NTM - Nationaltheater Mannheim - 19. Internationale Schillertage

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ZEITUNG
15.6.15
„Common Ground“, Maxim Gorki Theater Berlin
18. INTERNATIONALE
SCHILLERTAGE
MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON
N 02
O
BÖHMISCHES BAMBI
SCHILLERS „DIE RÄUBER“ ZUM AUFTAKT DER SCHILLERTAGE. CALIXTO BIEITO WAR AUCH BETEILIGT.
INHALT
Festivalzeitung der 18. Internationalen
Schillertage | Ein Projekt zur Förderung des
ZEITUNG 02/15.6.2015
kulturjornalistischen Nachwuchses
10 LOHNT HOFFNUNG?
FISHERS OF HOPE. TAWERET
11 AUSGESCHLOSSEN 04
05 DIE UNVERMEIDBARKEIT VON ANGST
UND HASS
BURN MUKWEREKWERE BURN
MARSCHIEREN, SCHIESSEN,
GASMASKEN ANZIEHEN
KRIEGERINNEN
von dem Gesang des Geliebten.“ Nach zwei Stun-
ist, erzählt der Sound schon von der nächsten Szene,
ater Mannheim. Noch bevor irgendwelche Brüder
den Spielzeit wird sich zeigen, dass Amalias Ende
vom Abbrennen einer Stadt durch die Räuberbande.
irgendwelche Väter hintergehen, hinunter in den
eigentlich ein nicht vorauszuahnender Moment ge-
Da vermag sich etwas Gespenstisches zu erzählen,
Kerker bannen und hernach noch an ihrem Tod
wesen ist.
die Laube avanciert zum Geisterhaus, in dem die
von vorne anzufangen. Angefangen wurde aber
etwas: Die 18. Internationalen Schillertage mit der
Premiere der „Räuber“ von Friedrich Schiller in einer Inszenierung von Calixto Bieito. Genau 233 Jahre und 5 Monate nach der Uraufführung des Textes
in eben dieser Stadt.
Franz, der mit dem Regenmantel auftritt, tritt nämlich nicht ohne Grund mit dem Regenmantel auf. Er
ist nicht nur an Liebe zu kurz gekommen, die Inszenierung liefert den einfachen Grund für sein Intrigieren und Brutalisieren schon bald: Der alte Moor
schlägt ihn mit dem Gürtel und hat das wohl öfter
schon getan. Später kleidet sich Franz wie der Vater
zuvor. Jaja, da müssen wir die Köpfe schütteln. Wie
HERAUSGEBER
Ob es am 13. Januar 1782 in Mannheim geregnet hat
die Väter, so die Söhne und wenn einer aus solchen
Nationaltheater Mannheim
oder nicht, ist heute schwer zu sagen und tut auch
Verhältnissen kommt, wenn der nie was anderes ge-
nicht so viel zur Sache, weil es auf der Bühne am
lernt, jaja, dann kennt der nichts anderes und kann
12. Juni 2015 definitiv bereits geregnet hat. Überall
immer nur wiederholen, was an ihm schon getan
Burkhard C. Kosminski
noch die Lachen. Über allem noch Nebel. Deswegen
worden war.
GESCHÄFTSFÜHRENDER INTENDANT
NATIONALTHEATER MANNHEIM
tritt Sascha Tuxhorn als Franz Moor im Regenman-
Dr. Ralf Klöter
rig Cello. Ob das wohl eine Vorahnung ist, wenn sie
tel auf und Katharina Hauter spielt als Amalia trau-
Die Bühne von Kathrin Younes liefert dafür vielleicht eine gelungene Andeutung. Es gibt eine wei-
REDAKTION
diese automatisch bewegliche Gartenlaube ganz
vieles und hauptsächlich Bühnenelement ist. Ist
zum Beispiel denkbar auch als finnische Sauna, in
der sich die Herren vom Moor mal wieder ausziehen, oder auch als recht großer vollautomatisierter
Staubsauger, der den ganzen geschichtlichen Morast einfach wegsaugen könnte.
ALLE GUT AUF KOKAIN
Davor noch hängt David Müller als Hipster Karl
mit dem Yuppie Spiegelberg ab. Eine Räuberbande
wird gegründet. Die sind alle gut auf Kokain. Haben
keine weiße Nasen, gestikulieren und artikulieren
aber so. Haben rote Hände und also gemordet. Ma-
Böhmischen Wäldern. Was gegründet scheint, wird
Knobloch, Nane Krüger, Christine Lauck,
am Ende zu einer Masse, die sich am Räuberhaupt-
Sabine Schmidt, Franziska Weber
mann wie an dem Bambi Genüge tut und den armen
REDAKTIONSASSISTENZ
Mann alleine lässt. Rückwärts gehen die etwa 40
Michelle Wießner
Personen von der Bühne. Dann scheint es, als hät-
REDAKTIONSLEITUNG
ten diese Zombies mit den roten Händen, und wer
Jürgen Berger, Christine Wahl
12 PROGRAMM / SERVICE
aber nur vielleicht eine gelungene Andeutung, weil
laut Videoprojektion wahrscheinlich Bambis in den
Gindlstrasser, Jana Kamm, Marlene
THE SEASON OF IMMIGRATION TO
THE NORTH
grauslichsten Dinge schon geschehen sind. Das ist
chen nicht nur Schwüre und Narben, sondern essen
Ronja Auerbacher, Lena Fiedler, Theresa Luise
weiß warum, sich im Ganzen an dieser Familie ver-
PROJEKTLEITUNG
gangen.
Sandra Strahonja
GESTALTUNG
An einer haben sie sich definitiv vergangen, näm-
formdusche, Berlin
lich an Amalia. Am Ende, wenn Franz und der alte
LAYOUT
Moor schon tot sind, wird Amalia auf Einladung von
Angela Aumann, Berlin
Karl von der Räuberbande vergewaltigt. Deswegen
FOTO
bittet Amalia dann um ihren Tod. Hier passiert das
Hans Jörg Michel, Christian Kleiner,
Unerwartete. Es wird gespielt. Figuren sprechen,
Thu Trang Ly / LYS
handeln gegeneinander. Das ist ein bisschen mehr
FUNDRAISING:
als ein Bild zu einem Satz, das ist eine Szene, die mit
Anita Kerzmann, Linda von Zabienski
einem Text etwas anstellt. Das ist eine Lesart, die
DRUCK
das Spiel gründet und ausfüllt, keine bloße assozi-
Mannheimer Morgen Großdruckerei GmbH
ative Bebilderung mehr. Dummerweise ist das aber
06 GESCHICHTE ERZÄHLEN
COMMON GROUND
08 WACKELPUDDING FÜRS VOLK
MARIA STUART
schwebt. Wenn Franz Herr vom Schloss geworden
nach dem Gewitter auf der Bühne im Nationalthe-
INTENDANT SCHAUSPIEL UND KÜNSTLERISCHER LEITER
DER 18. INTERNATIONALEN SCHILLERTAGE
09 GRENZANLAGEN #02
AUSGESCHLOSSEN 03
ße Gartenlaube, die immer wieder über die Bühne
ist’s, eingewiegt zu werden in den Schlaf des Todes
also immer schon schwierig gewesen, irgendetwas
VERANSTALTER
04 SOLDATINNEN
SWR2 FORUM
schon am Anfang spricht: „Ja süß, himmlisch süß
schuldig werden, hat es schon geregnet und ist es
IMPRESSUM
03 BÖHMISCHES BAMBI
DIE RÄUBER
Es ist nach dem Gewitter. Nicht in Mannheim,
weil: Der Stadt steht der Regen noch bevor. Es ist
ZEITUNG 02/15.6.2015
➥
nur ein unerwarteter Moment.
HERZLICHEN DANK!
So wie die Zombies stumm ins Publikum blicken,
Die 18. Internationalen Schillertage wurden ermöglicht und gefördert durch
so sprechen die Figuren ihren Text eben dort hin.
