet
werden
- Ggfls.: Billigung durch widerspruchslose Entgegennahme
Bedenkenhinweispflicht:
Fallkonstellationen
Fall 3: Der Bedenkenhinweis wird erteilt; Besteller
reagiert nicht
• AN muss Entscheidung AG einholen = Mitwirkungsobliegenheit
AG
• Rechte AN bei Verstoß AG
-
Rechte aus §§ 642, 643, 645 BGB
Ggfls.: Schadensersatz nach § 280 Abs. 1, 2; § 286 BGB
Leistungsverweigerungsrecht AN
Kein Vergütungsanspruch
Keine Ansprüche aus GoA (nicht „ohne Auftrag“)
Anspruch aus § 313 Abs. 2 BGB – Störung der Geschäftsgrundlage
Bedenkenhinweispflicht:
Fallkonstellationen
Fall 4: Der Bedenkenhinweis wird erteilt; der Besteller
weist den Unternehmer an, die für die
Verwirklichung des funktionalen Erfolges
erforderlichen Leistungen auszuführen.
• Verlangen und Ausführung = rechtsgeschäftlichen Einigung
- Erneute Bedenkenhinweispflicht
• Vergütung BGB-Bauvertrag:
- Vereinbarung (§ 631 Abs. 1 BGB), sonst übliche Vergütung (§ 632
Abs. 2 BGB)
- GGfls.: Auslegung – Vertragspreise (vgl.: § 2 Abs. 6 VOB/B)
• Vergütung VOB/B-Vertrag
- Nach h.M.: § 2 Abs. 6 VOB/B
Leistungsänderungen
Es ist zu unterscheiden zwischen
• Leistungen, die für die Verwirklichung des funktionalen
Erfolgs erforderlich, aber nicht bepreist sind
(= zusätzlich erforderliche Leistungen).
• Leistungen, die der Unternehmer abweichend vom
ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang (Bauziel)
hinaus auf (rechtsgeschäftliches) Verlangen des
Bestellers erbringen muss (= geänderte Leistungen)
Thesen (funktionale Ausschreibung)
• Bei Bauverträgen mit funktionaler Ausschreibung erhält
der Unternehmer die vertraglich vereinbarte Vergütung
für alle Leistungen, die er für die Verwirklichung des
funktional definierten Bauziels (Bauerfolg) erbringen
muss.
• Ein Anspruch auf Preisanpassung kann sich demnach
nur ergeben, wenn das Bauziel verändert wird.
• Dann muss der Unternehmer „im Vertrag nicht
vorgesehene Leistungen“ iSd § 2 Abs. 6 VOB/B
erbringen.
§ 1 Abs. 4 VOB/B
Nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung
der vertraglichen Leistung erforderlich werden, hat
der Auftragnehmer auf Verlangen des
Auftraggebers mit auszuführen, außer wenn sein
Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet
ist.
Andere Leistungen können dem Auftragnehmer
nur mit seiner Zustimmung übertragen werden.
§ 2 Abs. 5 VOB/B
Werden durch eine Änderung des Bauentwurfs
oder andere Anordnungen des Auftraggebers die
Grundlagen des Preises für eine im Vertrag
vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer
Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder
Minderkosten zu vereinbaren.
Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen
werden.
§ 2 Abs. 6 VOB/B
(1) Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene
Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer
Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss
jedoch den Anspruch dem Auftraggeber
ankündigen, bevor er mit der Ausführung der
Leistung beginnt.
These
Der Unternehmer schuldet alle Leistungen,
die zur Verwirklichung des funktionalen
Bauerfolges erforderlich sind. Solche Leistungen
sind mithin auch dann vertraglich „vereinbart“,
wenn sie nicht von den Leistungsvorgaben des
Bestellers umfasst sind. Sie sind dann allerdings
nicht gesondert verpreist.
These
Die Preisfortschreibungsregeln in §§ 2 Abs. 5, 2
Abs.6 VOB/B erfassen ihrem Wortlaut nach nicht
alle Fälle, die zur einer Preisanpassung führen
müssen. Eine systemkonforme Auslegung dieser
Vorschriften jenseits ihres Wortlauts begegnet
Bedenken, weil die Klauseln der VOB/B idR der
isolierten Inhaltskontrolle unterliegen und dem
Transparenzgebot genügen müssen.
Preisbildung und Preisfortschreibung
Allgemeine Grundsätze
• Die Parteien dürfen die Vergütung für Bauleistungen frei
vereinbaren - § 631 Abs. 1 BGB
• Die Vertragsfreiheit findet ihre Grenze in den Vorschriften
der §§ 134, 138 BGB
• Diese Maßstäbe gelten auch für spekulativ überhöhte
Baupreise
Baupreise sind strukturell spekulativ
Bei Vereinbarung des Werklohns im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses können die Parteien nicht verlässlich
abschätzen, welche Leistungen zur Verwirklichung des
Bauerfolges tatsächlich erbracht werden müssen.
