2 Prädikatenlogik

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Logik für Informatiker
2
Wintersemester 2012/13
Prädikatenlogik
In der Prädikatenlogik kann man die in der Aussagenlogik bereits
betrachteten atomaren Aussagen eleganter formulieren:
A = „Borussia Dortmund ist deutscher Fußballmeister“:
deutscher _fussballmeister (’Borussia Dortmund ’, 2012 ).
B = „eine Stadt mit mindestens 100000 Einwohnern ist groß“:
grosse_stadt(Stadt) ← einwohner (Stadt, X ) ∧ X ≥ 100000 .
C = „Würzburg hat über 300.000 Einwohner“:
einwohner (’Wuerzburg’, 300000 ).
Dann kann man generische Aussagen machen. Z.B. ist die Formel zu B auf
alle Städte mit mindestens 100000 Einwohnern anwendbar.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
145
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2.1
Wintersemester 2012/13
Grundbegriffe der Prädikatenlogik
Erweiterung der Aussagenlogik um
Variablen–
Funktions–
Prädikaten–
)
U, V, W, X, Y, Z
Symbole
f, g, h
a, b, c
p, q, r
und Quantoren:
• Existenzquantor: ∃,
• Allquantor: ∀.
Die bekannten Junktoren ∧, ∨, ¬ und → sind weiterhin erlaubt.
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Beispiel (Prädikatenlogiche Formeln)
1. Konvergenz, Grenzwert:
limn→∞ f (n) = a ist in der Analysis definiert als
∀ ǫ > 0 ∃ n0 ∀ n ≥ n0 |f (n) − a| < ǫ.
Hier sind ǫ, n0 und n Variablensymbole (nur über diese kann man
quantifizieren), 0, a, f , − und | . . . | sind Funktionssymbole, und >, ≥
und < sind Prädikatensymbole.
Funktionssymbole ohne Argumente – wie 0 und a – nennt man auch
Konstantensymbole; ihre Stelligkeit ist 0. f und | . . . | sind 1–stellig,
− ist 2–stellig. Hier sind auch alle Prädikatensymbole 2–stellig.
Für f (n) = 1/n gilt z.B. limn→∞ f (n) = limn→∞ 1/n = 0 = a.
Für jede vorgegebene reelle Zahl ǫ > 0 existiert ein n0 ∈ IN , etwa
n0 = ⌈1/ǫ⌉ + 1, so daß für alle n ≥ n0 gilt |1/n − 0| < ǫ.
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2. Konjunktion:
(∃ Jahr weltmeister (brasilien, Jahr )) ∧
(∀ Jahr ¬weltmeister (nigeria, Jahr ))
• Brasilien war bereits Fußballweltmeister, d.h.:
es gibt ein Jahr, in dem Brasilien Fußballweltmeister war;
• Nigeria aber noch nicht.
3. Implikation:
∀ Stadt ∀X ( grosse_stadt(Stadt) ←
einwohner (Stadt, X ) ∧ X ≥ 100000 )
ist äquivalent zu
∀ Stadt ( grosse_stadt(Stadt) ←
∃X ( einwohner (Stadt, X ) ∧ X ≥ 100000 ) )
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Syntax
Wir setzen folgende abzählbaren Mengen voraus:
• Variablensymbole:
V = { X1 , X2 , . . . },
• Funktionssymbole: F = { f1 , f2 , . . . },
• Prädikatensymbole: P = { p1 , p2 , . . . }.
Jedes Funktions– bzw. Prädikatensymbol hat eine Stelligkeit k ∈ IN0 .
Schöningh schreibt fik , pki , wir schreiben fi /k, pi /k.
Allerdings kann dasselbe Funktions– bzw. Prädikatensymbol in einer
Formel mit unterschiedlichen Stelligkeiten auftreten. In
f (f (a), f (a, a, a))
ist das erste Auftreten von f zweistellig, das zweite einstellig, und das dritte
dreistellig. Eigentlich handelt es sich dabei um unterschiediche
Funktionssymbole f /2, f /1 und f /3 mit demselben Namen f .
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Induktive Definitionen
Terme
1. Jedes Variablensymbol X ∈ V ist ein Term.
2. Ist f ein Funktionssymbol der Stelligkeit k, und sind t1 , . . . , tk
(ebenso viele) Terme, so ist auch f (t1 , . . . , tk ) ein Term.
3. Ist k = 0, so schreibt man kurz f ausstelle von f (), und man nennt f
dann eine Konstante.
Beispiel (Terme)
• f1 (X2 ),
• f3 (f2 , f1 (X3 )).
Stelligkeiten:
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f1
f2
f3
1
0
2
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Formeln
1. Für ein k–stelliges Prädikatensymbol p und Terme t1 , . . . tk ist
p(t1 , . . . , tk ) eine atomare Formel.
Falls k = 0 ist, so schreiben wir kurz p anstelle von p().
2. Für jede Formel F ist auch ¬F eine Formel.
3. Sind F1 und F2 Formeln, so auch (F1 ∧ F2 ) und (F1 ∨ F2 ).
4. Falls X ein Variablensymbol ist und F eine Formel, so sind auch
∃X F und ∀X F Formeln.
Man kann wieder redundante Klammerpaare weglassen, und Teilformeln
werden analog zur Aussagenlogik definiert.
Man könnte weitere Formeln mittels anderer Junktoren bilden, z.B. die
Implikation F1 → F2 . Andererseits könnte man diese Formel auch wie
¬F1 ∨ F2 auffassen.
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Beispiel (Formeln)
1. In der Formel
F = (∃X1 p1 (X1 , f1 (X2 ))) ∨ (∀X2 p2 (X2 , f3 (f2 , f1 (X3 ))))
haben die Prädikatensymbole die folgenden Stelligkeiten:
p1
p2
2
2
2. Man kann auch über Variablensymbole quantifizieren, die nicht in der
betroffenen Formel vorkommen: F = ∀X p(Y ).
3. In der folgenden Implikation bezeichnen die beiden Vorkommen von X
dasselbe: F = ∀X ( student(X) → person(X) ).
4. In F = ∀X ( p(X ) → ∃X q(X) ) bezieht sich die Allquantifizierung
∀X auf p(X), die Existenzquantifizierung ∃X auf q(X). Es gibt
keinen Zusammenhang zwischen den beiden Vorkommen von X.
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Klammerungsregeln
1. Wir nehmen an, daß die Quantoren am stärksten binden. D.h.
QX F ⊗ G bedeutet (QX F ) ⊗ G,
für einen Quantor Q ∈ { ∀, ∃ } und einen Junktor ⊗ ∈ { ∧, ∨, → }.
Z.B. bedeutet
∀X ∀ Y ( ∃Z (p(X, Z) ∧ p(Z, Y )) → p(X, Y ) )
dasselbe wie
∀X ∀ Y ( (∃Z (p(X, Z) ∧ p(Z, Y ))) → p(X, Y ) )
2. Wir nehmen an, daß die Negation stärker bindet als die Konjunktion,
die Disjunktion und die Implikation, und wir nehmen an, daß die
Konjunktion stärker bindet als die Disjunktion (Punkt vor Strich) und
die Implikation, und die Disjunktion stärker als die Implikation. D.h.
F ∨ ¬ G ∧ G′ → H bedeutet (F ∨ ((¬ G) ∧ G′ )) → H.
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153
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Schreibweisen
Die Formel
∀ ǫ > 0 ∃ n0 ∀ n ≥ n0 |f (n) − a| < ǫ
müßte man eigentlich ausführlich wie folgt schreiben:
∀ǫ ( ǫ ∈ IR ∧ ǫ > 0 →
∃n0 ( n0 ∈ IN ∧
∀n ( n ∈ IN ∧ n ≥ n0 → |f (n) − a| < ǫ ) ) ).
In der Kurzschreibweise wurde implizit angenommen, daß ǫ eine reelle
Zahl ist, und daß n und n0 natürliche Zahlen sind.
Daneben wurde die vereinfachende Infix– bzw. Zirkumfix–Notation für
Funktions– und Prädikatensymbole verwendet.
Manchmal schreibt man anstelle von ∀X F auch ∀X : F ; analog für ∃.
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Infix– und Zirkumfix–Notation
Zur leichteren Lesbarkeit kann man gewisse binäre Funktions– und
Prädikatensymbole in Infix–Notation schreiben.
Anstelle der Präfix–Notation ⊙(t1 , t2 ) schreiben wir dann die
Infix–Notation t1 ⊙ t2 .
Die atomare Formel
|f (n) − a| < ǫ
mit dem binären Prädikatensymbol < und dem binären Funktionssymbol −
würde in Präfix–Notation wie folgt aussehen:
< ( || (−(f (n), a)), ǫ )
Einen Term ||(t) mit dem unären Funktionssymbol || (Betrag) können wir in
Zirkumfix–Notation |t| schreiben.
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Freie und gebundene Variablen
1. Ein Vorkommen einer Variable X in einer Formel F heißt gebunden,
falls X quantifiziert in einer Teilformel von F der Form ∃X G oder
∀X G vorkommt (d.h. im Geltungsbereich eines Quantors über X).
2. Andernfalls heißt das Vorkommen von X frei.
3. Eine Formel F ohne Vorkommen von freien Variablen heißt
geschlossen, oder eine Aussage. Andernfalls heißt F offen.
Beispiel: Die folgende Formel F ist offen:
F = (∃X1 p1 (X1 , f1 (X2 ))) ∨ (∀X2 p2 (X2 , f3 (f2 , f1 (X3 )))).
• Die beiden unterstrichenen Vorkommen der Variablen X1 und X2 sind
gebunden. Alle anderen Vorkommen sind frei.
• Das (einzige) Vorkommen von X3 ist frei.
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Definition (Semantik der Prädikantenlogik)
Eine Struktur ist ein Paar A = (UA , IA ) mit
1. UA ist eine beliebige, nicht–leere Menge, genannt Grundmenge von A,
Grundbereich, Individuenbereich, Universum.
2. IA ist eine partielle Abbildung auf V ∪ F ∪ P mit
• jedem k–stelligen Prädikantensymbol p ∈ P ∩ def (IA ) ist ein
k–stelliges Prädikat IA (p) über UA zugeordnet, d.h. eine Relation
k
IA (p) ⊆ UA
.
• jedem k–stelligen Funktionssymbol f ∈ F ∩ def (IA ) ist eine
k
k–stellige Funktion IA (f ) : UA
→ UA zugeordnet.
• jedem Variablensymbol X ∈ V ∩ def (IA ) ist ein Individuum
IA (X) ∈ UA zugeordnet.
k
Dabei ist UA
die Menge aller k–Tupel mit Komponenten aus UA .
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157
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Der Definitionsbereich def (IA ) der partiellen Abbildung IA ist meist eine
echte Teilmenge von V ∪ F ∪ P:
def (IA ) ⊆ V ∪ F ∪ P.
Die Struktur A paßt zu einer Formel F , falls IA für alle in F
vorkommenden Prädikaten–, Funktions– und Variablensymbole für freie
Variablen definiert ist.
Abkürzung:
IA (α) = αA , für alle α ∈ V ∪ F ∪ P.
Falls α außerhalb des Definitionsbereichs def (IA ) liegt, so ist αA
undefiniert.
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158
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Beispiel (Struktur)
Die folgende Struktur A paßt zur Formel
F = ∀X p(X, f (X)) ∧ q(g(a, Z)).
Die Grundmenge von A und die Interpretation der Prädikaten– und
Funktionssymbole seien wie folgt:
UA
= IN0 = { 0, 1, 2, . . . },
pA
= { (m, n) ∈ IN02 | m < n },
qA
= { (n) ∈ IN01 | n ist eine Primzahl },
f A (n)
= n + 1, d.h. f A ist die Nachfolgerfunktion auf IN0 ,
g A (n, m) = n + m, d.h. g A ist die Additionsfunktion auf IN0 .
Das 0–stellige Funktionssymbol a werde als aA = 2 interpretiert, und die
Variablensymbole als X A = 23, Z A = 3.
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159
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In dieser Struktur A gilt F offensichtlich (die entsprechenden Definitionen
der Semantik folgen noch), denn
• die Nachfolgerfunktion f A paßt zur Kleiner–Relation pA :
p(X, f (X)) entspricht in A dem Vergleich X < X + 1; und
• g A (aA , Z A ) = 2 + 3 = 5 ist in der Primzahl–Relation q A .
Ändert man dagegen q A zu
q
A′
= { (n) ∈ IN01 | n ist eine gerade Zahl },
und läßt den Rest unverändert, so gilt F in der veränderten Struktur A′
nicht, da 5 keine gerade Zahl ist.
Wenn man eine fest vorgegebene Interpretation eines Funktions– oder
Prädikatensymbols betrachten will, dann muß man diese durch Hinzunahme
geeigneter Axiome zu F erzwingen.
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160
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Definition (Semantik der Prädikatenlogik)
Wir betrachten im folgenden Formeln F und zu F passende Strukturen A.
Der Wert A(t) eines Terms t wird induktiv definiert als:
1. A(t) = tA , falls t ∈ V eine Variable ist.
2. A(t) = f A (A(t1 ), . . . , A(tk )), falls t = f (t1 , . . . , tk ) ein komplexer
Term ist.
Eine Herbrand–Struktur bildet alle Terme auf sich selbst ab.
Für X ∈ V und u ∈ UA sei A[X|u] diejenige Struktur B, welche man aus A
erhält, indem man X A auf X B = u ändert und A ansonsten unverändert läßt:
• für alle α ∈ P ∪ F ∪ V \ {X} gilt αB = αA ,
• X B = u (unabhängig von X A ).
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161
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Der Wahrheitswert A(F ) wird dann ebenfalls induktiv definiert:

 1, falls (A(t ), . . . , A(t )) ∈ pA
1
k
A(p(t1 , . . . , tk )) =
 0, sonst
A(¬G)
= ¬A(G),
A(F1 ∧ F2 )
= A(F1 ) ∧ A(F2 ),
A(F1 ∨ F2 )
= A(F1 ) ∨ A(F2 ),

 1, falls für alle u ∈ U gilt A
A
[X|u] (G) = 1
=
 0, sonst

 1, falls es ein u ∈ U gibt mit A
A
[X|u] (G) = 1,
=
 0, sonst
A(∀XG)
A(∃XG)
Damit gilt offensichtlich auch A(F → G) = A(F ) → A(G).
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162
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Die Definitionen für die booleschen Junktoren sind exakt analog zur
Aussagenlogik. Die Fallunterscheidungen könnte man wie folgt abkürzen:
A(p(t1 , . . . , tk )) = (A(t1 ), . . . , A(tk )) ∈ pA ,
A(∀XG)
= ∧u∈UA A[X|u] (G),
A(∃XG)
= ∨u∈UA A[X|u] (G).