Die Reduktion des Personals reißt manchmal eine
gewitzte Querverbindung an, Kürzungen des Textes hätten den Abend zu einem luftigen und irgend-
Die 18. Internationalen Schillertage danken ihren Sponsoren und Kooeprationspartnern
wohin gerichteten machen können. Es wurde aber
BUCHBINDER
Deklamation plus Bild. Das ist alles irgendwie nur
Mediepartner
2
malerisch. THERESA LUISE GINDLSTRASSER
Spielstättenpartner
Boris Koneczny, David Müller, Foto: Hans Jörg Michel
3
SWR2 FORUM:
DIE FRAU AN DER WAFFE
hung ausschlaggebend gewesen. Mehr Notlage als
sich die Frage nach der Frau an der Waffe. Erst seit
individuelle Entscheidung. Sowohl Miriam Tscholl
2001 dürfen Frauen Soldatinnen bei der Bundes-
als auch Christine Eifler sprechen über sexuelle Ge-
wehr werden. Ist dies ein notwendiger Schritt zur
walt im Krieg. Sexuelle Übergriffe seien von höher-
Gleichstellung der Frau? Was passiert, wenn Frauen
rangigen Offizieren an Soldatinnen verübt worden.
in eine geschlossene Männergesellschaft eindrin-
Einige Frauen kamen dann mit einem Kind aus dem
gen? Dazu lud Ursula Nusser, Redaktionsleiterin
Krieg zurück und wurden in der Heimat als Prosti-
der Reihe SWR2 Forum, die Regisseurin Miriam
tuierte diffamiert.
Tscholl, die Militärsoziologin Prof. Dr. Christi-
➥ Manja Wollweber spricht von sich selber als typischer Frau. Sie ist groß, dünn, blond und Hauptmann in der Bundeswehr. Anlässlich der Inszenierung „Kriegerinnen“ der Mannheimer Bürgerbühne diskutiert sie mit drei anderen Frauen im SWR
ne Eifler und Manja Wollweber zum Gespräch ins
Mannheimer Nationaltheater.
auch heute in der Bundeswehr ein Problem, das
nicht ausreichend thematisiert werde. Häufig gehe
Manja Wollweber erzählt, sie habe sich beweisen
es um Konkurrenzkämpfe, die gewaltsam entschie-
wollen und sei im Beruf immer strenger gewesen als
den würden. Sie erzählt, viele Männer hätten sie
ihre männlichen Kollegen. Die harten Anforderun-
nicht als weiblichen Hauptmann akzeptiert. Die
gen in der Männerdomäne und der raue Umgangs-
Gründe dafür liegen Christine Eifler zufolge im
ton seien eine Herausforderung gewesen. Wollwe-
tradierten Männlichkeitsideal. Interessant wurde
bers Vater war Soldat und der Beruf für sie nichts
die Diskussion bei der Frage: „Warum sind weiblich
Fremdes. Miriam Tscholl berichtet, dass für ihr Bür-
besetzte Berufsfelder stark entwertet und führt die
gerbühnen-Projekt „Kriegerinnen“ Frauen aus ver-
Aufnahme von Frauen zu einer Abwertung der Bun-
schiedenen Ländern nach ihrer Motivation befragt
deswehr?“. Eiflers empirische Daten besagen, dass
wurden, in den Krieg zu ziehen. Eine der Antwor-
die Bewerbungen von Frauen für die Bundeswehr
ten: „Beim Militär sind wir frei und gleichberech-
zurückgehen. Männer, so Eifler, hätten wohl ein
tigt.“ So ähnlich klingen die Motive vieler Frauen.
gezieltes Interesse an der Bundeswehr als Männer-
Christine Eifler spricht in diesem Zusammenhang
bund.
von der Erschließung einer Machtressource. Die
Frauen wollten eine andere Perspektive, die ohne
den Militärdienst nicht möglich gewesen wäre.
ZEITUNG 02/15.6.2015
Manja Wollweber berichtet, sexuelle Gewalt sei
Diese Frage allerdings wurde von Miriam Tscholl
schon am Anfang kommentiert. Auf die Frage, ob
sie es gut finde, dass Frauen Soldatinnen sind, er-
Miriam Tscholl erzählt, solche individuellen Ent-
widert Miriam Tscholl trocken: „Ich finde es über-
scheidungen seien in den östlichen Ländern in äl-
haupt nicht gut, das irgendjemand Soldat ist.“ Da-
terer Generation nicht getroffen worden. In den
gegen steht: Es ist irrelevant, ob man es gut findet,
Interviews mit russischen Partisaninnen sei häufig
dass Frauen zur Bundeswehr gehen. Wichtig ist,
die Idee des Kommunismus, aber auch die Bedro-
dass sie die Möglichkeit haben. LENA FIEDLER
DIE UNVERMEIDBARKEIT
VON ANGST UND HASS
GILES RAMSAYS UND BLESSING HUNGWES „BURN MUKWEREKWERE BURN“, EINE ANNÄHERUNG AN DIE
VERWERFUNGEN DES SÜDAFRIKANISCHEN RASSISMUS
➥ Zum dritten Mal arbeitet der britische Regisseur
Shona aus der simbabwischen Hauptstadt Harare.
vier Schauspieler als feilschende Straßenverkäufer
Giles Ramsay zusammen mit dem simbabwischen
Im Gegensatz zu den Shona, die Robert Mugabe un-
mit bunten Plastikhüten durch die Reihen der Kir-
Autor Blessing Hungwe. Das Ergebnis ist eine er-
terstützen, stehen die Ndebele den hauptsächlich in
chenbänke und offerieren lauthals Modeschmuck.
schreckende politische Momentaufnahme und eine
Südafrika lebenden Zulu nahe. In Khayelitsha aber,
Eine Zuschauerin zückt einen Fünf-Euro-Schein.
universelle Aussage über Immigration, Fremden-
einem der größten Townships am Rande Kapstadts,
Sie ersteht eines der Teile und ist ob des fehlenden
feindlichkeit und die Möglichkeit einer Freund-
sind die beiden verfeindeten Männer gleich: Sie
Rückgeldes verwundert. Da ist aber auch Verunsi-
schaft.
sind Amakwerekwere, im südafrikanischen Slang
cherung: Können wir, das europäische Premieren-
steht das abwertend für Ausländer. Dort müssen
publikum, diesen Theaterabend ausschließlich aus
sie sich nicht nur mit der hiesigen Xenophobie, son-
einer geographischen, kulturellen und emotionalen
dern auch mit ihren eigenen Vorurteilen und der
Distanz betrachten?
Hungwe und Blessing zeichnen das Bild einer gewaltvollen Grenzregion zwischen Simbabwe und
Südafrika. Geprägt wird sie von Fremdenfeindlichkeit
zwischen
dunkelhäutigen
Afrikanern.
Ausgangspunkt ist das Jahr 1987: Seither wird Simbabwe von Robert Mugabe diktatorisch regiert.
Manja Wollweber, Foto: Christian Kleiner
Millionen Simbabwer versuchen dem Hunger, der
Arbeitslosigkeit und Unterdrückung zu entkommen und fliehen ins benachbarte Südafrika. Dort
AUSGESCHLOSSEN 03
aber sind sie immer wieder fremdenfeindlicher Gewalt ausgesetzt. Zahlreiche südafrikanische Gangs
haben es sich zur Aufgabe gemacht, „Ausländer“
anzugreifen und zu töten.
Aufgewachsen in einer Oberpfälzer Kleinstadt,
fällig frisierten Jugendlichen zu setzen, aus deren
Die Frage, die sich stel-
kommen mir als erste Assoziation zum Thema „Aus-
Lautsprechern Punkmusik dröhnt. Dabei wäre doch
len sollte, ist damit keine
geschlossen“ all die urigen Gasthäuser in den Sinn,
beides theoretisch problemlos möglich. Lassen wir
nach einer sich zwanghaft
deren Betreten mir verwehrt blieb. Der Grund: Ein
„geschlossene Gesellschaften“ in unserem Alltag
öffnenden
laminiertes Blatt Papier, von Zeit zu Zeit auch ein
also sogar freiwillig entstehen?
in der jeder mit jedem in
hölzernes Türhängeschild, mit der Aufschrift: „Geschlossene Gesellschaft“. Selbige bestand in der
Regel aus Mitgliedern des örtlichen Kegel- oder
Schützenvereins oder aber – bei Lokalen mit Wintergarten und gehobenem Preisniveau – aus geladenen Gästen von Erstkommunionsfeiern, sechzigsten
Geburtstagen oder Goldenen Hochzeiten. Stolperte
man dann versehentlich doch einmal in einen jener
Festsäle, weil man sich auf Bayerns Landstraßen
verfahren oder gar besagtes Türschild übersehen
hatte, erntete man böse oder allenfalls irritierte
Blicke, eine kurzbündige Wegauskunft sowie einen
freundlichen Verweis auf die Tür mit dem Hinweisschild. Geschlossene Gesellschaft eben.
