Einführung in die Pragmatik

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Einführung in die Pragmatik
Konstative vs. performative Äußerungen
8.11.2004
1
Kriterien bis jetzt
konstativ
performativ
Man beschreibt damit, wie die Welt ist
Man führt damit eine Handlung durch
wahr oder falsch
geglückt“ oder verunglückt“
”
”
2
Lassen sich weitere Kriterien finden?
2.1
Grammatische Kriterien?
• Muss ein performatives Verb in der 1. Pers. Indikativ Präsens Aktiv vorkommen? (Ich verspreche, dass ich morgen komme.)
• Person:
– 2. Pers. möglich:
Du wirst gebeten,...
– 3. Pers. möglich:
Passagiere werden gebeten, ...
• Tempus:
– performatives Verb: Präsens
– kein performatives Verb: andere Tempora möglich
Sie haben es getan!, Schuldig!
• Modus:
– Konjunktiv möglich:
Ich würde dir raten, das nicht zu tun. Ich würde das nicht tun.
– Imperativ möglich:
Tu das nicht!
1
2.2
Lexikalische Kriterien?
• Wenn eine Äußerung performativ ist, dann wird das durch ein performa”
tives Verb angezeigt.“
→ Nein.
– implizite performative Äußerungen:
Lest Austin!
– performative Äußerungen ohne Verb:
Weg da!, Entschuldigung
• Wenn ein performatives Verb (1. Pers. Präsens Aktiv) in einer Äußerung
”
vorkommt, dann ist sie performativ.“
→ Nein.
– Beschreibung von gewohnheitsmäßigen Handlungen:
Ich verspreche jeden Tag, früh nach Hause zu kommen.
– Historisches Präsens:
Ich protestiere in meinem Buch gegen ...
2.3
Welche formalen Kriterien bleiben?
• Hypothese:
Jede performative Äußerung lässt sich in die explizite Form bringen.“
”
Das heißt:
1. Ein performatives Verb gibt die illokutionäre Rolle an.
2. Hiermit lässt sich einfügen.
Aber:
• Geht beim Umformen in die explizite Form nichts verloren bzw. wird hinzugefügt? Anders ausgedrückt: Sind explizite und implizite Form wirklich
äquivalent?
• Es stellt sich dann die Frage, woran man performative Verben erkennt.
2.4
Kennzeichen performativer Verben
• Assymmetrie bei performativen Verben zwischen 1. Pers. Präsens Aktiv
und allen anderen Konjugationsformen.
– 1. Person Präsens Aktiv kann performativ sein:
Ich verspreche, ich wette
– andere Personen (im Aktiv) und andere Tempora: können nicht performativ sein
du versprichst, ich habe gewettet
2
• Bei nicht-performativen Verben: Keine solche Asymmetrie zwischen 1.
Pers. Präsens Aktiv und allen anderen Konjugationsformen.
– Ich backe Kuchen, er hat Kuchen gebacken
2.5
Was zeigt uns das?
Wir haben kein handfestes formales (grammatisches oder lexikalisches) Kriterium gefunden, das es erlaubt, konstative und performative Äußerungen zu trennen.
3
Sind die restlichen Kriterien wasserdicht?
3.1
wahr/falsch vs. geglückt/verunglückt
Bisherige Annahme: Konstative Äußerungen sind entweder wahr oder falsch.
Performative Äußerungen haben dagegen nichts mit Wahrheit oder Falschheit zu
tun, sondern lassen sich nur als geglückt “ oder verunglückt“ charakterisieren.
”
”
3.1.1
Auch performative Äußerungen können etwas mit Wahrheit
zu tun haben
1. Felicity conditions lassen sich auffassen als Aussagen über die Welt, die
wahr sein müssen, damit ein Sprechakt glückt“. Damit z.B. taufen“
”
”
glückt, muss (u.a.) folgende Aussage wahr sein:
• Der Sprecher ist ein Pastor. (oder Pfarrer o.ä.)
2. Viele performative Äußerungen stehen in Verbindung mit bestimmten
Fakten in der Welt:
• Ich warne dich, dass der Hund bissig ist.
3.1.2
Auch konstative Äußerungen können verunglücken“
”
• Feststellungen sind anfällig für A-Infelicities :
– Dinge, auf die man referiert, werden präsupponiert: (A.1)
? Die gegenwärtige Königin von Deutschland hat rote Haare.
? Es gibt gegenwärtig eine Königin von Deutschland.“
”
– Man muss die richtige Person (d.h. in der richtigen Position) sein,
um eine Feststellung über die Welt zu machen. (A.2)
• Feststellungen sind anfällig für B-Infelicities:
– Versprecher
• Feststellungen sind anfällig für Γ-Infelicities (Unehrlichkeiten):
3
– Die Feststellung Die Katze sitzt auf auf der Matte setzt voraus/impliziert:
Ich glaube dass die Katze auf der Matte sitzt. Wenn man etwas behauptet, von dem man nicht glaubt, dass es wahr ist, liegt Unehrlichkeit vor (ähnlich wie bei einem Versprechen, das man nicht zu halten
vorhat).
3.1.3
Sind Feststellungen immer wahr oder falsch?
• Manchmal sind Fesstellungen grobe“ Beschreibungen der Welt, für man”
che Zwecke angemessen, für andere nicht, aber nicht eindeutig wahr oder
falsch.
– Frankreich ist ein Sechseck. Die Teilnehmer bildeten einen Kreis.
3.1.4
Was zeigt uns das?
• Konstative und performative Äußerungen haben mit Wahrheit tun.
• Konstative und performative Äußerungen können verunglücken.
3.2
Sagen vs. handeln
Bisherige Annahme: Durch performative Äußerungen führt man eine Handlung
aus, statt die Welt zu beschreiben, und durch konstative Äußerungen beschreibt
man die Welt, statt eine Handlung auszuführen.
3.2.1
feststellen verhält sich wie performative Verben
• feststellen kann gleichberechtigt“ in einer Reihe mit performativen Ver”
ben stehen:
– Als ich sagte, dass es regnet, habe ich nicht gewettet oder gewarnt,
sondern es nur festgestellt.
• feststellen zeigt an, wie die Äußerung zu verstehen ist (illokutionäre Kraft/Rolle
der Äußerung), genauso wie wetten, bestätigen, etc.
1. Ihr habt Austin gelesen.
2. Ich wette, dass ihr Austin gelesen habt.
3. Ich bestätige, dass ihr Austin gelesen habt.
4. Ich stelle fest, dass ihr Austin gelesen habt.
• Hiermit lässt sich einfügen:
– Hiermit stelle ich fest, dass heute niemand fehlt.
4
3.2.2
Was zeigt uns das?
• Auch konstative Äußerungen haben eine illokutionäre Kraft/Rolle (zum
Beispiel Feststellung, Behauptung, etc.)
4
Konsequenzen
1. Die Trennung performativ vs. konstativ ist in dieser Form nicht haltbar.
2. Etwas feststellen ist ebenso ein Sprechakt wie z.B. etwas versprechen.
3. Jede Äußerung hat eine illokutionäre Rolle.
5
Literatur
Austin, John. L., How to do things with words, Oxford, Oxford University Press,
1962.
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