1. Ersteres gilt, da der Test e ∈ M auf Elementschaft in einer Menge
einen der Wahrheitswerte 1 oder 0 als Resultat hat.
2. Die – potentiell unendliche – Konjunktion im zweiten Teil ist genau
dann 1, wenn für alle u ∈ UA gilt A[X|u] (G) = 1.
3. Die – potentiell unendliche – Disjunktion im dritten Teil ist genau
dann 1, wenn es (mindestens) ein u ∈ UA gibt mit A[X|u] (G) = 1.
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163
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Die Prädikatenlogik verallgemeinert die Aussagenlogik.
Die atomaren Formeln p der Aussagenlogik entsprechen 0–stelligen
Prädikatensymbolen.
Es gibt es nur zwei mögliche Relationen pA ⊆ UA0 = {( )} :
• Falls pA = {( )} nur das 0–stellige Tupel ( ) enthält, so ist A(p) = 1.
• Falls pA = {} leer ist, so ist A(p) = 0.
In der Aussagenlogik gibt es keine höherstelligen Prädikatensymbole, und
deswegen braucht man auch keine Variablen– bzw. Funktionssymbole um
Terme zu bilden.
Auch die Quantifizierung ist in der Aussagenlogik sinnlos, da es dort keine
Variablensymbole gibt.
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164
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Definition (Modelle)
1. Eine Struktur A erfüllt eine Formel F , falls A zu F paßt und
A(F ) = 1 ist.
2. Dann sagen wir auch, daß die Formel F in A gilt.
3. Dann ist A ein Modell von F , und wir schreiben auch A |= F .
Herbrand–Strukturen
In der Praxis arbeitet man meist mit geschlossenen Formeln F und
Herbrand–Strukturen A = (UA , IA ) :
1. Ihre Grundmenge UA besteht aus den Termen über den
Funktionssymbolen von F . Terme werden nicht interpretiert.
2. Herbrand–Strukturen können also alleine durch die Interpretation der
Prädikatensymbole charakterisiert werden.
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165
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Variablenbelegungen
• Für geschlossene Formeln F ist die Belegung der Variablen X ∈ V mit
Werten X A ∈ UA irrelevant.
• Für eine quantifizierte Variable X werden sowieso alle Strukturen
A[X|u] für u ∈ UA untersucht – ohne den Wert X A zu beachten.
• Der Wert X A einer Variable X ist nur relevant, falls X mindestens
einmal frei in F vorkommt.
Für die Formel F = ( ∀X p(X) ) ∧ q(X) mit je einem gebundenen
und einem freien Vorkommen des Variablensymbols X, ist X A nur für
das zweite Vorkommen von X relevant. Es gilt pA[X|u] = pA und
A(F ) = ∧u∈UA A[X|u] (p(X)) ∧ A(q(X))
= ∧u∈UA (u) ∈ pA ∧ (X A ) ∈ q A .
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166
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Beispiel (Herbrand–Struktur, Modell)
Wir betrachten die folgende geschlossene Formel F :
F = f ∧ ∀X r,
f = married (a, b),
r = student(X ) → person(X ).
a und b sind verheiratet, und jeder Studierende ist eine Person.
Wir betrachten eine Herbrand–Struktur A. Diese bildet alle
Funktionssymbole auf sich selbst ab. Hier gibt es nur Konstanten, d.h.
0–stellige Funktionssymbole; diese bilden die Grundmenge UA .
UA = { a, b },
αA = α, für alle Konstanten α ∈ UA .
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167
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Wir werden später sehen, daß man das gebundene Variablensymbol X in
∀X r umbenennen könnte, z.B. in Y . Dann würde man die Teilformel
∀ Y ( student(Y ) → person(Y ) )
erhalten, die – entsprechend unserer Anschauung – zu ∀X r äquivalent ist,
da man für X und Y sowieso alle Werte u ∈ UA einsetzen kann.
Wir interpretieren die Prädikatensymbole wie folgt:
married A = { (a, b) },
student A = { (a), (b) },
person A
= { (a) }.
Diese Interpretationen könnte man durch eine einzige Menge von Atomen
repräsentieren:
I = { married(a, b), student (a), student(b), person(a) }.
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168
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Dann gilt
A(f )
= (a, b) ∈ married A = 1,
A(∀X r) = ∧u∈UA ( (u) ∈ student A → (u) ∈ person A )
= ( (a) ∈ student A → (a) ∈ person A ) ∧
( (b) ∈ student A → (b) ∈ person A )
= 0,
da (b) 6∈ person A . Da student und person 1–stellige Prädikatensymbole
1
sind, werden Tupel (u) ∈ UA
mit nur einer Komponente untersucht.
Also ist die untersuchte Struktur A zwar ein Modell von f , aber kein
Modell von ∀X r, und somit auch kein Modell von F .
Die Struktur A paßt zu F auch ohne eine Interpretation X A des
Variablensymbols X anzugeben, da über X quantifiziert wird.
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169
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Beispiel (Herbrand–Struktur, Modell)
Wir betrachten die folgende geschlossene Formel F :
F = f1 ∧ f2 ∧ f3 ∧ ∀X ∀Y ∀Z r,
f1 = father (a, b),
f2 = brother (b, c),
f2 = brother (b, d ),
r = father (X , Y ) ∧ brother (Y , Z ) → uncle(X , Z ).
Ein Onkel Z von X ist ein Bruder des Vaters Y . Man könnte father und
brother auch mittels zweier Prädikate parent und male definieren.
Wir betrachten wieder eine Herbrand–Struktur A, die die Konstanten (hier
die einzigen Funktionssymbole) in F auf sich selbst abbildet:
UA = { a, b, c, d },
αA = α, für alle Konstanten α ∈ UA .
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170
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Wir interpretieren die Prädikatensymbole wie folgt:
father A
= { (a, b) },
brother A = { (b, c), (b, d) },
uncle A
= { (a, c) }.
Für die Variablenbelegung
X A = a, Y A = b, Z A = c,
ist A ein Modell für die Fakten f1 , f2 , f3 , und die Regel r:
A(r) = A(father (X , Y )) ∧ A(brother (Y , Z )) → A(uncle(X , Z ))
= (a, b) ∈ father A ∧ (b, c) ∈ brother A → (a, c) ∈ uncle A
= 1 ∧ 1 → 1 = 1.
Der Wahrheitswert von e ∈ M ist 1, falls e ∈ M gilt, sonst 0.
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171
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Die Struktur A[Z|d] interpretiert die Prädikatensymbole wie A.
A[Z|d] ist ebenfalls ein Modell für die Fakten f1 , f2 , f3 .
Da (a, d) 6∈ uncleA , ist A[Z|d] aber kein Modell für die Regel r:
A[Z|d] (r) = A[Z |d] (father (X , Y )) ∧ A[Z |d] (brother (Y , Z ))
→ A[Z |d] (uncle(X , Z ))
= (a, b) ∈ father A ∧ (b, d ) ∈ brother A → (a, d ) ∈ uncle A
= 1 ∧ 1 → 0 = 0.
Also ist A auch kein Modell für die quantifizierte Regel ∀X ∀Y ∀Z r, und
somit auch kein Modell für die komplette Formel F .
Wenn wir die Interpretation von uncle erweitern zu
uncle
A′
= { (a, c), (a, d) }
und sonst alles wie in A belassen, dann erhalten wir ein Modell A′ von F .
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172
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Wintersemester 2012/13
Logische Folgerung, Erfüllbarkeit, Gültigkeit
Seien F und G prädikatenlogische Formeln.
1. G folgt logisch aus F , falls jedes Modell A von F auch ein Modell von
G ist. Dann schreiben wir F |= G.
2. F ist erfüllbar, falls es ein Modell von F gibt.
3. F ist gültig, falls jede zu F passende Struktur ein Modell von F ist.
Man kann die logische Folgerung auf die Erfüllbarkeit bzw. die Gültigkeit
zurückführen:
F |= G ⇐⇒
F ∧ ¬ G ist unerfüllbar ⇐⇒ ¬ (F ∧ ¬ G) ist gültig.
Man kann die bekannten Begriffe auf Formelmengen F ausdehnen.
Eine endliche Formelmenge F = { f1 , . . . , fn } ist dabei äquivalent zu
einer Konjunktion f1 ∧ . . . ∧ fn .
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173
Logik für Informatiker
2.2
Wintersemester 2012/13
Normalformen
Wir werden im folgenden sehen, daß man eine prädikatenlogische Formel
äquivalent umformen kann, so daß alle Quantoren am Anfang der Formel
stehen (Pränexform).
Man kann sogar noch – mittels Skolemfunktionen – alle Existenzquantoren
entfernen (Skolemform). Die Skolemform ist genau dann erfüllbar, wenn
die Ausgangsformel erfüllbar ist.
Die Skolemform kann man dann – wie in der Aussagenlogik – auf
Klauselform bringen (KNF). Darauf können wir dann eine verallgemeinerte
Resolutionsmethode anwenden.
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174
Logik für Informatiker
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Definition (Äquivalenz)
Zwei prädikatenlogische Formeln F und G heißen äquivalent,
falls für alle sowohl zu F als auch zu G passenden Strukturen A gilt:
A(F ) = A(G).
Dann schreiben wir F ≡ G.
Satz (Äquivalenz)
1. Negation vertauscht die Quantoren ∀ und ∃:
¬ ∀X F
≡
∃X ¬ F,
¬ ∃X F
≡
∀X ¬ F.
Nicht alle Strukturen passen zu F ist z.B. äquivalent zu
es gibt Strukturen, die nicht zu F passen.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
175
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
2. Falls X in G nicht frei vorkommt:
(QX F ⊗ G)
≡
QX (F ⊗ G),
für einen Quantor Q ∈ { ∀, ∃ } und einen Junktor ⊗ ∈ { ∧, ∨ }.
3. Ausklammern von Quantoren:
(∀X F ∧ ∀X G)
≡
∀X (F ∧ G),
(∃X F ∨ ∃X G)
≡
∃X (F ∨ G).
4. Vertauschen gleichartiger Quantoren:
∀X ∀Y F
≡
∀Y ∀X F,
∃X ∃Y F
≡
∃Y ∃X F.
Dagegen sind die folgenden Formeln im allgemeinen nicht äquivalent:
Prof. Dr. Dietmar Seipel
(∀XF ∨ ∀XG) 6≡
∀X (F ∨ G),
(∃XF ∧ ∃XG) 6≡
∃X (F ∧ G).
176
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Äquivalenz)
1. Nach 1. gilt
¬ ∀X r(X, Y ) ≡ ∃X ¬ r(X, Y ).
2. Da X und Y nicht frei in ¬ q(Z) vorkommen, kann man nach 2. die
Quantoren ∀X und ∃Y sich auf beide Formeln erstrecken lassen:
∀X ∃Y p(X, g(Y, f (X))) ∨ ¬ q(Z)
≡ ∀X ∃Y (p(X, g(Y, f (X))) ∨ ¬ q(Z)).
Da X frei in q(X) vorkommt, kann man den Quantor ∀X nicht sich auf
beide Formeln erstrecken lassen:
∀X p(X) ∧ q(X) 6≡ ∀X ( p(X) ∧ q(X) ).
3. Für Konjunktionen kann man nach 3. universelle Quantoren ausklammern:
∀X p(X) ∧ ∀X q(X) ≡ ∀X ( p(X) ∧ q(X) ).
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177
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
4. Dagegen kann man unterschiedliche Quantoren im Allgemeinen nicht
vertauschen:
∀X ∃Y F
6≡
∃Y ∀X F.
Für F = Y > X (Infix–Notation) gilt: wenn man > als die
Größer–Relation auf den natürlichen Zahlen interpretiert, d.h.
UA = IN0 = { 0, 1, 2, . . . },
>A = { (m, n) ∈ IN02 | m > n },
dann erfüllt A die Formel ∀X ∃Y F , da es für alle X ∈ IN0 eine
größere Zahl Y ∈ IN0 gibt, während ∃Y ∀X F nicht erfüllt ist,
da es kein Y ∈ IN0 gibt, das größer ist als alle Zahlen X ∈ IN0 :
A(∀X ∃Y F ) = 1 6= 0 = A(∃Y ∀X F ).
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178
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Äquivalenz vs. Implikation
1. F ≡ G gilt genau dann,
wenn F → G und G → F gültig (Tautologien) sind.
2. Aus F ≡ G folgt, daß F → G und G → F gültig sind.
Für die nicht geltenden Äquivalenzen
(∀XF ∨ ∀XG) 6≡
∀X (F ∨ G),
(∃XF ∧ ∃XG) 6≡
∃X (F ∧ G).
sind zumindest die folgenden Implikationen gültig:
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(∀XF ∨ ∀XG) →
∀X (F ∨ G),
(∃XF ∧ ∃XG) ←
∃X (F ∧ G).
179
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Definition (Ersetzung von Variablen)
1. Sei F eine Formel, X eine Variable und t ein Term. Dann bezeichnet
F [X|t] diejenige Formel, die man aus F erhält, indem man jedes freie
Vorkommen von X durch t ersetzt.
2. [X|t] wird als Substitution bezeichnet.
3. Eine Folge
θ = [X1 |t1 ] . . . [Xn |tn ]
von Substitutionen wird auch als Substitution bezeichnet.
4. Für eine Formel F bezeichnet F θ die Formel
(((F [X1 |t1 ])[X2 |t2 ]) . . . )[Xn |tn ],
die man durch sukzessive Anwendung der Substitutionen [Xi |ti ] erhält.
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180
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Substitution)
Sei θ = [X|h(Z)] [Y |U ]. In der folgenden Formel sind die ersten beiden
Vorkommen von X gebunden und werden nicht durch h(Z) ersetzt:
(∀X p(X, f (X), g(Y )) ∨ q(X)) θ =
(∀Xp(X, f (X), g(U )) ∨ q(h(Z))).
Gebundene Umbenennung
Ist F = QX G eine Formel mit einem Quantor Q ∈ { ∃, ∀ } und X ′ eine
Variable, die in G nicht vorkommt, dann gilt
F = QX G ≡ QX ′ G [X|X ′ ].
Beispiel (Gebundene Umbenennung)
Für G = p(X, g(Y, f (X))) gilt
∃Y G
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≡
∃Y ′ G [Y |Y ′ ] = ∃Y ′ p(X, g(Y ′ , f (X))).