4
Foto: LYS
abgegrenzte Anzahl von Personen, die als sozial
griff als „Gesamtheit der Menschen, die zusammen
unter bestimmten politischen, wirtschaftlichen und
sozialen Verhältnissen leben“ oder aber als „Kreis
von Menschen, die gesellig beisammen sind“. Setzen wir den Begriff der Gesellschaft also mit unserem selbstgewählten sozialen Umfeld gleich, so
ergibt sich als logische Konsequenz, dass dieses
Umfeld in den meisten Fällen in geschlossener
Form existiert. Schließlich basiert ja die Beziehung
„Zutritt unerwünscht“ ist jedoch gar nicht immer
zu befreundeten Kommilitoninnen und Kommilito-
der Fall. Theaterstudenten zum Beispiel meiden
nen auf gemeinsamen Interessen, Erlebnissen und
von sich aus die Cafeteria im Gebäude der Rechts-
einer Reihe Insiderjokes, an deren Konstitution der
wissenschaften – würde man dort doch ohnehin un-
sympathische Jurastudent von nebenan schlichtweg
angenehm auffallen, so ganz ohne Anzug oder Blei-
nicht beteiligt war. Die Zugehörigkeit zu einem ex-
stiftrock. Ebenso wie Liebhaber der elektronischen
klusiven Personenkreis scheint für den Menschen
Musik wohl gar nicht erst auf den Gedanken kämen,
als soziales Wesen also nicht nur notwendig, son-
sich an sonnigen Tagen im Park zur Gruppe der auf-
dern auch völlig natürlich zu sein.
Die deutsche Erstaufführung im Rahmen der Mannheimer Schillertage findet an einem ungewöhnlichen Ort statt: in der „Franklin Chapel“, inmitten
einer einstigen Wohnsiedlung der amerikanischen
Streitkräfte, 1950 während des Koreakrieges für
Simbabwer Njabulo (Blessing Hungwe) und Farai
(Anthony Mahetese) aufeinander. Während Njabulo dem Stamm der Ndebele angehört, ist Njabulo ein
jamin Franklin Village einer Geisterstadt, und die
müssen die Zuschauer zuerst einmal in einem Touristendoppeldecker durchqueren. Das Thema „Tourismus“ findet sich auch in der Inszenierung wieder.
Zu Beginn von „Burn Mukwerekwere Burn“ ziehen
geschlossenen
Auf der Bühne dann: einige Getränkekisten und ein
Autoreifen. Njabulo erzählt von seiner Hütte, die in
einem Township nahe Kapstadt abgebrannt ist und
von einer Hetzjagd auf „Ausländer“, der er entkommen musste. Seine Augen sind weit aufgerissen, den
letzten Besitz, eine übergroße geschnitzte Skulptur,
umklammert er fest. Er wird verfolgt, im Gegensatz
zu Farai, der an der Grenze zwischen Südafrika und
Simbabwe lebt. Er schlendert mit überzeugtem Lächeln durch die hinteren Sitzreihen, springt lässig
auf die Bühne und wechselt elegant zwischen den
Kulturen, Sprachen und Verhaltensmustern: Er
spreche fließend Zulu, meint er, und falle als Simbabwer in Südafrika kaum auf.
Beide Männer erzählen ihre Geschichte monologisch, ab und an wird das Erlebte durch Dialoge unterstützt. Drei Schauspieler schlüpfen in Nebenrollen, kurz darauf überlassen sie den Protagonisten
Sondern eine nach vielen
unterschiedliche Merkmale zusammengefasste und
interagieren“. Der Duden definiert den gleichen Be-
TOURISTENDOPPELDECKER
fröhlichem Einklang lebt.
Wikipedia beschreibt Gesellschaft als „eine durch
Handelnde miteinander verknüpft leben und sozial
Gesellschaft,
keit auseinandersetzen.
Soldatenfamilien erbaut. Heute gleicht das Ben-
In „Burn Mukwerekwere Burn“ treffen die beiden
➥
Bedeutung ihrer Landes- und Stammeszugehörig-
ZEITUNG 02/15.6.2015
SOLDATINNEN
2 Forum des Nationaltheaters Mannheim und stellt
wieder die Bühne. Farai rettet Njabulo das Leben,
sozialen
und sie verstecken sich ausgerechnet in der Festge-
Umfeldern, deren Existenz
sellschaft einer russischen Schwulenhochzeit. Da
ganz einfach menschlich ist. Wenn wir uns wohl
ist wieder Raum für Vorurteile, aber auch für die
damit zu fühlen scheinen, Teil einer geschlossenen
Auseinandersetzung mit eigenen Ideologien, für
Gesellschaft zu sein – ist das dann nicht völlig legi-
Reflexionen über den Irrsinn und die Unvermeid-
tim? Sind all unsere krampfhaften Anstrengungen,
barkeit von Angst und Hass in feindseligen Umge-
die Bildung abgegrenzter Personengruppen zu ver-
bungen.
meiden, damit nicht hinfällig? Vielleicht gilt es, die
Natur des Menschen als Herdentier schlichtweg zu
Die starke Präsenz der Protagonisten macht es den
akzeptieren. Und zu lernen, dass Gruppenzugehö-
Zuschauern einfach, sich auf die beiden Biographi-
rigkeit nicht zwingend ein Synonym für Ausschluss
en und den einnehmenden Erzählstil zu konzent-
oder Radikalität ist. Was mit dieser Einsicht ent-
rieren. Trotz der aufwühlenden Annäherung an die
steht, ist nämlich nicht nur ein neues Bewusstsein
Verwerfungen, die der südafrikanische Rassismus
für die Rolle des Einzelnen im Geflecht zwischen-
zur Folge hat, gelingt Blessing Hungwe und Giles
menschlicher Beziehungen. Es ist vor allem ein un-
Ramsey mit „Burn Mukwerekwere Burn“ die behut-
beschwerter Umgang mit ebendiesem Lebensum-
same Annäherung an einen großen Konflikt. Man
feld – und die Einsicht, dass uns Grüppchenbildung
hört aufmerksam zu und fühlt sich am Ende ein
weder zum Mobber noch zum Außenseiter macht.
bisschen weniger als Tourist. CHRISTINE LAUCK
RONJA AUERBACHER
Szene aus „Burn Mukwerekwere Burn“, Foto: Christian Kleiner
5
GESCHICHTE ERZÄHLEN
VORSTELLUNG
15. JUNI
ORT
SCHAUSPIELHAUS
DIE ISRAELISCHE REGISSEURIN YAEL RONEN RECHERCHIERTE ZUSAMMEN MIT IHREN SCHAUSPIELER/INNEN IN BOSNIEN. AUS DEM MATERIAL ZUM BALKANKRIEG WURDE DER DOKU-ABEND „COMMON GROUND“. LENA FIEDLER SPRACH MIT VERNESA BERBO, DEJAN BUĆIN UND NIELS BORMANN.
Dejan Bućin Circa fünf Monate vor dem Projekt. Im Okto-
Fiedler Ist die slowenische Videokünstlerin wirklich mit
dem Geld abgehauen, wie Sie es im Stück erzählen?
ber 2013 wurde ich von der Dramaturgin Irina Szodruch
Bućin
angerufen und gefragt, ob ich Lust habe, mich bei einem
ist immer noch da und ist nicht abgehauen. Das ist ein
Stück zu beteiligen, das sich mit Ex-Jugoslawien be-
Running Gag.
schäftigt und mit dem Krieg. Dann hatten wir ein erstes
Kennenlernen, und ich habe freudig zugesagt.
Niels Bormann Ich habe mit Yael schon zwei Stücke gemacht
und wusste, dass die Arbeit interessant wird.
Das lassen wir mal offen. (Lachen) Nein, also sie
Das soll Slowenien symbolisieren, die in die EU
reinkommen wollten, um mit dem Geld abzuhauen.
und das Grauen.
Fiedler Sollen die Bilder, die Sie mit ihren Erinnerungen
erzeugen, die Nachrichtenbilder relativieren, die sich
Wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, was damals in
die auf der Bühne siehst, gehst du bei dem, was sie fühlt
Bućin Das wissen wir natürlich nur, weil es uns erzählt
und denkt, mit. Dann stellt sich die Frage nach der Rea-
wurde.