- Strukturell ungewisser Leistungsumfang
- Unwägbarkeiten des Baugeschehens
- Unwägbarkeiten hinsichtlich der Entwicklung der Preise für
Lohn und Material
- Regelmäßig: Auseinanderfallen von Bauplanung und
Bauausführung
- Änderungsanordnungen des Auftraggebers
Allgemeine „Voraussetzungen“ für
Spekulation mit Vertragspreisen
• Veränderung des verpreisten Leistungsumfangs
– Der vereinbarte Preis gilt für die nach dem Vertrage
geschuldeten Leistungen (Äquivalenzgefüge)
– Geänderter Aufwand ist gesondert zu vergüten
• Fortschreibung der Preiskalkulation für geänderten
Aufwand
– Mehr- oder Mindermengen (§ 2 Abs. 3, Abs. 7 VOB/B)
– Geänderte Leistungen (§§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 5 VOB/B)
– Zusätzlich erforderliche Leistungen (§§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 6
VOB/B)
Anknüpfungspunkt: Ausschreibung
• Der Auftragnehmer kalkuliert seinen Preis auf der
Grundlage eines erkennbar lückenhaften oder unklaren
Leistungsverzeichnisses
• Sein Angebotspreis beruht auf der Annahme, einen nach
der Ausschreibung in Betracht kommenden geringen
Aufwand betreiben zu müssen
• Tatsächlich entsteht Mehraufwand, den der
Auftragnehmer zusätzlich vergütet verlangt (§§ 2 Abs.
3, 2 Abs. 5, 2 Abs. 6 VOB/B)
Anknüpfungspunkt: Ausschreibung
Mehrvergütung für zusätzlich erforderliche Leistungen
Erste Hürde: Ermittlung des vertraglich geschuldeten
Leistungsumfangs durch Vertragsauslegung
– BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86
(Großflächenschalung)
„Der Auftragnehmer darf ein erkennbar lückenhaftes Leistungsverzeichnis
nicht einfach hinnehmen, sondern muß sich daraus ergebende
Zweifelsfragen vor Abgabe seines Angebots klären. Ähnlich ist es, wenn
sich für ihn aus dem Leistungsverzeichnis und den ihm überlassenen
Unterlagen die Bauausführung in bestimmter Weise nicht mit hinreichender
Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgebend abstellen will.“
Anknüpfungspunkt: Ausschreibung
Grundsatz: Kein Anspruch aus cic oder Wegfall der
Geschäftsgrundlage bei erkennbar unklarer Ausschreibung
– BGH, Urteil vom 25.02.1988 – VII ZR 310/86 („frivoler Bieter“)
„Der Auftragnehmer kann sich nicht auf „enttäuschtes Vertrauen“ berufen,
wenn er bei für ihn erkennbar lückenhaftem Leistungsverzeichnis (hier
Angaben zu den Grundwasserverhältnissen bei Kanalisationsarbeiten) ohne
jeden vernünftigen Bezug zur Ausschreibung mehr oder weniger „ins Blaue
hinein“ kalkuliert und damit die Gefahr späterer, in ihrem Umfang nicht
absehbarer Nachforderungen nicht nur wesentlich erhöht, sondern
geradezu heraufbeschwört, um daraus Vorteil zu ziehen, ohne seine
Aussichten auf Erteilung des Zuschlags aufs Spiel zu setzen.“
Anknüpfungspunkt: Ausschreibung
Grundsatz: Kein Anspruch aus §§ 2 Abs. 5, 2 Abs. 6
VOB/B bei erkennbar unklarer Ausschreibung
– BGH, Urteil vom 09.04.1992 – VII ZR 192/91
(Wasserhaltung I)
„Aus einer Anordnung nach § 2 Nr.5 VOB/B ergeben sich für den AN
zusätzliche vertragliche Leistungspflichten. Deshalb müssen solche
Anordnungen für den AN eindeutig als Vertragserklärungen
verpflichtend sein.