181
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Gebundene Umbenennung)
1. Die folgenden offenen Formeln sind nicht äquivalent:
F = p(X),
G = p(Y ).
Für die Struktur A mit der Grundmenge UA = { 1, 2 } und
pA = { (1) } und der Variablenbelegung X A = 1, Y A = 2 gilt
A(F ) = (1) ∈ pA = 1 6= 0 = (2) ∈ pA = A(G).
2. Die folgenden quantifizierten Formeln sind dagegen äquivalent:
F = ∀ X p(X),
G = ∀ Y p(Y ).
Es gilt G = ∀ Y p(X) [X|Y ].
Für gebundene Vorkommen kann man das Variablensymbol umbenennen.
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182
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Ausklammern nach gebundener Umbenennung)
1. Die folgenden Formeln sind bekanntermaßen im allgemeinen nicht
äquivalent:
(∀XF ∨ ∀XG) 6≡
∀X (F ∨ G),
(∃XF ∧ ∃XG) 6≡
∃X (F ∧ G).
2. Sei F = rot(X) und G = blau(X).
• Dann besagt (∀XF ∨ ∀XG) : entweder alle Kugeln sind rot, oder
alle Kugeln sind blau.
• Dagegen besagt ∀X (F ∨ G), daß jede Kugel entweder rot oder
blau ist. Aber es kann sowohl rote als auch blaue Kugeln geben.
In den folgenden Strukturen mit einfarbigen Kugeln unterscheiden sich
auch die Formeln mit der existentiellen Quantifizierung.
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183
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
F1 = (∀Xrot(X) ∨ ∀Xblau(X))
6≡
F2 = ∀X (rot(X) ∨ blau(X)),
G1 = (∃Xrot(X) ∧ ∃Xblau(X))
6≡
G2 = ∃X (rot(X) ∧ blau(X)).
Die folgenden Strukturen Ai mit einfarbigen Kugeln erfüllen G2 nicht,
da es keine Kugeln gibt, die gleichzeitig rot und blau sind.
A1
A2
A3
A1 erfüllt F2 und G1 , aber nicht F1 und G2 , denn jede Kugel ist
entweder rot oder blau (mit Punkt in der Mitte), und es gibt rote und
blaue Kugeln.
A2 und A3 erfüllen F1 und F2 , aber nicht G1 und G2 , denn in beiden
Strukturen haben alle Kugeln dieselbe Farbe, rot bzw. blau.
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184
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
3. Für ein frisches Variablensymbol X ′ , das nicht in (∀XF ∨ ∀XG)
vorkommt, gilt:
(∀XF ∨ ∀XG) ≡ (∀X ′ F [X|X ′ ] ∨ ∀XG)
≡ ∀X ′ (F [X|X ′ ] ∨ ∀XG) ≡ ∀X ′ ∀X (F [X|X ′ ] ∨ G).
Also gilt z.B.
(∀X rot(X) ∨ ∀X blau(X)) ≡ ∀X ′ ∀X (rot(X ′ ) ∨ blau(X)).
Prinzipiell können Kugeln mehrfarbig sein. Wenn es aber eine rote
Kugel r gäbe, die nicht auch blau ist, und eine blaue Kugel b, die nicht
auch rot ist, dann wäre A[X ′ |b][X|r] (rot(X ′ ) ∨ blau(X)) = 0.
4. Für ein frisches Variablensymbol X ′ , das nicht in (∃XF ∧ ∃XG)
vorkommt, gilt analog auch:
(∃XF ∧ ∃XG) ≡ ∃X ′ ∃X (F [X|X ′ ] ∧ G).
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185
Logik für Informatiker
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5. Auch aus einer Implikation kann man nach gebundener Umbenennung
ausklammern:
F = ∀X ( p(X ) → ∃X q(X) )
≡ ∀X ( p(X ) → ∃X ′ q(X ′ ) )
≡ ∀X ∃X ′ ( p(X ) → q(X ′ ) ).
Hier mußte X gebunden in X ′ umbenannt werden, da das Vorkommen
von X in p(X) durch ∀X und das Vorkommen von X in q(X) durch
∃X gebunden waren.
Nach dem Vorziehen des Quantors ∃X ′ erstrecken sich nun beide
Quantoren auf p(X ) → q(X ′ ), also auf beide Teilformeln.
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186
Logik für Informatiker
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Definition (BPF, bereinigte Pränexform)
1. Eine Formel F heißt bereinigt,
• wenn es keine Variable X gibt, die in F sowohl gebunden als auch
frei vorkommt, und
• wenn hinter allen vorkommenden Quantoren verschiedene
Variablen stehen.
2. Eine Formel F heißt Pränex oder in Pränexform, falls sie von der Form
Q1 X1 Q2 X2 . . . Qn Xn G
ist, mit Quantoren Qi ∈ { ∃, ∀ } und Variablen Xi , und falls ferner G
quantorenfrei ist.
Satz (BPF)
Für jede Formel F gibt es eine äquivalente Formel G in BPF.
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187
Logik für Informatiker
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∨
Beispiel (BPF)
Aus
¬ ∀X r(X, Y )
∨
¬ ∀X r(X, Y )
≡ ∃X ′ ¬ r(X ′ , Y ),
∀X ∃Y p(X, g(Y, f (X)))
¬q(Z)
∀X ∃Y p(X, g(Y, f (X))) ∨ ¬ q(Z)
≡ ∀X ∃Y ′ (p(X, g(Y ′ , f (X))) ∨ ¬ q(Z)),
folgt:
F
=
(∀X ∃Y p(X, g(Y, f (X))) ∨ ¬ q(Z)) ∨ ¬ ∀X r(X, Y )
≡
∀X ∃Y ′ ∃X ′ ( p(X, g(Y ′ , f (X))) ∨ ¬ q(Z) ∨ ¬ r(X ′ , Y ) ).
Die Quantoren ∀X und ∃Y beziehen sich nicht auf ¬ ∀X r(X, Y ).
Deswegen benennen wir Y vorne in Y ′ gebunden um und X hinten in X ′ .
Danach können alle Quantoren ganz nach vorne gezogen werden.
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188
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Die enstandene Formel in BPF hat immer noch 2 freie Vorkommen von
Variablensymbolen, nämlich Y und Z.
∀X ∃Y ′ ∃X ′
∨
∨
p(X, g(Y ′ , f (X)))
¬ r(X ′ , Y )
¬q(Z)
Die gebundenen Umbenennungen waren erforderlich,
• da X einmal universell und einmal existentiell quantifiziert ist, und
• da sich der Quantor ∃Y ′ nicht auf ¬ r(X ′ , Y ) beziehen soll.
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189
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (BPF)
In der folgenden BPF–Formel F kommt das universell quantifizierte
Variablensymbol Y nur im Regelrumpf von r vor:
F = ∀X ∀Y ∀Z r,
r = father (X , Y ) ∧ brother (Y , Z ) → uncle(X , Z ).
Dann könnte man den vor r stehenden Allquantor ∀Y auch als
Existenzquantor ∃Y in den Regelrumpf von r ziehen:
∀Y r
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≡
∀Y (¬ (father (X , Y ) ∧ brother (Y , Z )) ∨ uncle(X , Z ))
≡
∀Y ¬ (father (X , Y ) ∧ brother (Y , Z )) ∨ uncle(X , Z )
≡
¬ ∃Y (father (X , Y ) ∧ brother (Y , Z )) ∨ uncle(X , Z )
≡
∃Y (father (X , Y ) ∧ brother (Y , Z )) → uncle(X , Z ).
190
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Exkurs: Existenzquantor im Regelkopf
Ein Existenzquantor ∃ Y im Kopf einer BPF–Regel,
F = ∀X ( kugel (X ) → ∃ Y farbe(X , Y ) ),
entspricht dagegen einem vor der Regel stehenden Existenzquantor ∃ Y :
F ≡ ∀X ∃ Y ( kugel (X ) → farbe(X , Y ) ).
Für eine vorgegebene Struktur A ergibt er eine Disjunktion im Regelkopf:
A(F ) = ∧u∈UA ( (u) ∈ kugel A → ∨v ∈UA (u, v ) ∈ farbe A ).
Da die Grundmenge U = UA für Herbrand–Strukturen unabhängig von A
ist, könnte man F praktisch wie eine Regel mit einem disjunktiven Kopf
auffassen:
F =
ˆ ∀X ( kugel (X ) → ∨v ∈U farbe(X , v ) ).
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191
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
In der Praxis möchte man allerdings für v ∈ U nur Farben zulassen, etwa
rot, grün, blau. Dann meint man eigentlich die folgende Formel:
F =
ˆ ∀X
( kugel (X ) →
farbe(X , rot) ∨ farbe(X , grün) ∨ farbe(X , blau) ).
Diese könnte man wieder mit einem Existenzquantor ∃ Y im Regelkopf
ausdrücken,
G = ∀X ( kugel (X ) → ∃ Y (farbe(Y ) ∧ farbe(X , Y )) ).
Man könnte dazu ein 1–stelliges Prädikat farbe, das die zugelassenen
Farben angibt, mit Hilfe geeigneter Formeln definieren.
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192
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Definition (Skolemform)
Zu einer Formel F in BPF erhält man die Skolemform durch Elimination
der Existenzquantoren nach folgendem Schema:
1. Wir betrachten den ersten Existenzquantor in F :
F = ∀X1 ∀X2 . . . ∀Xn ∃X G.
2. Sei f ein neues bisher in F nicht vorkommendes n–stelliges
Funktionssymbol. Dann setzen wir
F ′ = ∀X1 ∀X2 . . . ∀Xn G [X|f (X1 , . . . , Xn )].
Nun eliminieren wir nach demselben Schema alle weiteren
Existenzquantoren in F ′ .
3. Sobald die so erhaltene Formel F ′′ keine Existenzquantoren mehr
enthält, ist sie in Skolemform:
F ′′ = ∀X1 ∀X2 . . . ∀Xk F ∗
mit quantorenfreier Formel F ∗ , die wir Matrix nennen.
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193
Logik für Informatiker
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Beispiel (Skolemform)
Wir betrachten die folgende Formel F in BPF:
F
= ∃X ∀Y ∃Z ∀V ∃W ¬p(X, Y, Z, V, W )
F′
=
∀Y ∃Z ∀V ∃W ¬p(a, Y, Z, V, W )
F ′′ =
∀Y
∀V ∃W ¬p(a, Y, f (Y ), V, W )
F ′′′ =
∀Y
∀V
¬p(a, Y, f (Y ), V, g(Y, V )).
Wir ersetzen die existentiell quantifizierten Variablen durch Terme:
• Zuerst ersetzen wir X durch eine frische Konstante a.
• Dann ersetzen wir Z im Scope von Y durch einen Term f (Y ).
• Schließlich ersetzen wir W im Scope von Y und V durch einen Term
g(Y, V ).
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194
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Skolemform)
Das 3–stellige Prädikatensymbol p steht für eine Gruppenoperation;
wir schreiben p(X, Y, Z) anstelle von X ◦ Y = Z (Produkt).
Die folgende Formel beschreibt die Gruppenaxiome zur Existenz eines
links–neutralen Elements (X) und zur Existenz von Links–Inversen (Z):
F = ∃X ( ∀Y p(X, Y, Y ) ∧ ∀Y ∃Z p(Z, Y, X) ).
Wir bringen F zuerst in BPF, und dann mittels zweier Skolemfunktionen e
(0–stellig) und i (1–stellig) in Skolemform F ′ :
F
≡
∃X ∀Y ∃Z ( p(X, Y, Y ) ∧ p(Z, Y, X) ),
F′
=
∀Y ( p(e, Y, Y ) ∧ p(i(Y ), Y, e) ).
Bei der Erzeugung der BPF wurde der bekannte Satz zur Verschiebung der
Quantoren ∀Y und ∃Z angewendet.
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195
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Definition (Erfüllbarkeitsäquivalenz)
Zwei prädikatenlogische Formeln F und G heißen erfüllbarkeitsäquivalent,
wenn gilt: F ist genau dann erfüllbar, wenn G erfüllbar ist.
F und G müssen nicht dieselben Modelle haben.
Die Erfüllbarkeitsäquivalenz bedeutet aber, daß F und G entweder beide
ein Modell besitzen, oder daß keine der beiden Formeln ein Modell besitzt.
Beispiel (Erfüllbarkeitsäquivalenz)
Indem man die freie Variable X in
G = ∀Y p(X, Y, Y ) ∧ ∀Y ∃Z p(Z, Y, X)
existentiell quantifiziert, erhält man eine erfüllbarkeitsäquivalente Formel
F = ∃X ( ∀Y p(X, Y, Y ) ∧ ∀Y ∃Z p(Z, Y, X) ).
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196
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Satz (Skolemform)
Eine Formel F in BPF ist genau dann erfüllbar, wenn ihre Skolemform
erfüllbar ist.
Beweis:
Wir betrachten den Eliminationsschritt F 7→ F ′ für den ersten
Existenzquantor:
F = ∀X1 ∀X2 . . . ∀Xn ∃X G.
1. Annahme: F ′ ist erfüllbar mit einer passenden Struktur A′ , d.h.
A′ (F ′ ) = 1. Dann paßt A′ auch zu F und es gilt
∀u1 , . . . , un ∈ UA′ :
A′[X1 |u1 ]...[Xn |un ] (G[X|f (X1 , . . . , Xn )]) = 1.
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197
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Daraus folgt
∀u1 , . . . , un ∈ UA′ :
A′[X |u ]...[X |u ][X|f A′ (u
1
1
n
n
1 ,... ,un )]
(G) = 1.
Daraus folgt
A′
∀u1 , . . . , un ∈ UA′ : ∃u = f (u1 , . . . , un ) ∈ UA′ :
A′[X1 |u1 ]...[Xn |un ][X|u] (G) = 1.
Daraus folgt
A′ (∀X1 . . . ∀Xn ∃X G) = 1.
Also ist A′ auch ein Modell für F .
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198
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
2. Annahme: F ist erfüllbar mit einer passenden Struktur A,
d.h. A(F ) = 1.
Wir können annehmen, daß IA auf keinen anderen als den in F
vorkommenden Funktionssymbolen, Prädikatensymbolen und freien
Variablen definiert ist.
Dann gilt:
∀u1 , . . . , un ∈ UA : ∃u ∈ UA :
A[X1 |u1 ]...[Xn |un ][X|u] (G) = 1.
Wir erweitern nun die Struktur A zu einer neuen Struktur A′ durch
A′
Definition einer Funktion f mit
f
A′
(u1 , . . . , un ) = u
durch Verwendung des Auswahlaxioms. Es gilt UA′ = UA .