Berbo Die Geschichte, in der du erzählst, dass du LSD in
Welt. Dieser Fluss an Informationen, der heute nor-
Kreuzberg genommen hast, ist aber wahr, oder, Niels?
Niels Was ist LSD??? Alles, was auf der Bühne behauptet
wird, hat nebeneinander und gleichzeitig Bestand.
Bućin Aber sag es doch einfach, die Sache mit dem LSD
Fiedler Niels, am Anfang des Stücks sagen Sie, Ziel war es,
mein persönlicher Bezug dazu. Diese Erfahrung in einer
stimmt. (Lacht) Was man sehr schnell mitbekommt, ist,
alle Parteien an einen Tisch zu bringen.
belagerten Stadt, die Erwartung der Spiele. Das ist eine
dass die Figur von Niels wie ein Comic-Relief für das
Ergänzung zu den kollektiven Bildern.
Ganze ist. Das lockert die bedrückte Stimmung ein biss-
Fiedler Wie haben Sie nach der Rückkehr weitergemacht?
gehabt, alle Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen.
Als Wissensmotor für den Abend haben mich die Leute
Bućin Die ersten zwei Wochen waren reine Tischarbeit.
Wir holten uns einfach alle Informationen, die wir zum
Anfang der 1990er Jahre finden konnten. Der Anfang
des Stücks ist tatsächlich genau das, was man bekommt,
wenn man bei Wikipedia das Jahr 1993 eingibt. Gepaart
emotionale Abstand war sehr wichtig.
Bućin
Es wird noch sehr lange dauern, diesen Krieg zu
verstehen, weil es so kompliziert ist und die Nachwirkungen immer noch zu spüren sind. Es ging nicht einfach nur um den Sturz eines Diktators, sondern es gibt
immer noch die Prozesse in Den Haag. Die Länder beschuldigen sich immer noch gegenseitig des Genozids,
und deswegen macht die Distanz von 20 Jahren die Sache nicht unbedingt besser. Je nachdem, wie gerade die
politische Lage ist, kocht es dann wieder hoch.
wie unsere Erinnerungen an die Zeit aussehen. Daraus
Bućin
entstand die Idee, das zu kombinieren und auf die Büh-
oder? (Lacht)
Dass Niels ein Lustiger ist, ist schon ersichtlich
Berbo So weit von der Wahrheit ist Niels’ Figur nicht weg.
Bormann Ja. „Wir verstehen das nicht.“
Fiedler Haben Sie eine Lösung gefunden?
Deutschland kam, war ich überzeugt, dass die Nachrich-
Bormann
alles treffen wollen. Im Bus dann hatte ich auch schon
ten in Deutschland voll mit Meldungen zu Bosnien sein
nicht über Ex-Jugoslawien, sondern über Krieg und da-
Aufgaben. Ich hab aufgeschrieben, woran ich mich aus
müssten. War nicht so. Da kam „Akte X“. Das war das
rüber, was er mit Menschen macht. Was einem kleinen
Fiedler Wie sind Sie während der Recherchereise mit den
den frühen 1990ern erinnere. Welche Lieder ich gehört
Hauptthema. Sehr viele Dinge, die Niels erzählt, habe
Mädchen widerfährt, das fliehen muss, was das mit die-
vielen Arten von Quellen umgegangen?
habe und was alles passiert ist.
ich aus nicht-deutscher Perspektive erlebt. Man hat sich
sem Mädchen macht, in Deutschland zu sein.
Bućin
Bormann
Jeder von uns hat überlegt, wen er persönlich
Abends haben wir auch Aufgaben bekommen.
Wir mussten Tagebuch schreiben.
Bućin Wir hatten abends im Holiday Inn eine Meditati-
Berbo Bei mir waren es Themen, die mich besonders inte-
onsübung. In einem dieser Konferenzräume. Wir haben
ressiert haben.
die Decken aus dem Zimmer mitgebracht und uns alle
Fiedler Dejan, in genau dieser Situation hinterfragen Sie
dern so etwas wie ein Vertreter dabei ist. Bei dem Vor-
ist und wie viel das Gedächtnis verändert, verdreht oder
Berbo und Bućin
sprechen, das wir hatten, waren noch zwei, drei andere
hinzufügt. Wie Dinge, die zwanzig Jahre zurückliegen,
wollten!
interessante Leute aus anderen Republiken dabei. Die
zu einem lebensbestimmenden Thema werden, und wie
sind aber nicht Teil des Projekts geworden.
sehr sich das im Laufe der Jahre verändert. Dabei spie-
Bormann Wir mussten uns auch massieren.
(belustigt und empört) Wir mussten? Wir
Bućin Niels hat ein wenig Berührungsängste.
len private und politische Faktoren eine Rolle.
Fiedler Ihre Figur, Niels, hat auch wenig Berührungspunk-
Bormann
te. Sie spielen auf der Bühne den ironischen Deutschen,
objektiveres Bild zu bekommen. Es geht viel eher um
einen subjektiven Standpunkt. Wir hatten nur die Menschen, die da waren, und deren begrenzten Blickwinkel
auf ihre eigene Geschichte. Das Private reflektiert na-
nicht zu sehr Teil meines Alltags wird. Ich will nicht
aufwachen mit dem Gedanken, was ich in Bosnien alles
erlebt habe. Damit kann man nicht leben. Ich versuche
mich emotional so zu strukturieren, dass ich es mir leisten kann, mich ab und zu mit diesem Teil meiner Person
zu beschäftigen. Auf eine Art und Weise, die mir gut tut
und nicht schadet. Es wäre gefährlich, damit endgültig
abzuschließen.
Bormann Wenn man einmal mit Menschen und Geschichten in Berührung gekommen ist, kann es einen gar nicht
mehr kalt lassen. Da wurde ein großer Scheinwerfer
drauf gerichtet. Sobald du jemanden kennenlernst, der
Furchtbares erlebt hat, kannst du das nicht vergessen.
Dabei ist es auch nicht mehr wichtig, ob es jetzt Ex-Jugoslawien ist oder ein anderer Krieg. Es scheint etwas
im Menschen zu sein, das immer wieder kommt oder
immer da ist, und das kommt zum Vorschein. Das muss
man sich immer aufs Neue anschauen und sich fragen:
kann nur versuchen, davon zu erfahren und zu wissen,
Fiedler Das scheint sich zu wiederholen. Wenn im Mittel-
Hitler und dann Bosnien. Das heißt, sie wollen zuerst
wozu Menschen fähig sind. Ohne mit der Wimper zu
meer 3000 Menschen ertrinken, ist das nicht unbedingt
wissen, was im Dritten Reich passiert ist. Ein Teil mei-
zucken. Letztens wieder die UN und die französischen
Hauptthema.
ner Familie ist deutsch, das heißt, es gehört zu ihnen,
Soldaten, die für Lebensmittel Kinder misshandelt ha-
genau wie die bosnische Seite. Sie wollen wissen, was
ben. Und wieder denkt man sich: Darauf wäre ich jetzt
der Großvater gemacht hat und ob wir Nazis in der Fa-
nicht gekommen, dass Menschen dazu in der Lage sind.
milie hatten.
Was der Mensch macht und kann, wird im Theater seit
auf dem Balkan. Keiner weiß davon. Man interessiert
sich nicht, es wird verdrängt.
Fiedler
Braucht man den Abstand von zehn Jahren oder
mehr, um darüber reflektieren zu können?
Berbo Nicht unbedingt. Bei mir war es ein bewusster Prozess, an einem bestimmten Punkt zu sagen: Nein, da
muss ich loslassen, um den letzten Rest Leben, der übrig
Fiedler Die letzten Überlebenden des Holocaust werden
den Griechen behandelt.
bald sterben. Wie wird sich die Erinnerungskultur än-
Bućin
dern, wenn wir niemanden mehr haben, der davon er-
Pflicht, sich damit auseinanderzusetzen und das Thema
zählen kann?
zu behandeln. Insbesondere, wenn man in einem Beruf
Bućin Ich hoffe, dass die Zeitgeschichte sich so entwickelt
hat, dass man schneller darüber spricht, was passiert.
geblieben ist, unbehelligt zu verbringen. Über normale
Bormann Durch das Internet und die Tatsache, dass jeder
Dinge nachdenken und mich mit normalen Problemen
Filme und Fotos machen kann, bleiben die Dinge im Ge-
Bormann Da sind Gedankenimpulse von mir drin, die ver-
beschäftigen. Zwanzig Jahre danach hat man eine ganz
meinschaftsgehirn Internet. Da ist eine ganz andere Do-
größert oder in eine andere Richtung gebracht wurden.
andere Sicherheit und Weisheit, an die Dinge aus der
kumentation möglich. Wenn man es wissen will, kann
Vergangenheit ranzugehen. Hätte ich dieses Projekt
man es erfahren.
der alles sagt, was ihm in den Kopf kommt.