§ 2 Nr.5 VOB/B ist nicht anzuwenden, wenn die geänderte Leistung bereits
vom bestehenden vertraglichen Leistungsumfang
erfaßt ist. Dazu
gehört insbesondere der Fall, daß der vertraglich geschuldete Erfolg nicht
ohne die Leistungsänderung zu erreichen ist.“
Anknüpfungspunkt: Ausschreibung
Auslegung einer funktionalen Ausschreibung ohne
eindeutigen Änderungsvorbehalt:
– BGH, Urteil vom 13.03.2008 – VII ZR 194/06
(Bistro)
„Es besteht keine Auslegungsregel, dass ein Vertrag mit einer
unklaren Leistungsbeschreibung allein deshalb zulasten des
Auftragnehmers auszulegen ist, weil dieser die Unklarheiten vor der
Abgabe seines Angebots nicht aufgeklärt hat (im Anschluss an: BGH,
Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86; Urteil vom 25.02.1988 – VII
ZR
310/86).“
Anknüpfungspunkt: Spekulativ überhöhter
Einheitspreis für erwarteten Mehraufwand
• Auftragnehmer spekuliert auf Ausschreibungsfehler und
daraus resultierenden Mehraufwand
• Er setzt für die entsprechende Angebotsposition einen
über seinen Kalkulationsgrundlagen liegenden,
überhöhten Preis ein
• Bei Einbeziehung der VOB/B umfasst die
Preisvereinbarung auch die Vergütung für eventuellen
Mehraufwand nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 3, 2 Abs.
5, 2 Abs. 6 VOB/B
• Entsteht der Mehraufwand, führt der überhöhte
Positionspreis durch Fortschreibung des Vertragspreises
zu einem „Spekulationsgewinn“.
Anknüpfungspunkt: Spekulativ überhöhter
Einheitspreis für erwarteten Mehraufwand
BGH, Urteil vom 18.12.2008 – VII ZR 201/06
– „Steht der nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder § 2 Nr. 5 VOB/B neu zu
vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen in einem auffälligen,
wucherähnlichen Missverhältnis zur Bauleistung, kann die dieser
Preisbildung zu Grunde liegende Vereinbarung sittenwidrig und damit
nichtig sein.
– Ist der nach § 2 Nr. 3 oder § 2 Nr. 5 VOB/B zu vereinbarende
Einheitspreis für Mehrmengen um mehr als das Achthundertfache
überhöht, weil der Auftragnehmer in der betreffenden Position des
Leistungsverzeichnisses einen ähnlich überhöhten Einheitspreis für die
ausgeschriebene Menge angeboten hat, besteht eine Vermutung für ein
sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers.
– Diese Vermutung wird nicht dadurch entkräftet, dass der Auftragnehmer
in anderen Positionen unüblich niedrige Einheitspreise eingesetzt hat.
Ein derartig spekulatives Verhalten des Auftragnehmers ist nicht
schützenswert.
– An die Stelle der nichtigen Vereinbarung über die Bildung eines neuen
Preises auf der Grundlage des überhöhten Einheitspreises tritt die
Vereinbarung, die Mehrmengen nach dem üblichen Preis zu vergüten.“
Anknüpfungspunkt: Mischkalkulation
• Die vom VII. Zivilsenat im Urteil vom 18.12.2008 (VII ZR
201/06) ausgestellten Grundsätze gelten auch für
mischkalkulierte Preise (so dort).
• Deshalb: Der auf einer Mischkalkulation des
Auftragnehmers beruhende Bauvertrag ist wirksam
Anknüpfungspunkt: Mischkalkulation
BGH, Beschluss vom 18.05.2004 - X ZB 7/04
„Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für
einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf
verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt,
benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne von § 21 Nr.
1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A. Deshalb sind Angebote, bei denen der
Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in
"Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umlegt,
grundsätzlich von der Wertung auszuschließen (VOB/A § 25 Nr. 1
Abs. 1 b).“
Problemfall:
Fortschreibung mischkalkulierter Preise
• Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH
ist die Kalkulation des Auftragnehmers für
Nachtragsforderungen gemäß §§ 2 Abs. 3, 2 Abs. 5
VOB/B fortzuschreiben.
– BGH, Urteil vom 20.03.1969 – VII ZR 29/67
– BGH, Urteil vom 25.01.1996 – VII ZR 233/94
• Von diesem Grundsatz geht der VII. Zivilsenat auch in
seiner Entscheidung vom 18.12.2008 (VII ZR 201/06)
aus.
Problemfall:
Fortschreibung mischkalkulierter Preise
Der BGH hat sich in jüngerer Zeit nicht dazu geäußert, ob
die Angebotspreise stets fortgeschrieben werden müssen.
Dagegen werden in der Literatur Einwendungen erhoben.
Diskussionspunkte können sein:
– Auflösung der Mischkalkulation und Fortschreibung der Preise
unter Auflösung der Preisverlagerung.
– Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gemäß §§ 311
Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB wegen bewusst hinweisloser
Ausnutzung von Unklarheiten/Fehlern in der Ausschreibung
– Reduzierung des Mehrpreises nach den Grundsätzen des
Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2 BGB)
Prüfung Preisänderung
Schritt 1:
Die Prüfung beginnt immer bei der Ermittlung des Bausolls. Maßgebend
hierfür ist der Bauvertrag einschließlich aller dort in Bezug genommenen
Pläne und Unterlagen. Was genau Gegenstand der vertraglichen
Leistungspflicht des Auftragnehmers ist, muss ggfls. im Wege der
Auslegung ermittelt werden. Erst wenn dann noch Lücken oder
Unklarheiten bleiben, stellt sich die Frage, zu wessen Lasten sich diese
Unklarheiten auswirken. Das ist im Sinne der so genannten
Unklarheitenregel grundsätzlich diejenige Vertragspartei, die durch die
Erstellung des Leistungsverzeichnisses die Planungsverantwortung
übernommen hat, zumeist also der Auftraggeber.
