Das Notlicht bleibt bei Salzburger Festspielen an

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Das Notlicht bleibt bei Salzburger
Festspielen an - Zappenduster-Konzert
scheitert an Widerstand der Behörden
Salzburg (dapd-bay)
Von Georg Etscheit
"Keine Pultbeleuchtung, kein Notlicht", heißt es apodiktisch in der Partitur des
österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas zu seinem 3. Streichquartett. Das 2001
entstandene Stück mit dem kryptischen Titel "In iij. Noct." ist, so will es der Komponist, in
völliger Dunkelheit zu spielen. Eine Herausforderung nicht nur für die Instrumentalisten des
Stadler-Quartetts und das Publikum, sondern auch für die Organisatoren der Salzburger
Festspiele, bei denen das Stück am Dienstagabend zur Aufführung kam.
Ganz dunkel war es allerdings nicht, denn die Behörden hatten strikt untersagt, auch die
beleuchteten Hinweisschilder an den Notausgängen auszuknipsen. Dabei war das Konzert
schon kurzfristig von der Universitätsaula in die "Kaverne 1595" verlegt worden, einen tief in
den Fels des Mönchsbergs gehauenen Veranstaltungssaal, in dem es ohne Beleuchtung
tatsächlich zappenduster wäre. Wären da nicht die beiden Notausgänge gewesen, deren
Leuchtschilder immerhin so viel Licht spendeten, dass man in deren Nähe sogar das
Programmheft lesen konnte.
"Die auszuschalten war für die Behören ein No-go", sagt Markus Hinterhäuer,
Interimsintendant der Festspiele. In der Universitätsaula wäre es laut Hinterhäuser freilich
noch wesentlich heller gewesen. "Da gibt es noch viel mehr Notausgänge."
Momente der Zufallsmusik
Die von Haas geforderte Verdunkelung ist nicht die einzige Besonderheit seines 3.
Streichquartetts. Der 1953 geborene Komponist schreibt zudem vor, die
"InstrumentalistInnen" in größtmöglicher Entfernung voneinander um das Publikum herum
"in den vier Ecken des Raumes" zu positionieren. Darüber hinaus sind nicht alle Passagen des
Werkes auskomponiert. Stattdessen gibt es Momente "kontrollierter" Aleatorik Zufallsmusik.
Die Länge des Werks ist nach oben offen; 35 Minuten sind das Minimum. Die Dunkelheit soll
dazu dienen, die Wahrnehmung der Beteiligten wie des Publikums zu schärfen.
Nur einmal in völliger Dunkelheit
Mehr als 30 Mal sei sein 3. Streichquartett bislang aufgeführt worden, erinnerte sich Haas, der
nach dem Konzert auf der Bühne erschien und heftig bejubelt wurde. Doch nur ein einziges
Mal, im österreichischen Kulturzentrum in New York, sei es dank einer Ausnahmeregelung
gelungen, wirklich den gewünschten Zustand vollkommener Finsternis herzustellen.
Vor dem Konzert sei drei Minuten lang getestet worden, ob auch keiner in Panik gerät, wenn
das Licht ausgeknipst wird. Doch alles sei gut gegangen, auch während des Konzerts. "Ich
will ja nicht, dass die Leute unter meiner Musik leiden", sagte Haas. Ansonsten hätten die
Behörden stets auf stur geschaltet. "Wenn ich immer auf völliger Dunkelheit bestehen würde,
würde das Stück nie aufgeführt."
Skandal in Salzburg
Die Idee, ein Musik- oder Theaterstück in absoluter Dunkelheit aufzuführen, ist nicht ganz
neu. 1972 kam es bei der Uraufführung von Thomas Bernhards Stück "Der Ignorant und der
Wahnsinnige" bei den Salzburger Festspielen zu einem denkwürdigen Skandal, weil die
Feuerpolizei nicht erlaubt hatte, während der Aufführung zweimal das Licht samt
Notbeleuchtung auszuschalten. Angeblich kam es hinter der Bühne sogar zu
Handgreiflichkeiten, bei denen ein Bühnenarbeiter verletzt wurde.
Weil Regisseur Claus Peymann, der Autor und die Schauspieler nicht auf die Finsternis
verzichten wollten, mussten weitere Aufführungen abgesagt werden. Bernhard telegrafierte
empört an den damaligen Festspielpräsidenten: "Eine Gesellschaft, die zwei Minuten
Finsternis nicht verträgt, kommt ohne mein Schauspiel aus."
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