Das würde ich nicht sagen. Es gibt nichts, womit
Kann man das ändern? Kann man scheinbar nicht. Man
rade? In Syrien tobt ein zehnfach schlimmerer Krieg als
Bućin Ja, das ist die Frage, wie viel davon wirklich wahr
Berbo
man abschließen soll oder kann. Ich sehe zu, dass es
Meine beiden Töchter sagen immer halb im Spaß: Erst
nicht in dem Maße, wie wir uns das gedacht haben.
chen, an seine früheste Kindheitserinnerung zu denken.
Die Idee war, dass aus allen Ex-Jugoslawien-Län-
Berbo
In den klarsten Momenten erzählt das Stück
Bućin Würdest du sagen, Vernesa, du möchtest jetzt mit
deiner Vergangenheit abschließen?
Man darf nie aufhören, über Kriege zu reden.
Berbo Ja, das ist genau der Punkt. Was interessiert uns ge-
Bućin
Ich glaube auch nicht, dass es darum geht, ein
nicht wirklich mit dem Krieg beschäftigt, zumindest
hingelegt. Spätnachts. Und dann musste jeder versu-
auf der Bühne das Gehörte und sich.
(Lacht)
man begreift, dass die Figur fiktiv ist. Wie verhalten
weiterzugeben, als sei es eigene Geschichte.
eine ehrliche Weise damit auseinanderzusetzen. Der
ständnisproblem“.
mit ihren Geschichten interessiert.
wird es dadurch aber auch nur noch verwirrender.
Figur, Niels, wird dieser Eindruck eingeschränkt, weil
bar, dass ich jetzt sicherer und stabiler bin, mich auf
se schon zusammensaßen, um zu entscheiden, wen wir
dem Krieg gekommen ist.
diesen sehr verwirrenden Krieg hilfreich. Vielleicht
man begreift, dass die Geschichten wahr sind. Bei ihrer
mein Beitrag. Wir alle sind verpflichtet, dieses Wissen
Ich kann mich erinnern, als ich 93/94 aus dem Krieg nach
kennt, Experten oder jemanden, der in Berührung mit
tiven hat man. Die verschiedenen Sichtwinkel sind für
Fiedler Die starke Wirkung des Stücks beruht darauf, dass
die von ihm erzählt. Er hat gelebt und existiert. Das ist
chen müssen, hätte ich es anders erzählt. Ich bin dank-
Berbo Ich weiß noch, dass wir eine Woche vor unserer Reivernesa berbo, foto: esra rotthoff
Bućin Je mehr Augen draufblicken, desto mehr Perspek-
immer richtig mit.
Berbo Bei mir in der Geschichte gibt es zum Beispiel den
DJ Jemo. Er wurde 1992 getötet. Ich bin jetzt diejenige,
zwei Monate, nachdem ich aus dem Krieg raus war, ma-
Fiedler Irgendwann rufen Sie, Niels: „Es gibt hier ein Ver-
ne zu stellen.
Fiedler War das Ziel ein objektiveres Bild?
chen auf, die wir ins Stück bringen. Da gehen die Leute
dejan bućin, foto: esra rotthoff
sich daneben die Erinnerungen der anderen?
mit dem, was wir erlebt haben, wie wir uns fühlen und
niels bormann, foto: esra rotthoff
den Konzentrationslagern passiert ist.
Bormann Das ist bei einer fiktiven Figur ja auch so. Wenn du
der Olympischen Spiele, aber bei mir findet sich dann
Bormann Das ist mein Text. Aber ich habe nicht den Impuls
6
Fiktion. Man stellt sich die Frage, was wahr ist.
Stücks zeigt die Überlappung der Ereignisse in der
Berbo Es ist ein Big Picture. Wir kennen alle die Bilder
geht.
Berbo Ich persönlich glaube nicht, dass man diese Überlebenden braucht, um sich damit auseinanderzusetzen.
lität nicht mehr. Das ist der Twist bei der Inszenierung.
Spielen und Tennis und so.
tag hatte keiner eine Ahnung, in welche Richtung es
Fiedler Wenn man als Zuschauer am Anfang noch nicht
weiß, dass es Ihre Geschichten sind, denkt man, es sei
Bućin Nicht relativieren, eher ergänzen. Der Anfang des
mal ist, gepaart mit tollen Sachen wie den Olympischen
Vernesa Berbo Ich wusste gar nichts. Bis zum ersten Proben-
ZEITUNG 02 / 15.6.2015
privaten Ausschnitt kristallisiert sich der ganze Horror
hinter Ihnen auf der Bühne auftürmen?
Bormann Das ist ein rassistischer Witz.
Berbo
türlich immer, was zeitgeschichtlich passiert. In diesem
ZEITUNG 02 / 15.6.2015
Lena Fiedler Wann haben Sie von dem Projekt erfahren?
Auf eine perverse Art und Weise ist es unsere
ist, der als Medium funktioniert. Gerade das sollte man
ausnutzen, um die eigenen und andere Geschichten weiterzugeben. Ich würde es als meine Pflicht sehen, darüber zu berichten, weil ich es erlebt habe. Wenn jemand
nicht vom Balkan kommt und darüber redet, ist es eben
eine Fiktion. Aber gerade dadurch, dass es etwas mit mir
zu tun hat, ist es meine Pflicht, davon zu berichten.
7
WACKELPUDDING FÜRS VOLK
low als an ein Staatsoberhaupt erinnert, oder ihre
Rivalin und Titelheldin (Betty Freudenberg), die
auf einem Minisportboot über die Bühne kurvt, um
kurz darauf in ihr überdimensioniertes, kanonenkugelförmiges Turmverlies aufzusteigen und als
ANNE SOPHIE DOMENZ INSZENIERT „MARIA STUART“
➥ Wir kennen sie wohl alle: Diese äußerst kreati-
außerordentlicher Ideenreichtum und Zettelchen-
ven Momente im Leben, in denen einem eine gran-
schreiben die Klinke in die Hand gegeben.
dios erscheinende Idee nach der anderen in den Kopf
schießt. Während die meisten von uns Normalsterblichen diese raren Augenblicke genießen, aber ungenutzt verstreichen lassen, gilt als vermeintliches
Geheimnis aller Kreativschaffenden: aufmerken,
aufschreiben und anwenden! Bei Anne Sophie Domenz haben sich während des Inszenierungsprozesses von Friedrich Schillers „Maria Stuart“ scheinbar
Domenz schöpfte bei ihrer Umsetzung des Klassikers am Theater Bremen, die jetzt bei den Schillertagen im Mannheimer Nationaltheater gastierte,
aus dem Vollen: Ob es Elisabeth ist, die Königin
Englands, die anfangs komplett in einer Art riesigem Sitzsack verschwindet und während ihres
Auftakt-Monologs eher an ein lebendes Marshmal-
schrille Disneyheldin ihr Haar herunterzulassen.
Die Nummer startet also groß. Und dann ist die Luft
auch schon raus. Man könnte sagen: Es wird nachdenklicher. Man kann aber auch sagen: Es ist eingetreten, was so oft bei impulsiven Ideenansammlungen passiert. Sie erscheinen einem nach einer
Weile einfach nicht mehr so prickelnd. Nette Ein-
GRENZANLAGEN #02:
ISRAEL // ÄGYPTEN
fälle wie eine selbstgebaute Seifenblasenmaschine
oder eine Wackelpuddingpyramide sind zwar schön
anzusehen, führen aber in solcher Masse nirgendwo
hin. Theoretisch könnte das Spiel mit Materialien,
Tönen und zahlreichen studentischen Partymit-
ISRAEL GRENZT IM WESTEN AN DIE ÄGYPTISCHE HALBINSEL SINAI.