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199
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Daraus folgt
∀u1 , . . . , un ∈ UA′ :
A′[X |u ]...[X |u ][X|f A′ (u
1
1
n
n
1 ,... ,un )]
(G) = 1.
Daraus folgt
∀u1 , . . . , un ∈ UA′ :
A′[X1 |u1 ]...[Xn |un ] (G[X|f (X1 , . . . , Xn )]) = 1.
Daraus folgt
A′ (∀X1 . . . ∀Xn G[X|f (X1 , . . . , Xn )]) = 1.
Also ist A’ ein Modell für F .
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200
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Zusammenfassung (BPF, Skolemform)
1. Für jede Formel F gibt es eine äquivalente Formel G in BPF.
2. F und G haben genau dieselben Modelle.
3. Für jede Formel F gibt es eine Formel H in Skolemform.
• F und H müssen nicht dieselben Modelle haben.
• Insbesondere unterscheiden sich die Modelle in der Regel aufgrund
der Skolemfunktionen in H.
• Die Skolemform H wird durch Elimination der Existenzquantoren
aus der BPF G konstruiert.
4. Eine Formel F ist genau dann erfüllbar, wenn ihre Skolemform H
erfüllbar ist.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
201
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Klauselform
Aus einer Formel F kann man über die Skolemform eine Klauselmenge M
gewinnen. Eine Klausel ist eine Disjunktion prädikatenlogischer Literale.
1. Durch systematisches Umbenennen der gebundenen Variablen in F
bilden wir eine neue, bereinigte Formel F1 , die zu F äquivalent ist.
2. Seien Y1 , . . . , Yn die in F1 vorkommenden freien Variablen.
Dann enthält F2 = ∃Y1 . . . ∃Yn F1 keine ungebundenen Variablen
mehr, und F2 ist erfüllbarkeitsäquivalent zu F1 .
3. Sei F3 = ∀X1 . . . ∀Xm G3 eine Skolemform zu F2 mit der
(quantorenfreien) Matrix G3 . Dann sind alle Variablen in F3 universell
quantifiziert, und F3 ist erfüllbarkeitsäquivalent zu F2 .
4. Man kann die Matrix G3 in eine KNF G4 = ∧ki=1 βi mit Klauseln βi
umformen. Dann ist F4 = ∀X1 . . . ∀Xm G4 zu F3 äquivalent.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
202
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Insgesamt gilt:
• F4 ist erfüllbarkeitsäquivalent zu F , und
• alle Variablen in F4 sind universell quantifiziert.
Die Klauselmenge M = { β1 , . . . , βk } spielt später bei Inferenzmethoden
eine entscheidente Rolle. Man kann mittels der Resolutionsmethode genau
dann die leere Klausel aus M ableiten, wenn F unerfüllbar ist.
Beispiel (Klauselmenge)
Die Formel
G = ∀Y p(X, Y, Y ) ∧ ∀Y ∃Z p(Z, Y, X)
wird zur Klauselmenge
M = { p(e, Y, Y ), p(i(Y ), Y, e) }.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
203
Logik für Informatiker
2.3
Wintersemester 2012/13
Unentscheidbarkeit
Es gibt prädikatenlogische Formeln F , die zwar erfüllbar sind, jedoch nur
unendliche Modelle A = (UA , IA ) besitzen, also solche mit unendlicher
Grundmenge UA :
F = ∀X p(X, f (X)) ∧
∀Y ¬p(Y, Y ) ∧
∀U ∀V ∀W ( (p(U, V ) ∧ p(V, W )) → p(U, W ) )
Dann gibt es das folgende unendliche Modell A = (UA , IA ) :
UA
= IN0 = { 0, 1, 2, . . . },
pA
= { (m, n) ∈ IN02 | m < n },
f A (n) = n + 1.
Die Formel F besitzt jedoch kein endliches Modell.
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204
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Angenommen B = (UB , IB ) ist ein Modell mit endlicher Grundmenge UB .
Für ein beliebiges Element m0 ∈ UB betrachten wir die Folge
m0 , m1 , m2 , . . . ∈ UB , mit mi+1 = f B (mi ).
Wegen des ersten Konjunktionsgliedes von F gilt
(m0 , m1 ), (m1 , m2 ), . . . , (mi , mi+1 ) ∈ pB , für alle i ∈ IN0 .
Wegen des dritten Konjunktionsgliedes von F ist pB transitiv, d.h.
(mi , mj ) ∈ pB , für alle i, j ∈ IN0 mit i < j.
Da UB endlich ist, muß es zwei Indizes i und j mit i < j geben, mit
mi = mj = m.
Also gibt es (m, m) ∈ pB , im Widerspruch zum zweiten Konjunktionsglied
von F (Irreflexivität).
Prof. Dr. Dietmar Seipel
205
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Obiges Beispiel zeigt, daß sich die Wahrheitstafelmethode nicht in die
Prädikatenlogik übertragen läßt.
Entscheidbarkeit
Ein (ja/nein–) Problem heißt entscheidbar oder rekursiv, falls es ein
Rechenverfahren gibt (z.B. formuliert als Programm in C++), das für alle
Eingaben immer nach endlicher Zeit stoppt, und dann korrekt “ja” oder
“nein” ausgibt.
Anderenfalls heißt ein Problem unentscheidbar.
Gültigkeitsproblem der Prädikatenlogik:
Gegeben eine prädikatenlogische Formel F .
Frage: Ist F eine gültige Formel ?
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206
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Satz (Church)
Das Gültigkeitsproblem der Prädikatenlogik ist unentscheidbar.
Beweis durch Zurückführung auf das unentscheidbare Postsche
Korrespondenzproblem:
• Gegeben eine endliche Folge (x1 , y1 ), . . . , (xn , yn ) von Paaren
xi , yi ∈ {0, 1}+ von nicht–leeren Strings über {0, 1}.
• Frage: Gibt es eine Folge von Indizes i1 , . . . , im ∈ { 1, . . . , n }, mit
m ≥ 1, so daß die Konkatenationen der entsprechenden Strings
übereinstimmen ?
xi1 xi2 . . . xim = yi1 yi2 . . . yim .
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207
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Postsches Korrespondenzproblem)
Sei K = ((x1 , y1 ), (x2 , y2 ), (x3 , y3 )) mit
x1 = 1 und y1 = 101,
x2 = 10 und y2 = 00,
x3 = 011 und y3 = 11.
Lösung: i1 = 1, i2 = 3, i3 = 2, i4 = 3
x3
x2
x3
x1
z}|{ z }| { z}|{ z }| {
x1 x3 x2 x3 = 1 0 1 1 1 0 0 1 1 = y1 y3 y2 y3 .
| {z } |{z} |{z} |{z}
y1
y3
y2
y3
Folgerung (Erfüllbarkeitsproblem)
Das Erfüllbarkeitsproblem der Prädikatenlogik
Ist eine gegebene prädikatenlogische Formel F erfüllbar ?
ist ebenfalls unentscheidbar.
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208
Logik für Informatiker
2.4
Wintersemester 2012/13
Herbrand–Theorie
Jacques Herbrand, Kurt Gödel, Thoralf Skolem
Definition (Herbrand–Universum)
Das Herbrand–Universum HUF einer Formel F ist die Menge aller
variablenfreien Terme, die aus Bestandteilen von F gebildet werden
können.
Falls F keine Konstante (d.h., kein 0–stelliges Funktionssymbol) enthält,
so nehmen wir eine beliebige Konstante a und zur Konstruktion von HUF
hinzu.
Das Herbrand–Universum HUF ist meist unendlich groß, aber man kann es
systematisch konstruieren.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
209
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Induktive Konstruktion:
1. Alle in F vorkommenden Konstanten sind in HUF .
2. Falls F keine Konstanten enthält, so nimmt man eine beliebige
Konstante a zu HUF hinzu.
3. Für jedes in F vorkommende
• n–stellige Funktionssymbol f und
• Terme t1 , . . . , tn ∈ HUF
ist auch der Term f (t1 , . . . , tn ) in HUF .
Für ein 1–stelliges Funktionssymbol f und eine Konstante a setzen wir
• f 0 (a) = a und
• f k+1 (a) = f (f k (a)), für alle k ∈ IN0 .
Z.B. entsteht f 2 (a) = f (f (a)) durch 2–malige Anwendung von f auf a.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
210
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Herbrand–Universum)
Die Formel F = p(f (a), g(b)) enthält zwei Konstanten (0–stellige
Funktionssymbole) a und b und zwei einstellige Funktionssymbole f und g.
Daraus setzen sich die Terme des Herbrand–Universums zusammen.
1. a und b sind in HUF . Da F bereits Konstanten enthält, ist keine
zusätzliche Konstante erforderlich.
2. Mit den Funktionssymbolen f und g kann man weitere Terme bilden.
Die Tatsache, daß a in F nur als Argument von f vorkommt und b nur
als Argument von g ist dabei unerheblich. Auch die “gekreuzten”
Terme f (b) und g(a) sind in HUF .
3. Falls h1 , . . . , hn eine beliebige Folge von Funktionssymbolen ist, mit
hi ∈ {f, g}, so sind auch h1 (. . . (hn (a))) und h1 (. . . (hn (b))) in HUF .
4. HUF = { a, b, f (a), f (b), g(a), g(b), f (f (a)), f (g(a)), . . . }.
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211
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
HUF ist genau dann unendlich groß, wenn F ein n–stelliges
Funktionssymbol mit n ≥ 1 enthält.
Für ein 1–stelliges Funktionssymbol f in F und eine Konstante a ∈ HUF
sind z.B. auch alle Terme f k (a) in HUF .
Beispiel (Herbrand–Universum)
Die Formel F in BPF enthält ein einstelliges Funktionssymbol f :
F
= ∃X p(f (X)),
HUF = { a, f (a), f (f (a)), . . . } = { f k (a) | k ∈ IN0 }.
Da F keine Konstanten enthält, nehmen wir die Konstante a zu HUF hinzu.
Dasselbe Herbrand–Universum würden wir auch für die variablenfreie
Formel F ′ = p(f (a)) erhalten.
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212
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Man kann das Herbrand–Universum HUF wie folgt systematisch als
unendliche Vereinigung endlicher Mengen konstruieren:
1. HU1 sei die Menge aller in F vorkommenden Konstanten,
bzw. HU1 = { a }, falls F keine Konstanten enthält.
′
2. HUk+1
sei die Menge aller Terme f (t1 , . . . , tn ) aus einem in F
vorkommenden n–stelligen Funktionssymbol f und Termen
′
t1 , . . . , tn ∈ HUk , und HUk+1 = HUk ∪ HUk+1
.
3. Dann sind alle Mengen HUk endlich, die Folge (HUk )k∈IN+ ist
aufsteigend, und HUF = ∪∞
k=1 HUk .
Also ist das Herbrand–Universum HUF abzählbar. Man erhält per
Induktion eine injektive Abbildung HUF → IN, indem man sukzessive die
endlichen Mengen HUk+1 \ HUk fortlaufend durchnummeriert.
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213
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Herbrand–Universum)
Die folgende Formel F enthält vier Funktionssymbole:
F = ∀X ∀Y p(a, f (X), g(Y, b)).
a und b sind 0–stellig, und somit Konstanten. f ist 1–stellig, g ist 2–stellig.
HU1
= { a, b },
HU2
= HU1 ∪ { f (a), f (b), g(a, a), g(a, b), g(b, a), g(b, b) },
HUk+1 = HUk ∪ { f (t) | t ∈ HUk } ∪ { g(t1 , t2 ) | t1 , t2 ∈ HUk }.
Sobald eine Formel F mindestens ein n–stelliges Funktionssymbol f ,
mit n ≥ 1, enthält, ist das Herbrand–Universum HUF unendlich groß:
HUF enthält immer eine Konstante, und man kann aus jedem Term
t ∈ HUk+1 \ HUk einen neuen Term f (t, . . . , t) ∈ HUk+2 \ HUk+1 bilden.
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214
Logik für Informatiker
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Definition (Herbrand–Strukturen)
Sei F eine Formel und A = (UA , IA ) eine zu F passende Struktur.
Dann heißt A eine Herbrand–Struktur für F , falls gilt:
1. Die Grundmenge von A ist UA = HUF .
2. Für alle Terme f (t1 , . . . , tn ) ∈ HUF :
A(f (t1 , . . . , tn )) = f A (A(t1 ), . . . , A(tn )) = f (t1 , . . . , tn ).
Terme werden also von Herbrand–Strukturen durch sich selbst interpretiert.
Herbrand–Strukturen für geschlossene Formeln sind vollständig durch die
Interpretation pA der Prädikatensymbole charakterisiert.
Man nennt die entsprechende Menge I eine Herbrand–Interpretation:
I = { p(t1 , . . . , tn ) | t1 , . . . , tn ∈ HUF ∧ (t1 , . . . , tn ) ∈ pA }
Eine Herbrand–Struktur, welche ein Modell für eine Formel F ist, heißt
Herbrand–Modell für F .
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215
Logik für Informatiker
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Beispiel (3–Färbbarkeit)
Gesucht ist eine Färbung der Knoten eines Graphen G = h V, E i mit drei
Farben (rot, grün, blau), so daß adjazente Knoten unterschiedliche Farben
haben:
b
a
d
e
c
Wir repräsentieren die Knoten und Kanten des Graphen als Fakten:
f1 = node(a), f2 = node(b), . . . , f5 = node(e),
e1 = edge(a, b), e2 = edge(a, c), . . . , e6 = edge(d , e).
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216
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g = ,color (X , red ) ∨ color (X , green) ∨ color (X , blue) ← node(X )
c0 = ← edge(X , Y ) ∧ color (X , C ) ∧ color (Y , C ),
c1 = ← color (X , red ) ∧ color (X , green),
c2 = ← color (X , red ) ∧ color (X , blue),
c3 = ← color (X , green) ∧ color (X , blue).
Die disjunktive Regel g wählt für jeden Knoten eine Farbe aus.
Die Integritätsbedingung c0 verhindert, daß adjazente Knoten die gleiche
Farbe bekommen. Die Integritätsbedingungen c1 , c2 , c3 verhindern, daß ein
Knoten zwei Farben bekommt.
Nebenbemerkung: Jeder planare Graph ist 4–färbbar.
Für allgemeine Graphen ist der Test auf 3–Färbbarkeit N P–vollständig.
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217
Logik für Informatiker
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Wir betrachten dann die Formel
F = f1 ∧ . . . ∧ f5 ∧ e1 ∧ . . . ∧ e6 ∧
∀Xg ∧
∀X∀Y ∀C c0 ∧
∀Xc1 ∧ . . . ∧ ∀Xc3 .
