Lebenslauf Prof. Dr. Gudrun Krämer

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Lebenslauf
Prof. Dr. Gudrun Krämer
1972-78
Studium der Geschichte, Islam- und Politikwissenschaft sowie der Anglistik
in Heidelberg, Bonn, Sussex (Großbritannien)
1978
Staatsexamen (Geschichte, Politikwissenschaft, Anglistik) in Heidelberg
1981
1994
Promotion
Habilitation im Fach Islamwissenschaft an der Universität Hamburg
1982-94
Nahost-Referentin an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen
(einschl.
bei München
Beurlaubungen)
1987-89
Vertretung der Professur für gegenwartsbezogene Orientwissenschaft an
der Universität Hamburg
1994
Annahme des Rufs auf die Professur für Islamwissenschaft an der
Universität Bonn
1996
Übernahme des Lehrstuhls für Islamwissenschaft an der Freien Universität
Berlin
Krämer, Gudrun: Wettstreit der Werte: Anmerkungen zum zeitgenössischen
islamischen Diskurs
(Zusammenfassung des Artikels )
In der gesamten Welt besinnt man sich im Augenblick auf seine Werte. In Europa auf die
christlich abendländischen, Amerika fühlt sich für die Freiheit zuständig, und in Asien besinnt
man sich auf seinen Eigencharakter. Über Werte streitet auch die islamische Welt mit sich
und mit den anderen. Die westliche Welt fordert vom Islam und den Muslimen eine
„Aufklärung“, die ihnen den Weg nach Europa öffnen soll. Sie fordert Rechtsstaatlichkeit und
gute Regierungsführung, Toleranz und Freiheit und Achtung der Menschenrechte. Dabei
müssen die Muslime ihr Verhältnis zum Westen und zum Islam definieren, das bedeutet,
dass sich die Wertefrage nicht von der Identitätsfrage trennen lässt. Man darf nicht
vergessen, dass die meisten Muslime nicht im Nahen und Mittleren Osten leben, obwohl von
dort die stärksten Impulse ausgehen, sondern vorwiegend in Süd- und Südostasien.
So gibt es den islamischen Diskurs in mehreren Varianten. Gleichwohl gibt es einen festen
Bestand an Grundwerten – Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Verantwortung, das Recht auf
politische Mitsprache und die religiös verankerten – Aufrichtigkeit, Mitgefühl und die Achtung
vor dem Leben.
Islam als Text
Der Islam ist für uns eigen, anders und fremd. Er ist aber weder einförmig noch
unwandelbar. Wir können also bei einer Betrachtung des Islams nur die Traditionen
heranziehen, die für die Muslime zu allen Zeiten und an allen Orten als normativ gelten.
Diese Tradition besteht aus Texten sehr unterschiedlicher Art. Da ist zunächst der Koran
(Rezitation), nach islamischem Verständnis, die von Gott zu Mohammed gesandte
letztgültige Offenbarung. Nur in Arabisch (in keiner anderen Sprache) gilt er als Gottes
direkte Rede, die 632 redigiert und in ihre jetzige Fassung gebracht wurde. Übersetzungen
des Korans werden nur als „Annäherungen“ an Gottes Wort gewertet.
Als zweiter verbindlicher Text gilt die Sunna (gebahnter Pfad ). Sie besteht aus normativen
Beispielen, die wiederum aus einzelnen Berichten bestehen, den Hadithen, die von
göttlicher Inspiration festgehaltenen Reden und ihre Praxis.
Die Sunniten erkennen sechs Sammlungen als kanonisch an, die Schiiten vier, abhängig von
den Kalifen. (Die Sunniten zählen 6 Kalifen, die Schiiten nur 4 als erste Nachfolger
Muhammads). Die Sunna wird nicht rezitiert, wie der Koran, sondern zitiert. Sie dokumentiert
die sozialen Normen und Praktiken der Arabischen Halbinsel des 7. Jahrhunderts. Obwohl
zeitlich und örtlich gebunden, meidet man bis heute eine kritische Auseinandersetzung mit
ihr. Noch weniger aber wagt man über den Koran nachzudenken, bzw. eine Textkritik zu
üben. Dabei ist man sich bewusst, dass der koranische Text sehr dicht, dunkel und selbst bei
besten Arabischkenntnissen nicht eindeutig und erschöpfend erfasst werden kann. Probleme
der Koranauslegung bei der Wertedebatte werden von Islamwissenschaftlern geleugnet.