EINE OFFENE FLANKE FÜR TERRORISTISCHE ÜBERGRIFFE.
bringseln das Gesamtbild ja überzeugend unterstützen. Nur müsste dieses eben erst einmal vorhanden
sein. Hier Elisabeth mit blutroten Händen, da ein
Fremdtext, dort ein alltagstauglicher Kurzkommentar. Zu viele Highlights des Regierepertoires wur-
➥ Durch den Arabischen Frühling und den Sturz des ägyptischen
Israel will sich außerdem vor Terroristen schützen. Mehrere isla-
den herausgepickt, denn so richtig festlegen wollte
Machthabers Husni Mubarak im Jahr 2011 hatte die ägyptische
mistische Gruppierungen sind mittlerweile im Sinai-Gebiet aktiv,
oder konnte man sich offenbar nicht.
Armee zunehmend Schwierigkeiten, das bergige und wenig be-
um von dort aus Angriffe auf Israel durchzuführen. Nach dem
siedelte Wüstengebiet der Halbinsel Sinai zu kontrollieren. Dar-
Sturz des ägyptischen Präsidenten Muhammad al Mursi nahm die
aufhin begann Israel mit dem Bau eines bereits 2010 angedachten
Gewalt noch zu. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen
fünf Meter hohen Grenzzauns.
zwischen Terrorgruppen und Sicherheitskräften. Hunderte ägyp-
und versuchen zu retten, was zu retten ist. Besonders
ZEITUNG 02/15.6.2015
Nadine Geyersbach als Elisabeth, die dachte, „ge-
tische Soldaten wurden getötet.
herrscht zu haben wie ein Mann“, aber immer wie-
Die über 200 Kilometer lange Grenzanlage führt vom Mittelmeer
der in Unsicherheiten verfällt. Denn: Macht schafft
am Gazastreifen bis zur israelischen Stadt Eilat im Süden. Ziel ist
Die Grenzen zu Syrien, in den Libanon und ins Westjordanland
eben nicht automatisch Freiheit. Wenig subtil kann
es, Schmuggler und illegale Einwanderer aus Afrika abzuhalten.
hatte Israel schon früher auf ähnliche Weise befestigt. Nun
das auch an der Kanonenkugel abgelesen werden, die
Letztere sind zumeist Beduinen, die auf der Halbinsel leben und
soll ein weiterer Zaun an der Grenze zu Jordanien entstehen.
gleichzeitig Marias Verlies und Elisabeths Residenz
für die der Schmuggel die einzige Einnahmequelle ist.
FRANZISKA WEBER
beherbergt. Schließlich sitzen die beiden mächtigen
Frauen ja irgendwie im gleichen Boot.
Schade: Aus der Inszenierung hätte durchaus eine
überzeugende werden können. Wenn nur mal je-
ZEITUNG 02/15.6.2015
Die beiden königlichen Damen dominieren das Spiel
mand rechtzeitig „Weniger ist mehr“ gesagt hätte.
NANE KRÜGER
Nadine Geyersbach, Betty Freudenberg, Foto: Jörg Landsberg
MARSCHIEREN, SCHIESSEN, GASMASKEN ANZIEHEN
IN MIRIAM TSCHOLLS „KRIEGERINNEN“ ERZÄHLEN FRAUEN VOM MILITÄRDIENST.
➥
Mit einer weißen Fahne in der Hand, auf der
wehr auseinandernehmen und wie man sich verhal-
hungsweise Enkelinnen an. Zum Beispiel die Israe-
die Jungfrau Maria abgebildet ist, steht Friedrich
ten würde, wenn ein Luftangriff käme, Gasmasken
lin Shulamit Rom, die seit Langem in Deutschland
Schillers Jungfrau von Orleans im Studio des Mann-
anziehen und so.“ Sie sagt diesen Satz, als wäre sie
lebt und selbst den Militärdienst in Israel verwei-
heimer Nationaltheaters auf einem Podest. Der
tatsächlich in diese Zeit zurückversetzt.
gerte. Indem Tscholl diese verschiedenen Perspekti-
Unterschied zwischen den beiden Jungfrauen: Wo
die eine das Kind hält, hält die andere einen Helm.
„Mein ist der Helm, und mir gehört er zu“, sagt
Schauspiel-Laien auftreten, sogenannte Expertin-
ven aufeinandertreffen lässt, entsteht eine kritische
Durchleuchtung der Institution Militär.
nen des Alltags, die ihre eigenen Geschichten auf die
Durch Clara Schwinning, die als Johanna den Abend
Bühne bringen – und damit auch ein Stück (Welt-)
begleitetet und kommentiert, und einen Knaben-
Geschichte: russische Partisaninnen des Zweiten
chor werden immer wieder konkrete Bezüge zu
In Miriam Tscholls Inszenierung „Kriegerinnen“
Weltkriegs, US-amerikanische Soldatinnen, isra-
Schillers romantischer Tragödie „Die Jungfrau von
mit der Mannheimer Bürgerbühne ziehen eine Rei-
elische Zionistinnen, die den Staat Israel mit auf-
Orleans“ hergestellt. Der Regisseurin gelingt es, ein
he von Frauen mit ihr: aus dem Irak, den USA, Israel
gebaut haben. Die Kämpferinnen selbst sind dabei
etwas zu langes, aber ausdrucksstarkes Stück Thea-
und Russland. Sie alle sind Kämpferinnen, sie alle
nicht live, sondern per Video präsent: Die Akteurin-
ter auf die Bühne zu bringen. Hier steht nicht nur
verbinden ganz spezielle Geschichten mit der Waf-
nen auf der Bühne (neben Schwimming und Schil-
die Frau als Kriegerin im Zentrum. Sondern es wird
fe. Da marschiert beispielsweise Elena Schilling in
ling Dirau Schamal, Julia Biereth, Shulamit Rom und
auch über den Dienst an der Waffe generell reflek-
Uniform im schlichten Bühnenraum auf und ab und
Cansu Güler) interagieren mit diesen Projektionen,
tiert und der Nationalismusgedanke hinterfragt.
erzählt von ihrer militärischen Grundausbildung in
indem sie das Gesagte übersetzen oder ein Inter-
SABINE SCHMIDT
der ehemaligen Sowjetunion: „Wir hatten eine The-
view fingieren. Die Bühnendarstellerinnen gehören
orieausbildung, wir haben schießen gelernt, ein Ge-
dabei durchweg der Generation der Töchter bezie-
Schillers Johanna (Clara Schwinning). Für Gott, Nation und Volk zieht sie in den Krieg.
8
Regisseurin Tscholl lässt in ihrer Inszenierung
Foto: Idobi
9
LOHNT HOFFNUNG?
AUSGESCHLOSSEN 04
Man kennt das Klappschild mit weißer Kreide.
tes- oder Sozialwissenschaften an. Und es wirkt wie
über die Aufgabe der Kunst
ein elitärer Bereich, zu dem viele keinen Zugang
sprach: Sie soll den Men-
nach der Beerdigung meiner Oma. Ich lief gerade
mehr finden oder finden wollen. Es sendet Signale
schen zum Schönen und
auf den Eingang der Gaststätte zu, da sah ich „Heute:
der Exklusivität, Kulturscheue legen das Buch „The-
zur Freiheit erziehen. Er
Geschlossene Gesellschaft“. Ich wollte kehrtmachen,
ater“ beiseite, bevor sie auch nur eine Seite gele-
wäre wohl erschüttert, sähe
doch nach ein paar Sekunden fiel mir ein, dass ich ja
sen haben. Es ist bequem, die Kulturinstitution zu
er, wie weit der Rosa-Lux-
Teil dieser geschlossenen Gesellschaft war und somit
ignorieren, wartet drinnen unter Umständen doch
das Wirtshaus mit Fug und Recht betreten durfte.
Überforderung, Unverständnis, Langeweile. Und im
Heute stehen diese Schilder überall. Manchmal sieht
ZEITUNG 02/15.6.2015
„FISHERS OF HOPE. TAWERET“:
LARA FOOT VERPACKT UNIVERSELLE THEMEN IN EINE KLEINE
FAMILIENGESCHICHTE
„We are alive. We have hope and we are here“, sagt
Ruth, die Hauptfigur in Lara Foots neuester Produktion „Fishers of Hope“. Sie wurde 2014 in Südafrika uraufgeführt und feierte im Rahmen der Schillertage ihre Deutschlandpremiere. Hoffnung ist
das große Thema des Stückes, das Foot geschrieben
in der Kantine eine Mischung aus Darstellern, Regis-
hinter dem europäischen Klappschild mit weißer
seuren, Dramaturgen und Zuschauern versammelt,
Kreide, an dem Hoffnungen und Träume tausender
lässt sich beobachten, wie neugierige Unbeteiligte
Flüchtlinge zerschellen. Sie kommen in Nussschalen,
Schließlich soll es ja aufklären, wie Schillers „Räu-
immer wieder an der unsichtbaren Linie abprallen,
wir knacken sie, entnehmen ihnen die reichhaltigen
ber“ in der Mannheimer Uraufführung 1782, auch
die den schweren holzigen „Künstlertisch“ umgibt.