F ist äquivalent zur folgenden Formel F ′ in Skolemform:
F ′ = ∀X ∀ Y ∀ C
(f1 ∧ . . . ∧ f5 ∧ e1 ∧ . . . ∧ e6 ∧ g ∧ c0 ∧ . . . ∧ c3 ).
Das Herbrand–Universum ist
HUF = { a, b, c, d, e, red, green, blue }.
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218
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b
a
d
e
c
Die folgende Herbrand–Interpretation I repräsentiert ein Herbrand–Modell
für die Formel F :
I = { node(a), . . . , node(e), edge(a, b), . . . , edge(d , e),
color (a, red ), color (b, green), color (c, blue),
color (d , red ), color (e, green) }.
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219
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Die zugehörigen Interpretationen pA der Prädikatensymbole sind folgende:
node A = { (a), . . . , (e) },
edge A = { (a, b), . . . , (d, e) },
color A = { (a, red), (b, green), (c, blue),
(d, red), (e, green) }.
Die Herbrand–Interpretation I faßt diese Mengen pA zu einer einzigen
Menge zusammen.
Damit man die Tupel (t1 , . . . , tn ) ∈ pA korrekt zuordnen kann, werden sie
in I als Atome p(t1 , . . . , tn ) mit Prädikatensymbol notiert:
I = { p(t1 , . . . , tn ) | t1 , . . . , tn ∈ HUF ∧ (t1 , . . . , tn ) ∈ pA }.
Würde man einfach die Vereinigung der Mengen pA benutzen, so könnte
man z.B. nicht wissen, ob ein Paar (t1 , t2 ) zu edge A oder zu color A gehört.
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220
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Satz (Herbrand–Modell)
Eine Aussage F in Skolemform ist genau dann erfüllbar,
wenn F ein Herbrand–Modell besitzt.
Beweis:
1. ⇐: Klar.
2. ⇒: Sei A = (UA , IA ) ein beliebiges Modell für F .
Falls F keine Konstanten enthält und a als zusätzliche Konstante
gewählt wurde, so setzen wir aA = a′ , für ein beliebiges Element
a′ ∈ UA . A ist danach immer noch ein Modell für F .
Wir konstruieren nun aus A eine Herbrand–Struktur B = (UB , IB )
für F , d.h. mit der Grundmenge UB = HUF .
Dazu müssen wir die Prädikatensymbole p aus F interpretieren.
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221
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Sei p ein n–stelliges Prädikatensymbol, und seien t1 , . . . , tn ∈ HUF :
(t1 , . . . , tn ) ∈ pB g.d.w. (A(t1 ), . . . , A(tn )) ∈ pA
Wir zeigen nun, daß B ein Modell für F ist. Mehr noch:
Für jede Aussage G in Skolemform, die aus den Bestandteilen von F
aufgebaut ist, gilt:
A |= G ⇒ B |= G.
Wir führen eine Induktion über die Anzahl n der Allquantoren von G.
n = 0: G enthält keine Quantoren.
Dann haben alle Atome von G unter A und B denselben Wahrheitswert,
und deshalb gilt A(G) = B(G).
n → n + 1: Sei G eine Formel mit n + 1 Allquantoren, und zwar von der
Form G = ∀X H, wobei H nur n Allquantoren enthält.
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222
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Wegen A |= G gilt:
∀ u ∈ UA : A[X|u] (H) = 1.
Insbesondere gilt für alle u = A(t) ∈ UA mit t ∈ HUG :
A[X|A(t)] (H) = 1.
Deshalb gilt:
∀ t ∈ HUG : A(H[X|t]) = A[X|A(t)] (H) = 1.
Nach Induktionsvoraussetzung gilt nun:
∀ t ∈ HUG : B(H[X|t]) = 1.
Deshalb gilt:
∀ t ∈ HUG : B[X|B(t)] (H) = B(H[X|t]) = 1.
Also gilt B(G) = B(∀X H) = 1.
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223
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Der obige Satz über Herbrand–Modelle wäre falsch, wenn wir nicht eine
frische Konstante a zu HUF hinzunehmen würden, falls F keine
Konstanten enthält – denn dann wäre die Grundmenge HUF = ∅.
Beispiel (Herbrand–Modell)
Für die Formel
F = ∃X p(X)
ist das Herbrand–Universum HUF = { a }, und das einzige
Herbrand–Modell A ist gegeben durch
pA = { (a) }.
Ohne die frische Konstante a könnte man kein Herbrand–Modell bilden, da
F fordert, daß pA mindestens ein Tupel (t), mit t ∈ HUF , enthalten muß.
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224
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Satz (Löwenheim und Skolem)
Jede erfüllbare Formel F der Prädikatenlogik besitzt ein abzählbares
Modell B = (UB , IB ), d.h. mit einer abzählbaren Grundmenge UB .
Man kann für B ein Herbrand–Modell der Skolemform von F wählen.
Definition (Herbrand–Expansion)
Sei
F = ∀X1 ∀X2 . . . ∀Xn G
eine Formel in Skolemform mit der (quantorenfreien) Matrix G.
Dann ist die Herbrand–Expansion von F definiert als
E(F ) = { G[X1 |t1 ] . . . [Xn |tn ] | t1 , . . . , tn ∈ HUF }.
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225
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Beispiel (Herbrand–Expansion)
Für die folgende Formel F in Skolemform
F = ∀X (f ∧ r),
f = married (a, b),
r = student(X ) → person(X ),
ist HUF = { a, b }, und die Herbrand–Expansion
E(F ) = { married (a, b) ∧ (student(a) → person(a)),
married (a, b) ∧ (student(b) → person(b)) }
hat 2 Elemente, da man das Variablensymbol X mit den zwei Konstanten
aus HUF belegen kann.
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226
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Beispiel (Herbrand–Expansion)
Für die Formel F = ∀X1 ∀X2 ∀X3 G, mit G = F1 ∧ F2 ∧ F3 ∧ F4 ∧ F5 und
F1 = ancestor(X1 , X2 ) ← parent(X1 , X2 ),
F1 = ancestor(X1 , X2 ) ← parent(X1 , X3 ) ∧ ancestor(X3 , X2 ),
F3 = parent(a, b),
F4 = parent(b, c),
F5 = parent(c, d),
git HUF = { a, b, c, d }, und E(F ) hat 43 = 64 Elemente. Eines davon ist
z.B. Gθ = F1 θ ∧ F2 θ ∧ F3 ∧ F4 ∧ F5 , für θ = [X1 |a] [X2 |c] [X3 |b]:
F1 θ = ancestor(a, c) ← parent(a, c),
F2 θ = ancestor(a, c) ← parent(a, b) ∧ ancestor(b, c).
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227
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Falls F Variablensymbole und Funktionssymbole der Stelligkeit n ≥ 1
enthält, so sind HUF und E(F ) unendlich groß.
Beispiel (Herbrand–Expansion)
Für die Formel
F = ∀X1 ∀X2 p(X1 , f (X2 ), g(X1 , X2 ))
in Skolemform erhalten wir die folgende Herbrand–Expansion:
HUF = { a, f (a), g(a, a), f (f (a)), f (g(a, a)),
g(a, f (a)), g(a, g(a, a)),
g(f (a), a), g(f (a), f (a)), g(f (a), g(a, a)),
g(g(a, a), a), g(g(a, a), f (a)), g(g(a, a), g(a, a)), . . . },
E(F ) = { p(t1 , f (t2 ), g(t1 , t2 )) | t1 , t2 ∈ HUF }.
Da F keine Konstante enthält, wurde a zu HUF hinzugenommen.
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228
Logik für Informatiker
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Im Grunde genommen kann E(F ) als eine – meist unendliche –
aussagenlogische Formelmenge angesehen werden, wenn man die in E(F )
vorkommenden Grundatome als atomare Formeln der Aussagenlogik
auffaßt.
Satz (Gödel, Herbrand und Skolem)
Eine Aussage F in Skolemform ist genau dann unerfüllbar,
wenn es eine endliche Teilmenge von E(F ) gibt,
die (im aussagenlogischen Sinne) unerfüllbar ist.
Beweis:
Mittels des Satzes von Gödel, Herbrand und Skolem und des
Endlichkeitssatzes der Aussagenlogik.
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229
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Semi–Entscheidungsverfahren für die Prädikatenlogik
Gilmore:
Für jede prädikatenlogische Formel F ist die Herbrand–Expansion
E(G) = { G1 , G2 , . . . }
der Skolemform G von F abzählbar, da auch das Herbrand–Universum
HUF abzählbar ist.
F ist genau dann erfüllbar, wenn alle Konjunktionen
G1 ∧ G2 ∧ . . . ∧ Gn ,
mit n ∈ IN+ = { 1, 2, . . . }, erfüllbar sind. Durch sukzessives Testen dieser
Konjunktionen auf Unerfüllbarkeit erhält man also ein Verfahren, welches
für unerfüllbare Formeln F nach endlicher Zeit stoppt.
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230
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Für erfüllbare Formeln F terminiert das Verfahren offensichtlich nicht.
→ Semi–Entscheidbarkeit des Unerfüllbarkeitsproblems.
Durch Anwendung des Testverfahrens auf ¬F kann man auf Gültigkeit
testen.
→ Semi–Entscheidbarkeit des Gültigkeitsproblems.
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231
Logik für Informatiker
2.5
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Resolution
Wir betrachten eine prädikatenlogische Formel
F = ∀X1 ∀X2 . . . ∀Xm G
in Skolemform ohne freie Variablen und mit der Matrix G in KNF.
• Die Matrix G ist quantorenfrei und von der Form G = ∧ki=1 βi .
• Wir untersuchen nun die zugehörige Klauselmenge
M = { β1 , . . . , βk }.
Eine Struktur A heißt Modell für M , falls A ein Modell für F ist.
Wir betrachten eine Klauselmenge M also wie eine KNF zusammen mit
Allquantoren für alle vorkommenden Variablen.
Eine Klausel β = L1 ∨ . . . ∨ Ln wird auch oft als Menge { L1 , . . . , Ln }
von Literalen repräsentiert.
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232
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Definition (Resolutionsableitung)
Sei M eine Klauselmenge.
Eine Folge K1 , K2 , . . . , Kn von Klauseln nennt man Resolutionsableitung,
falls für alle 1 ≤ i ≤ n gilt:
1. Ki ist eine Grundinstanz einer Klausel K ∈ M ,
d.h. Ki = K[X1 |t1 ] . . . [Xk |tk ], mit t1 , . . . , tk ∈ HUF , oder
2. Ki ist eine (aussagenlogische) Resolvente
zweier Klauseln Ka und Kb mit 1 ≤ a, b ≤ i − 1.
M ist genau dann unerfüllbar, wenn es eine Resolutionsableitung der leeren
Klausel Kn = 2 gibt.
Dasselbe gilt für die entsprechende prädikatenlogische Formel F .
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233
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Wintersemester 2012/13
Beispiel (Resolution)
Wir betrachten die Klauselmenge M = { F1 , F2 , F3 } mit
F1 = ¬p(X) ∨ ¬p(f (a)) ∨ q(Y ),
F2 = p(Y ),
F3 = ¬p(g(b, X)) ∨ ¬q(b).
Dann kann man
• F1 [X|f (a)] [Y |b] und F2 [Y |f (a)] zu K = { q(b) } resolvieren, und
• F2 [Y |g(b, a)] und F3 [X|a] zu K ′ = { ¬q(b) }.
Aus K und K ′ erhält man schließlich die leere Klausel 2.
Also sind die Klauselmenge M und die zugehörige Formel F unerfüllbar:
F = ∀X ∀ Y (F1 ∧ F2 ∧ F3 ).
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234
Logik für Informatiker
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Baumdarstellung:
{ ¬p(X), ¬p(f (a)), q(Y ) }
[X|f (a)] [Y |b]
{ p(Y ) }
[Y |f (a)]
?
{ ¬p(f (a)), q(b) }
{ ¬p(g(b, X)), ¬q(b) }
[Y |g(b, a)]
R
{ p(f (a)) }
{ p(g(b, a)) }
?
{ ¬p(g(b, a)), ¬q(b) }
U U { q(b) }
{ ¬q(b) }
s
[X|a]
+
2
Die Klausel { p(Y ) } wurde in der Resolutionsableitung zweimal benutzt.
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235
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
{ ¬p(X), ¬p(f (a)), q(Y ) }
[X|f (a)] [Y |b]
{ p(Y ) }
{ ¬p(g(b, X)), ¬q(b) }
[Y |f (a)]
?
K1 = { ¬A, B }
[Y |g(b, a)]
R
K2 = { A }
K3 = { C }
[X|a]
?
K4 = { ¬C, ¬B }
U U K5 = { B }
K6 = { ¬B }
s
+
K7 = 2
Durch die vollständige Grundinstanziierung auf
A = p(f (a)), B = q(b), C = p(g(b, a)),
wird das Problem auf die Aussagenlogik reduziert.
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236
Logik für Informatiker
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Aus Effizienzgründen versucht man Substitutionen aber nur auszuführen,
wenn es für den direkt nachfolgenden Resolutionsschritt erforderlich ist.
{ ¬p(X), ¬p(f (a)), q(Y ) }
[X|f (a)]
{ p(Y ) }
[Y |f (a)]
?
[Y |g(b, X)]
{ ¬p(f (a)), q(Y ) }
{ ¬p(g(b, X)), ¬q(b) }
R
{ p(f (a)) }
?
{ p(g(b, X)) } { ¬p(g(b, X)), ¬q(b) }
U U { q(Y ) }
{ ¬q(b) }
[Y |b]
?
?
{ q(b) }
{ ¬q(b) }
s
+
2
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237
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Definition (Unifikator, allgemeinster Unifikator)
Sei θ = [X1 |t1 ] . . . [Xn |tn ] eine Substitution.
1. Für eine endliche Literalmenge
L = { L1 , . . . , Lk }
setzen wir Lθ = { L1 θ, . . . , Lk θ }.
2. θ ist ein Unifikator von L, falls
L1 θ = L2 θ = . . . = Lk θ.
θ
R
θ′
?
γ
3. Ein Unifikator θ von L heißt allgemeinster Unifikator von L,
falls für jeden Unifikator θ ′ von L eine Substitution γ existiert mit
θ ′ = θγ,
d.h. F θ ′ = (F θ)γ für alle Formeln F .
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238
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Beispiel (Allgemeinster Unifikator)
1. θ ist ein allgemeinster Unifikator für die Literalmenge
L = { p(X), p(f (a)) }.