Islamischer Diskurs
Islam ist, was im Koran und der Sunna steht. Keine Idee, Handlung, Tugend oder Institution
kann als islamisch gelten, wenn sie sich nicht auf die beiden zurückführen lässt. Islam ist
mehr als nur ein Bekenntnis zu Gott und Muhammad, er verlangt nach Taten, die vor der
Welt bezeugt werden müssen. Der Koran darf nicht ohne gesellschaftliche Wirkung bleiben:
Islam ist Religion und Welt. Islamisten spitzen diese weithin geteilte Auffassung in zweierlei
Hinsicht zu: Normen und Werte haben als Fundament allein Koran und Sunna. Das richtet
sich auch gegen Muslime, die weitere Quellen der Inspiration und Orientierung gelten lassen
wollen.
Die Islamisten erkennen keine gemeinsamen menschlichen Werte an. Sie wollen die
Grenzen zwischen den Religionen aufrecht erhalten, obwohl sie durch Migration und die
Globalisierung verwischt sind. Die Grenze, die einmal territorial definiert war, zwischen dem
Gebiet des Islams (dar al-islam) und dem Gebiet der Andersgläubigen, dem des Krieges (dar
al-harb), das erobert werden sollte. Heute kann man eventuell noch ein Gebiet des
Waffenstillstandes (dar as-sulh) bzw. der Vertragsbeziehungen (dar al-ahd) hinzufügen. Das
ist aber nicht durchzuhalten. Denn es müsste zu einer Abwanderung aus den drei anderen
Gebieten in ein dar al-islam kommen oder die Einführung der Scharia in das dar al-harb.
Unter Islamisten (damit sind nicht Terroristen gemeint) sollen hier diejenigen aller sozialen
Schichten verstanden werden, die gemeinsam der Überzeugung sind, der Islam stelle ein
eigenes in sich geschlossenes Gefüge von Normen und Werten dar, das die individuelle
Lebensführung und öffentliche Ordnung gestalten müsse. Ein in Koran und Sunna
festgefügtes Gebilde, einzigartig und unwandelbar, das allen anderen Systemen moralisch
überlegen ist.
Islamische Grundwerte
Beim islamischen Diskurs machen Koran und Sunna die eigene Position unangreifbar. Der
Diskurs bedient sich der Sprache der Jurisprudenz ohne deren Verfahren und Logik zu
benutzen. Der Eindruck fester Verwurzelung in der Tradition ist gewollt. Nur wenige wagen
zu sagen, die Scharia sei für moderne Muslime in der heutigen Form ungeeignet.
Eine Diskussion darüber, was Scharia sei, ist jedoch fortgeschritten. Nach vorherrschender
Auffassung, nicht nur der Islamisten, sondern auch der modernen Moslems, ist sie im Kern
göttliche Satzung, von Menschen mehr oder weniger korrekt verstanden, abgeleitet und
umgesetzt. Dabei wird die Unterscheidung von göttlicher Norm (shar’ia) und menschlicher
Rechtsfindung (fiqh) durchaus anerkannt. Der Unterschied liegt in der Reichweite des
Individuums. Während die einen den geringen Spielraum betonen, geben die anderen dem
Individuum mehr Spielraum. Sie halten die im Koran gegebenen Normen für gering. Die im
18. Jahrhundert von der Vernunft geleitete Rechtsentwicklung (ijtihad) bleibt an die
normativen Quellen gebunden. Sie ist nur frei von der Bindung an eine bestimmte
Rechtsschule. Eine Unterscheidung zwischen Scharia und Juristenrecht ist in der Theorie
leichter zu vollziehen als in der Praxis.
Zwei Interpretationslinien sind hier zu finden: die kontextualisierende, die sich auf die
Umstände, den Kontext unter dem die Aussage gemacht wurde, bezieht und dabei die
allgemeine Verbindlichkeit einschränkt. In der klassischen Interpretation dagegen, wird sie
als Gebot eingestuft. So ist Sure 4, die im Zusammenhang mit der Versorgung von
weiblichen Waisen von der Möglichkeit der Polygamie spricht, dafür ein gutes Beispiel.