Wirtschaftsvitamine und verfrachten den Rest auf
wenn das so ganz unbürgerliche Trauerspiel unter
Steigt ein BWL-Student die Treppe zur Kantine run-
Wartehalden. Wir fürchten uns vor der Unüber-
der Intendanz von Wolfgang Heribert von Dalberg
ter, verheddert er sich auf seinem Weg in den feinen
schaubarkeit, der Unbegrenztheit, dem Unkalkulier-
um 300 Jahre in die Vergangenheit versetzt wur-
Fäden, die ihn von dem künstlerischen Pulk trennen.
baren. Unsere Hochzeiten, Beerdigungen, Geburts-
de. Man wollte Schillers Text entschärfen. Doch
Auch wenn eine Premierenfeier eine Begegnung der
tage, Firmenjubiläen feiern wir lieber in geschlos-
selbst das half nichts. Politische Machthaber wie
Akteure und Beobachter ermöglichen soll, bleibt
senen Gesellschaften, wo das vielleicht ja noch ganz
der Württembergische Herzog und dessen Schwei-
es meist bei einem unsicheren Lächeln oder distan-
gut funktioniert. Wie aber sieht es mit dem Theater
zer Freunde zürnten dem Dichter, der überfüllte
ziertem Zuprosten. Offene Fragen schweben im ver-
aus?
Saal aber applaudierte, schrie, lachte und wein-
Würde man Friedrich Schiller um seine Meinung bit-
Theater kreiert sein eigenes Milieu. Es zieht Künst-
ten, wedelte er wahrscheinlich wild mit einem Stapel
ler, Intellektuelle, Akademiker, Studenten der Geis-
Briefe, in denen er vor mehr als 200 Jahren konkret
MARLENE KNOBLOCH
kum. Er fungiert auch als Erzähler der Geschichte.
Fischerdorf und erzählt die Geschichte einer klei-
In Szene gesetzt wird die Handlung, die im Übrigen
The immigration crisis was not born yesterday. It has
they are not Libyan but mostly people from south of
now; it might even increase. But it is only fair to say
nen Familie. Foot widmet sich den dort vorherr-
immer wieder auf biblische Motive wie Judas oder
existed for many years, if not decades. The Season
the Sahara who have chosen Libya as the country of
that what is happening in Libya itself is the reason
schenden sozialen Problemen: Weil der Fischer
den verlorenen Sohn verweist, in einem realistisch
of Immigration to the North is the title of a well-
transit to the northern shores of the Mediterranean
why the situation is worsening because it enables the
John von einem Nilpferd angegriffen und schwer
anmutenden Bühnenbild (Patrick Curtis): links
known Arabic novel by the Sudanese writer Tayyeb
sea. It has become the ideal country for the mafia of
immigration gangs to work and get away unpunished.
verletzt wurde, kann er nicht mehr arbeiten und hat
die Wohnung der Familie und ein Holzgestell mit
Saleh. It was published in the late sixties when the-
illegal immigration to operate from because the coun-
Schwierigkeiten, seine Familie zu ernähren. Der in
Fischskeletten, rechts der See. Auf einen von Fi-
re was no immigration crisis as such, but there was
try lacks any border controls, has no security or mili-
sich gekehrte Ziehsohn Peter musste den Unfall
schernetzen behängten Hintergrund werden wech-
‘brain drain’-skilled people from the south leaving
tary might by which it can stop the mafia and gangs
mitansehen und spricht seitdem nicht mehr. Sowie-
selnde Bilder projiziert, häufig das eines Sonnenun-
their countries to enjoy the luxury and fun offered
from profiteering and exploiting the situation – sel-
so, so sieht es zumindest Johns Ehefrau Ruth, ist er
tergangs.
to them by countries of the north, causing the poor
ling and buying in the form of modern slavery: And it
countries to lose their human capital.
is only fair to call it slavery, it is trading on human suf-
„not normal“ und kann nicht Johns Platz auf dem
Boot einnehmen.
Lara Foot integriert Musik- und Tanzelemente in
die ansonsten klassisch erzählte Geschichte. Da-
The hard social conditions in these southern coun-
fering and misery, and cashing in on people’s deaths
as they drown in the rubber boats they are shipped in.
ausgezeichnete Theaterautorin hat sich vom Doku-
das Leid still erträgt. Nur einmal scheint sie wirk-
körpert. Am linken Bühnenrand sitzt der Musiker
aving their countries at the cost of sacrificing their
nized crime and illegal immigration and the invol-
mentarfilm „Darwin’s Nightmare“ inspirieren las-
lich verzweifelt zu sein. Ruth will die Sache in die
Nceba Gongxeka, der die Handlung mit Gesang und
lives on the boats of death. It started on a small sca-
vement of fundamental Islamic terrorist groups has
sen, in dem es um die ökologische und wirtschaft-
Hand nehmen und selbst fischen. Für John undenk-
dem Klang verschiedener afrikanischer Instrumen-
le that raised no alarm but a little outcry regarding
been long-established. It is a well-established fact
liche Katastrophe am Victoriasee in Ostafrika geht.
bar. Er beharrt auf den traditionellen Geschlechter-
te untermalt. Foot verpackt in einer kleinen Fami-
the cost of life caused by random and quite rare ac-
that Al-Qaida in Afghanistan was involved in the
Dort hatte man in den 1960er-Jahren den Nilbarsch
rollen.
liengeschichte universelle Themen: Was fange ich
cidents that occurred at sea, but year after year the
production and distribution of drugs, working hand
mit meinem Leben an? Habe ich Einfluss auf mein
number of accidents increased, and the phenomena
in hand with the world of the mafia. Libya has not
Schicksal oder ist ohnehin alles Gottes Wille? Und
is now a real human crisis leading to the deaths of
only become the wellspring of illegal immigration,
vor allem: Lohnt Hoffnung? Der Text und die Um-
illegal immigrants in large numbers. Political, econo-
but it might also be the place from which Islamist
setzung sind nicht sonderlich komplex oder spek-
mic and social turmoil in African and Middle Eastern
terrorists sail to European shores.
takulär, sondern klar und einfach, wie man das auf
countries caused the immigration crisis to reach this
deutschen Bühnen heutzutage selten sieht. Der Fo-
very dangerous level and to give rise to the worldwi-
kus liegt auf starken Charakteren, nichts wird ver-
de protest regarding the exploitation and inhuman
fremdet, wenig bleibt unausgesprochen. Man kann
practices involved.
chen und die Seeregion zu besuchen. Die Handlung
sich deutsche Politiker zuletzt über das Theater?
deren afrikanischen Land spielen. Es geht um ein
It is worth mentioning that the link between orga-
chen nach Kenia, um mit Theatermachern zu spre-
letzt um freie Theaterplätze? Wann empörten
THE SEASON OF IMMIGRATION TO THE NORTH
citizens, uneducated, unskilled, to find a way of le-
Zu Recherchezwecken reiste Foot für mehrere Wo-
te. Und heute? Wann rangelten sich Besucher zu-
vierte Wand und spricht direkt in Richtung Publi-
re. Der stumme Peter wird von einem Tänzer ver-
nige profitieren.
widerspricht den Gedanken der Briefe.
sechs Akteure durchbricht er immer wieder die
kranken Mann kümmert, ist eine starke Frau, die
Europa exportiert. Ein Geschäft, von dem nur we-
zu. Dass das Theater in einer elitären Ecke verharrt,
dort verankert, sondern könnte auch in einem an-
Baxter Theatre Centre in Kapstadt und mehrfach
sogenannte Victoriabarsch wird mittlerweile nach
schen“ spricht er der Kunst eine politische Dimension
von „Fishers of Hope“ ist allerdings nicht zwingend
tries, especially in Africa, have pressurized ordinary
Bevölkerung so die Lebensgrundlage entzogen. Der
auseinander
Wissenschaftler, Ökonomen stehen diskutierend
durch kreiert sie eine stimmungsvolle Atmosphä-
Fischarten wurden verdrängt und der heimischen
Mittelmeer
liegen. In „Über die ästhetische Erziehung des Men-
Der Mensch zieht Grenzen. Die Medien, Politiker,
Ruth, die sich liebevoll und energisch um ihren
Die Folgen waren verheerend: Hunderte heimische
kussion um Flüchtlinge im
einer Castorf-Inszenierung der Berliner Volksbühne
und inszeniert hat. Die künstlerische Leiterin des
ausgesetzt, um die Fischwirtschaft anzukurbeln.