θ ′ ist ein weiterer Unifikator, und es gilt θ ′ = θγ.
θ = [X|f (a)]
R
θ ′ = [X|f (a)] [Y |b]
γ = [Y |b]
?
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239
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Wintersemester 2012/13
2. θ ist ein allgemeinster Unifikator für die Literalmenge
L = { p(Y ), p(g(b, X)) }.
θ ′ ist ein weiterer Unifikator, und es gilt θ ′ = θγ.
θ = [Y |g(b, X)]
R
θ ′ = [X|a] [Y |g(b, a)]
γ = [X|a]
?
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240
Logik für Informatiker
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Allgemeinste Unifikatoren sind i.a. nicht eindeutig:
L = { p(X), p(Y ) }
hat z.B. die beiden folgenden allgemeinsten Unifikatoren:
θ1 = [X|Y ],
θ2 = [Y |X].
Es gilt θ1 θ2 = θ2 und θ2 θ1 = θ1 .
Der folgende weitere Unifikator
θ3 = [X|Z][Y |Z]
ist allerdings kein allgemeinster Unifikator.
Es gilt θ1 [Y |Z] = θ3 und θ2 [X|Z] = θ3 .
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241
Logik für Informatiker
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Die Substitutionen bilden keine Gruppe. Es gibt ein neutrales Element [ ].
Aber für
θ3 = [X|Z][Y |Z]
gibt es z.B. kein Rechts–Inverses γ3 mit
θ3 γ3 = [ ].
Man kann die Anwendung von θ3 nicht rückgängig machen, da man für ein
Z nicht weiß, ob es von einem X oder einem Y herrührt. Ebenso gibt es für
θ4 = [X|a]
kein Rechts–Inverses, da man die Konstante a nicht auf eine Variable X
abbilden kann. Auch für θ1 und θ2 gibt es keine Rechts–Inverse.
Deswegen sind θ1 θ2 = θ2 und θ2 θ1 = θ1 möglich. Interessanterweise gilt
außerdem θ1 θ1 = θ1 und θ2 θ2 = θ2 (Idempotenz).
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242
Logik für Informatiker
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Unifikationssatz (J.A. Robinson)
Jede unifizierbare Menge von Literalen besitzt auch einen allgemeinsten
Unifikator.
Wir interessieren uns hauptsächlich für denjenigen allgemeinsten
Unifikator, der durch den folgenden Algorithmus bestimmt wird.
Unifikationsalgorithmus
Eingabe: eine endliche, nicht–leere Literalmenge (Literalfolge) L
θ = [ ]; ([ ] ist die leere Substitution, d.h. die identische Abbildung)
while |Lθ| > 1 do begin
durchsuche die Literale in Lθ von links nach rechts, bis die erste
Position gefunden ist, wo sich mindestens zwei Literale L1 und L2
unterscheiden (Prädikaten– oder Argument–Position);
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243
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
if keines der beiden Zeichen an den gefundenen Positionen
ist eine Variable
then stoppe mit der Ausgabe “nicht unifizierbar”
else begin
sei X die an der einen Position gefundene Variable
und t der Term an der anderen Position;
if X kommt in t vor (“Occurs Check”)
then stoppe mit der Ausgabe “nicht unifizierbar”
else θ = θ [X|t];
end;
end;
Ausgabe: θ ist ein allgemeinster Unifikator von L
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244
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Beispiel (Unifikationsalgorithmus)
1. Für die Literalmenge L = { p(X), p(f (a)), p(Y ) } sind die
Prädikatenpositionen alle gleich p.
?
?
?
L = { p(|{z}
X ), p(f (a)), p(|{z}
Y )}
|{z}
6
6
6
Die ersten Unterschiede liegen in den Argumenten. Also setzen wir
θ1 = [X|f (a)] und erhalten Lθ1 = { p(f (a)), p(Y ) }, da die ersten
beiden Atome zusammenfallen.
Mittels θ2 = [Y |f (a)] erhalten wir θ = θ1 θ2 = [X|f (a)][Y |f (a)] und
Lθ = { p(f (a)) }. Wegen |Lθ| = 1 ist θ ein allgemeinster Unifikator.
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245
Logik für Informatiker
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2. Für die Literalmenge L = { L1 , L2 }, mit
L1 = p(f (Z, g(a, Y )), h(Z)),
L2 = p(f (f (U, V ), W ), h(f (a, b))),
sind die ersten unterschiedlichen Positionen X = Z und t = f (U, V ).
Somit erhalten wir θ1 = [Z|f (U, V )].
Für Lθ1 = { L1 θ1 , L2 θ1 }, mit
L1 θ1 = p(f (f (U, V ), g(a, Y )), h(f (U, V ))),
L2 θ1 = L2 ,
sind die ersten unterschiedlichen Positionen X = W und t = g(a, Y ).
Somit erhalten wir θ2 = [W |g(a, Y )].
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246
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Für Lθ1 θ2 = { L1 θ1 θ2 , L2 θ1 θ2 }, mit
L1 θ1 θ2 = p(f (f (U, V ), g(a, Y )), h(f (U, V ))) und
L2 θ1 θ2 = p(f (f (U, V ), g(a, Y )), h(f (a, b)))
sind die ersten unterschiedlichen Positionen X = U und t = a. Somit
erhalten wir θ3 = [U |a]. Abschließend erhalten wir noch θ4 = [V |b].
Insgesamt erhalten wir die Substitution
θ = θ1 θ2 θ3 θ4
= [Z|f (U, V )][W |g(a, Y )][U |a][V |b]
= [Z|f (a, b)][W |g(a, Y )][U |a][V |b],
und
L1 θ = p(f (f (a, b), g(a, Y )), h(f (a, b))) = L2 θ.
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247
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
3. Die Literalmenge L = { p, q } ist nicht unifizierbar,
da die Prädikatensymbole nicht übereinstimmen.
4. Die Literalmenge L = { p(a), p(b) } ist nicht unifizierbar,
da die Argumente unterschiedliche Konstanten sind.
5. Die Literalmenge L = { p(f (X)), p(g(X)) } ist nicht unifizierbar,
da die Funktionssymbole f und g nicht übereinstimmen.
6. Die Literalmenge L = { p(X), p(f (X)) } ist ebenfalls nicht
unifizierbar, denn der Occurs Check stellt fest,
daß der Term t = f (X) die Variable X enthält.
Wenn man X mittels θ = [X|t′ ] durch einen Term t′ ersetzt, etwa
durch t′ = t = f (X), dann enthält p(X)θ = p(t′ ) immer ein Auftreten
des Funktionssymbols f weniger als p(f (X))θ = p(f (t′ )).
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248
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Occurs Check
In P ROLOG wird der Occurs Check aus Effizienzgründen meist
weggelassen, da der auf X zu testende Term t sehr groß sein kann.
?- X = f(X).
X = f(**).
• Das Ergebnis der Unifikation von X und f (X) ist in S WI–P ROLOG die
Substitution [X|f (**)] – aber ohne die sonst übliche Ausgabe true.
• Wie bei Dauerschleifen in herkömmlichen Programmiersprachen wie
JAVA, geht man aber davon aus, daß ein Programmierer in der Praxis
diese fehlerhaften Unifikationen vermeidet.
• Aus rein theoretischer Sicht könnte man über unendlichen
Termstrukturen als Ergebnis die Substitution [X|f (f (f (...)))] angeben,
die X durch einen unendlich tief verschachtelten Term ersetzt.
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249
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Definition (Prädikatenlogische Resolution)
Seien K1 und K2 prädikatenlogische Klauseln.
1. Seien θ1 und θ2 Substitutionen, welche die Variablen von K1 und K2
so umbenennen, daß K1 θ1 und K2 θ2 keine gemeinsamen Variablen
mehr enthalten – wir nennen sie dann variablendisjunkt.
2. Für ein Atom A setzen wir A = ¬A und ¬A = A.
3. Es gebe nun Literale L1 , . . . , Lm ∈ K1 θ1 und L′1 , . . . , L′n ∈ K2 θ2 ,
mit m ≥ 1 und n ≥ 1, so daß
K1
K2
L = { L , . . . , L , L′ , . . . , L′ }
1
m
1
n
unifizierbar ist mit einem allgemeinsten Unifikator θ.
4. Dann ist die folgende prädikatenlogische Klausel K eine
prädikatenlogische Resolvente von K1 und K2 :
U K
K = ((K1 θ1 \{ L1 , . . . , Lm }) ∪ (K2 θ2 \{ L′1 , . . . , L′m }))θ.
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250
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Alternative, abstraktere Formulierung
• 1. und 2. wie oben.
• Für eine Literalmenge L setzen wird L = { L | L ∈ L }.
• Es gebe nun nicht–leere Literalmengen
L1 ⊆ K1 θ1 , L2 ⊆ K2 θ2 ,
so daß L1 ∪ L2 unifizierbar ist mit einem allgemeinsten Unifikator θ.
• Dann ist die prädikatenlogische Klausel
K = ((K1 θ1 \ L1 ) ∪ (K2 θ2 \ L2 ))θ
eine prädikatenlogische Resolvente von K1 und K2 .
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K1
K2
U K
251
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Prädikatenlogische Resolution)
Da die Klauselmenge { K1 , K2 } für die Formel
∀X (p(X) ∧ ¬p(f (X))) ≡ (∀X p(X)) ∧ (∀X ¬p(f (X)))
steht, können wir K1 und K2 variablendisjunkt machen.
K1 = { p(X) }
K1′
?
= { p(X) }
K2 = { ¬p(f (X)) }
K2′
?
= { ¬p(f (U )) }
j
K=2
Wir setzen K1′ = K1 , d.h. θ1 = [ ], und K2′ = K2 θ2 , mit θ2 = [X|U ].
Dann ist θ = [X|f (U )] ein allgemeinster Unifikator für
L = { p(X), p(f (U )) }, und wir erhalten die Resolvente K = 2 = ∅.
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252
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Prädikatenlogische Resolution)
K1 = { p(f (X)), ¬q(Z), p(Z) }
K2 = { ¬p(X), r(g(X), a) }
^
K = { ¬q(f (X)), r(g(f (X)), a) }
Wir setzen
θ1 = [ ],
θ2 = [X|U ],
θ = [U |f (X)] [Z|f (X)].
θ ist ein allgemeinster Unifikator für L = { p(f (X)), p(Z), p(U ) }.
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253
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Die Resolutionsmengen werden analog zur Aussagenlogik definiert.
Definition (Resolutionsmengen)
Sei M eine prädikatenlogische Klauselmenge.
Res(M ) = M ∪ { K | K ist eine prädikatenlogische Resolvente
zweier Klauseln K1 , K2 ∈ M }.
Ferner definieren wir:
Res 0 (M )
= M,
Res n+1 (M ) = Res(Res n (M )), für n ≥ 0,
S
∗
Res (M )
= n≥0 Res n (M ).
Es gibt meist sehr viele Resolventen, die wir nicht alle aufzählen können.
Außerdem ist das Variablendisjunkt–Machen nicht eindeutig.
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254
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Resolutionsmengen)
Für die Klauselmenge M = { F1 , F2 , F3 } mit
F1 = ¬p(X) ∨ ¬p(f (a)) ∨ q(Y ),
F2 = p(Y ),
F3 = ¬p(g(b, X)) ∨ ¬q(b),
zur Formel F = ∀X ∀ Y (F1 ∧ F2 ∧ F3 ) erhalten wir folgendes:
• Je nachdem ob wir bei der Resolution von F1 und F2 beide p–Literale
aus F1 gegen F2 = p(Y ) resolvieren oder jeweils nur eines, erhalten
wir drei unterschiedliche Resolventen:
q(Y ), ¬p(f (a)) ∨ q(Y ), ¬p(X) ∨ q(Y ).
• Die Resolution von F2 und F3 über die p–Literale ergibt
¬q(b).
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255
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
• Die Resolution von F1 und F3 über die q–Literale ergibt
¬p(X) ∨ ¬p(f (a)) ∨ ¬p(g(b, X ′ )).
Um die Klauseln variablendisjunkt zu machen, haben X in F3 durch
X ′ ersetzt. Diese Substitution ist natürlich nicht eindeutig.
Wir erhalten also die folgenden Resolutionsmengen:
Res 0 (M ) = M,
Res 1 (M ) = M ∪ { ¬p(f (a)) ∨ q(Y ), ¬p(X) ∨ q(Y ), q(Y ), ¬q(b),
¬p(X) ∨ ¬p(f (a)) ∨ ¬p(g(b, X ′ )) },
Res 2 (M ) = Res 1 (M ) ∪ { 2, . . . }.
Res 2 (M ) enthält hier – neben der leeren Klausel 2 – weitere Resolventen,
die wir nicht alle aufzählen wollen.
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256
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Resolutionssatz der Prädikatenlogik
Sei F eine prädikatenlogische Formel in Skolemform ohne freie Variablen
und mit (quantorenfreier) Matrix in KNF, und sei M die zugehörige
Klauselmenge.
F ist genau dann unerfüllbar, wenn 2 ∈ Res ∗ (M ).
Eine Resolutionsableitung verwendet immer nur endlich viele Klauseln.
Deswegen ist der Kompaktheitssatz entscheident, der besagt, daß eine
unerfüllbare Formelmenge bereits eine endliche unerfüllbare Teilmenge
haben muß.
Der Beweis des Resolutionssatzes erfolgt durch Lifting des
aussagenlogischen Satzes.
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257
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Lifting–Lemma
Seien K1 und K2 zwei prädikatenlogische Klauseln, und seien K1′ und K2′
beliebige Grundinstanzen von K1 bzw. K2 .
• Sei K ′ eine Resolvente von K1′ und K2′ im aussagenlogischen Sinn.
• Dann gibt es eine prädikatenlogische Resolvente K von K1 und K2 ,
so daß K ′ eine Grundinstanz von K ist.
K1
K2
j
?
K1′
Prof. Dr. Dietmar Seipel
K
j ?
′
K
?
K2′
258
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Lifting–Lemma)
{ p(f (X)), ¬q(Z), p(Z) }
{ ¬p(X), r(g(X), a) }
j
θ1 = [X|b] [Z|f (b)]
θ2 = [X|f (b)]
{ ¬q(f (X)), r(g(f (X)), a)
?
?
{ p(f (b)), ¬q(f (b)), p(f (b)) }
{ ¬p(f (b)), r(g(f (b)), a) }
j
?
{ ¬q(f (b)), r(g(f (b)), a)
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259
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Resolution mit Gruppenaxiomen)
Wir schreiben p(X, Y, Z) anstelle von X ◦ Y = Z (Produkt).