Prüfung Preisänderung
Schritt 2:
Sodann ist zu prüfen, ob die tatsächlich erbrachten oder nach den
Vorstellungen des Auftraggebers noch zu erbringenden Bauleistungen vom
festgestellten Bausoll abweichen. Dazu muss das (gewünschte) Bauist
ermittelt und mit dem Bausoll verglichen werden. Nur wenn sich eine
Abweichung ergibt, kommt eine Preisänderung in Betracht.
Prüfung Preisänderung
Schritt 3:
Die Abweichung ist preisrelevant, wenn sie sich unter die hierfür
maßgeblichen Bestimmungen der VOB/B subsumieren lässt.
Prüfung Preisänderung
VOB/B-Bestimmungen (1)
Mengenmehrungen/Mengenminderungen
Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 3 VOB/B
Pauschalpreisvertrag: § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2 VOB/B i. V. m. § 242 BGB
Selbsteintritt des Auftraggebers
Einheitspreisvertrag : § 2 Abs. 4 VOB/B
Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4, 2 Abs. 4 VOB/B
Änderungen des Bauentwurfs durch den Auftraggeber
Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 5 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 3 VOB/B
Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Abs. 1 S. 4, 2 Abs. 5 VOB/B i. V. m. § 1
Abs. 3 VOB/B
Prüfung Preisänderung
VOB/B-Bestimmungen (2)
Zusatzleistungen durch einseitige Anordnung des Auftraggebers
Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 6 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 4 VOB/B
Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4, 2 Abs. 6 VOB/B i. V. m. § 1
Abs. 4 VOB/B
Erbringung nicht bestellter Leistungen:
§ 2 Abs. 8 VOB/B
Prüfung Mengenänderung
BGB-Vertrag
•
Anspruch aus § 313 Abs. 2 BGB: Störung der
Geschäftsgrundlage
– Erhebliches, objektiv feststellbares Missverhältnis zwischen
Leistung und Gegenleistung
– Missverhältnis für eine Partei unerträglich (unzumutbar)
Faustregel: 20 % Gesamtpreissteigerung reicht nicht aus
– Missverhältnis war für diese Partei bei Vertragsschluss nicht
vorhersehbar

Rechtsfolge:
Preisanpassung durch Anhebung bzw. Absenkung des
Vertragspreises – Berücksichtigung der Mehr- und
Minderkosten
Prüfung Mengenänderung
VOB/B-Einheitspreisvertrag
•
Mengenmehrung - § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B
–

Mengenmehrung um mehr als 10 % gegenüber den
Vordersätzen im Vertrag
–
Ursache: Änderung der Verhältnisse (nicht: Anordnung AG)
–
Verlangen einer Partei auf Preisanpassung (idR: AG)
Rechtsfolge:
–
Vereinbarung, sonst gerichtliche Festsetzung eines neuen
Einheitspreises nur (!) für die 110 % übersteigenden
Mengen
–
Berechnung nach den Preisermittlungsgrundlagen des
Ausgangsvertrages (Urkalkulation) unter Berücksichtigung
der Mehr- oder Minderkosten
Prüfung Mengenänderung
VOB/B-Einheitspreisvertrag
•
Mengenminderung - § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B
–

Mengenminderung um mehr als 10 % gegenüber den
Vordersätzen im Vertrag
–
Ursache: Änderung der Verhältnisse (nicht: Anordnung AG)
–
Keine Kompensation durch andere Positionen des LV
–
Verlangen einer Partei auf Preisanpassung (idR: AN)
Rechtsfolge:
–
Vereinbarung, sonst gerichtliche Festsetzung eines neuen
Einheitspreises für die gesamte Leistungsposition
–
Berechnung nach den Preisermittlungsgrundlagen des
Ausgangsvertrages (Urkalkulation) unter Berücksichtigung
der Mehr- oder Minderkosten
Prüfung Mengenänderung
Mehr- oder Minderkosten können sein:
•
unmittelbare Kosten (Lohnkosten, Material)
•
Baustellengemeinkosten (Baukran, Baustellencontainer,
Geräte)
•
allgemeine Geschäftskosten (AGK); dies sind Kosten, die in
der Regel unmittelbar mit der Baustelle nichts zu tun haben,
also Kosten des "allgemeinen Betriebs" des Auftragnehmers
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