10
Inneren genießt man die Zugehörigkeit zum Milieu.
man sie, manchmal spürt man sie. Wenn sich nach
rauchten Raum.
Shaun Oelf und Mncedisi Shabangu, Foto: Oscar O’Ryan
emburg-Platz und die DisFoto: LYS
Ruth ruft ihren Bruder Niara zu Hilfe. Er hat das
Dorf vor Jahren verlassen und ist kein Retter in
der Not, sondern ein Unruhestifter. Ähnlich dem
Nilbarsch mischt er das System auf, ohne dass es
allerdings zum Zusammenbruch käme. Was bleibt,
ist Hoffnung.
Verkörpert wird das Prinzip Hoffnung durch die
Figur des Njawu. Der dicke, fröhliche Mann arbeitet als Fahrer für das Tourismusbüro und hat eine
Menge Geschichten zu erzählen. Als einziger der
das naiv oder banal finden. Oder einfach ehrlich.
FRANZISKA WEBER
This doesn’t mean that Libya’s crisis and the absence
of law and order are the main source of, or the central
reason for, the immigration crisis, nor does it mean
that ending Libya`s problems and restoring the rule
Over the past two or three years, Libya, my country,
of law is the ultimate cure. The crisis was there befo-
has become the departure point from which these
re Libya’s plight, and now it needs other measures to
migrants start their voyage to the shores of Europe,
solve it or else it will remain as great and acute as it is
ZEITUNG 02/15.6.2015
➥
Zum ersten Mal nahm ich es als Achtjährige wahr,
So helping the Libyans solve their problems must surely be part of the solution. The Libyans themselves
have declared on so many occasions that they only
need help so they can help themselves. They will do
their own fighting to rid their country of the terrorist groups. They have asked for the ban on armaments to their army to be lifted, and to be provided
with political, logistical and moral help.
Most Libyans only want their country back to a normal state of law and order, to see civil rule established
to replace the ousted dictatorial regime. They would
ask the international community to tackle the crisis
of illegal immigration and the terrorist gangs by simply going to the root of the matter in Libya: the huge
vacuum created by the absence of a legitimate governing system needs to be filled. That governing system
would control the country, execute its authority over
the entire land, east and west, secure the borders and
safeguard the skies of Libya and its shores.
Then, and only then, can we say that resolving the
problem of Libya would be a giant step towards resolving the crisis of illegal immigration.
AHMED FAGIH IST EIN LIBYSCHER AUTOR, LITERATURWISSENSCHAFTLER UND
GAST DES INTERNATIONALEN AUTORENNETZWERKS FENCE.
11
PROGRAMM
MONTAG 15.06.
20.00 – 21.45 | Schauspielhaus | Preise F
COMMON GROUND* YAEL RONEN & ENSEMBLE / MAXIM GORKI THEATER
22.00 | Treffpunkt ist um 21.30 Uhr vor dem Theatercafé/Festivalzentrum | € 15,–‘/’€ 9,– | Keine Abendkasse
WHITE RABBIT RED RABBIT NASSIM SOLEIMANPOUR MIT CHRISTOPH MARIA HERBST
22.00 | TIG 7 | € 5,–‘
ZU GAST: THE FENCE – EIN INTERNATIONALES AUTORENNETZWERK
SZENISCHE LESUNG
20.30 Verschiedene Spielorte…/…Theatercafé | Eintritt frei‹!
SCHILL-OUT SPEZIAL
INTIME KONZERTE FÜR STADTNOMADEN
DIENSTAG 16.06.
18.00 – 19.00 | Lobby Werkhaus | € 5,–
Eintritt frei mit Vorstellungsbesuch und mit SWR2-Kulturkarte
SWR2 FORUM AB JETZT: KOMPLIZEN – WIE OFFEN IST DIE GESELLSCHAFT FÜR NEUE SOZIALE FORMEN?
20.00 – 21.15 | Studiol | € 15,–‘/’€ 9,–
SCHILLERS RÄUBER. EIN ABEND FÜR FÜNF SPIELER UND EINEN GERÄUSCHEMACHER
JUNGES SCHAUSPIEL HANNOVER
20.00 – 20.45 | Deutsche Erstaufführung | Treffpunkt ist um 19.30 am Infopoint am „Platz der Freundschaft“
auf dem Benjamin Franklin Village | € 15,–‘/’€ 9,–
AFRIKA SELLO PESA / NTSOANA CONTEMPORARY DANCE THEATRE
22.00 | Treffpunkt ist um 21.30 Uhr vor dem Theatercafé/Festivalzentrum | € 15,–‘/’€ 9,– | Keine Abendkasse
WHITE RABBIT RED RABBIT NASSIM SOLEIMANPOUR MIT CORINNA HARFOUCH
22.00 | TIG 7 | Eintritt frei‘
ZU GAST: THE FENCE – EIN INTERNATIONALES AUTORENNETZWERK
STÜCK-BAU-STEINE
22.30 | Unteres Foyer | Eintritt frei‹!
SCHILL-OUT & MAIFELD DERBY PRÄSENTIEREN
PUBLIC SERVICE BROADCASTING
*‡PUBLIKUMSGESPRÄCH IM ANSCHLUSS
SERVICE‡SPIELSTÄTTEN | KARTENERWERB
OPERNHAUS | SCHAUSPIELHAUS | UNTERES FOYER | THEATERCAFÉ
Am Goetheplatz, Mannheim | Zentraler Vorverkauf | Abendkasse 1 h vor Veranstaltungsbeginn STUDIO UND LOBBY WERKHAUS Mozartstraße 9…–…11,
Mannheim | Zentraler Vorverkauf | Abendkasse 1/2 h vor Veranstaltungsbeginn PROBENZENTRUM NECKARAU Eisenbahnstraße 2, Mannheim | Shuttle
vom Nationaltheater zum Veranstaltungsort | Abfahrt 45 min vor Veranstaltungsbeginn am Theatercafé | Zentraler Vorverkauf | Abendkasse 1/2 h
vor Veranstaltungsbeginn BENJAMIN FRANKLIN VILLAGE Eingang am Infopoint Platz der Freundschaft; Anfahrt über Birkenauerstraße oder B 38 |
RNV Linie 5 Haltestelle Käfertaler Wald | Zentraler Vorverkauf | Abendkasse 1…h 30 min vor Veranstaltungsbeginn | Alle Veranstaltungen auf dem
GESCHLOSSENE
GESELLSCHAFT
12.–20. JUNI 2015
18.INTERNATIONALE
SCHILLERTAGE
NATIONALTHEATER MANNHEIM
Benjamin Franklin Village finden bei jeder Witterung statt. THEATERHAUS | TIG7 G7, 4b, Mannheim | Zentraler Vorverkauf | Abendkasse vor Ort
| www.tig7.de ALTE FEUERWACHE Am Alten Messplatz, Brückenstraße 2, Mannheim Zentraler Vor verkauf | Abendkasse vor Ort www.altefeuerwache.com Zentraler Kartenvorverkauf | Theaterkasse am Goetheplatz Mo 11.00 – 13.00 Uhr | Di…–…Fr 11.00 – 18.00 Uhr | Sa 11.00 – 13.00 Uhr
| An allen Vorstellungstagen 18.00 – 20.00 Uhr sowie jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn Kartentelefon + 49 (0) 621 1680 150 | Mo
bis Fr 9.00 – 19.00 Uhr | Sa 9.00 – 13.00 Uhr | Kartenfax + 49 (0) 621 1680 258 E-Mail nationaltheater.kasse‹@‹mannheim.de ONLINE-Tickets
und Print@Home unter www.nationaltheater-mannheim.de
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