(1) Abgeschlossenheit:
∀X∀Y ∃Z p(X, Y, Z).
(2) Assoziativität:
∀U ∀V ∀W ∀X∀Y ∀Z
( p(X, Y, U ) ∧ p(Y, Z, V ) → (p(X, V, W ) ↔ p(U, Z, W ) ).
äquivalent: ∀ . . . ( X ◦ (Y ◦ Z) = W ↔ (X ◦ Y ) ◦ Z = W ).
(3) Existenz eines links–neutralen Elements (X) und Existenz von
Links–Inversen (Z):
∃X ∀Y (p(X, Y, Y ) ∧ ∃Z p(Z, Y, X)).
äquivalent: ∃X ∀Y ((X ◦ Y = Y ) ∧ ∃Z (Z ◦ Y = X)).
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260
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
(4) Existenz von Rechts–Inversen:
∃X ∀Y (p(X, Y, Y ) ∧ ∃Z p(Y, Z, X)).
äquivalent: ∃X ∀Y ((X ◦ Y = Y ) ∧ ∃Z (Y ◦ Z = X)).
Es stellt sich heraus, daß man die Existenz von Rechts–Inversen nicht
separat in einem Axiom fordern muß, da sie bereits aus den anderen
Gruppenaxiomen (1), (2) und (3) folgt.
Um dies zu zeigen, betrachten wir die Negation von (4).
Diese ist äquivalent zur BPF
∀X ∃Y ∀Z (¬p(X, Y, Y ) ∨ ¬p(Y, Z, X)).
• Da Z nicht in der Teilformel p(X, Y, Y ) vorkommt, kann man in (4)
den Existenzquantor ∃Z nach vorne ziehen.
• Die Negation vertauscht All– und Existenzquantoren, und sie
verwandelt nach De Morgan eine Konjunktion in eine Disjunktion.
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261
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Die Formel zur Assoziativität wird z.B. schematisch wie folgt umgeformt:
∀...
∀...
∀...
∀...
( α → (A ↔ B) ) ≡
( α → ((A ∧ B) ∨ (¬A ∧ ¬B)) ) ≡
( α → ((A ∨ ¬B) ∧ (¬A ∨ B)) ) ≡
( (α ∧ B → A) ∧ (α ∧ A → B) ).
Es wurde zweimal verwendet, daß ein negiertes Literal ¬B im Kopf einer
Regel als B in den Rumpf verschoben werden kann:
∀ . . . ( A1 ∧ A2 → (A ∨ ¬B) ) ≡
∀ . . . ( ¬A1 ∨ ¬A2 ∨ A ∨ ¬B ) ≡
∀ . . . ( A1 ∧ A2 ∧ B → A ).
Wir erhalten also aus (2) zwei Implikationen.
Die Folgerung { (1), (2), (3) } |= (4) gilt genau dann, wenn
{ (1), (2), (3), ¬(4) } unerfüllbar ist.
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262
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Klauselform von (1) ∧ (2) ∧ (3) ∧ ¬(4) mit Skolemfunktionen m, e, i, j:
(1) Abgeschlossenheit:
(a) { p(X, Y, m(X, Y )) }.
(2) Assoziativität:
(b) { ¬p(X, Y, U ), ¬p(Y, Z, V ), ¬p(X, V, W ), p(U, Z, W ) },
(c) { ¬p(X, Y, U ), ¬p(Y, Z, V ), ¬p(U, Z, W ), p(X, V, W ) }.
(3) Existenz eines links–neutralen Elements e und Existenz von
Links–Inversen i(Y ) für Gruppenelemente Y :
(d) { p(e, Y, Y ) },
(e) { p(i(Y ), Y, e) }.
(4) Negation der Existenz von Rechts–Inversen:
(f) { ¬p(X, j(X), j(X)), ¬p(j(X), Z, X) }.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
263
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Resolutionsherleitung der leeren Klausel
(f ) { ¬p(X, j(X), j(X)), ¬p(j(X), Z, X) }
|
(d) { p(e, Y, Y ) }
↓ ւ
{ ¬p(j(e), Z, e) }
|
(b) { ¬p(X, Y, U ), ¬p(Y, Z, V ), ¬p(X, V, W ), p(U, Z, W ) }
↓ ւ
{ ¬p(X, Y, j(e)), ¬p(Y, Z, V ), ¬p(X, V, e) }
|
(e) { p(i(Y ), Y, e) }
↓ ւ
{ ¬p(i(V ), W, j(e)), ¬p(W, Z, V ) }
|
(d) { p(e, Y, Y ) }
↓ ւ
{ ¬p(i(V ), e, j(e)) }
Prof. Dr. Dietmar Seipel
264
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
|
(c) { ¬p(X, Y, U ), ¬p(Y, Z, V ), ¬p(U, Z, W ), p(X, V, W ) }
↓ ւ
{ ¬p(i(V ), Y, U ), ¬p(Y, Z, e), ¬p(U, Z, j(e)) }
|
(d) { p(e, Y, Y ) }
↓ ւ
{ ¬p(i(V ), Y, e), ¬p(Y, j(e), e) }
|
(e) { p(i(Y ), Y, e) }
↓ ւ
{ ¬p(i(V ), i(j(e)), e) }
|
(e) { p(i(Y ), Y, e) }
↓ ւ
2
Also folgt das vierte Gruppenaxiom aus den ersten dreien:
(1) ∧ (2) ∧ (3) |= (4).
Prof. Dr. Dietmar Seipel
265
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Da wir in diesem Beispiel ausschließlich Horn–Klauseln vorliegen haben,
können wir die Resolutionsherleitung auch in Implikationsnotation schreiben:
(f ) ← p(X, j(X), j(X)) ∧ p(j(X), Z, X)
|
(d) p(e, Y, Y )
↓ ւ
← p(j(e), Z, e)
|
(b) p(U, Z, W ) ← p(X, Y, U ) ∧ p(Y, Z, V ) ∧ p(X, V, W )
↓ ւ
← p(X, Y, j(e)) ∧ p(Y, Z, V ) ∧ p(X, V, e)
|
(e) p(i(Y ), Y, e)
↓ ւ
← p(i(V ), W, j(e)) ∧ p(W, Z, V )
|
(d) p(e, Y, Y )
↓ ւ
← p(i(V ), e, j(e))
Prof. Dr. Dietmar Seipel
266
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
|
(c) p(X, V, W ) ← p(X, Y, U ) ∧ p(Y, Z, V ) ∧ p(U, Z, W )
↓ ւ
← p(i(V ), Y, U ) ∧ p(Y, Z, e) ∧ p(U, Z, j(e))
|
(d) p(e, Y, Y )
↓ ւ
← p(i(V ), Y, e) ∧ p(Y, j(e), e)
|
(e) p(i(Y ), Y, e)
↓ ւ
← p(i(V ), i(j(e)), e)
|
(e) p(i(Y ), Y, e)
↓ ւ
2
Es handelt sich um eine lineare Herleitung von Goals. Bis auf den ersten
Schritt wird immer zuerst das rechteste Atom des Goal–Rumpfes resolviert.
Wenn man zuerst mit (b) und dann mit (d) resolvieren würde, dann wäre
dies – wie bei der SLD–Resolution in Kapitel 3 – immer der Fall.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
267
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Prädikatenlogik der zweiten Stufe (PL2)
Die Prädikatenlogik ist zwar ausdrucksstärker als die Aussagenlogik.
Aber trotzdem kann auch im Rahmen der Prädikatenlogik nicht jede
mathematische Aussage formuliert werden.
Wir erhalten eine noch größere Ausdrucksstärke, wenn wir zusätzlich
Quantifizierungen über
• Prädikaten– und
• Funktionssymbolen
erlauben.
Beispiel (PL2)
F = ∀p ∃f ∀X p(f (X)).
Prof. Dr. Dietmar Seipel
268
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Exkurs: Induktionsaxiom der natürlichen Zahlen in PL2
Das Induktionsaxiom wurde ursprünglich in der PL2 formuliert:
∀p ( p(0) ∧ ∀N (N ∈ IN0 ∧ p(N ) → p(s(N ))) →
∀N (N ∈ IN0 → p(N )) ).
Es verwendet ein 1–stelliges Funktionssymbol s zur Bezeichnung des
Nachfolgers einer natürlichen Zahl, und es quantifiziert über ein 1–stelliges
Prädikatensymbol p.
Das Axiom besagt, daß jede induktive Teilmenge von IN0 – beschrieben
durch das Prädikat p – gleich IN0 sein muß:
• Falls p für die Zahl 0 gilt, und
• falls für alle N ∈ IN0 aus p(N ) auch p(s(N )) folgt,
d.h., wenn p für N gilt, dann gilt p auch für N + 1,
• dann gilt p für alle N ∈ IN0 .
Prof. Dr. Dietmar Seipel
269
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Peano–Axiome der natürlichen Zahlen
(P1)
∀N ¬ (s(N ) ≡ 0),
(P2)
∀N ∀M (s(N ) ≡ s(M ) → N ≡ M ),
(P3)
∀p ( p(0) ∧ ∀N (p(N ) → p(s(N ))) → ∀N p(N ) ).
(P3) ist eine verkürzte Version des Induktionsaxioms in der PL2.
Zusätzlich muß das Gleichheitsprädikat ≡ geeignet axiomatisiert werden.
Dann sind alle Modelle A der Gesamtformelmenge F isomorph.
Z.B. gibt es das (eindeutige) Herbrand–Modell mit der Grundmenge
HUF = { 0, s(0), s(s(0)), . . . } = { sn (0) | n ∈ IN0 }.
Das Herbrand–Modell repräsentiert eine natürliche Zahl n ∈ IN als einen
Term sn (0) mit n Auftreten des Funktionssymbols s.
Wir setzen dazu s0 (0) = 0 und sn+1 (0) = s(sn (0)), für n ∈ IN0 .
Prof. Dr. Dietmar Seipel
270
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Ein anderes Modell A, das von John von Neumann vorgeschlagen wurde,
repräsentiert eine natürliche Zahl n ∈ IN als eine Menge.
Dazu werden die Terme sn (0) aus HUF folgendermaßen interpretiert:
0A
= ∅,
s(t)A = tA ∪ {tA }.
Wenn wir (sn (0))A = sn schreiben, dann erhalten wir:
s0
= ∅,
s1
= s0 ∪ { s0 } = ∅ ∪ { ∅ } = { ∅ } = { s0 },
s2
= s1 ∪ { s1 } = { ∅, { ∅ } } = { s0 , s1 },
sn+1 = sn ∪ { sn } = { s0 , s1 , . . . , sn }.
Man kann dagegen zeigen, daß jede Axiomatisierung der natürlichen
Zahlen als Peano–Struktur im Rahmen der PL1 Nicht–Standardmodelle
aller unendlichen Kardinalitäten zuläßt.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
271
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Mathematische Theorien
Eine Theorie ist eine Menge T von Formeln (möglicherweise beschränkt
auf solche Formeln, die nur aus bestimmten vorgegebenen Bestandteilen –
z.B. bestimmten Prädikaten– und Funktionssymbolen – aufgebaut ist), die
gegenüber Folgerbarkeit abgeschlossen ist. D.h., falls
{ F1 , . . . , Fn } ⊆ T
gilt und
F eine Folgerung aus { F1 , . . . , Fn } ist,
dann gilt auch
F ∈T
Die Formeln F ∈ T heißen auch Sätze der Theorie.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
272
Logik für Informatiker
Prof. Dr. Dietmar Seipel
Wintersemester 2012/13
273
Logik für Informatiker
2.6
Wintersemester 2012/13
Hyperresolution für Hornformeln
Eine prädikatenlogische Klausel K = L1 ∨ . . . ∨ Ln ist eine Hornklausel,
falls maximal ein Literal Li positiv ist – wie in der Aussagenlogik.
Es gibt auch wieder drei interessante Spezialfälle;
im folgenden seien A und B1 , . . . , Bm prädikatenlogische Atome:
• Eine (definite) Regel ist ein Hornklausel K = A ∨ ¬B1 ∨ . . . ∨ ¬Bm
mit genau einem positiven Literal.
• Ein (definites) Fakt ist einen Regel K = A ohne negative Literale (m = 0).
• Eine Goal (Ziel, Anfrage) ist eine Hornklausel K = ¬B1 ∨ . . . ∨ ¬Bm
ohne positives Literal.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
274
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
In der Logikprogrammierung verwendet man – aufgrund der Regeln von De
Morgan – für Hornklauseln folgende Implikations–Notation:
Fakt:
A,
Regel: A ← B1 ∧ . . . ∧ Bm , m ≥ 0,
Goal: ← B1 ∧ . . . ∧ Bm , m ≥ 0.
Regeln und Fakten:
• Das Atom A heißt Kopf einer Regel r = A ← β.
• Die Konjunktion β = B1 ∧ . . . ∧ Bm ist der Rumpf der Regel r.
Die Atome Bi , mit 1 ≤ i ≤ m, heißen Rumpfatome.
• Falls m = 0 ist, so wird die Regel mit dem Fakt A gleichgesetzt.
Goals werden bei der SLD–Resolution (Kapitel 3) für Anfragen benutzt; in
diesem Abschnitt zur Hyperresolution verwenden wir keine Goals.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
275
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
DATALOG–Programme: verwendet in Deduktiven Datenbanken
In der Aussagenlogik enthalten Hornformeln keine Variablensymbole.
Als Erweiterung betrachten wir nun in der Prädikatenlogik Hornformeln,
bei denen alle Variablensymbole in mindestens einem Rumpfatom
vorkommen. Solche Hornformeln nennen wir bereichsbeschränkt.
Eine Menge von bereichsbeschränkten Hornformeln in
Implikationsnotation nennen wir DATALOG–Programm.
• Im strengen Sinne können DATALOG–Programme P auch keine
Funktionssymbole enthalten. Dann ist das Herbrand–Universum HUP
endlich, und es können nur endlich viele Atome abgeleitet werden.
• In praktischen Anwendungen verwendet man aber oft die Erweiterung
um Funktionssymbole namens DATALOGfun . Dann liegt es am
Programmierer, Dauerschleifen bei der Ableitung zu vermeiden.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
276
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (DATALOG–Programm)
Die folgenden Regeln bilden ein DATALOG–Programm P zur Berechnung
der Vorfahren (ancestor ) aufgrund der Eltern–Relation (parent):
ancestor(X, Y ) ← parent(X, Y ),
ancestor(X, Y ) ← parent(X, Z) ∧ ancestor(Z, Y ).
Zugehörige Eltern–Fakten:
parent(a, b), parent(b, c), parent(c, d).