Noch weitergehende Perspektiven bietet der kontextbezogene relativierende Ansatz, wenn
das abstrahierende Moment dazu kommt. Der Ansatz fußt auf der Annahme, der Islam
enthalte einen Bestand allgemeiner Normen und Werte: Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit,
Verantwortung und Partizipation (shura). Diese müssen im Einklang mit den sich
wandelnden Lebensumständen sensibel und flexibel umgesetzt werden. Moderne Autoren
verweisen auf die klassische islamische Jurisprudenz, die auf ein gewisses Maß an
vernunftgeleiteter Abstraktion nicht verzichten kann. Besonders wichtig sind in diesem
Zusammenhang das Konzept des Gemeinwohls.
Der Katalog nennt hier 5 Grundgüter: Schutz von Religion, Leben, Nachkommenschaft,
Eigentum und Vernunft oder Ehre. Dabei gehen moderne Autoren vielfach über die von der
klassischen Jurisprudenz verteidigten Linie hinaus.
Gerechtigkeit und Gleichheit
Gerechtigkeit ist sowohl ein klassisches Anliegen des islamischen, als auch des
europäischen Denkens. Sie steht an der Spitze des islamischen Wertekatalogs und ist der
Grundwert des Islams schlechthin. Sie bildet das Fundament der umfassenden Prinzipien
und der allgemeinen Regeln. Mit der Gerechtigkeit hat Gott dem Menschen einen geraden
Pfad ins Jenseits gegeben.
Das Wort Gerechtigkeit deckt im Islam ein weites semantisches Feld ab. Der Koran bietet
nicht explizit eine Theorie der Gerechtigkeit an, er gibt konkrete Hinweise auf gerechtes
Handeln im konkreten Lebensraum. Im weitesten Sinne ist Gerechtigkeit das mit Gottes
Willen übereinstimmende rechte (richtige) Verhalten, wie es in den Büchern gefordert wird..
Es steht im Zusammenhang mit dem Ideal des rechten Maßes und der Mäßigung.
Gerechtigkeit erfordert Fairness, Unparteilichkeit, Ausgewogenheit und Ausgeglichenheit.
Sie steht für die Goldene Mitte (Sure 2,143). Eine gerechte Ordnung hält die Gesellschaft in
harmonischer Balance, im Sinne der Forderung der Antike: Jedem das Seine. Der Herrscher
steht zwar über seinen Untertanen, aber nicht über dem Gesetz. Die von Gott gegebene
Würde und Gleichwertigkeit zieht nicht zwingend eine soziale Gleichheit nach sich. Obwohl
Mann und Frau nach dem Koran als Partner aus dem selben Stoff geschaffen sind und für
ihr Leben vor Gott die gleiche Verantwortung tragen, genießen die Männer laut Sure 4,34
Vorrang vor den Frauen.
Laut Sayyid Quth ist die Familie wie eine administrative Hierarchie aufgebaut, wie wir sie in
Unternehmen finden.
Die Aussage der oben genannten Sure bedeutet, wenn sie übersetzt wird: Der Bandbreite
männlicher Dominanz entspricht die weiblicher Unterordnung. Frauen stehen unter
männlichem Schutz, die Männer sind den Frauen voran gestellt. Die von Gott gewollten
Unterschiede müssen in angemessener Weise berücksichtigt werden.
In der Ökonomie handelt es sich um eine Moralökonomie. Zinsen und Versicherungen sind
untersagt
Für mich stellen sich folgende Fragen:
Was fällt Ihnen persönlich im Umgang mit Muslimen auf, das Sie in Verbindung zum Islam
bringen ?
Sehen sie eine, wenn auch nur teilweise, Übereinstimmung zwischen christlichen und
islamischen Werten?
Glauben Sie, dass die Integration von Moslems auf die Dauer gesehen, sich schwer oder
leicht verwirklichen lässt?
http://www.enfal.de/grund19.htm (Hintergrundinformationen über den Islam.)
www.islam.de
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