Jeder Elternteil ist ein Vorfahre (Regel 1), und jeder Vorfahre der Eltern ist
ebenfalls ein Vorfahre (Regel 2).
In P ROLOG sind auch Regeln sinnvoll, bei denen Variablensymbole nur im
Kopf vorkommen – wie z.B. das Fakt zu hres_iteration/3 am Ende
dieses Abschnittes.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
277
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Hyperresolution
Die sukzessive, n–fache Anwendung der binären Resolution auf eine Regel
A ← B1 ∧ . . . ∧ Bn und geeignete Fakten Ai nennt man Hyperresolution.
Die Rumpfatome Bi werden sukzessive mit den Fakten Ai resolviert.
A ∨ ¬B1 ∨ ¬B2 ∨ . . . ∨ ¬Bn
θ1
A1
?9
(A ∨
¬B2 ∨ . . . ∨ ¬Bn ) θ1
θ2
..?9
.
A2
..
.
?9
(A ∨
¬Bn ) θ1 . . . θn−1
θn
An
?9
A θ1 . . . θn
Wir nennen das berechnete Fakt A θ1 . . . θn eine Hyperresolvente.
Prof. Dr. Dietmar Seipel
278
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
DATALOG–Fakten enthalten keine Variablensymbole.
Deswegen muß man die Fakten Ai und die zwischendurch erhaltenen
Regeln nicht variablendisjunkt machen.
Es genügt Substitutionen θi zu finden, so daß
(Bi θ1 . . . θi−1 ) θi = Ai .
Wir bezeichen
θ = θ1 . . . θn
als die berechnete Substitution. Die berechnete Hyperresolvente
Aθ
ist dann automatisch auch ein Fakt ohne Variablensymbole,
da ja alle Variablensymbole aus dem Regelkopf A in den Rumpfatomen Bi
enthalten sind und somit von θ grundinstanziiert werden.
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279
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Hyperresolution)
Für das DATALOG–Programm P mit den Regeln
anc(X, Y ) ← par(X, Y ),
anc(X, Y ) ← par(X, Z) ∧ anc(Z, Y ),
und den Eltern–Fakten
par(a, b),
par(b, c),
par(c, d),
erhalten wir folgendes:
1. Die Fakten aus P werden mittels einer Hyperresolution durch n = 0
Anwendungen der binären Resolution abgeleitet.
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280
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
2. Dann kann aus dem Fakt par (b, c) und der ersten Regel ein Fakt
anc(b, c) abgeleitet werden:
anc(X, Y ) ← par (X, Y )
θ1 = [X|b] [Y |c]
par (b, c)
?)
anc(b, c)
Die berechnete Substitution ist
θ = θ1 = [X|b] [Y |c],
und es wird anc(X, Y )θ = anc(b, c) abgeleitet.
Ebenso werden die Fakten anc(a, b) und anc(c, d) abgeleitet.
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281
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
3. Danach kann aus den Fakten par (a, b) und anc(b, c) und der zweiten
Regel das Fakt anc(a, c) abgeleitet werden:
anc(X, Y ) ← par (X, Z) ∧ anc(Z, Y )
θ1 = [X|a] [Z|b]
?9
anc(a, Y ) ← anc(b, Y )
θ1 = [Y |c]
par (a, b)
anc(b, c)
?9
anc(a, c)
Die berechnete Substitution ist
θ = θ1 θ2 = [X|a] [Z|b] [Y |c],
und es wird anc(X, Y )θ = anc(a, c) abgeleitet.
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282
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Ebenso kann das Fakt anc(b, d) abgeleitet werden.
4. Zuletzt kann aus dem Fakt anc(b, d) das Fakt anc(a, d) abgeleitet
werden:
anc(X, Y ) ← par (X, Z) ∧ anc(Z, Y )
θ1 = [X|a] [Z|b]
?9
anc(a, Y ) ← anc(b, Y )
θ1 = [Y |d]
par (a, b)
anc(b, d)
?9
anc(a, d)
Insgesamt haben wir also die folgenden anc–Fakten abgeleitet:
anc(a, b), anc(b, c), anc(c, d), anc(a, c), anc(b, d), anc(a, d).
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283
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
In Iteration n ≥ 2 werden also die anc–Fakten zu den Pfaden der Länge
n − 1 in der Vorfahrenhierarchie abgeleitet:
dY
6
c
I
6
b
6
a
Die durchgezogenen Linien zeigen die par –Fakten und die entsprechenden
anc–Fakten zu den Pfaden der Länge 1.
Die gestrichelten Linien zeigen die anc–Fakten zu den Pfaden der Länge 2
und 3. Das Fakt anc(a, d ) zur Länge 3 wird in Iteration 4 aus par (a, b) und
anc(b, d ) abgeleitet.
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284
Logik für Informatiker
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Hyperresolutionsmengen
Sei P ein DATALOG–Programm und I eine Herbrand–Interpretation.
1. Hres(P, I) ist die Menge aller Hyperresolventen, die man aus einer
Regel aus P und geeigneten Fakten aus I herleiten kann:
2. Also besteht Hres(P, I) aus allen Grundatomen Aθ, so daß es eine
Regel A ← B1 ∧ . . . ∧ Bn ∈ P gibt, mit Bi θ ∈ I, für alle 1 ≤ i ≤ n.
3. Man könnte auch sagen: Hres(P, I) besteht aus allen Grundatomen A,
so daß es eine Grundinstanz A ← B1 ∧ . . . ∧ Bn einer Regel aus P
gibt, mit Bi ∈ I, für alle 1 ≤ i ≤ n.
4. Wenn gnd (P ) die Menge dieser Grundinstanzen ist, dann gilt:
Hres(P, I) = { A | A ← β ∈ gnd (P ) ∧ I |= β }.
Für ein festes P , schreibt man anstelle von Hres(P, I) oft auch Hres P (I).
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285
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Man kann auch wieder Potenzen Hres n (P ) bilden:
Hres 0 (P )
= ∅,
Hres n+1 (P ) = Hres(P, Hres n (P )),
S
∗
Hres (P )
= n∈IN+ Hres n (P ).
Offensichtlich gilt auch hier die Monotonie–Eigenschaft:
P ⊆ P ′ ∧ I ⊆ I ′ ⇒ Hres(P, I) ⊆ Hres(P ′ , I ′ ).
Also kann man wieder durch vollständige Induktion folgendes zeigen:
Hres n (P ) ⊆ Hres n+1 (P ).
Wir schreiben Fakten in den Hyperresolutionsmengen als Atome.
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286
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Beispiel (Hyperresolutionsmengen)
Für das DATALOG–Programm P mit den Regeln
anc(X, Y ) ← par(X, Y ),
anc(X, Y ) ← par(X, Z) ∧ anc(Z, Y ),
und den Eltern–Fakten
par(a, b), par(b, c), par(c, d),
erhalten wir folgendes:
Hres 0 (P ) = ∅,
Hres 1 (P ) = { par (a, b), par (b, c), par(c, d) },
Hres 2 (P ) = Hres 1 (P ) ∪ { anc(a, b), anc(b, c), anc(c, d) },
Hres 3 (P ) = Hres 2 (P ) ∪ { anc(a, c), anc(b, d) },
Hres 4 (P ) = Hres 3 (P ) ∪ { anc(a, d) }.
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287
Logik für Informatiker
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Exkurs: Hyperresolution in P ROLOG
Wir kodieren eine DATALOG–Regel A ← B1 ∧ . . . ∧ Bn als eine
Paar–Struktur
[A]-[B1 ,...,Bn ].
Die Liste [A] enthält das Kopfatom, die Liste [B1 ,...,Bn ] die
Rumpfatome. Ein Fakt, d.h., eine Regel ohne Rumpfatome (n = 0), kann
auch kurz als [A] kodiert werden.
parse_rule(Head-Body, Head-Body) :!.
parse_rule(Head, Head-[]).
parse_rule/2 zerlegt eine DATALOG–Regel in Kopf und Rumpf.
Dann wird aus einem Fakt [A] eine Paar–Struktur [A]-[] mit einem
leeren Rumpf.
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288
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Das Prädikat hres/3 generiert zu einem DATALOG–Programm Program
und einer Herbrand–Interpretation Int_1 eine neue
Herbrand–Interpretation Int_2 bestehend aus den Hyperresolventen.
% hres(+Program, +Int_1, -Int_2) <hres(Program, Int_1, Int_2) :findall( A,
( member(Rule, Program),
parse_rule(Rule, [A]-Body),
members(Body, Int_1) ),
Int_2 ).
Der Aufruf findall(A,Goal,Int_2) sammelt über Backtracking alle
Hyperresolventen A in einer Liste Int_2. Das D DK erlaubt sogar folgende
Mengenschreibweise: Int_2 <= {A|Goal}.
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289
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Der Aufruf member(B, Int_1) für ein Atom B und eine
Herbrand–Interpretation Int_1 findet geeignete Grundinstanzen
von B, die in Int_1 liegen.
?- Int_1 = [ par(a, b), par(b, c), par(c, d),
anc(b, c), anc(b, d), anc(c, d) ],
B = par(X, Z),
member(B, Int_1).
B = par(a, b), X = a, Z = b ;
B = par(b, c), X = b, Z = c ;
B = par(c, d), X = c, Z = d ;
No
?-
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290
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Der Aufruf members(Body, Int_1) in hres/3 kann wie folgt
implementiert werden:
Variante 1 (foreach–do–Schleife):
members(Xs, Ys) :foreach(X, Xs) do
member(X, Ys).
Variante 2 (Listen–Rekursion):
members([X|Xs], Ys) :member(X, Ys),
members(Xs, Ys).
members([], _).
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291
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Wenn man in der rekursiven Implementierung X=B1 und Xs=[B2,...,Bn]
setzt, so ergibt sich wegen [B1,B2,...,Bn]=[B1|[B2,...,Bn]]
folgendes: aus dem Aufruf
members([B1,B2,...,Bn],Ys)
wird ein Aufruf member(B1,Ys) und ein rekursiver Unteraufruf
members([B2,...,Bn],Ys)
erzeugt. Per Induktion kann man zeigen, daß daraus wiederum die Aufrufe
member(B2,Ys), . . . , member(Bn,Ys) erzeugt werden.
Für feste Listenlänge n könnte man members/2 also wie folgt
implementieren:
members([B1,...,Bn], Ys) :member(B1, Ys), ..., member(Bn, Ys).
Die foreach–do–Schleife hat denselben Effekt.
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292
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Innerhalb des findall/3 wird jede Regel Rule aus Program zunächst
mittels parse_rule/2 in Kopf und Rumpf zerlegt, und dann wird Body
so instanziiert, daß alle instanziierten Rumpfatome in Int_1 liegen.
?- Rule = [anc(X,Y)]-[par(X,Z),anc(Z,Y)],
parse_rule(Rule, [A]-Body),
Int_1 = [ par(a,b), par(b,c), par(c,d),
anc(b,c), anc(b,d), anc(c,d) ],
members(Body, Int_1).
X=a, Y=c, Z=b, A=anc(a,c), Body=[par(a,b),anc(b,c)] ;
X=a, Y=d, Z=b, A=anc(a,d), Body=[par(a,b),anc(b,d)] ;
X=b, Y=d, Z=c, A=anc(b,d), Body=[par(b,c),anc(c,d)]
Nach dem Aufruf von parse_rule/2 ist Body=[par(X,Z),anc(Z,Y)]
.
Erst durch den Aufruf von members/2 wird Body weiter gebunden.
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293
Logik für Informatiker
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Dies instanziiert auch den Kopf A der Regel zu einer Hyperresolvente.
Über Backtracking werden für alle Regeln alle Hyperresolventen gefunden.
hres/3 berechnet durch Kombination der par–Fakten und der
anc–Fakten aus der Interpretation Int_1 eine neue Interpretation Int_2:
?- Program = [
[anc(X, Y)]-[par(X, Z), anc(Z, Y)] ],
Int_1 = [
par(a, b), par(b, c), par(c, d),
anc(b, c), anc(b, d), anc(c, d) ],
hres(Program, Int_1, Int_2).
Int_2 = [ anc(a, c), anc(a, d), anc(b, d) ]
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294
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Theorem 2.1 (Charakterisierung von Herbrand–Modellen)
Sei P ein DATALOG–Programm und I eine Herbrand–Interpretation von P .
I ist ein Herbrand–Modell von P , g.d.w. gilt Hres(P, I) ⊆ I.
Beweis:
“⇐” Sei I eine Herbrand–Interpretation von P mit Hres(P, I) ⊆ I.
Sei A ← β eine Grundinstanz einer Regel aus P mit I |= β.
Dann gilt A ∈ Hres(P, I), und wegen Hres(P, I) ⊆ I folgt A ∈ I.
Also ist I ein Herbrand–Modell von P .
“⇒” Sei I ein Herbrand–Modell von P .
Für jedes A ∈ Hres(P, I) gibt es eine Grundinstanz einer Regel
A ← β aus P mit I |= β. Da I ein Herbrand–Modell von P ist, folgt
sofort A ∈ I. Also gilt Hres(P, I) ⊆ I.
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295
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Minimales Herbrand–Modell
Für ein DATALOG–Programm P kann man folgendes zeigen:
1. Jedes Herbrand–Modell muß Hres ∗ (P ) enthalten.
2. Hres ∗ (P ) ist ein Herbrand–Modell:
Hres(P, Hres ∗ (P )) ⊆ Hres ∗ (P ).
Also ist Hres ∗ (P ) das eindeutige minimale Herbrand–Modell von P .
Wir bezeichnen es mit MP .
Eine definite Regel A ← B1 ∧ . . . ∧ Bm besteht aus Atomen A und
B1 , . . . , Bm , mit m ∈ IN0 . Im Vergleich zu DATALOG gibt es keine
Bedingung für die Vorkommen der Variablensymbole.
Auch beliebige definite Logikprogramme P (Mengen definiter Regeln)
haben ein eindeutiges minimales Herbrand–Modell MP .
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296
Logik für Informatiker
Wintersemester 2012/13
Exkurs
Für DATALOG kann das minimale Herbrand–Modell MP = Hres ∗ (P )
durch Iteration von hres/3 berechnet werden:
% hres_iteration(+Program, -Interpretation) <hres_iteration(Program, Interpretation) :hres_iteration(Program, [], Interpretation).
hres_iteration(Program, Int_1, Int_2) :writeln(Int_1),
hres(Program, Int_1, Int_3),
sort(Int_3, Int_4),
Int_4 \= Int_1,
!,
hres_iteration(Program, Int_4, Int_2).
hres_iteration(Program, Int, Int).
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